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Full text of "zeitschrift fur deutsches alterthum"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DEUTSCHES  ALTERTHÜM 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


MORIZ  HAUPT. 


ZWEITER  BAND. 


LEIPZIG 

weidmann'sche   Büchhandlung. 

1842. 


■C. .   *"• 


ALLERHAND   ZU  GUDRUN. 

.  1.  GabiMn  10!,  1  helfet  Parz.  383,  2.  575,  27  daz 
gampibän  und  ist  das  zeichen  in  Ilinötes  wappen.  zunächst 
denkt  man  dabei  an  xdfinog  iTnroxctfinog  tTTnoxdfintj  seepferd. 
Festus  cappas  (campas)  marinos  equos  Graeci  a  flexu  poste- 
riorum  partium  appellant.  doch  -zu  erwägen  wäre  auch  das 
ital.  span.  gambaro  seekrebs,  altfranz.  jamble,  gr.  xdpctQog 
m&WMQOQ,  lat.  cammarus  gammarus,  mlat.  gambarus,  altn. 
kumriy  schwed.  dän.  hummer,  franz.  komard.  ein  seeunge- 
hener  auf  jeden  fall. 

2.  Es  ist  eine  schöne  art  dargebotnc  gaben  so  auszu- 
schlagen dafe  man  sie  segne  und  preise,  gleichsam  ihren 
werth  für  den  erhebe  der  sie  behalten  soll.  Gudrun  lehnt 
die  yon  Ortwin  und  Herwic  gebotnen  ringe  mit  den  Worten 
ab  1225,  1  got  Idze  iu  tuwer  bouge  beiden  scelic  sin!  nnd 
wiederum  die  mäntel  1233,  1  got  läse  iu  salze  sin  tuwer  bei- 
der tnentel!  gerade  so  Siegfried  den  ihm  von  Giselher  ange- 
tragnen theS  burgundisches  landes  Nib.  640,  3  got  Idziu  iwer 
erbe  immer  scelic  sin!  schien  höfischen  dichtem  diese  for- 
met zu  gemein  als  dafs  sie  sie  angewendet  hätten  ?  denn  sie 
fände  sich  sonst  öfter,  ähnliche  redensarten  mögen  unterm 
volk  häufig  umgegangen  sein,  um  abzulehnen  und  höflich  zu 
wehren,  in  Holbergs  eilftem  juni  3,  6,  als  Studenstrup  lust 
trägt  zu  einem  schmucken  röhr,  aber  hört  dafs  es  nicht  un- 
ter sechs  thalern  zu  haben  sei,  ruft  er  vom  kaufe  abstehend 
au  gud  bevare  mine  sex  rigsdaler !  =  got  Idze  mir  si  sce- 
lic sin!  das  büchlein  vom  salzburgischen  Untersberg,  Brixen 
1782  s.  11  erzählt  wie  eine  bäuerin  ihren  mann  bei  einer 
wilden  frau  mit  langen  haaren  überrascht  und  sie  angeredet 
habe  co  behüte  gott  deine  schönen  haare,   was   thut  ihr  da 

Z.  P.  D.  A.    II.  1 


2  ALLEltHAND  ZU  GUDRUN. 

mit  einander?*  sie  will  in  gute  sagen  'weiche  von  hinnen 
und  behalt  deine  schönen  haare  für  dich  die  meinen  mann 
verlocken ! '  dieses  feine  mahnen  thut  auf  die  fremde  wür- 
kung,  vgl.  deutsche  sagen  1,  65. 

3.  Hettel  gehört  nicht  zum  ags.  Henden  in  scöpes  vid- 
sid;  es  gibt  sonst  keinen  eigennamen  Henden,  und  das  alt- 
burgund.  hendinus,  goth.  kindins  bleiben  billig  aus  dem  spiel 
dabei,  sogar  für  Henden  schlage  ich  vor  dort  zu  lesen  Heo- 
den9  und  dann  träte  Zusammenhang  ein.  denn  Heden,  Hen- 
den (nicht  zu  schreiben  Hede?i,  Heoden)  ist  ahd.  Hetan,  das 
als  einfacher  eigennainc,  besonders  aber  in  den  compositis 
Wolfhttan  (trad.  fuld.  2,  60.  mon.  boica  28  n°  52.  246), 
Pernhe'tan  :=:  altn.  Ulfhedmn,  Biarnhedimi  vorkommt,  altn. 
d  hier,  wie  oftmahls,  gesetzt  für  organisches  d.  Wolf- 
hetan  dreht  sich  auch  um  in  Hetanwolf  (Hedenulfus  Pertz 
1,  508..  2,  213).  was  dies  ahd.  hetan,  alls.  hedan,  ags.  he- 
den  heoden,  altn.  hedhin  (Saxo  gramm.  schreibt  Hithinus) 
bedeute  weifs  ich  noch  nicht;  die  goth.  form  wäre  hidan 
oder  hudan  (wie  trudan  -=.  ahd.  tretan).  vom  ahd.  heidan 
paganus,  goth.  häipns,  ags.  hceden9  alts.  hethin,  altn.  hei- 
dinn  steht  es  ab,  wiewohl  Verwechslungen  beider  formen  frühe 
begonnen  haben  mögen,  z.  b.  wenn  der  eigenname  Paganus 
erscheint  (Lacomblet  n°  314.  330.  a.  1132.1139),  war  er  doch 
eher  Hedan  als  Hedatu  Häthan.  auch  Heidenreich  lautete 
wohl  ursprünglich  Hedunric,  ahd.  Hetanrih?  wie  jenes  He- 
tanwolf nhd.  als  Heidenwolf  Heidwolf  Heidloff  erscheint, 
dies  alles  über  Hetav  vorausgeschickt  kann  ich  fortfahren. 
Hettel  in  der  Gudrun  halte  ich  für  entsprungen  aus  Hetel 
Heten,  und  die  ags.  Heodeningas,  altn.  Hiadningar  (gramm. 
1,  352)  werden  ahd.  geheifsen  haben  Hetaningd,  He'talingd, 
was  allmählich  entstellt  wurde  in  Hegelinge,  der  letzten  form 
entspricht  in  ags.  und  altn.  berichten  durchaus  nichts,  aller- 
dings gab  es  einen  ahd.  ortsnamen  Hegilinga  (Meichelbeck 
n°  418)  f,  allein  in  unsrer  dichtung  ist  Hegelinge  name  eines 
geschlechts  der  nur  in  den  construetionen  sen  Hegelingen 
oder  Hegelinge  lant  örtlich  wird,  nothwendig  also  auf  einen 
Stammherrn  führt,    der  im  lied  nirgends  Hegel,    nur  Hettel 

1.  vgl.  Mon«  keldensage   s.  52. 


ALLERHAND  ZU  GUDRUN.  3 

heifst  und  dem  ags.  Heoden,  altn.  Hedinn  gleich  steht  nach 
welchem  die  Heodeningas,  Hiadningar  benannt  sind,  mit 
ü'egelmg  kann  Hygeldc  im  Beovulf  =  ahd.  Hugileih,  alt- 
frank.   Chochilaich  nichts  gemein  haben. 

4.  In  Gudrun  klingen  verschollene  stammsagen  und  ort* 
lichkeiten  des  nordwestlichen  Deutschlands  an,  zumahl  auf  die 
Niederlande  Friesland  und  einen  theil  von  Scandinavien  be- 
zügliche; hätten  wir  genaue  geographische  künde  aus  dem 
höheren  alterthum  dieser  landstriche,  so  würden  sich  manche 
einzelnheiten  des  gedichts  aufhellen.  Mateldne,  der  Hegelinge 
sitz,  erinnert  an  ein  niederrheinisches  Mediolanium  des  Pto- 
lemäus,  das  man  im  münsterschen  Städtchen  Metein  an  der 
Vecht,  zwischen Horstmar  und  Rentheim,  wiederfindet,  ältere 
Urkunden  nennen  es  Matellia1.  Peutingers  tafel  gibt  nach 
Fletfone  ein  Matilone,  der  geographus  Raveunas  nach  Fle- 
tione  ein  Matellione  an,  welche  formen  dem  Mateldrte  noch 
näher  rücken.  Fletione  setzen  andere  westlicher  nach  YsseL 
stein  und  Matilone  in  die  gegend  von  Rynsburgen.  die  altn. 
Überlieferung  scheint  von  keinem  ähnlichen  ort  zu  wifsen. 
bei  Saxo  gramm.  s.  88 — 90  ist  Hithinus  ein  rex  aliquantae 
Norvagiensium  gentis,  Höginus  (1.  Högnius)  ein  Jutorum 
regulus,  während  unsere  dichtung  den  Hagene  in  Irland,  die 
ags.  den  Hagena  in  Holmrice  hausen  läfst.  nach  Saxo  käm- 
pfen beide,  Hithinus  und  Höginus,  auf  Hithinsö,  worunter  er 
sich  vermutlich  Hedinsey,  nordwestlich  von  Rügen  dachte, 
was  noch  heute  den  namen  Hiddensee  führt,  aber  Snorra- 
edda  164  legt  diesen  kämpf  mch  Hdey,  einer  der  orkadischen 
inseln,  was  den  Schauplatz  wieder  gegen  Schottland  und  Ir- 
land schiebt,  im  Sörlaß&ttr  (fornald.  sog.  1,  403),  wo  sich 
bedeutende  abweichungen  des  inhalts  darbieten,  heifst  dieselbe 
insel  Hofs  Hd9  in  Gönguhrölfssaga  (daselbst  3,  284)  wird  um- 
gekehrt Hedinsey  weit  ostwärts  zwischen  GardarÜu  und  die 
Tartarei  gebracht,  man  mufs  hinzunehmen  dafs  Sörlaß&ttr 
den  Hedinn  aus  Serkland  d.  h.  Africa,  Sarazenenland  stam- 
men läfst,  wie  im  Gudrunliede  Siegfried  könig  aus  Mörlant 
alsbundesgenofs  der  Hegelinge  auftritt,  das  alte  Maurun- 
gania  an  der  Elbe  ist  dabei  nicht  zn  übersehn. 

1.  Ledebur  Bnikterer  s.  327.  328. 


4  ALLERHAND  ZU  GUDRUN. 

5.  Sehr  merkwürdig  ist  etwas  anderes  bestimmteres, 
iiach  unserm  epos  wird  zwar  der  kämpf  zwischen  Hettel  und 
Hagene  um  Hilde  auf  dem  gestade  von  Waleis  gefochten, 
dagegen  ein  zweiter  ähnlicher  um  Gudrun  zwischen  Hettel 
und  den  Normannen  auf  dem  Wülpensand  oder  Wülpenwer- 
der.  diesen  aber  darf  man  an  die  flandrische  küste,  wo  sich 
die  Scheide  ins  meer  ergiefst,  auf  den  sogenannten  Cadzand 
Gassand  setzen,  wo  noch  im  mittelalter  ein  ort  JVulpia  zu 
finden  war.  der  keurbrief  von  Brügge  a.  1190  (bei  Warn- 
könig 2,  1,  s.  85)  nennt  noch  die  JVulpingi,  homines  de 
Wnlfia  sive  de  Cassand.  dort  in  der  gegend  sind  genug 
landstellen  vom  meer  verschlungen  worden,  zwischen  Wül- 
pen  und  Walchern  hiefs  aber  die  westliche  mündung  der 
Scheide  vormals  Hedensee,  Heidensee1,  was  wiederum  ein 
Hedenseiland  gewesen  sein  wird,  also  den  namen  Hedens 
neben  Wülpen  aufbewahrt,  die  sage  knüpfte  ihren  Schauplatz 
bald  da  bald  dort  an.  dafs  ältere  lieder  die  erste  Schlacht 
zwischen  Hagene  und  Heten  bereits  auf  dem  Wülpenwerd 
geschehn  liefsen  ergibt  sich  aus  der  wichtigen  stelle  im  Alexan- 
der 1831,  wo  man  freilich  Hetenen  für  Hagenen  zu  lesen 
und  anzunehmen  hat  dafs  nach  dieser  darstellung  Hagene  um- 
kam, während  ihn  die  jüngere  am  leben  erhält. 

6,  Hettels  vater  bleibt  im  Gudrunliede  ungenannt;  zu- 
folge der  nordischen  sage  ist  Heäinn  söhn  des  Hiarrandi, 
welchen  namen  man  dem  Horant  (nicht  Horant)  des  liedes 
gleichzusetzen  hat,  nur  dafs  Horant  blofs  als  genofs  des 
Hettel,  nämlich  als  schweslersohn  des  Wate  und  herr  in 
Tenelant  auftritt,  jenem  Hiarrandi  entspricht  der  ags.  Heor- 
renda,  auch  ein  sänger  bei  den  Heodeningen,  wie  Horant 
bei  den  Hegelingen,  kaum  also  Heodens  vater  oder  naher 
verwandter,  den  formen  Hiarrandi,  Heorrenda  würde  ein 
goth.  Hairzanda,  ahd.  Herranto  gleich  sein,  welche  schwache 
flexion  ich  nicht  angetroffen  habe,  mhd.  blofs  die  starke  Her- 
rant;  Herant  kann  übertreten  in  Horant  2,  vgl.  gramm.  1, 
141.  153. 

1.  V£l.  die  carte  von  Flandern  bei  Warnkönig  und  Kluit  hist.  crit. 
comit.  Holl.  et  Zeelandiae  i,  1,  114. 

2.  beispiele  von  Hb'rrant  und  Horant  sammelt  Mone  heldensage  s.  59. 


ALLERHAND  ZU  GUDRUN.  5 

7.  Ahn  darf  auch  nicht  Wate  schreiben,  da  Wate  durch 
den  reim  Waten  :  gegaten  (Alex.  1833)  wie  durch  die  ags. 
Schreibung  Vada9  altn.  Vaäi  (und  nicht  Vceda,  VäM)  be- 
gehrt wird,  ohne  zweifei  ist  Hol.  266,  19,  weil  Oigir  aus 
Dänemark  stammt,    der  dänische  Wate  des  epos  gemeint. 

8«  Für  Nortlant  würde  ich  Ortlant  vorziehen,  wie  z.  b. 
565, 1  geschrieben  steht,  und  weil  es  auf  Irolt  und  Ortwin, 
die  herren  dieses  landes  (716,  1.  1642,  2),  alliteriert,  leicht 
konnte  aus  Ortlant  Hortlant  werden  (466,  4.  520,  1)  oder 
Hortriche  (481,  1.  634,  3)  und  daraus  Nortlant,  wegen  al- 
ter Verwechslung  des  H  mit  dem  N ;  wie  auch  Normanie 
und  Ormanie,  Armenie  schwanken,  wovon  ein  andermahl. 

JACOB  GRIMM. 


SIOZA. 

Den  reicheren  gehalt  der  schönen  ahd.  spräche  als  ihn 
ihre  meist  unbeholfnen  denkmähler  sammeln  lafsen  ahnt  iban 
aas  einzelnen  verstohlnen  formen  die  zu  bisher  aufgestellten 
regeln  ausnahmen  an  die  hand  geben  und  vorerst  nur  mit 
hüfe  verwandter  dialecte  zu  erklären  sind«     es  macht  mir 
grofse  freude  ihre  spuren  zu  verfolgen,    in  Neugarts   Ur- 
kunden las  ich  schon  lange  n°  155  a.  805  Wol/poldes  siaza 
and  n°  226  a.  826  Wolfpoltes  siuzza;   es  wird  dadurch   ein 
grundstück,  ein  waldeigenthum  bezeichnet,    jetzt  findet  sich 
auch  in  einer  ungedruckten  Fulder  glosse,  dieDronke  näch- 
stens herausgeben  will,  das  bestimmtere  siozza  praedia.  da- 
hingestellt bleiben  mufs  ob  der    sg.   sioza  fem.   oder  stoz 
masc.   lautete;  vor  allem   zieht  uns  das  vocalverhältnis  an. 
in  diesem  io9   ia  einen   diphthong  der   fünften  ablautsreihe, 
also  ein  goth.  iu  anzunehmen  verbietet  die  völlige  abwesen- 
heit  einer  goth.  wurzel  siut  saut  sut  oder  ahd.  sioz  s6z  sux. 
es  scheint  also  nur  übrig  eine  brechung    io  z=z  e  oder  ur- 
sprüngliches i  zu  vermuten,  so  dafs  unser  wort  der  bekann- 
ten wurzel  sit  sat  sät  oder  ahd.  siz  saz  sdz  anheim  fiele,  was 
sich  auch  mit  der  bedeutung  grundstück  oder  besitzung  wohl 
vereinbart,     in  der  zweiten  stelle  bei  Neugart,  die  der  diph- 
thongischen auslegung  günstiger  wäre,  wird  vielleicht  tu  für 


0  SIOZA. 

iß  verschrieben   oder  verlesen   sein,     ein  ungebrochnes  sez 

oder  sVfia  weils  ich  nicht  aufzuzeigen,  geschweige  ein  mbd. 

sex  seze  oder  siez  sieze. 1 

Aber  die   ags.   spräche  leistet  uns   gewähr;  sie  bietet 

nicht  nur  geseotu  =  gesetu  (gramm.  1,  349)  2,  sondern  auch 

seotol  ~  setel,  ahd.  sezal  dar.    geseotu  ist  pl.  eines  neutr. 

geseote,  gesete  praedium,    plantatio,    niederlafsung,    anbau? 

noch  mehr,  bei  Lye  steht  ferner  das  einfache  seotu  bucetum 

und  siota  (?  siotu)  stabula,  so  dafs  seote  in  eingeschränktem 

sinn  einen  Weideplatz  für  rinder  im  wald  ausgedrückt  haben 

mag,  was  dem  ahd.  siaza  bei  Neugart  vollkommen   angeme- 

Isen  ist.. 

JACOB  GRIMM. 


•• 


BUCH  DER  RÜGEN. 

Die  pergamenthandschrift  der  ich  das  nachfolgende  ge- 
dieht mit  seinem  lateinischen  vorbilde  entnehme  ist  meines 
wifsens  bis  jetzt  völlig  unbekannt  geblieben,  sie  befindet 
sich  in  der  Sammlung  des  hiesigen  antiquarbuchhändlers  Mat- 
thäus Kuppitsch,  der  sie  mir  mit  dankenswerter  bereitwil- 
ligkoit.  zur  benutzung  überliefs.  ich  bin  nicht  ganz  sicher 
ob  ich  die  schrift  einem  oder  zweien  Schreibern  und  ihrer 
abwechselnden  Sorgfalt  und  unlust  beilegen  soll  oder  ob  die 
augenfällige  Verschiedenheit  der  züge  lediglich  dem  Wechsel 
.deutscher  und  lateinischer  texte  zuzuschreiben  ist.  denn  dafs 
die  lateinische  und  die  deutsche  schrift  desselben  Schreibers, 
besonders  wenn  die  erstere,  wie  es  eben  hier  der  fall  ist, 
sich  in  zahlreicheren  abkürzungen  gefällt  als  die  letztere,  oft 
kaum  wieder  zu  erkennen  sei  werden  mir  erfahrene  gern 
zugestehen,  auf  111  erst  in  neuester  zeit  mit  reifsblei  be- 
zifferten blättern  kleinoctav,  dem  alter  nach  an  den  beginn 
.  des  lön  Jahrhunderts  reichend,  die,  wie  die  spuren  zeigen, 

I.  es  bedarf  kaum  der  bemerkung,   dafs  z  hier  überall  nur  3  sein 
kann! 

%.  ofer  burga  geseotu,   trans   oppidorum  praedia  C.  302,  20,    wo 
Thorpe  zu  geseotu  bemerkt   this  word  does  not  seem  to  oeeur  eise- 
.  ichere.     im  cod.  Exon.  »oll  aber  nach  Lye  ein  gesetu  stehn. 


BUCH  DER  KUGBN.  7 

lange  alles   schützenden  einbandcs  entbehrten,    hat  sich  uns 
nachstehendes  erhalten. 

Von  blatt  1  vw.  bis  16  rw.  ein  auszog  aus  dem  be- 
kannten werke  Hugos  von  st  Victor  speculum  de  mystcriis 
6ecleside,  das  im  dritten  baude  seiner  werke  (Rouen  1648  fol. 
s.  335  ff.)  vollständig  gedruckt  hier  unter  der  rothen  über- 
schritt sich  findet  lncipit  speculum  ecclesiae  domint  Hugonis 
cardinalis,  und  am  ende  Explicit  speculum  super  officium 
missae.     den  rest  der  seite  füllt  folgendes 

Quaeritur,  quid  signißcat  dextrum  et  sinistrum  cornu 
altaris.  Est  ratio,  quod  altaris  dextra  missae  principium 
ßnemque  tenet9  mediumque  sinistra.  Dextra  judeos,  gen* 
tiles  laeva  signißcat.  Coepit  ab  his9  transjertur  ad  Mos. 
Constat  in  altari  carnem  de  pane  creari. 
Iste  cibus  deus  est,  qui  negat  reus  est. 
Tarn  sacrum  pignus  nullus  sumat  indignus, 
Qui  capit  indigne,  digne  cremabitur  igne. 
Articuli  fidei  sunt  incärnatio  Christi, 
Baptismi  lavacrum,  mors  et  descensus  averni, 
Palma  resurgentis,  ascensio  tudiciumque. 
hierauf  roth  Versus  de  xij  gradibus  humilitatis  seeundum 
regulam  beati  Benedicti  abbatis. 

Corde  timet  dominum,  proprium  contemnit  am^ 
Subditur  arbitrio  patiens,   fert  sponte   dol^ 
Clausa  pati  pandit  et  vilia  quoque  sec ,.  " 

Omnibus   extremus  fit  per  comunia  t^ 

Caute    stiere    sciens    risum    depellit   ab  >. 

^^ore  • 
Verbamodestus  agens  humili gerit  omnia  mr 

danach  auf  der  letzten  zeile  roth  lncipit  praefatio  in  ser- 

mones  nulli  parcentes. 

Bl.  17  vw.  bis  26  vw.  füllt  das  unten  gedruckte  lateini- 
sche gedieht. 

Bl.  26  vw.  bis  27  rw.  das  bekannte  gespräch  zwischen 
einem  heiden  Juden  und  Christen  über  die  Vorzüge  ihres  glau- 
bens,  und  zwar  unter  der  rothen  Überschrift  Nota  pulchram 
fabulam  und  beginnend 

Viri  tres  sub  arbore  quadam  quieverunt, 
Cuius  Status  melior  esset  contenderunl  u.  s.  w. 


8  BUCH  DER  AUGEN. 

Bl.  27  rw.  bis  28  rw.  Nota  de  meritis  monachorum, 
beginnend 

Recordare  decet,  dilecti  fratres  mei9 
Qualiter  evadere  posshnus  iram  dei, 
Ne  coram  tanto  iudice  inveniamur  rei    u.  s.  w. 
siebzehn  vierzeilige  einreimige  gesätze. 

BL  28  rw.  bis  39  rw.  auszüge  aus  den  decretalen  un- 
ter der  rothen  Überschrift  In  nomine  domini  Amen.  Anno 
MCC . . . .  excerpta  decretalium.  primum  de  symonia* 

Bl.  39  rw.  bis  50  vw.  Incipit  über  de  regimine  sa- 
nitatis,  eine  schrift  welche  das  uns  bekannte  halbduzend  re- 
gimina,  die  schola  Salernitana  ungerechnet,  abermahls  ver- 
mehrt, sie  hat  zum  verfafser  Arnold  probsten  von  s.  Jacob 
zu  Bamberg,  den  ich  bei  Ussermann  und  sonst  nicht  finde, 
und  ist  auf  die  bitte  Augustins  bischofs  von  Agram  abgefafst. 
das  werk  ist  somit  in  das  erste  viertel  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts zu  setzen,  da  Augustin  von  1303  bis  1323  auf  dem 
bischöflichen  stuhle  zu  Agram  safs  und  in  diesem  jähre  da- 
selbst starb  (Kercselich  de  Corbavia,  B.  A.,  Historiarum  ca- 
thedralis  ecclesiae  Zagrabiensis  partis  1  tom.  1  s.  98  vergl. 
mit  s.  105).  der  eingang  lautet  Reverendo  in  Christo  patri 
domino  et  amico  suo  karissimo  domino  Augustino  episcopo 
sagrabiensi  suus  Arnoldus  sancti  Jacobi  in  Babenberch  prae- 
positus  cum  sui  recommendatione  salutem  et  quidquid  est 
optabile  sane  merenti.  Quia  petivistis  a  me  ut  aliquid  de 
regimine  sanitatis  vobis  in  scriptis  redigerem  u.  s.  w. 

Bl.  46  rw.  unterbricht,  nach  einer  rothen  Überschrift 
auf  der  letzten  zeile  der  vorhergehenden  seite  De  cancris9 
ein  bedeutend  gröfser  geschriebener  abschnitt  aus  dem  ge- 
wöhnlichen missale  den  Zusammenhang,  der  abschnitt  de 
cancris  ist  dadurch  eingebüßt,  denn  die  folgende  seite  47  vw. 
setzt  die  abhandlung  an  einer  anderen  stelle  fort  bis  zu  ende, 
vermutlich  sollte  auf  dem  bereits  früher  beschriebenen  blatte 
mit  dem  bimssteine  räum  geschafft  werden,  unterblieb  aber. 

Bl.  50  vw.  bis  51  rw.  Nota  versus  aequivocales,  be- 
ginnend 

Pluribus  offidis  animae  sunt  nominaplura, 
eine  reimerei  bei  welcher  sichs  um  wortreichthum  handelt,  ver- 
mutlich einst  als  versus  memoriales  der  lieben  jugend  eingequält. 


BUCH  DER  RÜGEN.  9 

Bl.  51  rw.  bis  57  rw.  fVie  man  schol  peichtich  werden, 
eine  deutsche  prosaische  anleitung,  zum  theü  aus  dem. drei- 
zehnten Jahrhundert,  die  eines  auszuges  in  hinsieht  auf  sprä- 
che und  inhalt  nicht  unwerth  wäre. 

Bl.  57  rw.  bis  70  vw.  ein  deutsches  gedieht  Von  dem 
Antichrist  das  vieles  eigentümliche  enthält  und  allerdings 
den  druck  verdiente,  der  spräche  nach  würde  ich  es  in  den 
beginn  des  vierzehnten  Jahrhunderts  setzen,  der  eingang  lautet 

Swen  wundert  von  dem  antichrist 

das  er  also  ge heizen  ist, 

der  merk  an  disem  büechelin 

was  von  im  sant  Augustin 

schribet,  s6  verstit  er  wol 

da«  man  in  also  nennen  sol  u.  s.  w. 
Bl.  70  rw.  bis  99  rw,   unser  unten  gedrucktes  deutsches 
gedieht. 

BL  100  vw.  leer,  bis  auf  ein  paar  federproben,  unter 
denen  eine  in  den  zierlichen  zügen  österreichischer  Urkun- 
den des  14n  und  des  beginnenden  15n  jahrh.  die  jahrzahl 
Anno  dno  Mccccxxxiiij  der  länge  nach  abwärts  laufend  an 
den  rand  der  seite  hingeschrieben  hat. 

Bl.  100  rw.  bis  108  vw.  ohne  Überschrift  eine  deutsche 
poetische  erzählung  von  einem  wunderthätigen  Marienbilde, 
wohl  durch  kreuzfahrer  verpflanzte  sagen  wunderlich  ver- 
schmelzend, aber  anziehend  erzählt,  ich  halte  dieses  gedieht 
mit  dem  oben  besprochenen  vom  Antichrist  für  gleichzeitig 
und  demselben  dichter  angehörig,     es  beginnt 

Wolt  iueh  sin  niht  betragen, 

ich  wolt  iu  gerne  sagen 

von  einem  bilde  ein  meere 

das  guoi  se  heeren  weere. 

ex  was  ein  vrowe  lobesan 

gesessen  bi  ir  lieben  man 

jse  Metopolim  in  der  sta't  u.  s.  w. 
Endlich  bl.  108  rw.   bis  zu   ende  verschiedene  lateini- 
sche gebete. 

Unser  lateinisches  gedieht  halte  ich  für  ein  werk  des 
dreizehnten  Jahrhunderts,  vielleicht  kurz  nach  der  kaiserkrö- 


10  BUCH  DER  RÜGEN. 

niing  des  Hohenstaufers  Friedrichs  des  zweiten»  also  um  1220 
gedichtet,     zu  den  Warnungen  an  pabst  und  kaiser  war  des 
Stoffes  genug  vorhanden,     wer  der  warnende  gewesen  ist 
mir  unbekannt,    dafs   er   dem  geistlichen  stände  angehörte 
höchst  wahrscheinlich  (vgl.  die  zweite  anmerkung  zum  prosai- 
schen eingange),  vielleicht  dem  eben  entstandenen  prediger- 
orden,  der  in  rühriger  geschäftigkeit  und  kühnem  Selbstge- 
fühl an  den  verbrüderten  geistlichen  körperscbaften  und  an 
einzelnen  würden  nur   zu  viel  zu  tadeln  fand.     Quetif  zog 
ich  vergeblich  zu  ratbe,  Matthias  Flacius  hat  ähnliche,  aber 
nicht  unser  gedieht,     namen   nennt  übrigens  dasselbe   nir- 
gend, wohl  aber  das  deutsche,  dessen  kühnerer  verfafser  nicht 
umhin  konnte  im  abschnitte  vom  pabste  diesen  zweimahl  zu 
nennen,  z.  167  und  hebet  an  dem  tiursten  an,  ich  ween  das 
si  der  bähst  Johan,     dann  z.  257  sprechet  'vater,    bdbst 
Johan,  sich  din  gewissen  an    u.  s.  w.     zur  genaueren  Zeit- 
bestimmung sind  diese  stellen  wichtig,  man  hat  nur  die  wähl 
zwischen  Johann  dem  21  n  und  dem  22n,  ersterer  erwählt  den 
lSn  September  1276,  gestorben  den  16n  mai  1277,  letzterer 
trwtthlt  den  7n  august  1316,  gestorben  den  4n  december  1334. 
Dafs  Johann  der  22e  nicht  gemeint  sein  kann  läfst  sich 
ans  folgendem  schliefsen.     die  den  pabst  betreffende  stelle 
z.  226  ff.,  wis  sicherlich  dar  an  gemant,   wil  du  dich  dar 
ah  setzen  das  du  beginnest  hetzen  den  gwelph  an  den  gi* 
belin,  der  greeste  schade  der  wirt  din9  könnte  nämlich  nur 
in  die  erste  zeit  nach  der  wähl  Johanns,  also  um  1316,  ge- 
setzt werden,  weil  nach  dem  was  kurz  danach  begann  eine 
solche  ermahnung  höchst  unpassend  gewesen  wäre,  in  dieser 
ersten  zeit  war  es  aber  ganz  unmöglich  von  einem  deutschen 
kaiser  zu  sprechen,   da  der  kämpf  zwischen  könig  Ludwig 
und  könig  Friedrich   in  steigender  erbitterung  bis  zum  ent- 
scheidenden 28n   September  1322  die  frage  um  die  deutsche 
kaiserwürde  völlig  zweifelhaft  liefs.   ebenso  unstatthaft  wäre 
für  Ludwig  als  kaiser,  nach  der  Stellung  die  er  zum  pabste 
angenommen,   der  rath  des  diebters  z.  1011   hilf  dem  bdbst 
mit  dinem  swert  ob  er  sin  von  dir  begert  u.  s.  w.  mit  dem 
älteren  lateinischen  texte  ist  aber  hier  nichts  zu  entschuldi- 
gen, weil  er  die  stelle   gar  nicht  hat.     und  wollte  man  be- 
haupten der  dichter  habe  einen  künftigen  kaiser  im  äuge  ge- 


BUCH  DER  RÜGE».  H 

habt  and  die  stelle  z.  224  swer  das  ander  {swert)  habe* 
sol9  dem  gib  es  schiere  üs  der  hant  deute  auf  diesen  hin, 
so  widerspricht  dem  die  stelle  z.  983  bis  998,  die  von  einem 
zustande  spricht  der  dem  kaiser  bereits  zum  vorwürfe  ge- 
macht wird,  also  ein  schon  bestehendes  oberhaupt  des  rei- 
ches voraussetzt,  sie  lautet  wold  aver  ieman  her  g&n  der 
dir  wolde  gesten  und  sprceche  'er  (der  kaiser)  behauet 
wol  daz  er  ze  rehte  behalten  soll  daz  widerrette  ich  sä 
sehant  und  kiese  in  varn  in  alliu  lant,  trägen  der  meere 
ob  rndert  vride  wcere.  daz  vünde  er  alles  vridelös,  berou* 
bei  naket  unde  blöz.  davon,  keiser,  schaffe  also  das  arme 
Hute  werden  vrö.  du  hast  ein  swert  in  diner  hant>  der  got 
zwei  hat  gesant  der  kristenheit  se  guote  und  se  grözer 
huote  u.  s.  w.  alle  diese  widerspräche  lösen  sich  aber  ganz 
einfach  wenn  man  nicht  Johann  den  22n  sondern  den  21n 
annimmt,  dann  erklärt  sich  zugleich  noch  manches  andere, 
obwohl  ein  punkt  auch  dann  noch  widerstrebt.  Rudolf  von 
Habsburg  war  nämlich  nicht  kaiser  und  doch  ist  ein  ganzer 
abschnitt  unseres  gedichtes  an  denselben  gerichtet,  hier,  so 
mufs  man  annehmen  und  kann  es  auch  wohl,  hat  den  dich- 
ter sein  Vorbild,  von  dem  er  einen  ganzen  theil  und  nach 
seiner  ansiebt  gewiss  den  wichtigsten  hätte  weglafsen  mu- 
ten, verleitet  der  gegenwart  etwas  vorzugreifen,  um  so  mehr 
als  bei  den  friedlichen  Verhältnissen  Rudolfs  zum  pabste  und 
bei  dessen  wiederholter  verheifsung  einer  romfahrt  an  seiner 
kaiserkrönung  nicht  wohl  zu  zweifeln  war. 

Wird  Johann  der  21e  angenommen,  so  findet  auch  die 
stelle  z.  196  nü  heer  ich  das  din  selbes  leben  niht  gevallet 
alse  wol9  also  es  doch  von  rehte  sol  eine  theil  weise  be- 
•gründung,  wenn  man  den  wink  benutzt  welchen  die  Jahr- 
bücher der  predigermönche  zu  Kolmar  und  zwar  zum  jähre 
1277  über  Johann  geben,  Joannes  papa  Magus,  in  omnifrus 
discipUnis  instruetus,  reügiosis  infestus,  contemnens  decreta 
concilii  generalis,  obiit  hoc  anno  (Wursteisen,  ausg.  von 
1585  bd.  2  s.  14  z.  21).  bei  Johann  dem  22n  würde  dieser 
grund  wie  obiger  tadel  ohne  zweifei  unterblieben  sein,  zur 
Warnung  an.  das  reichsoberhaupt  z.  1015  setze  dick  niht 
wider  in  (den  pabst),  habe  se  der  triuwe  min  findet  man 
ferner  an  dem  tragischen  untergange  des  mjfckjtigep  bauies 


12  BUCH  DER  RÜGEN. 

der  Hohenstaufer  und  den  darauf  folgenden  noch  in  frischem 
gedächtnisse  haftenden  ereignissen  grund  genug  und  der  stich 
z.  1033  ff.  9  den  das  lateinische  original  abermahls  nicht  hat, 
wird  wohl  vor  allem  Ottokarn  zugedacht  sein,  ich  meine  den 
rath  an  die  könige,  bürge  stete  unde  laut  hat  er  (got)  ge- 
saxt  in  iuuoer  hant9  da  sült  ir  an  gedenken,  dem  keUer 
mkt  entwenken.  denn  erst  am  25n  november  1276  hatte  Ot- 
tokar gedemütigt  die  lehen  vom  oberhaupte  des  reiches  ge- 
nommen, bedenkt  man  ferner  die  kurze  zeit  der  regierang 
Johanns,  so  ergibt  sich  als  Zeitpunkt  der  entstehung  unseres 
gedichtes  das  jähr  1276  oder  1277.  —  zum  abschnitte  von 
den  königen  will  ich  überdies  noch  anmerken  dafs,  wenn 
unser  gedieht  Johann  den  22n  meinte,  es  höchst  auffallend 
wäre  in  diesem  theile  desselben,  wo  die  gelegenheit  dazu 
sich  gleichsam  aufdrängte,  nirgend  mit  einem  wörtchen 
des  unglückseligen  kampfes  zwischen  Ludwig  und  Friedrich 
rügend  erwähnt  zu  sehen,  ebenso  würde  mich,  unter  der- 
selben Voraussetzung,  im  abschnitte  von  den  deutschordens- 
rittern  das  gänzliche  schweigen  über  das  abschreckende  bei- 
spiel  der  aufheb  ung  des  tempelberrnordens  (1310)  wunder 
nehmen;  das  lateinische  original  könnte  nur  schwach  ent- 
schuldigen, weil  unser  dichter  doch  an  mehr  als  einer  stelle 
Von  demselben  abwich,  so  dafs  seine  arbeit  an  ausdehnung 
sein  Vorbild  um  mehr  als  ein  drittheil  überbietet. 

Stellen  wie  z.  1073  bis  1104,  die  ich  ihrer  länge  we- 
gen nicht  hersetze,  und  manche  andere  lafsen  mich  nicht 
zweifeln  dafs  auch  der  dichter  unserer  deutschen  bearbeitung 
dem  geistlichen  stände  angehört  habe,  die  in  besondere  ein- 
zelheiten  gehenden  rügen  der  deutschordensritter  hat  er  zwar 
zum  theile  seinem  vorbilde  entnommen,  doch  bleibt  noch  im- 
mer eine  gröfsere  Vertrautheit  mit  den  inneren  Verhältnissen 
des  ordens  bemerkbar,  in  wiefern  diese,  vielleicht  durch  die 
Stellung  unseres  dichters  zu  irgend  einem  der  deutschor- 
denshäuser  Süddeutschlands,  dem  seine  spräche  ihn  zuweist, 
zu  erklären  sei,  wird  aus  dem  gegebenen  wohl  niemand  mit 
Sicherheit  zu  beantworten  vermögen,  der  poetische  werth 
der  arbeit  ist  übrigens  gering,  obwohl  einige  stellen  nicht 
ohne  schwung  sind  und  biedere  freimütigkeit  ernstes  tadeis 
immer  für  sich  einnimmt,    an  fliekversen  fehlt  es  nicht  und 


BUCH  DER  RÜGEN.  13 

der  reim  trägt  wie  häufig  an  manchem  die  schuld,    dennoch 
lohnte  sichs  dies  denkmahl  zu  veröffentlichen,  seis  auch  nur 
weil  es  unter  den  uns  erhaltenen  so  ziemlich  allein  steht 
und  manches  in  ihm  in  sprachlicher  hinsieht  beachtung  ver- 
dient, besonders  wenn  man  berücksichtigt    dafs  nach  den 
obigen  andeutungen  dasselbe  noch  ins  dreizehnte  Jahrhundert 
gehört,  ohne  diese  bedenken  würde  ich  es  der  spräche  allein 
nach  ohne  weiteres  dem  vierzehnten  Jahrhunderte  zugetheilt 
haben  und  wohl  mancher  mit  mir.   diese  spräche  bietet  übri- 
gens ein  wunderliches  gemisch  älterer  und  jüngerer  worte. 
an  einigen  stellen  bleibt  wohl  auch  zu  bedenken  dafs  unser 
bearbeiter  sich  doch  nicht  ganz  frei  bewegte  und  in  der  ab* 
sieht  von  seinem  vorbilde  nicht  zu  weit  sich  zu  entfernen 
oft  dem  lateinischen  näher  stehende  ausdrucksweisen  wählte, 
waren  sie  auch  der  spräche  seiner  zeit  minder  gerecht,  häufig 
geschieht  es  aber  auch  an  stellen,  wo  das  original  dazu  nicht 
nöthigte.   so  sehen  wir  diu  rekte  iustitia  z.  1475,  das  edel 
nobilitas  248  und  1181,   diu  gewizzen  conscientia  258  und 
1429,   diu  übel  malitia  482,   zitlich  iustus  745,    diu  lerne 
diseiplina  757,  daz  hantwerc  opificium  569,  der  schal  Spon- 
sor 1475  verwendet,    lauter  ausdrücke  die  zur  zeit  unserer 
bearbeitung  theils  veraltet,  wie  rehte  edel  übel  schol,  theils 
als  kühne  neuerungen  erscheinen  musten.    von  minder  häu- 
figen  Worten  will  ich  hier  noch  einige  anmerken,     sich  be- 
suchen   curare,     disponere    z.   948,    einem  xuo  denen    in- 
haerere    1114,     in   geile   in   iubilo    934,      hetzen    exagi- 
tare    228,    hangeere  carnifex    806,    von  herzen  guot  opti- 
me  936,    phahtsniden  mensuram    legitimam   minuere   1279, 
sich    roufen    luctari    526,     rcechic    atrox    847,     sekaggän 
ludi  species  505,   diu  üzsetze  lepra  99,    vierharteere  dolose 
ludens  1281,   sich  vereinen  constituere  consilium  1320,  cte- 
was  verdenken  rem  bene  perpendere  1383,  daz  wihtelin  lu- 
di species,  tessera?  509. 

Dem  dichter  sehr  geläufig  ist  übrigens  die  Verstärkung 
der  adjeetiva  durch  beigesetzte  nomina,  besonders  durch  wun- 
der, das  aber .  die  bandschrift  nirgend  an  diese  anschliefst, 
ich  finde  wunder  gern  z.  360,  wunder  vil  405,  wunder  arm 
1221  und  1349,  wunder  guot  1562.  so  liebt  er  auch  die  for- 


14  BUCH  DER  HÜ  GEN. 

Aen   emsäch  1160   und  geislich  457,   543,  911    und  1633, 
für  welche  letztere  beweisende  reime  sprechen. 

Die  verse  sind  richtig  gemefsen,  wenn  auch  zuweilen 
auf  kosten  tonloser  e  und  flexionssilben.  wo  der  abschrei- 
be* ohne  grund  kürzte  schien  die  herstellung  erlaubt. 

Die  reime  zeigen  sich,  besonders  was  den  vooalischen 
theil  betrifft,  ziemlich  tadellos,  wenigstens  habe  ich  in  dieser 
hinsieht  keinen  von  der  regel  abweichenden  gefunden  der 
dicht  auch  bei  Wolfram  und  Ulrich  von  Lichtenstein  begeg- 
nete 5  ich  nenne  aus  den  höfischen  dichtem  diese  beiden* 
weil  sie  nach  meiner  ansieht  der  heimat  unseres  denkmahles 
«m  nächsteil  stehen,  was  den  consonantismus  betrifft  so  fin- 
det sich  aufser  dem  selbst  bei  Konrad  erscheinenden  m  :  n 
(s.  Wh.  Grimm  zu  Silvest.  z.  80:  hier  z.  109  quam: man, 
z.  \l7began9  z.  575  nimt:kint9  z.  971  vint9  und  wie  man 
sieht,  nirgend  so  hervorgehoben  wie  bei  Wolfram  z.  b.  im 
Parz.  73,  5  getennet : gekemmet)  nur  noch  siz.  so  z,  239, 
£83  und  779  hüs:üz,  z.  373  bazrwas,  z.  711  bl6»:griin- 
ietis,  z.  991:  vridelös.  doch  auch  hierfür  finde  ich  belege 
im  dreizehnten  Jahrhundert,  hüsiuz  meier  Helmpr.  1707? 
glasen :  gazzen  Seifrid  1,  1293.  1,  1354,  und  zwar  wieder 
bei  dichtem  die  unserem  durch  zeit  und  heimat  nahe  ste- 
hen, für  den  vocalismus  war  dagegen  sein  ohr  empfind- 
licher und  vermied  z.  b.  sorgfältig  e.e  zu  reimen,  so  er- 
scheinen im  ganzen  gedichte  nur  zwei  verstöfse  gegen  diese 
regel,  nämlich  115  esten :  gebresten  und  1331  erbe :  verd&rbe. 
-  .  Zuletzt  noch  ein  paar  Worte  über  meine  arbeit,  die  Über- 
schrift Buch  der  rügen  rührt  von  mir  her.  das  ganze  sollte 
doch  einen  sammeltitel  haben  und  ich  weifs  keinen  kürzeren, 
dabei  bezeichnenderen,  dafs  ich  die  Orthographie  geregelt, 
fehler  des  Schreibers  beseitigt,  auch  wohl  hier  und  da  dem 
verrenkten  verse  geholfen,  wird  mir  jetzt  wohl  niemand  mehr 
im  ernste  zum  vorwürfe  machen ,  besonders  wenn  er  sieht 
dafs  fast  zu  ängstlich  ein  theil  des  unrathes  unter  dem  texte 
erhalten  ist.  alles  dort  aufzuhäufen  wäre  unnütz  gewesen; 
hiebe  sand  in  die  äugen  streuen,  gegen  den  sich  kenner  zu 
schützen  suchen,  und  hätte  fast  eben  so  viel  räum  erfordert 
ab  der  text  selbst,  am  ende  aber  doch  nur  gezeigt  dafs  unser 


BUCH  DER  RÜGEN.  15 

whreiber  nicht  befser  schrieb  als  die  meisten  seiner  zeitge- 
nofsen. 

Wien  22  november  1841. 

THEODOR  VON  KARAJAN. 

bl.  16  tw.    Incipit  praefatio  in  sermones  nulli 

parcentes. 

bL  17  vw.  Cum  per  quorumdam  negligentiam  praedicatoram, 
qui  nunc  forte  mittuntur  ad  praedicandum  et  pro  parvo  quaestu 
gregem  dominicum  negligere  minime  curant,  vel  per  inobe- 
dientis  populi  duritiam  tanta  mala  in  ecclesia  dei  crevisse  vi- 
deantur,  ut  non  solum  vir  vicinum  vel  notum  suum  odio  habeat, 
sed  proh  dolor  nee  frater  fratrem  suum  uterinum  nee  pater 
filium  nee  filius  patrem  iam  perfecte  et  in  vera  caritate  diligere 
inveniaritur,  ego  cinis  et  favilla  respectu  proborum  virorum, 
imo  omnium  peripsima1,  non  cum  parvo  gern! tu  et  dolore  cordis 
hoc  cogitando  con«iderans  et  quod  tarn  egregii  clerici  nullum 
praebuere  remedium,.  ausus  sum  excedere  vires  et  possibilita- 
tem  ingenioli  mei  ad  scribendum  ad  laudem  et  honorem  salva- 
toris  nostri,  nee  non  pro  sälute  änimarum,  quoddam  opusculum 
sermonum  rigmice  compositum  conlinens  xxviij  capitula  minio 
assignata,  ineipiens  a  papa  usque  ad  ultimum2  clericum  et  ab 
imperatore 3  usque  ad  ultimum  rusticum,  tarn  monialibus  quam 
aliis  mulieribus  nön  oblitis,  quod  unieuique  nulla  palliatione 
vel  adulatione  mediante  debeat  vindicari.  rigmice  au tem  ideirco 
composui,  ut  tarn  lector  quam  auditores  eo  minus  taedio  affi- 
ciäntur.  minio  vero  capitula  ideo  assignavi,  ut  lector  sine  la- 
bore  id  quod  voluerit  eo  citiüs  possit  invenire.  vocatur  autem 
opusculum  istud  Sermones  nulli  parcentes,  eo  qüod  unieuique 
veritas  praedicetur.  rogo  autem  omni  diligentia  qua  possum 
quatenus  4  tarn  lectores  quam  auditores  huius  opusculi,  meae 
ignorantiae  misericoriter,  sicut  decet  sapientes,  parcere  di- 
gnentur  et,  quidquid  minus  ordinate  compositum  vel  incomple- 

1.  Cor.   1,  4,  13  tanquam  purgamenta  huius  jnuudi  facti  sumus, 
omnium  peripsema  usque  adhuc. 

2.  hier  ein  radiertes  wort  dessen  Überreste  nostrum  %u  ergeben 
seheinen. 

3.  imparatore  die  hs.  und  immer  so. 

4.  qts,  aber  nicht  sicher.    , 


16  BUCH  DER  RÜGEN. 

tarn  viderint,  promptiores  ad  corrigendum  quam  ad  deridendum 
semper  inveniantur,  solummodo  ut  secundum  intentionem  cor- 
dis  mei  unicuique,  qualiter  in  suo  statu,  vel  si  possit  in  tali 
statu  salvari,  sine  omni  palliatione  vel  adulatione  nt  supra  di- 
ctum est,  fideliter  recitetur. 

Explicit  praefatio. 
Incipit  prologus  in   sermones  nulli  parcentes. 

17  rw.  a  Fratres,  mundum  qui  transitis 
totum  atque  circuitis 
praedicantes  imperitis, 
cum  ad  hoc  electi  sitis, 

rogo  semper  intendatis  5 

loqui  verbum  veritatis, 
et  cum  vetus  recitatis 
simul  novum  inseratis. 
novum  dico,  quod  videtis 

malum,  de  quo  non  doletis  10 

nee  corrigere  soletis, 
sicut  iure  deberetis. 
nobis  sonat  sermo  vester 
nunc  de  Iudith,  cras  de  Hester, 
fruetus  quomodo  campester  15 

proereatur  vel  silvester, 
Adam  quomodo  creatus 
sit,  cum  non  ut  homo  natus, 
ludas  quare  sit  damnatus 

et  Matbyas  subrogatus,  20 

iam  de  Enoch  vel  Helya, 
de  Gabelo  vel  Thobya, 
de  precante  tunc  Maria, 
certe  vel  de  lippa  Lya, 

post  haec  forte  de  Kachele,  25 

de  propbeta  Daniele, 
tunc  de  misso  Gabriele 
vel  de  saneto  Mychahele, 
nunc  de  Paulo  vel  de  Petro, 
cui  Iesus  Vade  retro,  30 

30.  vadet  die  hs.  9.  Marc.  8,  33. 


buch  der  rügen.  & 

tunc  de  Moyse  vel  Ietro 

vel  de  prosa  vel  de  metro, 
17  rw.  b  iam  de  diclis  prophetarum, 

de  virtutibus  herbar  um, 

vel  de  poenis  animarura  35 

non  iniuste  damnatarum, 

de  Rebecca  vel  Susanna, 

de  psallentibus  Osanna! 

modo  quare  flevit  Anna 

vel  de  coelo  missum  manna,  40 

de  Aman  vel  Mardocheo, 

nunc  de  Iuda  Machabeo, 

tunc  de  rege  Ptolomeo 

vel  de  patre  Zebedeo, 

nunc  de  throno  Salomonis  45 

vel  loquela  Ciceronis, 

de'astutia  Piatonis 

vel  tirannide  Neronis, 

nunc  de  dulci  psalmodia, 

de  superna  hierarchia,  50 

angelorum  melodia, 

qua  laudatur  virgo  pia, 

iam  de  cursibus  astroruin 

canticisque  canticorum, 

tunc  de  gaudio  iustomm  55 

vel  de  planctu  reproborum, 

iam  de  deo  incarnato, 

alvo  virginali  nato, 

nova  Stella  indicato 

et  a  magis  adorato,  60 

qui  pro  nobis  flagellatus 

fuit  atque  iudicatus,    . 

crucifixus,  perforatus, 

post  haec  sepulturae  (latus 
18  vw.  a    portas  fregit  infernorum,  65 

vectes  ferreos  eorum, 

solvens  animas  iustorum 

a  consortio  malorum, 

terna  die  resurrexit, 
Z.  F.  D.  A.    II.  2 


18  BUCH  DER  RÜGEN. 

potenüssime  perrexit  70 

ad  fideles  quos  dilexil 

et  fideliter  protexit. 

fratres,  non  vos  reprehendo, 

reverenter  haec  dicendo, 

nee  pro  certo  parvi  pendo,  75 

immo  vos  in  hoc  commendo. 

sed  videtur  vos  debere 

singulariter  docere, 

quisque  qualiter  sincere 

deo  poterit  placere.  so 

ergo,  vobis  si  videtur, 

a  maiori  inchoetur, 

caput  mundi  excitetur 

reverentia  cui  debetur. 

ideirco,  fratres,  accedatis  Sä 

papam  neque  paveatis, 

sed  audacter  insistatis 

et  in  faciem  dicalis : 

Explicit  prologus. 

Incipit  liber  sermonum. 
Primo  ad  papam.     cap.    i. 
Pater,  non  est  tibi  cura 

qaod  iam  multiplex  pressura  90 

a  dei  prohibet  eultura 
civitates  vicos  rura. 
18  vw.  b    symonia  cum  usura 
maculavit  corda  pura, 

haerisis  per  loca  plura  9.r> 

aufert  Christo  sua  iura, 
iam  periurus  plus  amatur 
quam  si  verax  videatur, 
et  qui  semper  fornicatur 

eo  magis  honoratur.  100 

istis  maus  multo  plura 
certe  mundo  sunt  Ventura: 
quod  tu,  pater,  mente  pura 
intereipere  procura, 


BUCH  DER  RÜGEN.  19 

quia  si  non  emendentur,  105 

a  te,  pater,  exigentur 
cuncta  palam  cum  videntur, 
quia  omnia  pandentur. 
non  te  reddas  partialem 

alicui  nee  carnalem,  HO 

sed  eunetis  universalem: 
deus  te  elegit  talem. 
non  aeeeptor  personarum, 
eultor  nee  deliciarum 

sis,  in  fruetu  nam  ipsarum  115 

nihil  proficis  vel  parum. 
tecum  cur  tenes  pastores, 
Christi  gregis  defensores, 
quem  iam  devorant  raptores 
lupis  multo  saeviores?  120 

haec  ausculta  grata  mente, 
ut  Iesu  Christo  venieute 
rationemque  ponente 
et  talentum  exigente 
18  w.  a    sibi  reddas,  cum  usura,  125 

non  in  modica  mensura, 
et  pro  omuibus  procura 
seryare  Christo  sua  iura, 
ne  te  iudex  creditori, 

oreditor  det  exaetori,  130 

exaetor  postea  tortori, 
tortor  faciat  te  mori. 

Ad  Cardinales.     caj).   u. 

Cardinalibus  dicatis: 

Precor  causa  pietatis, 

vitam  vestram  convertatis  135 

ad  statum  humilitatis, 

vocamini  nam  seniores 

et  ecclesiae  rectores. 

igitur  mutate  mores, 

ne  vos  dicant.  neglectores.  140 

ecclesiae  non  subvenitis 

quam  in  malo  statu  scitis, 


20  BUCH  DER  RÜGEN. 

sed  pecuniam  sititis, 
quamvis  modo  pleni  sitis. 

nam  qui  vobis  plus  donabit,  145 

quamvis  malus,  superabit 
hostem,  quod  tarnen  notabit 
de  us,  quoniam  iudicabit 
de  talento  quod  sumsistis 

et  in  terra  abscondistis.  150 

miror  quare  recipistis, 
dum  lucrari  noluistis. 
nam  vocati  bonorose 
estis  atque  gloriose, 

nimis  vivite  pompöse,  155 

utinam  non  criminose. 
U  rw.  b    recordari  deberetis 

quia  semper  non  vivetis, 

et  post  mortem  quid  metetis 

nisi  vivi  seminetis  ?  160 

Ad  patriarchas.     eap.   m. 
Patriarchis  quid  dicetis 
a  me  statim  audietis, 
vel,  quod  oculis  videtis, 
illud  eis  praedicetis. 

Quatuor  iam  procreatis  165 

et  in  locis  deputatis 
quintus  sedem  dignitatis 
tenet  et  sublimitatis. 
isti  volunt  honorari 

super  multos  et  ditari,  170 

sed  pro  fide  nee  necari 
neque  volnnt  lacerari. 
babent  sedes  inter  gentes : 
quamvis  sint  perversae  mentes, 
super  iustos  acuentes  175 

tota  die  snos  dentes, 
illos  debent  visitare, 
verbum  dei  praedicare, 

155.  /.  vivitis 


BUCH  DER  RÜGEN.  21 

postea  catechizare 

catechizatos  baptizare.  180 

Ad  episcopos.     cap.   iv. 

Ab  episcopis  quaeratis : 

Patres  magnae  honestatis, 

precor  aegre  non  feratis 

sed  veraciter  dicatis, 

cuius  vos  auctoritatis  185 

esüs,  quum  procuratis 
9  vw.  a    sanguinem  ut  effundatis 

per  vos,  vel  si  iubeatis 
eivitates  expugnare, 

multas  villas  spoliare,  190 

pauperes  angariare 
virginesque  violare? 
certe  nee  vos  bellicosus 
neque  nimium  iocosos 

decet  esse  nee  pomposos,  195 

sed  ex  corde  generosos. 
clamorem  pauperum  auditis 
et  non  ipsis  subvenitis, 
quamvis  debitores  sitis, 

sicut  ipsi  bene  scitis.  200 

nam  deus  vos  dispensatores 
fecit  et  non  possessores. 
sitis  ergo  cautiores, 
ne  vos  torqueant  tortores, 

qni  non  cessant  nee  iassautur,  205 

quia  semper  renovantur. 
in  tortura  delectantur, 
quamvis  simul  patiantur. 
Ad  praelatos  generaliter.     cap.   v. 
Ad  praelatos  venientes, 

eos  statim  alloquentes  210 

et  non  parum  argaentes 
sie  loquamini  dicentes : 
Patres,  quum  suseepistis 

179.  180.  Postea  chatezisare  Cathezisatos  baptisare  diu  hs. 


22  •  BUCH  DER  RÜGEN. 

regime  n,  non  relegistis 

vel  obliti  post  fiiistis  215 

quod  servare  tunc  vovistis  ? 
psalmistae  elicitur  ab  ore 
'servile  domino  in  timore/ 
19  vw.  b  '  ex  timore  nee  amore 

vultis  esse  in  labore.  220 

pro  labore  vos  honorem 

coneupitis,  non  sudorem. 

omnis  diseiplinae  morem 

declinatis  et  dolorem. 

non  oportet  praedicari  225 

multum  nee  philosophari, 

sed  in  vita  emendari 

vel  distinete  iudicari 

habebitis  aecusatores 

infinitos,  qui  labores  230 

patiuntur  et  dolores, 

quorum  estis  iam  tortores. 

pro  quibus  deus  (num  quid  gratis?) 

conqueritur  quod  oneratis 

super  modum  honestaüs  235 

neque  digito  tangatis. 

patres,  breviter  dicendo 

atque  finem  faciendo 

vobis  regulam  commendo, 

ut  legatis  retinendo  240 

quae  in  ipsa  reperitis. 

quod  si  forte  non  velitis, 

in  damnationem  itis, 

sicut  ipsi  bene  scitis. 

Ad  monaehos.    cap.  vi. 
Post  haec  monachis  dicatis:  245 

In  proposito  si  staüs, 
diligenter  caveaüs 
quoquo  modo,  ne  cadaUs. 
sicut  deo  promisistis, 

* 

usque  modo  si  solvistis,  250 

19  rw.  a    vel  eoiTOCti  si  fuistis, 


BUCH  DER  RÜGEN.  23 

in  quucumque  deliquistis, 
libenter  vellem  si  videtur, 
diligenter  quaereretur, 

illud  bonum  si  servetur  255 

ad  quod  monachus  tenetur. 
tria  suüt  quae  conservare 
monachum  oportet  clare, 
sine  quibus  nee  intrare 

regnum  potest  nee  regnare.  260 

obedientia  vocatur 
primuin,  atque  illi  datur, 
a  quo  fideliter  servatur 
et  a  deo  qui  amatur. 

seeundum,  virtus  castitatis,  265 

datur  bonis  et  beatis, 
qui  ex  virtute  caritatis 
scandunt  Urnen  sanetitatis. 
paupertas  tertium  vocatur, 

ad  quod  monachus  ligatur,  270 

et  pro  certo  cui  datur, 
Iesum  Christum  imitatur. 
religiosi  qui  dieuntur 
atque  regulae  subduntur, 

quam  remote  dedueuntur,  275 

ad  hoc  merito  coguntur. 
praeter  haec  novistis  satis 
iam  de  regulae  mandatis, 
quae  si  bene  non  servatis, 

laborastis  totum  gratis.  280 

debet  monachus  dolere, 
de  peractis  maus  flere, 
19  rw.  b    de  futuris  praeeavere. 
diGat  crebro  Miserere. 

erit  vita  monachorum  285 

coram  domino  bonorum 
compar  vitae  tot  sanetorum 
martyrum  vel  confessorum. 
fratrejjtista  custodite 
tempore  praesentis  vitae  290 


24  BUCH  DER  RÜGEN. 

ne  dicatur  vobis  Ite, 
cum  iustis  dicitur  Venite. 
Ad  cruciferos. 
Capitulum  septimum. 
Cruciferos,  cum  sint  praesentes, 
quantumcumque  sint  frementes, 
nihil  eos  metuentes  295 

occurratis  sie  dicentes: 
Saeculum  cur  reliquistis, 
cum  redire  voluistis? 
cui  vale  iam  dixistis, 

colonos  eius  vos  fecistis  300 

a  saecularibus,  dicatis, 
si  vos  armis  induatis, 
rogo  quantum  differatis 
vel  ab  Ungaris  barbatis? 

consuevistis  epulari  305 

nimis  laute  et  potari: 
quod  si  contigerit  negari 
forte  vel  non  posset  dari, 
tanta  ira  peteretur, 

omnibus  ut  videretur,  310 

•  nisi  statim  largiretur, 
commendator  moreretur. 
!&0  vw.  a    lautam  post  refectionem 
multamque  potationem 

temporis  deduetionem,  315 

vel  potius  perditionem, 
quaeritis  deambulando 
in  colloquiis  vel  stando, 
ludum  aliquem  parando 

vel  balista  sagittando.  320 

signa  haec  humilitatis 
vel  religiositatis 
vel  si  causa  levitatis 
sint,  vos  ipsi  discernatis. 
quodsi  bonum  comprobatuiv  .  ^25 


294.  fementes  die  hs. 


BUCH  DER  RÜGEN.  25 

miror  mundus  quod  amatur  ? 
cur  non  statim  relinquatur 
et  ad  ordiuem  curratur? 
ut  opinor  iara  videtur, 

iu  scripturis  quod  habetur  330 

regnum  vim  iam  patietur 
et  violenter  rapietur/ 
hostes  estis  paganoruin 
omniumque  reproborum, 

utinam  non  aliorum,  335 

imo  forte  christianorum. 
in  scriptis,  qualiter  debetis 
militare,  vos  habetis : 
scio,  si  relegeretis,     . 

statim  adinveniretis.  340 

'    quod  quicumqne  neglexerunt 
facere  vel  noluerunt, 
quoniani  bonum  potuerunt,  . 
heu,  quam  dure  tales  erunt 
0  vw.  b    iudicati,  cum  videbunt  345 

cunctis  mala  quae  patebunt, 
mali  quam  amare  flebunt, 
iusti  semperque  gaudebunt. 

Ad  conversos.     cap.  vm. 
Haec  conversis  suädeatis: 

Fratres,  quidquid  laboratis  350 

in  opere  communitatis, 
fideliter  hoc  faciatis. 
artem  qualemcumque  scitis, 
negotiari  quam  velitis, 

praemoniü  frequenter  sitis  355 

facere,  iam  ut  auditis. 
magnum  numquam  studeatis 
lucrum  ut  percipiatis, 
sed  semper  levius  vendatis 
quam  in  foro  comparatis,  360 

ae  vos Jorte  arguentes 
scolaroP{?seculares?)  sint  dicentes 
cusuarii  (#o)  hi  ementes 


26  BUCH  DER  RÜGEN. 

facti  sunt  atque  vendentes. 

pro  infirmis  laborate  365 

in  divina  caritate. 

in  ordine  perseverate 

regulamque  conservate. 

generaliter  conversis, 

congregatis  vel  dispersis,  370 

suadeatur  ne  perversis 

socientur,  in  diversis 

quia  possunt  maculari 

per  eosque  perturbari, 

impios  forsan  imitari  375 

et  perpetue  damnari. 
20  rw.  a  Ad  sarabyatas  et  girovagos.    cap.  ix. 

Dicite  sarabaytis, 

girovagis  quos  malos  scitis : 

Emendari  ni  velitis, 

in  damnationem  itis.  380 

mentientes  per  tonsuram 

vento  datis  onmem  curam, 

per  haec  daemonis  torturam 
maGhiuatis  vobis  pluram. 

deum  vero  reliquistis,  385 

pro  deo  ventrem  elegistis. 
miseri,  quid  intendistis 
vel  quäle  cambium  fecistis ! 
carnem  quum  inpinguatis, 

escam  vermibus  paratis.  390 

filii  perversitatis, 
quare  non  consideratis 
praesentis  vitae  brevitatem, 
huius  mundi  vanitatem, 

daemonis  acerbitatem  395 

atque  dei  pietatem? 

Ad  sacerdotes  saeculares.     cap.  x. 
Sacerdotes  arguetis, 
scolares  (/.  seculares)  quos  vjdetis, 
nichil  eos  metuetis, 
sed  in  faciem  dicetis:*  400 


BUCH  DER  RÜGEN.  27 

Miror,  si  tarn  insensati 
sitis  vel  tarn  indurati 
vel  superbia  inflati 
certe,  vel  tarn  desperati, 

ita  parum  quod  curatis  405 

in  altari  quid  agatis, 
salvatorem  dum  traclatis 
et  indigne  celebratis. 
)  rw.  b    nam  curatur  symonia 

a  vobis  plus  quam  psalmodia,  410 

usura  quam  philosophia, 

taberna  plus  quam  sacristia. 

semper  estis  ebriosi, 

semper  nimis  furiosi, 

semper  et  luxuriös!  415 

omni  sorde  criminosi. 

in  malis  quidam  gloriantur , 

saepe  tarnen  simulantur 

bonos  tum  ne  spernantur 

vel  pro  malis  corrigantur.  420 

alterutrum  vos  subplantatis 

contra  formam  caritatis, 

quantumcumque  promittaüs, 

pacem  numquam  reformatio. 

confundam  vitam  aliquorum  425 

haec  dicendo  vel  eunctorum, 

absit  a  me  quid  bonorum, 

sed  tantummodo  malorum. 

nam  tu  sacerdos,  qui  aperte 

malus  es  et  boni  per  te  430 

confunduntur,  tarn  experte 

confunderis  et  tu  certe. 

totus  mundus  abhorreret, 

vitam  tuam  si  videret, 

et  ne  tibi  adhaereret  435 

pater  natum  ammoneret. 

quia  deum  perturbasli, 

^1V.  /.  bonos  se  dum  ne  speraantur. 


28  BUCH  DER  RÜGEN. 

malis  quae  tu  perpetrasti 
vitam  tuani  breviasti 

et  ad  mortem  praeparasti.  440 

dimittamus  modo  totum, 
unum  tamen  fiat  notum, 
21  vw.  a    cum  ad  ordiues  promotum 
te  vidisti,  quare  votum 

ibi  deo  promisisti  445 

quod  servare  noluLsti? 
continentiam  vovisti, 
et  saepissime  fregisti. 
missam  quotiens  dixisti, 

in  te  quantum  potuisti  450 

dominum  crucifixisti : 
vide,  miser,  quid  fecisti ! 
certe  tu,  qui  missam  dicis 
post  amplexum  meretricis, 

potaberis  ab  inimicis  '455 

liquore  sulphuris  et  picis. 
tarnen,  miser,  ne  desperes, 
si  ex  corde  poeniteres 
et  de  caetero  caveres, 

spero  gratiam  haberes,  460 

quia  deus  vi  amoris 
non  vult  mortem  peccatoris, 
sed  ut  viam  redemptoris 
carpat,  spernat  seductoris. 

Ad  iurisperitos  et  phisicos. 
Capitulum  (un)decimum. 
Iurisperitis  sie  dicatis,  465 

phisicis  associatis: 
Filii  cupiditatis, 
dignum  est,  ut  pereatis. 
quantumeumque  congregatis, 
eo  plus  desideratis.  470 

egenos  semper  spoliatis 
Antichristumque  ditatis. 
ad  vos  pauper  si  clamaret 
seque  flendo  laceraret, 


BUCH  DER  RÜGEN.  29 

vw.  b    nisi  munus  apportarct,  475 

inconsultus  remearet. 

optime  per  baec  apparet, 

si  quis  tantum  vobis  daret 

de  quo  mundus  abundaret, 

adhuc  vos  non  satiaret.  480 

numquid  totum  devoretis, 

quo  niarsupia  repletis, 

vel  promissum  si  habetis, 

ut  perpetue  vivetis? 

scio  quod  non  deportatis,  485 

si  de  vita  recedatis, 

sed  post  tergum  dimittatis 

quantumque  viam  declinatis. 

numquid  legitis  mandatum 

omnibus  a  deo  datum  490 

non  dimittitur  peccatuin 

donec  redditur  ablatum? 

o  quam  multum  abstulistis, 

numquam  quid  restituistis, 

immo,  credo,  decepistis  495 

multo  plures  quam  iuvistis. 

Ad  scolares.    caput  xn. 

Haec  scolaribus  dicatis: 

Si  ad  gradüm  dignitatis 

promoveri  cupiatis, 

toto  nisu  studeatis  500 

in  virtutibus  pollere. 

iam  doceri,  iam  docere, 

semper  qualiter  sincere 

possitis  domino  placere. 

mulierculas  vitetis,  505 

ne  vos  ipsos  maculetis, 
ru>.  a    sed  si  maculam  habetis 

precor  amodo  cessetis. 

a  taberna  caveatis, 

quia,  credo,  si  intratis,  510 

vix  vel  numquam  exeatis, 

nisi  vestibus  ablatis. 


30  BUCH  DER  RÜGEN. 

ibi  mali  sunt  lusores 

pessimique  deceptores, 

qui  vos  ducunt  in  errores  515 

et  in  maximos  dolores. 

dolebitis,  quod  introistis, 

et  ingressi  quod  lusistis, 

ludendo  quod  perdidistis, 

perdendo  scolam  neglexistis.  520 

et  sie  dolor  non  cessabit, 

sed  vos  amplius  gravabit, 

donec  malum  finem  dabit, 

de  quo  nemo  vos  iuvabit. 

ex  vobis  quidam  procura  ti  525 

sunt  vel  beneficiati, 

nimis  tarnen  inclinati 

sunt  servire  vanitati. 

recedentes  ab  altari 

tarnen  volunt  honorari,  530 

cupientes  plus  damnari 

in  eternum,  quam  salvari. 

elemosinis  vivenles, 

nil  pro  eis  servientes, 

habent  inter  omnes  gentes  535 

hi  perversiores  mentes. 

Ad  vagos.    caput  xm. 
21  rw.  b    Vagis  breviter  dicatis 
vilibus  et  desperatis : 
Iubet  deus,  ut  eatis 

ad  infernum  cum  damnatis,  540 

nisi  cito  relinquatis 
viam  verae  pravitatis 
et  de  male  perpetratis 
sibi  satisfaciatis. 

quorum  mala  neque  fari  545 

possunt  nee  exeogitari, 
si  ergo  nolunt  eniendari, 
permittantur  condemnari. 

Ad    moniales.     caput   xiiii. 
Dum  ad  claustrum  veniatis 


BUCH  DER  RÜGEN.  31 

feminarum,  intendatis,  550 

precor,  nutu  caritatis, 
ut  non  (Iure  arguatis. 
non  dico  tarnen,  ut  parcatis, 
sed  ut  mitius  agatis, 

ne  contingat,  ut  frangatis  555 

vas  tantae  fragilitatis 
de  correctioue  plura 
nou  sit  vobis  magna  cura : 
habent  nam  ex  natura 

mulieres  ista  iura.  5(>0 

si  qua  re  probibeatur 
mulier,  ei  videatur, 
nisi  hoc  perficiatur, 
ipsa.statim  moriatur. 

si  videtur  non  curari,  505 

dolet  multum,  nam  laudari 
l  vir.  a    cupit  plus  quam  possit  fari, 
cuilibet  confabulari. 
quidquid  corde  cogitabit, 

statim  ore  revelabit,  570 

et  si  sua  non  celabil. 
mea  quomodo  servabit? 
in  pace  nolunt  se  amare 
invicem  nee  visitare, 

sed  frequenter  litigare  575 

et  a  rixis  non  cessare, 
saepe  sibi  invidentes, 
mala  verba  proferentes 
invicem  et  acuentes 

velut  aper  suos  dentes.  580 

vitam  non  religiosam 
quaedam,  sed  deliciosam 
dueunt  et  vituperosam, 
utinam  non  vitiosam. 

cum  oportet  ieiunare,  585 

durum  erit  tolerare, 


559.  /. 


namque 


* 


\ 


BUCH  DER  RÜGEN. 

scd  de  caetero  gustare 
nihil  volunt  reguläre, 
istis  plura  numerare 
quidem  possem  et  probare, 
sed  nolo  totum  revelare, 
nisi  possem  emendare. 
fratres,  baec  cum  audietis, 
apud  vos  deliberetis, 
eis  si  iuproperetis, 
vel  si  totum  dünittetis. 
qnodsi  totum  dimittaüs, 
iam  dod  bonum  ministratis 
nee  in  via  caritatis 
sicut  decet  ambulatis. 
ergo  nee  inproperaudo 
nee  quidquam  eis  imperando 
loquimini  sermone  bland  n. 
orane  malum  detestando, 
boni  qualiter  gaudebunl, 
cum  in  gloria  manebunl, 
mali  quo  modo  dolebunt, 
quoniam  sine  fine  flebuut. 

Acl   imperatorem.     caput    xv. 
Ad  imperatorem  v erneutes, 
quamvis  multi  sint  praesentes, 
nullo  modo  obniillentes, 
sie  loquimini  dicentes : 
Audi,  bone  imperator, 
deus  regni  tui  dalor, 
loiius  mundi  fabricator« 
vult  ut  pacis  sis  amator, 
immo  solum  non  amator, 
sed  fidelis  relbrmator, 
christian  or  um  couBrmator, 
paganorum  repugnator 
sis,  eorum  devastator, 
et  moestorum  consolator, 
ecclesiarum  restaurator, 
coenobiorum  tun  dalor, 


BUCH  DER  RÜGEN.  33 

dispersorum  congregator,  625 

et  errantium  viator, 

pauperum  auxiliator, 

infirmorum  resanator, 
n  rw.  a   famelicorum  recreator, 

prostratorum  sublevator,  630 

tidelis  rerum  dispensator, 

egeaorum  procurator, 

captivorum  visitator* 

peccatorum  increpator, 

dubitantis  informator,  635 

nutantiumque  sustentator, 

haereticorum  accusator 

et  eorum  debellator. 

sis  credentium  laudator 

malorum  et  vituperator.  *  640 

non  sis  ipse  fornicator, 

mali  nee  dissimulator, 

nee  sit  tibi  adulator, 

discordiae  nee  sociator. 

inter  Utes  uiediator  645 

atque  reconciliator 

sis,  bonorum  imitator, 

totius  mali  subplantator. 

alicui  $i  videtur 

a  te  totuin  quod  servetur,  650 

in  contrarium  dicetur, 

quia  nusquam  pax  habetur. 

igitur  per  loca  plura 

civitates  atque  rura 

diligentissime  procura,  655 

ut  sint  pacem  habitura. 

et  quae  supra  sunt  notata 

serva,  si  non  sunt  servata, 

dei  nam  sunt  mandata 

et  ab  eo  comprobata.  660 

W  m.  b    servare  igitur  iuberis, 

*59.  /,  namqüe 
z-  F.  D.  A.  II.  8 


34  BUCH  DER  RÜGEN. 

in  aeternum  ut  laeteris  .        .    •        . 
et  non  dure  iudiceris, 
ad  tribunal  cum  voceris. 
Ad  reges  geaeraliler.      cap.  xvi. 
Post  haec  regibus  dicatis:  665 

Signum  est  perversitatis 
quod  non  pacem  procuratis 
nee  ecclesiam  iuvatis 
contra  turbas  paganorum, 

fraudes  vel  haereticorum  670 

et  insidias  malorum, 
heu  me!  dicam  christianorum  ? 
de  us  fecit  vos  regoare, 
eunetis  iuste  iudicare, 

contra  perfidos  pugnare  675 

et  fideles  roborare. 
audivimus  quod  videator 
et  comm uniter  dicatur 
cui  magis  committatur, 

plus  ab  eo  exigatur/  680 

commisit  deus  vobis  satis, 
tantis  regnis  subiugatis: 
ideirco  bene  ut  regnatis 
consulo,  ne  pereatis. 

quia,  quoniam  Christus  erit  685 

iustus  iudex,  sua  querit, 
reus  non  iniuste  perit, 
tortor  sine  fine  ferit. 
Ad  prineipes  et  comites.     eapitulutn  xvn. 
Haec  prineipibus  dicatis, 

comitibus  associatis :  69(? 

23  vw.  a    Tantae  vos  perversitatis 
estis  et  iniquitätis, 
ut  iam  sitis  destfuetores 
mali  atque  proditores, 

quorum  patres  fundatore*  695 

erant  atque  defenSores. 
de  quocumque  iam  träetatis, 
semper  primo  procuratis 


BUCH  DER  RÜGEN,  35 

ut  in  elaustris  facialis 

ut  expensa  de tur  gratis.  700 

et  utinam  acciperetis 
gratanter  et  recederetis, 
ne  furiosi  rumperetis 
quidquid  tunc  reperietis. 

claustra  quotiens  intratis,  705 

statim  ni  reperiatis 
cuncta  quae  desideratis, 
omnes  ibi  molestatis. 
considerate,  si  velitis, 

nullam  causam  invenitis  710 

gravare  claustra  quae  possitis 
de  iure,  sicut  bene  scitis. 
quae  patres  vestri  obtulerunt  • 
deo,  vestra  non  fuerunt: 

si  quae  poterant  dederunt,  715 

numquid  modo  vestra  erunt? 
erunt  iuste,  si  emistis 
et  plenarie  solvistis, 
sed  iniuste,  si  venistis 

et  potenter  abstulistis.  720 

tenemini  regem  adiuvare, 
iu  regno  pacem  confirmare: 
sed  consuevistis  excitare 
Utes  potius  quam  sedare. 
23  »w.  b  vobis  est  tyraniiizare,  725 

pauperes  excoriaxe, . 
multo  dulcius  quam  orare, 
salvatorem  vel  amajce. 
et  quis  cuncta  enarrare 

posset  vel  investigare  730 

quae  soletis  perpetrare 
semper  et  continuare  ? 
daemon  debet  numerare, 
diügenter  computare,        . 

cui  vultis  militare,  735 

ut  sciat  vos  femunerare. 

711.  /.  (joa 

3* 


36  BUCH  DER  RÜGEN. 

Ad    milites.     capitulum  xvm. 

Nunc  militibus  dicatis: 
Meae  possibilitatis 
non  est  ammirari  satis, 

cordibus  quid  intendatis,  740 

tantum  quod  tyrannizatis 
contra  formam  honestatis, 
ut  crebro  deum  offendatis 
causa  vestrae  pravitatis. 

si  mala  vestra  numerarem,  745 

tantum  forte  iam  tardarem 
multos,  ut  scandalizarem, 
putantes  quod  ego  delirarem. 
permittam  ergo  iam  transire 
quae  non  sinar  expedire,  750 

et  quae  oportet  custodire 
dicam,  si  vultis  audire. 
miles  deum  Honorare 
debet,  principes  iuvare. 

pro  iustitia  pugnare,  755 

semper  malos  debellare, 
23  rw.  a   iustos  et  pacificare, 

si  seit  eos  discordare, 

gratis  nullum  molestare, 

si  molestavit,  consolare,  760 

peraeta  mala  recordari, 

pro  eis  saepe  lacrimari, 

gemendo  deum  deprecari, 

ut  sie  possit  emendari. 

semper  ergo  cogitetis,  765 

paueos  dies  quod  habetis 

vivendi,  quibus  et  expletis 

quo  post  mortem  declinetis. 

nullus  enim  potest  scire 

nee  veraciter  audire,  770 

quo  post  mortem  debet  ire, 

vel  ad  regnum,  vel  perire. 

Ad  nobiles.      capitulum   xix. 
Sic  nobilibus  dicatis  : 


BUCH  DER  RÜGEN.  37 

Quare  ius  nobilitatifr 

vel  paternae  dignitatis  775 

perdere  sie  festinatis? 
videtur  quod  paganizatis, 
cum  eeclesias  frangatis, 
eunetis  rebus  et  ablatis 

sacerdotes  nil  curatis.  780 

quantumeumque  spoliatis, 
quanla  mala  perpefratis, 
non  videtur  vobis  satis, 
veutres  ut  reficiatis? 

igitur  cum  sceleratis  785 

ad  infernum  deputatis, 
maus  vestris  computatis, 
rogat  daemon  ut  eatis, 
W  rw.  b   de  quiete  ad  laborem,  * 

de  blandimentis  ad  furorem,  790 

de  refrigerio  ad  ardorem, 
de  gaudioque  ad  moerorem, 
quia  vereeundaretur, 
si  sibi  gratis  serviretur, 

si  miles  non  remuneretur,  795 

sicut  merito  tenetur. 
Ad  scutiferos.      capitulüm    xx. 
Nunc  scutiferis  dicatis 
miseris  et  sceleratis: 
De  vita  vestra  quid  speratis? 
dum  miserrime  vivatis,  800 

misere  dum  manducatis, 
magis  misere  bibatis, 
miserrimeque  dormiatis, 
miror  cur  perseveratis, 

ut  non  statim  relinquatis  805 

vitam  huius  vanitatis 
et  ad  deum  recurratis, 
cum  quo  semper  gaudeatis. 
cur  miseri  non  cogitatis 

quanta  mala  perpetratis?  810 

nam  Christi  membra  detruncatis, 


BUCH  DEH  RÜGEN. 

pauperes  cum  iugulatis. 
quantoscumque  defraudatis,. 
dicite,  quid  deferatis 
praeter  pondus  quod  poruti* 
ad  infernum  de  peceatis? 

Ad  cives.      eajiiluluui   xju. 
lla  civibus  dicatig: 
Miror  quod  non  uogitalie 
quo  post  mortem  iranseatis, 
nisi  melius  vivalis. 
non  quod  omucs  mali  sitis, 
sed  quos  mnlos  esse  soitis, 
hos  tacendo  pertransitis, 
cum   «irrigere  pouitis. 
inter  vos  sunt  deceptores 
fideique  destructores 
atque  liaeresis  auctores. 
paganis  multo  vüiores. 
habetis  malus  defractores, 
proximorum  traditores. 
substanciae  devoratores, 
tabernarios  et-  iusores, 
usurarios,  feneratores 
malos  et  lornicatores, 
contra  iuslus  pugnatores 
et  malorum  defensore*. 
habetis  fures  et  Jatrones, 
lenas  multas  et  lenones, 
habetis  eliam  phytones, 
diaboli  commiiitoues. 
ut  sei'mo.meus  reuidaüir, 
audiatis,  quid  dicatur: 
nulluni  malum  iam  tractatur 
quod  apud  vos  non  oriatur. 
Ad  mercatores.     «apituLniD  xxii- 
Mercatoribua  dioatia: 
Quare  tantum  laboratis, 
cum  pro  certo  neaciatk 
cui  med«  mogragaÜB  ? 


BUCH  DER  RÜGEN.  .19 

uiare  magnum  Irausivistis 

et  in  Indiam  venistis,  850 

reversi  uatos  invenistis, 

forte  quos  non  genuistis. 
i  vw.  b    vel  si  forte  bene  scitis 

veri  patres  quod  vos  sitis 

puerorum  quos  nutritis,  855 

cogilare  si  veliüs 

nequaquam  diu  quod  vivetis, 

quo  post  mortem  declinetis, 

ibi  nil  invenietis, 

ni  vobiscum.  deporteüs.  860 

tunc  pro  certo  plures  erunt 

avidi  qui  vestra  queruiit, 

quum  ad  tumulum  steterunt, 

qui  vos  mortuos  fleverunt, 

e  quibus  sibi  eligentes  865 

uxores  vestrae  quamvis  flentes, 

consolando  suas  mentes, 

sie  in  cordibus  dicentes 

'hie  videtur  esse  dives 

et  aeeeptus  inter  cives :  870 

iam  cum  iüo  bene  vives 

nee  infantes  tuos  prives. 

numquid  mulier  lacrimatur 

tan  tum,  quod  resuscitatur 

vir  qui  modo  tumulatur,  875 

ut  ad  eam  revertatur? 

numquid  est  voluntas  dei 

ut  ego  potius  veniam  ei? 

misereor  ideirco  mei 

et  meae  pulchrae  speciei/  880 

ecce  quantüm  laborasiis, 

mare  saepe  üransfretaatis, 

terram  pedibus  eataasüs, 

et  vos  ipsos  devasta&tis. 

o  vos  nimis  insenaati,        ^  885 

cordibus  et  indurati 
M  rw.  a    mentibusque  desperat  i 


40  „  BUCH  DER  RÜGEN. 

cur  servitis  vanitati? 

iam  cessate  congregare 

et  in  vanum  laborare :  890 

deum  di scite  amare 

ut  dignetur  vos  salvare. 
Item  ad  singulas  res  vendentes.     capitulum  xxm. 

Nunc  dicatis  ad  vendentes 

res  diversas  et  ementes : 

Corrigite  perversas  mentes,  895 

deum  tan  tum  offendentes. 

non  potestis  comparare 

viles  res  vel  venundare, 

ni  velitis  periurare, 

deum  fidemque  negare.  900 

non  estis  venditores  rei, 

sed  venditores  estis  dei. 

in  hoc  consentientes  ei 

quem  convenerant  Iudei. 

Iudas  Christum  vendens  peceavit,  905  , 

nam  peeuniam  amavit; 
-     nobis  vitam  comparavit, 

quid  curo  quod  se  iugulavit? 

et  quamvis  deum  vos  vendatis, 

nihil  inde  comparatis,  910 

nisi  ut  cum  sceleratis 

ad  infrrnum  transeatis. 

miseri,  quid  cogitatis? 

quänta  mala  perpetratis, 

quoniam  deum  maiestatis  915 

vilius  quam  Iudas  datis! 

argenteis  triginta  Iudas, 

vix  pro  medio  Christum  tu  das, 
24  rw.  b    vel  ut  proximum  deludas, 

vel  ut  vendas  herbas  crudas.  920 

ille  certe  quem  vendebat 

deum  esse  nesciebat, 

tantum  tarnen  poenitebat 

quod  se  ipsum  suspendebat. 

sed  tarn  nequam  tu  fuisti,  925 


BUCH  DER  RÜGEN.  41 

quod  Um  saepe  tradidisti 
deum,  bene  quem  scivisti 
et  tarnen  non  penituisti. 
Ad  praecones  et  socios  suos.    eapitulum  xxiiii. 
Post  haec  dicite  praeconi, 

usurario,  cauponi,  930 

lusori,  furi  et  Jatroni, 
feneratori  et  lenoni : 
Mandat  daemon,  ut  eatis 
ad  infernum  cum  damnatis, 
cui  fidem  conservätis  935 

atque  bene  militatis. 
non  habere  cupit  gratis 
laborem  vestrae  probitatis : 
idcirco  citius  curratis, 
ne  ingressum  negligatis.  949 

Ad  rusticos  obedientes.     eapitulum  xxv. 

Rusticos  aggredientes, 
bonos  pie  alloquentes, 
malos  dure  argnentes 
sie  loquimini  diceates: 

Qui  pro  eunetis  laboratis,  945 

fidem  Christi  conservätis, 
computati  cum  beatis 
estis,  si  perseveratis. 
sitis  ergo  in  labore 

dei  semper  et  timore,  950 

qui  defendet  a  furore 
vos  malorum  et  errore. 
5  vw.  a    dominis  veslris  servietis, 
censum  deeimasque  detis 

et  de  reliquo  vivetis  955 

vos  et  vestri,  quos  habeüs. 
malis  vero,  quos  videtis, 
numquam  vos  associetis, 
sed  cum  bonis  ambuletis 

et  cum  his  partieipetis  960 

de  labore  acquisitis, 
si  necesse  fore  seiüs, 


42  BUCH  DER  RÜGEN. 

ut  evadere  possitis 

iram  dei,  quam  nescitis, 

quia  fratrem  non  pavistis  965 

pascere  tum  potuistis. 

quare  quod  noluistis, 

vere  eum  occidistis. 

quantumcumque  laboretis, 

illud  firmiter  servetis  :  970 

nulla  die  dimiltetis, 

nisi  deum  adoretis. 
Item  ad  rusticos  qui  sunt  rebelies,    capitulum  xxvi. 

Rebelies  si  inveniatis, 

nuilo  modo  obmittatis, 

nisi  dure  arguatis  975 

imperandoque  dicatis : 

Miseri,  quid  superbiüs? 

cogitate,  si  nescitis, 

quia  omnibus  servitU 

et  ad  hoc  creati  sitis.  980 

non  videtur  vobis  satis, 

quod  vos  tantum  laboraiis, 

ni  velitis  pro  peccatis 

ius  habere  cum  damoatis, 

id  est  poenas  infernales,  985 

ignem,  vermes  immortales, 
2b  vw.  b  .  omnes  malos  consodales 

quibus  eritis  equales, 

crudelissimos  tortorea, 

foedissimos  foetores  990 

et  horribiles  dolores 

daemonesque  derisores? 
Item  ad  mulieres.    eapitulum  xxvn. 

Mulieres  honoretu, 

numquam  dure  argnetis, 

eis  nil  praecipietis,  995 

pro  exemplis  quam  habetas. 

quorum  primum  hie  notaUir: 

si  perfecte  cogitatur 

966.  /.  dum         996.  hetis  dt*  ks. 


BUCH  DBH  RÜGEN. 

»nullius  quowodo  (Iwiiuabatur 
posteaquam  salvabatur, 
quia  virgo  creatorem 
peperitque  redemptorem, 
lotius  boiii  largitorem, 
Icsum  Christum  salvatorem, 
ijuam  mulierein  nominavit, 
cum  lohanni  commendavit, 
et  diabolum  prostravit, 
peccata  quoque  nostra  lavit. 
secundo  polest  hoc  uotari, 
quia  nolunt  perturbari, 
nee  iu  parvo  molestari, 
sed  a  eunetis  adamari. 
rogo,  (ertio  aotate 
et  frequenter  cogitate, 
vc.stris  cordibus  servate 
in  hoc  firmiterque  State, 
quia  noslrum  quisque  vere 
natus  est  de  mutiere: 
debemus  igitur  sintere 
honorem  ipsis  exbibere. 
ergo  fratres  sie  agatis 
rogo  causa  pietaüs, 
ne  contra  iura  caritatis 
vas  tarn  debile  frangalis, 
sed  in  quolibet  sermone 
pia  ammonitione 
sine  palliatione, 
conservata  ratio  ne, 
iam  de  meritis  sanetomm, 
eterno  gaudio  eorum, 
de  tonnenüs  infernorum 
et  de  planctu  reproborum, 
de  buius  mundi  vanitate, 
ipsius  instabilitate 
et  de  Christi  caritate 
frequenter  eis  praedicate. 


44  BUCH  DER  RÜGEN. 

De  ipsis  fratribus  qui  populo  praedicant. 

capituluiü  xxviii. 
Fratres,  causa  pietatis 
rogo  aegre  non  feratis 
quia  zelo  caritatis 

verbum  loquor  veritatis.  1040 

necesse  est  ut  corrigatis 
mores  atque  caveatis, 
ne  per  verba  vanitatis 
unquam  deum  offendatis. 

nam  si  bonum  praedicatis,  1045 

nisi  factis  inpleatis, 
testor  deum  maiestaüs, 
labor  vester  erit  gratis, 
quia  quidquid  praedicavit 

Christus,  factis  inchoavit,  1050 

quum  fidem  reformavit 
a  peccatis  nosque  lavit. 
25  rw.  b    sie  et  facere  debetis 

quando  populum  docetis : 

quidquid  verbo  praediceüs  1055 

saepe  factis  inchoetis, 

nequis  possit  comprobare. 

vos  sub  dolo  praedicare, 

deum  verbo  honorare, 

sine  corde  vel  laudare,  1060 

quia  deus  est  scrutator 

cordium  et  non  temtator, 

falsitatis  condemnator, 

veritatis  et  amator. 

sitis  ergo  cautiores  1065 

qui  estis  Christi  servitores, 

in  domando  promptiores 

sensum,  visum,  verba,  mores, 

sit  in  ore  non  vel  ita 

lingua  semper  stabilita,  1070 

ac  religiosa  vita, 

Caritas  et  infinita. 

mulieres  fugiatis, 


BUCH  DER  RÜGEN.  45 

in  societate  pravitatis 

ne,  quod  absit,  polluatis  1075 

tmaginem  divinitatis. 
quibus  si  confabulatur, 
peto  solum  os  loquatur 
et  non  maaus  comprimatur, 
aara  sie  deus  non  laudatur.  1080 

iste  über  finiatur, 
qui  si  vanus  videatur 
alicui,  non  legatur 
ab  eo,  sed  dimittatur. 

oret  pro  me  virgo  pia  1085 

dei  genitrix  Maria 
U  vw.  a    ut  in  vitae  meae  yia 

vitare  possim  sacrilegia. 

Amen. 
Wm».  6      Explicit  liber  sermonum  nulli  parcentium. 


M«  70  rw.    Ich  bin  ein  buoch  also  getiht 
daz  nieman  bösheit  übersiht, 
daz  da  nieman  vertreit 
noch  durch  liep  noch  durch  leit. 
manec  man  git  guoten  rät  5 

der  im  selben  keinen  hat. 
also  tuon  ich  armer  man 
der  leider  weder  weiz  noch  kau : 
doch  swie  ungel6rt  ich  bin, 
dannoch  ratet  mir  min  sin  10 

daz  ich  niht  der  kristenheit 
gebresten  läze  unbekleit. 

1088.  saligia  die  hs. 

Rothe  Überschrift.  Ditz  püch  lert  was  man  aim  lgleichem  men- 
schen predigen  sol  von  dem  pabst  vntz  an  den  minnisten  schulaer.  von 
dem  kaiser  vntz  an  den  minnisten  gepaur.  vnd  strafet  d!  predigar 
w*z  staet  ir  predig  ist.  vnd  lert  seu  hin  nach  waz  seu  aim  fgleich 
"dien  predigen.  6.   selber,   immer  diese  form,  nur  z.  370  selbez. 

*«*«  beiden   zeilen  hat  übrigens   Thomas  sin   im  watschen   gast,    sie 
^keinen  sprichwörtlich. 


4fi  BUCH  DER  RÜGEN. 

sit  die  höhen  phaffen 

die  got  dar  zuo  beschaffen 

hat  daz  sie  sollen  l&ren 

zuht,  unzühte  weren,    . 

I6rent  von  der  alten  £, 

da  von  ist  ach  unde  w£ 

gewahsen  in  den  landen 

diu  got  vor  erkanden. 
71  vw.    mich  riwet  sfcre  und  ist  mir  leit 

daz  diu  arme  kristenheit 

an  zühten  ist  verktoret, 

an  sünden  so  gemäret 

daz  man  leider  alle  tage 

hoere  ileniuwe  klage 

von  manger  hande  btoheit. 

daz  si  dir,  JAsu  Krist,  gekleit 

daz  du  den  bist  so  unerkant 

die  nach  dir,  herre,  sint  genant, 

ich  mein  die  kristen,  swä  sie  sint. 

man  frowen  unde  kint, 

diu  dich  solten  6ren 

und  von  sündeu  k&ren, 

diu  sint  leider  in  ir  ahte 

boeser  dan  deheiner  slahte 

heiden  oder  Juden  sin. 

got  herre,  durch  die  güete  din 

daz  geruöche  wenden, 

mir  din  geist  senden, 

daz  ich  geraten  niüg  dar  zuo 

daz  unser  s&le  gewinnen  ruo 

und  von  uns  uf  erde 

din  wille  ervollet  werde. 

des  hilf  mir,  herre  J&su  Krist, 

wan  du  der  sunder  loeser  bist. 
7i  ruf.  [Da  strafet  die  predigaer.] 

Hart)  ir  bruoder,  waz  ich  sage, 

und  habt  ez  niht  vür  eine  klage, 

16.  vntzucht  wem         29.  voderchaut         31.  seu         33. 
42.  sein         46.  söndser  leesaer 


BUCH  DER  RÜGEN.  47 

die  got  dar  zuo  erweit  hat 
daz  ir  lgret  Wide  rit  50 

wie  wir  gotes  hulde 
verdien  und  unser  schulde 
gebihten  und  gebüezen, 
als  wir  von  rehte  müezen» 
ir  löret  uns  zuo  aller  stunt  55 

und  tuot  anderz  selten  kunt 
wan  wie  diu  werft  geschaffen  wart 
und  dar  nach  in  welher  art 
unser  vater  Adam 

in  daz  paradis  quam  60 

uud  Eva  diu  im  wart  gegeben 
zuo  dem  Ewigen  leben, 
wie  sie  sich  vergäzen 
daz  sie  daz  obez  äzen* 

von  Käin  und  von  Abel  05 

und  von  dem  turn  ze  Babel, 
dar  nach  von  herren  Abraham, 
wie  unser  herre  zuo  im  quam 
in  der  drivaltekeit 

(dri  er  sach,  mit  eime  er  reit),         *'•  70 

wie  Särä  stuont  in  der  tür, 
da  si  lacht  und  sach  her  vür, 
72  vw.    dö  ir  kunt  wart  getan 

daz  si  tsääc  solt  enphftn» 

als  unser  herre  ze  Abram  sprach  75 

und  ouch  dar  uäch  vil  schiere  gesohach. 

wie  Abram  got  umb  die  stat 

Goraorre  vlizeclichen  bat, 

diu  ander  diu  hiez  Sodomä, 

die  verbrunnen  b&de  da.  80 

wie  her  Löt  von  dannan  vldch 

gegen  dem  gebirge  hoch. 

wie  fsääc  in  vrömdiu  lant 

boten  nach  Rebeken  sant. 

wie  Jacob  mit  dem  engel  ranc  85 

57.   Nuor  wie  63.    seu  sich  67.    h*m  70.  ahn 

i.  ysaach  78.  flcizsecleizsen. 


B0CH  DER  &**• 

ttBd  von 


voa  der  «**  l        & ^ 

«*  UttgC   Ü  voo  Achor 

von  B°6z  a°         r 
NäLbuchftdoosor. 

Vt  fn  ir  büse  Rähap 


diu  o»1  wlS  .  p  sltt06 

Höloferaeo  abe  .f  lru0C. . 

^trLWa-   ... 


von  der  «•*""  wart  An*» 
von  Moyses  uode  * 


da  er  °,b^tl  coWolie. 
and  g°l  Äc  attai» 

Apr  würz.  ein  & 

^r  gerteo  esten 
^nfmau  aibl  geboten- 
If  der  gerten  *  *-' 
,     1  bläeje«  bega«, 
dW.  S\eAs  ein  blttome 


da*  sie  Ti  M*-» 

dW  ^el-  sicberUob 


\\7     cau 

v       nicht   U*Vcl1 

V06.  ^  *«  "^ 


BUCH  DER  RÜGEN.  49 

sd  schceniu  bluome  nie.  wart, 

wan  sie  von  küneclicher.  art 

was  gephlanzet  und  bekomeii.  125 

als  wir  ofte  hän  vernömen, 

diu  bluome  braht  so  edel  vruht 

daz  von  ir  süezer  genuht  . 
w.    nieman.  vollesagen  mac. 

unz  an  den  jungisten  tac.  130 

weit  ir.  nü  hoeren  waz  daz  si 

daz  ir  merken  sült:  da  bi? 

diu  würz. was  her  YessG, 

als  ich  hän.  gesprochen  £, 

diu  gerte  wären  sink  kint  135 

diu  von  im  geborn  sint, 

die  este  sin  geslähte,    * 

daz  gezeln  mähte   .: 

noch  geschriben  kein  man 

der  daz  leben  ie  gewan.  Hü 

Maria  reiniu  künegin, 

da  weist  wol  daz! mir  seit  min  sin 

daz  du  diu  edel  bluome  bist 

von  der  diu  vruht  worden  ist. 

waz  mac  diu  vruht  anders  sin  145 

dan  daz  zarte  kindelin . . 

daz  von  dir  geborn  ist, 

unser  herre  Jösus  Krist? 

daz  ist  diu  16re  die  ir  tuot 

und  ist  waerliehen  giiot:  150 

doch  wolt  ich,  lieben  bruoder  min, 

raten,  ob  ez  möhte  sin, 

swenn  ir  daz  alte  nü  gesaget, 

daz  ir  daz  niwe  niht  verdaget. 

ich  mein  daz  niwe  daz  man  siht  155 

und  aller  tägelich  geschiht 
w.    von  manger  slahte  sünden, 

die  ich  iu  niht  darf  künden. 

ir  seht  und  hoeret  alle  wol 


Won 

146.  danne 

149.  di 

J58.  darpii 

D.  A. 

11. 

4 

90  BUCH  DER  RÜGEN. 

daz  diu  werft  ist  bösheit  vol:  1 

dft  von  bit  ich  unde  rlt, 

sit  iu  got  enpholhen  hat 

ze  Ifcren  die  kristenheit, 

daz  ir  eim  iegiichem  seit, 

ob  er  des  lebeas  des  er  lebt  I 

mit  got  ist  oder  von  im  strebt, 

und  hebet  an  dem  tiursten-  an, 

ich  waen  das  si  der  bibst  Johan. 

ir  sült  niht  vürhten  sine  dr6, 

gfct  zuo  im  und  sprecht  als6.  1 

[Sagt  dem  pabst  freleieli] 
'Lieber  vater,  werder  man, 
wes  hast  du  dich  genomen  an 
ze  rihten  und  ze  16ren 
die  kristenheit  nach  6rea 
und  nach  gotes  holden,  1 

swie  sich  die  laute  verschulden? 
wes  merkest  du  niht  waz  man  seit 
und  h6  j»merlicheu  kleit 
von  manger  slahte  sänden? 
der  ich  ein  teil  wil  künden.  1 

höchvart  gitekeit, 
unkiusch  und  vrizheit, 
zouber  unde  ketzeri, 
ungeloube  und  simoni, 
74  vw.    untriu  und  valscheit»  1 

lüge  und  unbescheidenheit, 
wuocker  unde  vürkouf, 
daz  ist  nu  der  werfte  louf, 
und  ander  grözer  sünde  vil 
der  ich  nü  .geswigen  wiL  1 

vater,  bezzerst  du  niht  daz, 
ich  vürht  du  kumst  in  gotes  haz, 
der  dich  dar  z«o  crwelet  hat 
daz  du  helfe  unde  rät 
solt  der  kristenheit  geben.  1 

165.  dez  lebens  dez  181.  hochvarte  183.  ketzernei 

184.  symenei        188.  werte        194.  helf  vnder 


BUCH  DER  EIGEN  51 

uii  hoer  ich  daa  din  selbes  leben 
niht  gevallet  alse  woi, 
also  ez  doch  von  reute  sol. 
du  bist  üf  erde  an  gotes  stat, 
wan  er  dir  enpholhen  hit  200 

die  guoton  ze  erloftsen, 
ze  binden  die  boesen. 
da  von  solt  du  hiieten  dich, 
uf  min  triwe  daz  rit  ich, 

daz  dir  an  guoten  dingen  205 

niht  müge  mifi&eUngen, 
an  keiner  hande  Sachen, 
gröz  oder  swacben, 
nü  hat  mit  siner  veiger  haut 
der  vint  gesaet  in  diu  lant  210 

als  unreine  sät, 
da  von  oftenrnssorät 
U  rw.   gnoter  same  und  guotiu  vruhl 
und  wahset  allitt  ungenwht. 
w£  im  der  dar  aa  h4l  pftiht-,  215 

ob  er  ez  schiere  bezzert  niht, 
der  säme  ist  haz  unde  Bit, 
der  nil  laidfi?  nuwge  Bit 
ist  gewesen  und  noch  wert* 
du  weist  woi  da*  swei  »wert  220 

geben  sint  der  kratenheit ; 
daz  lä  dir  niht  weaen  leit- 
du  hast  da*  ein,  da?  nütee  woi: 
swer  daz  ander  haben  sol, 
dem  gib  ez  schiert)  u*  der  baut.  225 

wis  sicherlich  daran  gewaat, 
wil  du  dich  dar  w  setzeo 
daz  du  beginnest  hetzen 
den  gwelph  an  den  gibelin, 
der  graste  schade  der  wirt  din.  230 

rater,  merke  ez  also  niht 

m,  rectU  ackol  2<W,   Wh,  Qrimm  %%  Ffßi<L  M,  1, 

(4,  waotzastt  Nib.  I8&4,  &    Qrefa  3550.     f*to»««M,  W- 
W.  zu  Freid.  lvii.  224.  schol 

4* 


32  BUCH  DER  RÜGEN. 

däz  ich  mit  in  habe  pfliht: 
ich  bin  niht  ein  gibelin, 
ich  wil  ouch  niht  ein  gwelph  sin. 
vater,  du  hast  wol  vernomen,  235 

daz  kein  persön  ist  üz  genomen 
vor  gote,  weder  arm  noch:  rieh, 
dem  tuost  du  nindert  gelich. 
wan  l&t  den  riehen  in  din  hüs, 
den  armen  stözet  man  her  uz  240 

75  vw.    der  vil  lihte  genaemer 

vor  gote  ist  und  gezaemer 

dan  der  gfct  zuo  dir  hin  in. 

daz  ist  an  dir  ein  kranker  sin. 

ez  ist  ouch  ein  boeser  sit,  245 

der  dir  staete  volget  mit, 

kumt  kunst  an  din  tor: 

edel,  zuht  st6t  dervor,      *• 

s6  der  phenninc  wirt  gesehen. 

des  müezen  alle  die  jenen  250 

die  her  zuo  dir  komen  sint, 

swie  lützel  mans  geschriben  vint 

weder  in  der  alten  6 

noch  in  der  niwen.'^wß  mir  w6! 

ich  hete  nach  vergezzen  255 

des  ich  mich  hän  vermezzen. 

sprechet  Vater,  bäbst  Johan, 

sich  din  gewizzen  an, 

ez  lit  hie  manger  und  verzert 

der  hin  ze  leste  von  dir  vert  260 

äne  tröst  und  äne  rät, 

der  lange  hie  gelegen  hat, 

der  lihte  verrihtet  waere  gewesen. 

ich  waen  doch  wol  du  hast  gelesen 

239.  wan  :=man.  247.  Chiint  chanst  248.  Edel  .  zucht:  vergl. 
unten  z.  1 181  und  zu  Eree  4454.  Wackernagel  zu  Simrocks  Wal- 
ther  2,  165  cwer  selbe  ist  ein  beese  wiht,  der  hat  siner  vorvarn  ädel 
niht  welsch,  gast  4,  2.  7lV  258.  gewizsen:  €la  din  gewizzen  schi- 
nen'  Wernh.  Maria,  fundgr.  2,  156,  16,  zu  WigaL  s.  603  ü.  605, 
zu  Iw.  859. 


BUCH  DER  RÜGEN.  53 

'swaz  du  nibt  wil  daz  dir  geschiht,  265 

des  entuo  dem  andern. niht.' 

da  sol  diu  rede  ein  ende  hän, 

wan  ich  wil  von  hinnen  g&n.' 

wil  aver  du  niht  bezzern  dich, 

so  solt  du  wizzen  sicherlich,  270 

75  rw.    ez  wirt  diner  sfcle  ein  slac 

den  si  niht  tiberwinden  mac/ 
[Den  •  kardenaln] 

Sagt  den  kardenälen  daz 

'ich  wände  daz  ir  vil  baz 

waere  t  gerihtet  1 .    •      .  275 

nach  got  und  niht  verpflihtel 

ze  werltlichen  dingen 

von  den  iu  mac  gelingen 

übel  unde  selten  wol. 

waeren  iuwer  biutel  vol,  280 

dannoch  müesen  vol  sin 

sekke  kästen  unde  schrin, 

stadel  keller  und  daz  hös, 

daz  ez  viele  zem  virste  üz. 

daz  waere  allez  noch  euwiht,  285 

wan  es  waere  ervollet  niht 

der  vil  unreine  git 

der  iu  in  dem  herzen  lit. 

ich  spriche  von  der  höchvart, 

daz  nie  noch  gesehen  wart  290 

noch  gehört  von  alter  zit 

diu  höchvart  diu  an  iu  lit. 

ir  sit  durch  höchvart '  niht  erweit, 

noch  der  kristenheit  gezelt 

ze  hilfe  und  ze  rate.  295 

waere  es  niht  ze  späte, 

ich  wolt  iu  noch  vil  möre  sagen. 
16  vw.    doch  wil  ich  des  niht  gedageh, 

ich  wil  noch  rüegen  daz  an  iu : 

sagt  mir  durch  got,  zewiu  300 

267.  schol  268.  Won  281.  m&sin  283.    stadel 

6.  es  290.  nie  noch'  nie 


*4  BUCH  DEK  KJJGKN. 

lebet  ir  untagenilich, 

ich  spreche  gerne  unkiuscbeclich,    . 

and  mil  andern  siinden  vil 

der  ich  nu  niht  nennen  wil  ? 

ez  weis  ein  ieglicher  wol 

daz  er  muoz  unde  sol 

vor  gerihte  rede  ergehen 

wie  gewesen  ist  sin  leben. 

da  von  merket  miniu  wart 

und  hüet  ir  alse  goldes  bort, 

weit  ir  der  helle  kint  niht  sin. 

daz  rät  ich  üf  die  triwe  min/ 

[Den  patriarchen] 
Vrägt  die  patriarken 
*sint  vol  iuwer  arken? 
ir  enruochet  wer  diu  schüfe  schirt, 
daz  ot  iu  diu  wolle  wirt. 
ir  weit  haben  schoeniu  kleit, 
silber  golt  an  arbeit, 
&ren  unde  guotes  vil, 
des  got  niht  verhengen  wil. 
mich  wundert  wft  ir  bin  tuot 
als  nngevüegez  guot. 
die  wile  ir  niht  beköret, 
kristen  glouben  lÄret 
alle  iuwer  undertän, 
76  rw.    als  ir  iuch  habt  genomen  an, 
man  vrowen  unde  kint, 
diu  iu  von  got  enpholhen  sint, 
waz  6ol  iuwer  h6chvart? 
si  wirt  iu  waerlich  gespart 
da  manz  allez  bliesen  muoz, 
von  dem  houbt  nnz  an  den  vtioz. 
ich  wil  mit  iu  niht  kriegen« 
ich  wil  iu  oucb  niht  liegen, 
lät  ir  niht  alle  itehetf, 
iif  min  triwe,  ez  wirt  iu  leit.' 

306.  «kol.  315/  ricluot  321.   wm  322.    vj 

gez  324.  Crfotan  326.  eu  323.  Die 


BUCH  DHU  RÜGEN.  &5 

[Den  pischoifen] 
Ir  süU  den  bischovea  sagen 
'wir  beeren  vil  von  iu  klagen 
von  manger  hande  Sachen, 
d4  von  iu  mac  geswachen  340 

gelücke  £re  unde  guot. 
iuwer  grözer  übermuot 
machet  iueh  vor  got  enwiht. 
verdenket  ir  das  niht 

daz  iu  des  nihtes  niht  bestöt  345 

da  mit  ir  höchvart  begöt? 
ir  sült  arme  liute  nern, 
den  gelt  selbe  niht  verzeru, 
er  ist  ir  uad  iuwer  niht, 

des  in  got  selbe  gibt,  350 

saget,  wer  h&t  iu  erloubt 
daz  ir  brennet  unde  roubt, 
kirchen  heizet  brechen, 
slahen  unde  stechen 
77  vw.    die  iu  daz  wern  wollen,  355 

als  sie  durch  not  Holten! 
dag  vor  die  beiden  hftnt  getan 
des  nemt  ir  iueh  nü  an. 
ir  lät  diu  wip  entern 

diu  vil  wundergern  360 

beliben  bi  ir  reinekeit: 
ir  entert  ouoh  mange  meit 
diu  hin  nach  so  unwert 
wirt  daz  ir  nieman  gert 

ze  örbaerein  dinge.  365 

wie  iu  dar  zuo  gelinge, 
daz  wirt  iu  allez  wol  geseit 
ft  man  iueh  zuo  dem  grabe  treit. 
ir  vart  reise  in  vrömdiu  laut 
und  vehtet  mit  iur  selber  hant  370 

und  weit  dannoch  priester  sin. 

;37.  schalt— pischoifen  341.  gelueh  343.  ea  344.  %u 

*00,  348.  schalt  350.  Luc.  16,  %  3S&   ti 

r*ii  370.  eu  aelbez 


V 


56  BUCH  DBA  RÜGEN. 

ich  nim  daz  üf  die  triwe  min. 

etelicher  vüere  baz, 

waere  er  als  sin  vater  was. 

ir  wegt  ouch  gar  ringe  375 

wilien  mit  gedinge, 

swie  diu  boese  simoni 

doch  wonet  staete  derbi. 

ir  wihet  niht  wan  umbe  Idn: 

da  von  muoz  iu  der  himel  trön  380 

vor  gesperret  werden, 

wan  ir  hie  üf  erden 

suochet  Wollüste  vil 

zuo  so  winzigem  zil. 

[Den  prelaten   gemainecleich] 
77  rw.    Sprechet  cir  pröläten,  385 

habt  ir  iuch  iht  beraten 
wie  iuwer  leben  werde 
gebezzert  üf  der  erde 
viir  den  fcwigen  tdt? 

des  waer  iu  sicherliche  not.  39(> 

ir  sit  mit  höchvart  erschoben: 
daz  ir  niht  ze  stunde  sit  zerkloben. 
des  wundert  mich  vil  sßre. 
durch  unser  vrowen  fcre 

ein  ieglicher  bezzer  sich,  39^ 

wan  mich  dunket  sicherlieh  ^ 

daz  ez  niht  gar  lange  st&, 
iu  werde  ach  unde  w6, 
swie  grdz  gewalt  ir  nü  habt, 
ez  si  probest  oder  abt,  4Ü(^ 

prior  oder  gardiän, 
custer  oder  däkän,  * 
minister  oder  general, 
swie  sie  heizen  über  al, 

ir  gebietet  wundervil  *>•■■■  405 

des  iwer  keiner  tuoh  wil. 
daz  kleite  got  vor  manger  stunt 

383.  wolnuste        386.  eu        39?.  ze  fehlt.        393.  Dez  — mir 
40jfc.  dekchan 


BUCH  DER  RÜGEN.  57 

durch  des  öwangölisten  munt. 
wes  seht  ir  niht  die  regel  an, 
als  ir  gehörsam  habt  getan,  410 

und  rihtet  nach. der  rehtekeit, 
als  iu  diu  selbe  regel  seit? 
ir  habt  ouch  einen!  boesen  sit 
78  vw.    der  iu  starte  volget  mit, 

daz  ir  iuwer  undert&n  415 

niht  vür  guot  wellet  hän, 

wan  ir  den  boesen  .möre 

bietet  wirde  und^re  !>  f  . 

dan  den  guoten ;  kinden    I 

diu  sich  läzent.vinden    :       ;  ..  420 

in  gotes  dienst  !zuo  aller  zit 

und  an  den  zuht.und.öre  lit: 

den  weit  ir  staete  herte  sin. 

ich  sag  iu  üf  die  triwe  min 

swie  herte  ir  in  nü  sit  425 

ez  kumet  noch,  diu  zit    ; 

-  » 

daz  si  iu  werdent  herter  vil, 
so  unser  herre  rihten  wil. 
ir  bekumbert  iuch  ze  vil, 

als  ich  iu  nü  sagen,  wil,  430 

mit  werblichen  Sachen, 
gr6z  unde  swachen, 
die  iuch  niht  gehoerent  an. 
wir  sehen  daz  nü  selten  kan 
verrihtet  werden:  ihtes  iht  435 

da  man  iuch  niht  bi  siht, 
weder  groziu  hirät 
oder  höher  herren  rät.. . 
ir  möht  dervon  wol  wenken, 
sprechen  und  gedenken  440 

waz  göt  mir  der  sache .  not? 
ich  bin  der  werlde  zeimäl  tot." 
[Den  munchen] 
78  rw.    Lät  iuch  des  niht  betragen 

442.  zaimal    .    443.  eu  _.  .     


58  BUCH  DER  RÜGEN. 

vlizeclich  ze  vr&gen 

von  den  manchen,  ob  sie  sinl  445 

ordenlich  and  guotiu  kint, 
ob  sie  die  werlt  vliehent, 
von  üppekeit  sieb  ziehent, 
lesent  unde  singent, 

ir  gemüete  dwingent,  450 

gerne  in  gotes  6re 
sprechent  emiser6rel 
got,  erbarm  dich  über  mich 
zuo  aller  zit,  des  bit  ich/ 
ez  sint  sunderlichen  diiu,  455 

weit  ir,  diu  nenne  ich  in, 
diu  ein  ieglich  geislich  man, 
der  sinen  orden  wol  kan, 
muoz  behalten  sicherlich, 

wil  er  zuo  dem  himelrioh.  460 

daz  ein  ist  willec  armuot: 
ich  waen  daz  nieman  umbe  guot 
noch  durch  des  libes  wollüste 
deheines  ordens  gelüste. 

daz  ander  rehtiu  kiuschekeit:  465 

wol  im  der  si  rehte  treitl 
kiusch  an  Worten  und  an  muot 
und  an  den  werken,  daz  ist  guot. 
weit  ir  hoeren  nti  daz  drite? 
79  vw.    daz  ist  mit  tugentlichem  site  470 

gehorsam  zuo  aller  zit, 
als  in  ir  regöl  lfire  git* 
der  diu  driu  niht  wolte 
behalten  als  er  solle, 

der  sol  gestrAfet  werden  475 

hie  üf  der  erden, 
daz  er  unz  an  sinen  tAt 
lide  angest  unde  n&t. 

457.  gaisleich:  die  hs*  hat  überall  diese  nebeitfovm  die  ich  im 
augenblicke  nur  bei  Notker  nachzuweisen  wüste,  aber  dem  wiederkeh- 
renden beweisenden  reime  geislich  :  vreislich  543.  911.  1633  nach  dul- 
den mufs.     463.  wolnust    464.  Chainez— geteet    474.  schölte    477.  ieio 


BUCH  DER  RÜGEN.  59 

[Den  creutzaern] 
Strafet  die  kriuzaere, 

swie  ez  io  ist  unmaere,  480 

vürhtet  niht  ir  riterschaft, 
noch  ir  übel,  noch  ir  kraft, 
sprecht  cir  herren,  saget  mir, 
umb  weihe  sache  vluht  ir 
die  werlt  und  ir  geziere,  485 

dö  ir  alse  schiere 
wider  wollet  kären 
zuo  ir  und  zuo  ir  Aren? 
swer  die  werlt  vliehen  wil, 
der  sol  niht  giuden  ze  vil,  490 

er  sol  smächeit  ltden, 
höchvart  miden, 
ze  armüete  sin  bereit 
und  ze  rebter  kiasohekeit, 
gehorsam  mit  willen,  .  495 

gedultic,  und  sol  stillen 
79  rw.    allen  zorn,  swä  er  mac, 
beidiu  naht  unde  tac. 
man  hat  iuch  vür  geislich 
und  sit  doch  leider  niht  gelich  500 

geislichen  kinden, 
wan  ir  lAt  iuch  vinden 
alle  tage  an  üppekeit 
und  an  manger  libtekeit. 
mit  scbaggun  ist  iu  ein'spil  505 

481.  furchte  483.   übel:    Leysers  predigt™    s.  161. 

4S4.   Sacht  494.    zuo  499.  eu  605.   sehaggaan 

tt  dem  rearther  tal  man  nymands  gestaten  keynerley  §pil  vmb  gelt  Stin- 
te sehaeasabeln  and  czackunen  speie  and  andere  speie  die  verbluten 
wir  nicht  ane  warfei  and  ane  geltspil,  das  die  glocke  das  speel  selieide 
beyde  esu  den  gezeiten  nnd  ouch  cza  dem  trynken.  visitationsvolhnmeht 
bei  Voigt  gesck.  Preußens  6,  504.  die  Statuten  des  ordens  enthalten 
niehts  Über  unser  spiel,  nur  einzelne  vUitalionsvollmaehten ;  ich  weifb 
et  awsh  tonst  in  unseren  quellen  nnd  unter  diesem  namen  nicht 
neefwuwrieen ,  wohl  aber  will  ich  eine  Vermutung  wagen  die  sieh 
eben  ßt*  nicht  m$hr  giebt  als  sie  ist.  wie- wenn  unser  sefcaggawt 
schaggän  czakun  das  tscbaugan  der  Perser  /Iraker  und  Türken  wäret 


60  BUCH  DER  RÜGEN. 

ertaubet,  der  ez  tuon  wil 
umb  ävg  Maria: 
daz  lät  ir  underwilen  da 
und  spilt  mit  dem  wihtelin 
uf  dem  tisch  umb  guoten  win.  510 

ir  gezzet  unde  getrinket  wol, 
als  iu  der  orden  geben  sol 
mfere  von  gewonheit 
dan  von  iwerre  arbeit. 

ob  daz  niht  geschehe,  515 

ez  würd  mit  solher  gaehe 
gevordert  daz  der  commendür 
inüeste  vliehen  vür  die  ttir 
oder  sä  zehant  geben, 

wolt  er  vristen  sin  leben.  520 

wirt  aver  iwer  wol  gephlegen, 
so  sprechet  ir  den  tischsegen 
mit  so  grözem  schalle 
daz  die  knehte  alle 

vaste  zuo  loufent,  525 

80  vw.    waent  daz  ir  inch  roufent. 

ein  spiel  mit  dem  schlagballe,  zu  pferde  wie  zu  fufse  üblich,  das  die 
ritter  des  deutschen  hauses  zu  Jerusalem  schon  früh  aus  dem  Oriente 
in  ihre  abendländischen  balleien  konnten  verpflanzt  haben,  ist  doch 
auch  das  daneben  genannte  schachzabel  orientalisches  Ursprungs,  daß 
der  schlagball  auch  in  unseren  gegenden  üblich  war  beweist  schon 
die  art  der  erwähnung  desselben  bei  Ulrich  von  Lichtenstein  frauen- 
dienst  26,  16,  und  das  bei  Neidhard  36,  1,  2  erseheinende  bickelspil 
wird  wohl  auch  hieherzuziehen  sein,  über  das  tschaugan  des  mor- 
genlandes  vergl.  Du  Fresnes  abhandlung  vm  zu  Joinville  s.  185  ff. 
und  die  piel  weitere  ausfuhrung  in  Quatremeres  Übersetzung  von  Takt- 
Eddin- Ahmed  ~  Makrizis  arabischer  geschickte  der  Mamluk- Sultane 
(Paris, 1837.  4.  printedfor  the  oriental  translation-fund)  bd.  1  s.  122 
— 132.  eine,  abbildung  des  spieles  bei  den  Persern  nach  einer.  Zeich- 
nung des  \tn  jh.  findet  sich  auf  pl.  xxu  des  \n  bandes  von  Ouseleys 
travels  in  various  countries  of  the  East.  London  1819  ff.  4.  auch 
Hyde  de  ludU  orientalibus,  Ox.  1694.  8.  bd.  2  s.  250  spricht  von  un- 
serem spiele.  509.  wichtelin:  MS.  1,  157a  der  sieht  sich  mit  sin 
selbes  hant,  des  wisheit  aht  ich  zeime  spil  daz  man  diu  wihtel  hat  ge-. 
nant.    vergl.  myth.  247.  512.  schol  518.  gommendeor 

520.  wölt  526.  eu 


BUCH  DER  RÜGEN.  61 

dar  nach  gfet  ez  an  daz  spil. 
man  bereit  annbrüste  vil, 
ir  schiezet  aber  nmbe  win, 
da  mit  lät  ir  iu  wol  sin.  530 

ir  sit  den  heiden  gehaz, 
*  wolte  got  möhte  ich  daz 
gesprechen  mit  der  w&rheit, 
daz  den  kristen  niht  leit 

von  iu  geschehen  waere:  535 

daz  waeren  gnoüu  maere. 
ir  sprecht  ewir  sin  gebruoder ! ' 
waer  iuwer  tüsent  vnoder, 
ir  sit  ein  ander  als  getriu 
als  die  wolve  und  die  siu.  540 

nü  merket  selbe  ob  ir  sint 
als  gehörsamiu  kint, 
ob  ir  baz  geislich 
heizet  oder  vreislich. 

wirt  bewaert  geislicheit  545 

an  dem  orden  den  ir  treit, 
so  solten  üf  die  triuwe  min 
alle  orden  der  iwer  sin. 
doch  weiz  ich  wol  wä  stfct  geschriben 
(ez  si  dan  alleswä  beliben)  550 

in  einem  buoche  l&re, 
wie  ir  nach  gotes  ftre 
in  dem  orden  soltet 
80  rw.    dienen,  ob  ir  woltet. 

ich  sprich  üf  mine  wärheit,  555 

tnot  ir  des  niht,  ez  wirt  iu  leit/ 

[Den  laiprudern] 
Ir  sült  den  conversen  sagen, 
wellen  sie  den  orden  tragen, 
das  tuon  mit  sölhem  vlize 
das  man  inz  niht  verwize,  560 

&ne  üppigen  spot 

539.  an  ander  als  getreu            540.  seu  550.  aUva:  alleswä 

krtwo.    vergl.  Graff  1 ,  %%i.         55 fr.  scboltc  554.  dt  o  —  wolte 

557.  schalt        558.  seu         


62  BUCH  DER  RÜGEN. 

dienen  unserm  herren  got, 
mit  aller  slahte  geh6rsam, 
mit  brüederlicher  mitesam, 
vasten  nnde  wachen,  565 

beten,  selten  lachen, 
daz  gehoert  sie  allez  an.  # 

ist  daz  indert  einer  kan 
ein  hantwerc,  swaz  daz  si, 
da  hab  bescheidenheit  bi,  570 

swenne  er  sin  beginne 
daz  er  uiht  gröze  gewinne 
weder  suoche  noch  beger, 
daz  man  niht  spreche   wer  ist  der 
der  in  dem  orden  wuocher  nint?  575 

hat  er  wip  unde  kint 
oder  ander  die  er  nert? 
daz  imz  niht  sin  abbet  wert 
daz  ist  ein  wunderlicher  sin. 
ich  bin  vrö  daz  ich  niht  bin  580 

gevarn  in  den  orden 
81  vw.    und  ein  bruoder  worden, 
sit  sie  tribent  vürkouf 
und  wuocher  nach  der  werlde  loufV 
heizt  sie  oucb  bebalten  wol,  585 

als  ein  ieglicher  sol, 
swigen  und  gedultekeit, 
durch  got  liden  hertekeit, 
ob  si  wellen  sin  behuot 
gerne  vor  der  helle  gluot.  590 

[Den  umblaufern] 
Heizt  die  sarabäitea 
in  die  helle  riten 
und  mit  in  gyrovagos, 
die  tiuvel  werdent  iriu  ros, 
si  bezzern  danne  ir  valschez  leben  595 

daz  in  der  vint  hat  gegeben, 
vürhtet  niht  ir  zungen 

562.  Dto  564,  mittesam  567.   583.  585.  *$u 

586.  scbol        591.  sarabayten         592.  teile 


BUCH  DER  RÜGEN.  63 

valsch  und  unbetwangen, 
noch  ir  üppige  drö, 

gftt  zno  in  und  sprecht  also  600 

cir  boese  liule,  saget  mir, 
wie  lange  waenet  ir 
iuwer  leben  vristen 
mit  so  boesen  listen? 

ir  heizt  iu  schem  die  blatten,  605 

daz  ir  mügt  gesatten 
iuwer  biuche  ze  aller  zit, 
loufet  durch  die  werlde  wit, 
swä  ir  danne  belibet 

den  valseh  ir  onch  tribet.  610 

swaz  iu  kumt  in  den  muot, 
(1  rw.    daz  dunket  iuch  unm&zen  guot: 
swaz  iu  niht  gevallet  wol, 
das  muoz  bösheit  wesen  vol. 
wie  lange  weit  ir  liegen?  615 

waent  ir  got  triegen 
den  nieman  betriegen  kan 
der  daz  leben  ie  gewan? 
lät  iuwer  bdsheit, 

daz  si  in  kürzlich  geseit,  620 

oder  gfit  inz  helletor, 
wan  ir  belibet  niht  dervor.' 

[Den  werltleichen  priestern] 
Swä  werltliche  priester  sin, 
dar  gfet  durch  den  willen  min. 
und  mit  grdzera  grimme  625 

sprecht  mit  lüter  stimme 
cwie  habt  ir  s6  gar  verzeit 
an  gote,  daz  ir  sit  bereit 
staete  ze  boesen  dingen 

und  getürret  singen  630 

messe  unwirdeclich, 
meisteil  aller  tägelicb. 
mich  dunkt,  ir  abt  der  simoni 

'07.  peach        612.  eu 


•vR'- 


.V. 


64  BUCH  DER  RÜGEN. 

möre  dan  der  psalmodi, 

des  wuochers  dan  philosophi,  635 

des  lithüs  dan  der  sacristi. 

huor  nnde  trunkenheit   . 

machet  iuwer  laster  breit 

und  anderre  bösheit  vil, 
82  vw.    der  ich  niht  verswigen  wil.  640 

einer  kouft  den  andern  abe 

von  siner  pfrüend  mit  kleiner  habe. 

ist  daz  niht  ein  simoni, 

s6  weiz  ich  niht  waz  ez  si. 

eteliche  rüement  sich  645 

ir  bösheit,  daz  ist  wunderlich, 

den  doch  waere  vil  leit,  -  - 

würde  ez  vürbaz  geseit, 

wan  sie  vürhtent  alle  gar, 

ob  ez  würde  offenbar,  650 

sie  würden  unmaere, 

als  daz  billich  waere. 

nieman  habe  arcwan 

umb  daz  ich  gesprochen  hän: 

ich  mein  die  vrumen  waerlich  niht,  655 

die  boesen  sint  vor  got  enwiht. 

da  von  sagt  cir  armen,       — 
.   14t  ir  iuch  niht  erbarmen 

waz  die  Juden  täten, 

dö  sie  gewalt  bäten  660 

an  unserm  herren  Jösu  Krist, 

der  al  der  werlde  loeser  ist, 

daz  sie  ze  rate  giengen, 

in  an  daz  kriuze  hiengen? 

daz  tuot  ir  alle  sicherlich  665 

so  ir  sprecht  misse  unwirdeclich. 

ir  sült  mir  einez  iiz  legen, 

daz  ander  läz  ich  under  wegen. 
82  rw.    dö  ir  niht  leben  woltet,     • 

als  ir  ze  rehte  sollet,  670 

658.  eu  660.  seu  663.  D'  alr  d*  werde  lwsrcr  ist 

667.  schult  669.  wolte  670.  schölte 


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-*  "   vi 


BUCH  DER  RÜGEN.  65 

nach  priesterlicher  6re, 
waz  weit  ir  wihe  mftre 
dan  ein  ander  werltlich  man 
der  diu  buoch  niht  enkan? 
ir  swuort  umbe  kiaschekeit  675 

in  der  wihe  einen  eit: 
ö  siiezer  herre  Jäsfi  Krist, 
wie  oft  daz  sit  zebrochen  ist! 
als  oft  irz  habt  zebrochen 
and  alsd  misse  gesprochen,  680 

habt  ir,  als  yü  an  iu  ist, 
gemartert  waerlich  J£sum  Krist. 
nü  sprichet  etlich  tumber  man, 
der  dar  zuo  niht  baz  kan, 
'mir  hat  unser  herre  gegeben  685 

ein  als  gar  krankez  leben 
daz  ich  mich  niht  enthalten  kan 
ich  müez  mit  vrowen  umbegftn.' 
er  liuget,  wan  er  zihet  got 
vrävenlich  daz  sin  gebot  690 

übertreffe  menschen  kraft: 
des  lougent  allin  meistersehaft. 
got  hat  nie  geboten  iht    ' 
dem  menschen  daz  er  möhte  niht 
ervollen  als  er  solte,  695 

ob  er  ez  tuon  wolte. 
da  von  kestiget  den  lip, 
weit  ir  iäzen  diu  wip, 
83  vw.    und  lät  iuwer  liegen  sin. 

ich  sag  iu  Af  die  triwe  min,        v:  700 

bezzert  ir  niht  iuwer  leben, 

ir  wert  der  bittern  helle  gegeben«; 

[Den  artzden  und  den  Juristen]     \ 
Ez  sint  zweiger  slahte  man 
die  nieman  ervüllen  kan, 
die  siüt  ir  strafen  sfere.  705 

672.  wolt      675.  svrt  681.  ir  fehlt.      688.  muz      689.  leuget 

*        690.  frauenleich  695.  nach  als  ein  radierte*  wort. 
.  swolte        705.  schalt 
l.  F.  D.  A.  II.  5 


4 


14 


gft  BUCH  DBB  RÜGEN. 

durch  unser  vppuwen  Are 
sprecht  in  vräyeUwhen  zun, 
ez  si  späta  oder  vw>» 
cir  meister  v^  der  areeni 
und  die  Juristen  derM»  710 

wie  sit  ir  sd  grundlos 
als  daz  mer»  dft  W3»*er  grflz 
statte  in  yliqgept 
und  sich  dar  in  bfiBÜegerat, 
und  kan  do^h  nimmer  werden  yoI!  715 

dem  mac  ich  jach  geliehen  wol, 
wan  der  iu  z;iiq  trüege 
arken  uogefuege 
silber  unde  g<4de$  yol* 

dannoch  dufttat  mfeh  wol  720 

daz  iuwer  witeT  gitßac 
stiiende  offen  aüen  taq, 
wizt  ir  d&$  geschahen  stät 
und  got  selbe  gesprochen  hat 
wil  du  äne  sun.de  lehen,  725 

du  muost  genom^n^  wider  geben?' 
$3  rw.    ir  habt  tft$ent  gepqmeü, 

der  einez  nie  ist  \yider  komep. 

ir  lobt  helfe  gar  vjl; 

swenne  man  die  haben  wil,  730 

so  ist  ez  allez  gelogen 

und  habt  die  liinte  betrogen^ 

swenne  ir  den  armen  ane  seht, 

in  iuwerm  herzen  ix  des  jebt 

cicb  hän  verebt  33  ßchupfe  yil,  735 

daz  ich  wid$r  bßbßH  wilr 

du  m^bt  Wöl  ufflb  su$t  g$n? 

ich  tr$  dir  flibt  gewinn  iwu 

ob  er  sich  dgnne  unz  in.  den  t<H 

zerret,  des  im  gi§nge  fl$t,  740 

mit  joggen  und  mjt  weinW 

baet  durch  got  den  reinen, 

716.  <p        Tft.'|eü?        7?ft.  ^AfW  33,  1&  ff.         7&?.  ainigp 
738.  trän  741.  ioggen  — »wain 


BUCH  DER  RÜGEN.  07 

er  g£t  von  iu  an  allen  r&t, 
so  er  iu  niht  ze  geben  hat. 
nü  seht  ob  daz  zitKch  ist?  745 

mich  dunkt  ir  weit  den  antikrist 
schiere  riebe  mache» 
mit  so  getanen  sacbe», 
wan  in  die  sehatz  gehoevent  an 
die  beidiu  vrowen  unde  man  750 

bergent  von  der  gitekeit, 
die  werdeut  im  alle  bereit, 
des  wirt  er  gehen  iu  ze  16b 
der  grundelöse»  kelle  trön/ 
[Den  schudfaeren) 
(4  wo.    Sagt  den  schuofeeren  swft  sie  not,  755 

sie  sin  micJkel  oder  kin&, 
cir  sü'lt  zuo  de*  lerne 
froelich  undct  gerne 
komen  zuo  aller  ztt, 

wan  grözer  nutz«  dar  an  Bt.  760 

lät  iuch  niht  betragen 
ob  man  beginnet  vrägea 
wie  lange  wil  du  sebuober.  si»T 
ich  spriche  bi  der  tpwe  nun, 
ez  mac  ein  wol  gti&rter  na&  765 

vür  künec  und  vür  keiser  g&n, 
so  ein  leige  hin  dan  st& 
und  nindert  zuo  ir  rate  g&t. 
habt  ir  gedäht  zua  priesterscfeaftr 
so  sült  ir  alle  iuwer  kraft .  770 

nach  gotlicher  fere 
und  nach  der  metster  I6re 
erzeigen  alle  stunde, 
von  iuwers  herzen  gründe 
vliehet  unkiusiehekeit>  775 

ist  iht  geschehen,  daz  si  iu  leit, 
und  habet  veste  in  iuwerm  muot 
<Haz  i^z  nimmer  m@r  getuot. 

'52.  w'ot  757.  schult  7fcl.  eu  77*.  s«hul,t 

5" 


68  BUCH  DER  RÜGEN. 

midet  ouch  daz  lithüs, 

daz  ir  niht  her  wider  üz  780 

werdet  gar  bestroufet 
und  übte  wol  zeroufet. 
daz  waer  ein  jaemerlichiu  klage 
diu  sich  mßret  alle  tage. 
84  rw.    ir  kleit  daz  ir  habt  verlorn,  785 

die  schuole  versumt,  des  meistere  zorn, 
vater  unde  muoter  haz: 
vür  war  sag  ich  iu  daz, 
ez  wser  ein  lihtiu  schulde, 
vlürt  ir  niht  gotes  hulde.  790 

iuwer  etelicher  hat 
von  almuosen  allen  rät, 
kirchen  oder  phrüenden  vil, 
des  er  niht  verdienen  wil, 
er  ist  an  allen  sinnen  toup  795 

und  izzet  rehten  röroup.' 

[Den  lotter  phaffen] 
Sprecht  zuo  den  loterphaffen 
eir  unreine  äffen, 
wie  verzert  ir  iuwer  leben 
daz  iu  got  hat  gegeben,  80fr 

wan  ir  niwan  in  üppekeit 
lebt  und  in  bösheit? 
iuwer  veiger  orden 
solde  nie  sin  worden, 

wan  ir  gät  s6  lasterlich,  805 

rehte  hangaeren  glich, 
iuwerr  bösheit  ist  so  vil 
daz  iuwer  got  niht  enwil: 
dem  vinde  ouch  versmähet 
daz  ir  zuo  im  g&het  810 

vür  mangen  erbseren  man, 

790.  v'lnrt  794.Vdui  801.  Won— nur         806.  auf  dem 

concil  zu  Mainz  1261  und  dem  zu  Salzburg  1274  war  wiederholt  ge 
gen  diese  quaestuarii   und  clerici   vagabundi   quos  vulgas  Eberhardinos 
vocat  verfügt  worden,  doch  vergeblich,  wie  es  scheint.  Harzheim  con- 
eil.  Qerman.  3,  600.  642.     ~    809.  veint        811.  eipaern 


BUCH  DER  RÜGEN.  69 

die  er  lieber  wolte  hdn. 
da  von  g4t  gedräte, 
6  daz  ez  werde  ze  späte 

und  dringet  in  daz  helletor,  815 

85  vw.    daz  ir  niht  wert  verspart  dervor.   • 
doch  wold  ich  iu  raten  wol, 
als  ich  von  gotes  triuwe  sol, 
daz  ir  iuch  bekfertet, 

got  baz  ftrtet  820 

danne  ir  vor  habt  getan, 
wan  ich  wol  gelesen  hän, 
dö  er  uns  in  noeten  sach 
daz  er  süezecliche  sprach 

cniht  des  sündaeres  tot  wil  ich,  825 

er  lebe  und  bek&re  sich/ 
tuot  ir  des  niht,  so  vind  ich  wol 
daz  lön  daz  man  iu  geben  sol/ 

[Den  nunnen] 
Ir  wizzet  alle  samt  wol 

daz  man  weder  mac  noch  sol  830 

vrouwen  von  ir  krankheit 
strafen  nach  der  rehtekeit. 
swer  sie  wolde  strafen, 
sie  schrirn  alle  'wäfen ! 

wil  man  uns  verderben?  835 

waz  wil  man  an  uns  werben?' 
si  mugen  niht  erlfden 
straf,  swie  si  niht  miden 
ofte  daz  in  übel  stät. 

da  von,  bruoder,  swenne  ir  g6t  840 

da  geisliche  vrowen  sint, 
si  sin  alt  ode  kint, 
ret  in  zuo  milteclich, 
daz  sie  niht  ungezogenlich 
sich  gegen  iu  vergezzen.  845 

si  sint  so  gar  vermezzen, 

12.  wMte        819.  eu  —  pecherte        820.  erte        825.  sundaer 
ev   *      834.  8chrin        836.  an  fehlt,        erben        843.  Red 
eu 


70  BUCH  OKU  jlUGfiN. 

sa  rw.    daz  sie  raschigen  muot 

gewinnen!;,  ob  man  in  durch  guot 

seit  daz  in  doch  wäre 

gar  nutzebtere. 

in  git  diu  natüre  daz, 

der  in  verblutet  etewaz, 

daz  sie  Übte  liezeu  fi, 

da  wirt  in  hin  nach  so  we 

mit  trah hinge,  in  welher  abt 

von  in  daz  werde  voUebräht. 

mit  bägen  und  mit  schelten 

können  si  wol  gelten, 

ob  in  leit  ieman 

vor  mangem  jire  bat  .getan. 

swer  in  unzühte  wert, 

ob  er  vor  in  den  lip  ernert, 

daz  mac  er  haben  wol  yür  guot 

von  ir  grözen  iibermuot- 

ir  hAchvart  ist  also  vjl 

daz  sie  Aller  bände  spü 

als  vrilich  wellen  t  schouveu 

als  werltliche  rrpuwen. 

mit  gitekeit  hänt  sie  pbMfrt; 

von  unkiusche  sag  i*h  njht, 

wan  ob  daz  also  w#re, 

daz  man  »i»  njM  enhxre, 

des  got  niht  verbeugen  sol, 

ez  geseit  sieb  seihe  wol, 

waz  sprich  ich  von  dar  yrJjzhejt? 

ez  ist  etßlieher  lejt 

86  vw.    daz  si  so  Kitzel  ribtfi  ft& 
so  sie  zuo  dem  tische  gaf., 
din  doch  zuo  ir  munde 
an  etelicher  stunde 
zehen  rephüeneiin 
Dieme  vür  ein  jjerje  S*'B.r 
so  sie  muezen  vasten, 

8^1,  MB  8fi(,  yntzv^  80*,  ir 

874.  selb'         879.  irem         881.  rephülein 


BUCH  DER  RÜGEN.  71 

si  mugen  niht  geratftea, 

zorn  haz  unde  litt  885 

selten  zwischen  in  geilt, 

diu  ungehorsam  Überkraft 

ahtet  niht  de*  Meisterschaft» 

wold  aber  iemßn  sprechen, 

sich  vil  lihte  rechen,  $90 

daz  ich  den  vrowen  triiege  bac, 

der  sol  bi  gote  wizzen  daz 

ich  vrumen  vrowen  holt  hin 

und  gerne  allen  minen  sin 

dar  zuo  wolde  kiren  895 

daz  ez  nach  ir  Aren 

an  allen  sachen  wsere. 
da  von  ist  mir  unmaere,   . 

ob  iemen  anders  sprechen  wiL 
den  dunket  miner  rede  ze  tu:  900 

er  sol  mich  aber  l£ren 
mit  wie  grdzen  treu 
diu  6rste  rede  mac  best&n, 
als  sich  daz  buoch  hebet  an. 
er  sol  ouefa  wizzen  Ane  wän  905 

daz  ich  niht  gemeinet  hän 
•6  vw.    tugentlicher  vrottwen  site, 
ich  meine  niwan  die  dermite 
die  ze  aller  zit  unordenlfch 
lebent  und  untugentlicb,  910 

wellent  heizen  geislieh 
und  sint  doch  gar  vr eislich.  j:    . 

da  von  ir  bruoder  Utot  also 
daz  die  sftle  werden  vrö: 

sie  lident  iuwer  strafe  niht,  915 

swiget  ir,  daz  ist  enwiht. 
so  saget  ia,  daz  ist  min  rät, 
wie  uns  got  erlasset  hat« . 
cder  im  des  niht  wolde 

H>  Jesqjts  58,  4.  88*.  zwuchaA  889.  VV5U  892«  aehol 
vttle  896»  etf&tklt.  tan  901.  9*5.  whol  .  988.  nur 
09.  zu        914  sein 


72  BUCH  DER  RÜGEN. 

danken  als  er  solde,  920 

der  verdienet  sinen  zorn 
und  wirt  öweclich  verlorn, 
swer  aver  sine  schulde 
nach  unsers  herren  hulde 
mit  der  biht  und  mit  der  buoz,  925 

als  ein  ieglich  kristen  muoz, 
wil  unserm  herren  klagen, 
vür  war  wil  ich  iu  sagen, 
mit  einem  zäher  kleine 

den  er  von  herzen  weine  930 

erlischet  allez  helleviur. 
lät  iu  niht  wesen  zäher  tiur 
die  iu  wolveile 
ofte  sint  in  geile, 

leschet  ab  die  helleglaot,  935 

daz  dunket  mich  von  herzen  gort.' 
[Ditz  schult  ir  dem  kaiser  predigen] 
87  vw.    Vürhtet  niht  des  keisers  drö, 
gfet  zuo  im  und  sprecht  also 
csag  mir,  keiser,  vürste  hör, 
wä  von  waenst  du  daz  got  6r  940 

uf  dich  hat  geleit  so  vil? 
niwan  daz  er  versuochen  wil 
ob  du  siner  kristenheit 
mit  helfe  wellest  sin  bereit, 
got  wil  daz  dir  erbarme  945 

ze  aller  zit  der  arme 
möre  dan  der  riche  man 
der  sich  wol  besachen  kan. 
scherme  in  allen  vreisen 

witwen  unde  weisen,  950 

%  klösterliute,  pfaffheit, 
die  got  ze  dienste  sint  bereit, 
mache  vrid  durch  alliu  lant 
den  unser  herre  si  bekant. 

9£fc%tfiolte        922.   euwecleich        925.   pecht        927.   wil  fehlt 
peklagen        942.  Nur        946.  zu  948.  Sehmeiler  3,  188. 

949.  raisen 


BUCH  DER  RÜGEN.  73 

ketzer  und  die  heidenschaft  955 

viht  an  mit  aller  kraft, 
lä  dir  nieman  leiden 
den  nakten  ze  kleiden, 
den  hangerigen  spisen 

und  den  wec  ze  wisen  960 

ob  ein  eilender  man 
nindert  sich  verrihten  kan. 
swie  arm  ein  ieglicher  si, 
dem  hilf  und  gedenk  derbi 
cgot  hat  über  mich  gewalt,  965 

er  biet  mich  wol  zuo  dir  gezalt. 
87  rw.    armer  mensch,  daz  hiute  ist  din, 
daz  wirt  vil  lihte  morgen  min/ 
din  gerihte  si  sieht, 

nibt  baz  dem  herren  dan  dem  kneht.  970 

got  persön  niht  uz  nint, 
wan  als  er  an  den  werken  vint. 
die  guoten  solt  du  liep  hän, 
die  boesen  lä  mit  zorne  gän. 
alle  smeichaere  975 

sin  dir  unmsere. 
swer  haz  unde  nit 
und  missehellunge  umbe  git, 
dem  lä  niht  die  hulde  din, 
wil  du  mit  gemache  sin.  980 

du  solt  selben  hüeten  dich 
vor  allen  sünden,  daz  rät  ich.   * 
wold  aver  ieman  her  gfen 
der  dir  wolde  gest6n 

und  Sprache  cer  behaltet  wol  985 

daz  er  ze  rehte  behalten  sol/ 
daz  widerrette  ich  sä  zehant 
und  hieze  in  varn  in  alliu  lant, 
vrägen  der  maere 

ob  indert  vride  waere.  990 

daz  vünd  er  allez  vridelös, 

•M.  an  eilender        972.  Nur        987.  wid'  redd 


74  BUCH  DER  RÜGEN. 

beroubet  naket  unde  blöz. 

da  von,  keiser,  schaff  also 

daz  arme  Hute  werden  vrö. 

du  hast  ein  swert  in  diner  haut,  99i 

der  got  zwei  hat  gesaut 

der  kristenheit  ze  guote 

und  ze  grdzer  buote. 
88  vw.    daz  eine  sol  der  habest  hän, 

daz  gehoert  die  phaffen  an:  1001 

daz  ander  nütze  in  diner  aht 

so  du  aller  beste  mäht. 

slach  unde  Stiche, 

dich  an  dtn  vinden  riehe, 

die  dir  wellen  tuon  leit  100. 

an  der  armen  kristenheit. 
'Juden  ketzer  beiden« 

die  solt  du  erleiden 

kristen  liuten  krefteclich, 

daz  si  niht  werden  in  gelich.  101  < 

hilf  dem  bibst  mit  dinem  swert, 

ob  er  sin  von  dir  begert, 

mit  als6  guoter  triuwe 

daz  es  dich  niht  geriuwe. 

setze  dich  niht  wider  in,  101« 

habe  zuo  der  triuwe  min. 

sin  swert  snidet  baz 

dan  daz  din,  und  wizze  daz, 

ez  ist*gehert  mit  gotes  kraft, 

daz  aller  smide  meistersohaft  102* 

ein  sämelichz  enmahte, 

ob  si  dar  nach  trahte 

unz  an  den  jungisten  tae ; 

vür  war  iah  daz  gesprochen  mac, 
[De*  Qhunigen  gemainecleioh] 
88  rw,    Sagt  den  klingen  durch  den  munt  102* 

"ir  herren,  ist  iu  das  iht  kunt? 

swem  man  enphilbet  mftre 

998.  zu        (1003/.*  slaha  slach  unde  stich,  dich  an  dinen  vinden 
rieh.    Hpt.)        10QQ;  Cffetan        1016s  mein 


BUCH  DER  RÜGEN,  75 

guot  oder  6re9 
man  muot  an  in  ze  aller  tit 
mir  danne  de»  feaa  lüUei  git.  1030 

got  hat  iu  enpholhen  vil 
daz  er  an  i«  vordem  wil. 
bürge  stete  nnde  laut 
hat  er  gesazt  iu  iu  wer  hant: 
da  sült  ir  an  gedenken,  1035 

dem  keiser  niht  entwenken, 
swenne  er  durch  die  kristenheit 
ze  strite  muoz  sin  bereit. 
helft  im  yride  machen 

an  aller  hande  saehea,  1040 

daz  gotes  dienst  werde 
gemferet  uf  der  erde, 
hüet  der  liute  in  iuwerm  rieb, 
daz  si  den  beiden  niht  gelieh 
noch  den  ketzern  wellen  sin:  1045 

daz  rät  ich  uf  die  triuwe  min. 
ez  vihlet  an  die  kristenheit 
so  manger  bände  bfoheit* 
swer  ez  wenden  wolde, 

als  er  ze  rehte  solde,  1050 

89  vw.    des  t6des  muos  er  sich  verwegen, 
doch  verdiente  er  gotes  gegen. 
lät  bi  iu  niht  belihen 
von  mannen  noch  von  wiben 
der  mit  ftonber  umbe  gut.  1055 

als  iuwern  ftren  wol  an  stftt, 
alle  wnochewre 
lftt  in  ßin  uöipajre. 
vor  vürkouf  und  ßimoni 

sin  iuriu  kiiasriohe  vri.  1060 

aller  sichte  btobeit 
lät  iu  staete  W£SQP  Irft. 
hüet  iueh  ouch  yo?  sündeu 
und  lät  iueh  niesten  schündep 

t     Kty),  vodep»,  wgi<  HA.  6Q0.  M35/.«obnlt         MW-  #«!*« 

l0<&.  1064,  m 


76 


BUCH  DER  RÜGEN. 


daz  ir  ieman  des  gestftt  1065 

daz  uf  iuwer  s£le  g£t/ 
[Den  forsten  Grauen  vreigen  vnd  dienst  h'ren] 
Bruoder,  des  niht  abe  gest&t, 
swenne  ir  zuo  den  vürsten  gftt, 
ze  gräven  vrien  dienstman, 
sprecht  sie  ander  ougen  an  107O 

cswie  sit  ir  so  ung£rt 
und  an  tagenden  verkört! 
wan  man  von  in  hoeret 
daz  ir  kloester  stoeret 
89  rw.    diu  iuwer  vater  hänt  gestift:  107S 

daz  ist  iuwer  s£le  vergift. 
swenne  ir  ze  spräche  gebent  tac, 
nindert  daz  geschehen  mac 
wan  in  den  kloestern,  da  man  git 
die  kost  umb  sus  zuo  aller  zit.  1080 

da  mit  ir  doch  verdient  den  ban9 
als  ich  iu  wol  gesagen  kan. 
und  wolde  got,  biet  ir  vür  guot, 
mit  iuwerm  gr6zen  übermuot, 
daz  in  von  iuwerr  gaehe  1085 

niht  groezer  schade  geschaehe. 
merket  selbe  ob  ir  weit, 
swaz  ir  äf  diu  kloester  zeit, 
da  habt  ir  zuo  dehein  reht: 
wan  daz  ist  ein  sache  sieht,  1090 

daz  iuwer  vordem  habent  bräht 
den  kloestern  von  ir  andäht 
daz  sol  von  reht  der  kloester  sin, 
irn  dürft  niht  sprechen  eez  ist  min/ 
gäben  iuwer  vater  iht,  1095 

daz  was  ir  und  iuwer  niht: 
der  iu  ez  wolde  behalden  hän, 
er  hiet  ez  waeriich  getan, 
da  von  rät  ich  iu  wol, 
als  ich  von  gote  raten  sol,  1100 

1067.  Prüder         1070.  sca  vnd*  ir         1075.  vreter        1079.  Nur 
—  won  man        1091.  vodern        1095.  vater        1100.  schol 


BUCH  DER  RÜGEN.  77 

90  vw.    14t  ftne  trüebesal 

diu  gotes  hiuser  über  al, 

daz  iuwer  sftle  niht  verlorn 

werden  von  dem  gotes  zorn. 

ir  sit  dem  künic  gebunden  1105 

ze  helfen  zallen  stunden 

daz  er  sin  kiinecrich 

gestellen  müge  vridelich: 

doch  dunket  mich,  in  waere 

umb  den  vrid  unmaere,  1110 

wan  ir  habt  in  reisen 

witewen  unde  weisen 

ze  ergrinne  gewont, 

daz  iu  noch  stete  zuo  dont. 

swer  vlizecliche  dienet  got  1115 

von  dem  habt  ir  iuwern  spot, 

der  aver  von  gote  k&rct 

den  lobt  ir  unde  feret. 

wer  möht  nü  haben  in  der  zal 

iuwer  veicheit  über  al?  1120 

der  vint  zel  ob  er  wil, 

dem  ir  dienet  äne  zil/ 

[Den  ritt'n  gemainecleich] 
Den  riltern  sagt  gemeineclich 
cez  ist  umb  iuch  so  zwivellich 
oh  ir  ze  gnaden  sit  erkorn  1125 

oder  6weclich  verlorn, 
man  hiez  iuch  in  dem  ritter  segen 
zühte  und  6re  staete  phlegen, 
**G  rw.    witewen,  weisen  alle  zit 

schermen  in  dem  lande  wit,  1130 

da  von  ir  schermsere 

heizet,  ob  ez  waere, 

guoter  liute  durch  got. 

ir  habt  ez  aber  vür  spot: 

swer  iuch  schermsere  hat  genant,  1135 

der  hat  iuch  leider  niht  erkant, 

1103.  sein     1113.  Zu  ergrainne :  zu  Herb.  6316.      1124.1127.  eu 
l*8.  Zucht 


78  BUCH  »ER  RÜGEN. 

ir  hiezt  schenere  vil  baa. 
ir  schert  truoken  u»de  not, 
ir  schert  wangen  ungebcit 
dem  iuwex  scherii  ist  vil  Wt.  1140 

ir  schert  nieraen  ftoe  ldo, 
ir  schert  staete  unde  $chto, 
ir  schert  arm  unde  rieb, 
iuwerm  schern  ist  nibt  gelfch, 
ir  schert  daz  guot  und  nibt  tat  här.  1145 

da  von  sag  ich  iu  offenbar, 
ir  wizzet  niht  wie  lange  63  wert 
daz  ir  arme  liute  abhört, 
iu  wirt  geweret  iuwex  scher* 
so  ir  vil  übte  schaeret  gern,  1150 

got  wil  sölher  oberer  niht, 
si  sint  dem  himelrich  enwiht.1 
waz  hilfet  daz  ich  rede  vil 
so  mir  niemen  volgen  wil? 
doch  wil  ich  mich  zexloesep  1155 

gßn  frumen  und  g&n  hoesep, 
91  vw,    sagen  in  die  wärheit,, 
ez  si  liep  oder  leit. 
ez  sol  ein  ri^ter  feren  got, 
ernslich  und  niht  in  spot,  1160 

den  vürstep  helfen  päch  a>m  reht, 
allez  unreht  macben  sieht, 
boese  liute  machen  guot, 
die  guoten  haben  in,  d$r  huot, 
daz  in  iht  übel  müge  geschehen.  1165 

zuo  im  selben  ouch  sehen, 
daz  nieman  üf  der  §r<Je 
von  im  betrüebet  werde; 
ob  er  ieman  betrüehet  bähe, 
dem  sol  erz  gerne  nempn  abe:  1170 

haben  gröze  riuwe 
umb  siin^e  fllt  und  piu^e, 
haben  gwJ  gftdinge, 

1137.  sch'rar  114?.  stet  vnschon  1169.  im 


BUCH  DER  RÜGEN.  79 

daz  in  sin  engel  bringe 

zno  Ewiger  stxttekeit,  1175 

da  alliu  vreude  ist  bereit. 
[Den  chnappen] 
Sprecht  zno  den  edelingen 
wie  möht  in  wol  gelingen 
die  wile  ir  habt  boesen  ranot 
nnd  lobet  awaz  der  hoese  tuot?  1180 

edel  undp  werdekeit, 
der  inwer  vater  h&nt  gephleit, 
91  rw.    die  verlieset  ir  da  mit 

daz  ir  den  heidanisoben  sit 

habt  iueh  genomen  an.  1185 

als  ich  iu  wol  gesagen  kan, 

iu  ist  diu  kirehe  als  der  «tal, 

swä  man  sol  rouben  über  al, 

kelch  buoch  messegewant 

daz  mnoz  allz  in  iuwer  bant.  1190 

bischof  bröbat  pharrser 

apt  münoh  messenfflr, 

waeron  $i  in  gotes  schöz, 

möht  ir,  sie  würden  hldz. 

da  von  mae  ich  geliehen  1195 

iueh  wol  sicherliehen 

der  heidenjaehen  uadiet 

diu  nie  niht  guotes  geriet. 

daz  tuot  ir  alles  m»b  den  slunt. 

kaeme  ein  mil  umb  ein  phunt,  1200 

ez  dühte  iueh  niht  «e  swaere, 

daz  ot  daz  guot  wwre. 

da  von  bit  die  beiden 

daz  sie  von  iu  niht  scheiden 

oder  bringen  iueh  dft  hin  1205 

dar  iueh  leitet  iuwer  sin, 

daz  ist  diu  tiefe  hello: 

da  wirt  iur  geselle 

U81.  wirdechait         118».  vaeter— gephlait        1183.  verliert 
.  *>*  1185.  1196,  ea  1190.  alg  1191.  PJsphetf 

.  deucht  ea  1202.  Daz  otfa  1204.  seu  l#Qß,  w't  ir 


.  % 


80  BUCH  DER  RÜGEN. 

Astaröt  und  Satanas : 
92  vw,    wie  kan  iu  immer  werden  baz,  1210 

an  ir  wellet  wider  körn, 

die  s&le  vor  der  helle  nern, 

büezen  iuwer  schulde 

nach  unsers  herren  hulde 

mit  gar  grözer  arbeit?  1215 

tuot  ir  daz  niht,  ez  wirt  iu  leit.' 
[Den  schiltchnechten] 

Vr&gt  die  schiltknehte 

veic  und  ungerehte, 

seht  daz  keiner  entwiche 

und  sprechet  zornliche  1220 

'sagt  ir  wunderarmen  mir 

gedräte,  wes  gedenket  ir 

daz  ir  so  vlizecliche 

von  dem  himelriche 

vliehet  naht  unde  tac,  122^ 

daz  niemen  iu  erleiden  mac? 

wes  habt  ir  iuch  an  genomen 

mit  herte  zuo  der  helle  ze  komen? 

ir  qusemt  wol  ringeclicher  dar 

vil  lihte  in  der  Ersten  schar.  123 

iuwer  ezzen  ist  enwiht, 

ir  habt  ofte  ze  trinken  niht, 

ir  gesläfet  selten  wol. 

so  man  ez  allez  sagen  sol, 

swaz  sich  geziuht  ze  hertekeit 

und  ze  grözer  arbeit, 

da  sit  ir  mit  überladen, 
92  rw.    des  habt  ir  den  grasten  schaden. 

verspehen  rouben  unde  brant, 

daz  ist  iu  allez  wol  bekant.  124 

ze  steine  und  ze  nahtschäch 

ist  etelichem  vil  gäch, 

dem  doch  waere  gar  leit 

ob  ez  iemah  von  im  seit. 

1227.  eu  1228.  h'tte  1230.  lecht  1234.   schol 

1242.  gar  gach 


BUGfl  DER  RÜGEN.  81 

nu  hoert,  ir  Meiosen  zagen,  1245 

kunnet  ir  mir  iht  gesagen 

waz  ir  von  iuwer  arbeit 

mit  iu  in  die  belle  treit 

mßre  dan  die  sünde 

zuo  einem  Urkunde  1250 

daz  ir  boesliche  habt  gelebt 

und  statte  wider  got  gestrebt? 

weit  ir  iuch  des  niht  mäzen, 

alle  sünde  läzen, 

bihten  unde  büezen,  1255 

als  wir  alle  müezen, 

ir  wert  gescheiden  ßwiclich 

von  got  und  von  dem  himdlieh/ 

[Den  purgeern] 
Strafet  die  burgaere, 

sprecht  cist  iu  iht  swsere  1260 

daz  man  über  al  seit 
daz  aller  hande  bösheit 
bi  iu  wirt  gebräwen? 
wer  mac  iu  getruwen 

daz  ir  niht  mit  habet  phliht?  1265 

daz  sprich  ich  dar  ttmbe  niht 
^3  vw.    daz  ich  boesen  arcwan 
zuo  iu  allen  welle  bäo, 
mich  duht  aber  billich 

daz  ir  gar  vlizeclich  1270 

besaeht  wer  schuldic  wasre, 
den  liezt  iu  sin  unmöere. 
ir  spiset  mangen  boesen  wiht 
der  iu  wserliche  Vueget  niht. 
wuocher  zouber  ketzeri  1275 

vürkouf  huor  simoni 
hdchvart  gitekeit 
nit  haz  vräzheit 
phahtsniden  diupheit 

1^53.  eu  .     1275.  chetzernei        1279.  phochsneiden.    über  pfaht 

?/.  zum  tf offen  Mfnrad  21,  23.  der  sinn  ist  klar,  dock  vermag  ich 

worf  sonst  nickt  nachzuweisen.     vergL  übrigens  facht  in  Tobhrs. 

I.  F.  D.  A.    IL  6 


82  BUCH  DER  RÜGEN.« 

und*  aller  slafate  valscheit,  1280 

vierhartaere  riffi&n 

spehaere  wert  ir  nimmer  an. 

weit  ir  beeren  kürzlich, 

Vif  min  triu  des  danket  mich, 

swaz  mac  sin  von  boesem  list  1285 

bi  in  allez  erdäht  ist/ 

[Den  kaufleutenj 
Sprecht  zuo  den  koufliuten 
ewaz  mac  daz  betiuten 
daz  in  so  wft  nach  guot  ist? 
ir  weit  alle  in  kurzer  vrist  1290 

werden  also  riebe 
daz  iu  niht  si  geliche 
gräve  oder  dienstman. 
da  von  ich  ged&ht  hän 

daz  ich  iueh  strafen  wolt,  1295 

wan  ir  gedenken  solt 
93  rw.   'ich  lige  lihte  schiere  tot: 

sol  ich  mich  in  so  gröze  not 
durch  miniu  kint  versenken? 
ich  wil  dar  an  gedenken  1300 

daz  ich  nft  mfere  hän 
.  dan  min  vater  ie  gewan/ 
ob  ir  des  lihte  niht  entuot, 
so  nemt  daz  in  iuwern  muot, 
ir  vart  hin  gfen  Indiä  1305— 

und  belibet  lange  da 
oder  verre  in  andriu  lant, 
der  iu  vil  ist  bekant : 
swenn  ir  her  wider  kßret 

und  habt  daz  güot  gemftret  1310""" 

ir  vindet  jungiu  vänzelin, 
.    diu  mugen  lihte  eins  andern  sin. 
dünket  iueh  des  aber  wol 
daz  man  daz  niht  sprechen  sol, 

Appenzell.  Sprachschatz  s.  173.  1281.   vfrharfcer.   Oberlin  1805, 

Schmefier  1,  634.  1295.   wolte  1296.  Won— schölte 

1311.  vtentzelein.  Schneller  1,  545  u.  534,  /.  Grimm  Reinh.  fuchs  #.376. 


BUCH  DER  RÜGEN.  83 

so  bedenket  die  not,  1315 

dafc  nieman  mac  vür  den  tot. 
sd  man  iuch  ze  dem  grabe  treit 
und  iach  da  yil  vaste  kleit, 
swie  rtr  diu  vrouwe  weinet, 
doch  sie  sich  vereinet  1320 

und  siht  hin  unde  her 
'wer  ist  diser?  wer  ist  der?' 
sie  kleit  in  ir  herzen 
ir  grözen  smerzen. 

cmin  lieber  wirt  ist  leider  tot!  1325 

mich  twinget  dar  zuo  gröziu  not 
94  vw.    däz  ich  ein  andern  nemen  muoz 
der  mir  tuo  miner  sorgen  buoz.' 
si  schowet  an  sie  alle.    , 

welr  ir  wdl  gevalle:  1330 

der  wirt  dins  guotes  erbe, 
enruocht  ob  man  verderbe 
dine  s&le  und  dinen  lip, 
er  hat  doch  din  schoenez  wip. 
nu  merket  ir  koufman  1335 

waz  ich  iu  geseit  h&n : 
ir  wizzet  niht  wer  hin  treit 
daz  ir  mit  grözer  arbeit 
habt  über  mere  bräht. 

ir  het  sin  niht  alsd  gedftht.  1340 

dient  umb  die  Äwikeit, 
ez  wirt  iu  waerlich  nimmer  leit.' 
[Den  die  alr  slacht  chaufenf  und  verchaufentj 
Sagt  den  kiufelsern  also 
c£st  wunder  daz  ir  immer  vrd 
werdet  üf  dem  ertrich,  1345 

wan  ir  sit  Judas  gelich 
oder  lihte  boeser  vil, 
als  ich  iu  bewaeren  wil. 
der  wunderarme  Judas 
weste  niht  wer  der  was  1350 

131«.  eu  1335.  ire 


84  BUCH  DER  RÜGEN. 

den  er  der  jüdischen  diM 

verkoufte  ümb  pheflninge  und  verriet^ 

94  rw.    und  gerou  in  doch  0ö  hart, 

daz  er  an  der  selben  vart 

die  phenninc  hin  und  widef  trüoc 

und  sich  vaste  ze  brüsten  sluoc.  . 

dö  er  der  Juden  ernest  sach, 

er  gedähte  uüde  sprach  "    . 

'wan  ich  unschuldigez  blüot 

verkoufet  hän  umb  kleinez  guot, 

so  wil  ich  vaste  gahen, 

mich  an  den  stric  haben.' 

mit  unmuot  er  hin  gienc, 

einen  ast  er  umbe  vienc, 

an  der  selben  stunde  geschach 

daz  man  in  da  hangen  sacb» 

du  armer  kiufelsere, 

nu  vräge  mich  der  m$re, 

so  sag  ich  dir  die  wärheit, 

ez  si  dir  liep  oder  leit. 

daz  Judas  got  verkoufet  hat 

des  mohte  niht  werden  rät, 

wan  ez  durch  unser  heil  geschach, 

dA  got  uns  in  noeten  sach. 

du  verkoufest  ofte  got 

und  hast  dar  zuo  dinen  spot. 

daz  Judas  einest  hat  getan, 

da  wil  du  nimmer  von  gelän. 

«wenn  du  umbe  loufest, 

95  vw.    koufest  und  verkoufest, 

mit  swern  gist  du  got  hin, 

daz  sprichet  aller  meister  sin. 

nu  verdenke  selbe  daz, 

wil  du  koufen  etewaz, 

du  sprichst  ebi  got,  6s t  des  niht  Wert!' 

und  bist  du  doch  de*  sin  begert» 

du  nimst  daz  in  dinen  sin* 

1359.  1373.  Won        1385.  e  dez  nicht  w't 


BUCH  DER  ROGEN  tt 

swie  kleine  waere  din  gewin, 
du  wil  bi  got  dar  umbe  swern. 
wer  kan  dine  sMe  genern?  1390 

des  hat  Judas  niht  getan, 
er  muoste  drizec  phenninc  hin, 
er  gap  in  tiurre  danne  du. 
armer  man,  waz  seist  du  nu? 
du  mäht  dich  niht  nnscbuldic  geben,  1395 

got  weiz  allez  din  leben, 
ez  gerou  dich  nie  s6  hart, 
du  woldest  an  der  selben  vart 
noch  zwir  als  vil  swern, 

daz  du  möhtesl  dich  genern.  1400 

du  hast  an  got  verzwivelt  nu, 
da  von  bist  ouch  verdorben  du, 
ob  du  dich  niht  bezzern  wil. 
got  hat  genftden  alse  vil 

daz  er  dem  sündser  wil  vergeben  1405 

swaz  er  in  allem  sinem  leben 
wider  in  hat  getan: 
wil  er  von  den  Sünden  län 
und  wil  genäde  suoehen, 
i  rw.    got  wil  sin  geruochen.'  1410 

[Dem  Schergen  und  sein  gesellen] 
Den  schergen  und  den  wuocherer, 
litgeb  unde  Spilan*, 
den  diup  und  den  schachman, 
den  huorer  und  den  riffiän 
heizet  loufen  bi  der  zit,  1415 

daz  in  der  vient  ir  lön  git. 
er  wil  sie  schöne  setzen, 
ir  dienest  wol  ergetzen 
uf  der  tiefen  helle  trön. 

daz  ist  der  höhen  viirsten  tön.  1420 

sprecht  ob  indert  sf  ein  man, 
des  ich  lihte  vergezzen  bin, 
der  in  wesen  mac  gelieh, 

89.  wolt        1395.  machst        1417.   fen 


86  BUCH  DER  RÜGEN. 

den  nemen  mit  in  vrilich, 
im  wirt  diu  helle  niht  verseit,  1425 

der  vient  enwil  daz  ieman  kleit 
über  in  umb  sin  ldn, 
er  wil  sie  wem  gar  schön, 
sin  gewizzen  ist  so  gröz 
daz  er  sich  schämt,  ob  ieman  bldz  1430 

von  im  solde  kören, 
der  in  hat  in  &ren 
gehabt  einigen  tac/ 
niht  m6r  ich  in  gesagen  mac, 
sie  wellen  danne  büezen  1435 

J6sü  Krist  dem  süezen 
alle  ir  misset&t, 
96  vw.    s6  mac  ir  niht  werden  rät. 

[Den  gehorsamen  gepaurn] 
Ez  sint  zweier  slahte  gebur, 
einin  guot  diu  ander  sür:  144(9 

den  guoten  sült  ir  guoüich, 
den  boesen  sagen  zornlich. 
g6t  zuo  den  guoten,  sprecht  also 
cliebiu  kint,  sit  stete  vrö: 

mit  iuwerr  reinen  arbeit  144S 

spist  ir  alle  kristenheit. 
dar  an  belibet  steet : 
swer  iu  iht  anders  rast, 
der  wil  iuch  verkßren 

von  got  und  von  sin  Ären,  145  ^ 

den  lät  iu  rehte  leiden 
als  Juden  unde  heiden. 
gelouben  nach  der  kristenheit, 
gotes  vorht,  rein  arbeit, 

da  lät.  iuch  nieman  wisen  abe,  145-  — 

swie  gesmacke  rede  er  habe, 
dient  iuwern  herren  wol 
mit  triuwen,  als  man  dienen  sol, 
mit  zinse  und  mit  wisät, 

1428.  seu        1438.  niht]  wöl        1441.  schult        1449.  1455.  en 
1459.  weisat:  Schmeller  4,  180. 


BUCH  DER  RÜGEN.  87 

als  iu  ez  got  geben  hat.     •  1480 

gebt  iuwern  zehnt  mit  triuwen 
und  lät  iuchs  niht  geriuwen, 
vast  und  virt  ze  rehter  zit, 
leist  daz  man  an  der  bihte  git, 

96  rw.    göt  ze  kirchen,  gerne  bet,  1465 

als  iuwer  guoter  vater  tet. 
öret  die  heiligen  zit 
diu  iu  got  zerkennen  git. 
boese  liute  vliehet, 

die  guoten  zuo  iu  ziehet.         -  1470 

die  ir  seht  in  hungernöt, 
den  teilet  mit  iuwer  bröt, 
lat  sie  niht  verderben 
.  noch  vor  hunger  sterben, 
od  ir  sit  der  rehte  schol,  1475 

daz  seit  uns  diu  geschrift  wol. 
liebiu  kint,  sit  staet  dar  an, 
als  ich  iu  gelöret  h&n, 
so  hat  iu  unser  herre  bereit 
nach  iuwer  grözer  arbeit  1480 

in  sinem  himelriehe  ruo: 
da  bring  uns  got  alle  zuo.' 
[Den  gepaurn  die  sich  zuo  houeleuten  geleichent] 
Mir  tuot  gebüre  höehvart 
zorner  dan  ob  sie  von  art 
höchvertic  möhten  sin:  1485 

da  von,  lieben  bruoder  min, . 
göt  zuo  in  und  sprecht  also, 
'so,  min  mülrössel,  so, 
ir  habt  iuch  genomen  an, 
des  iuwer  vater  nie  began,  1490 

97  vw>    also  grözer  höchvart 

diu  lihte  nie  gehöret  wart 

von  keiner  slahte  gebürschaft, 

diu  doch  alse  gröze  kraft 

bieten  und  groezer  ör  1495 

im.  eoz        1488.  mulr&zsel        1489.  hap  t* 


HB  BUCH  DER  RÜGEN. 

.  ■  •-'.  danne  ir  gewinnet  immer  m£r. 

in  ist  xoo  ungelücke  ger, 
swenn  ir  näoh  schilt  unde  sper 
geratet  setzen  iuwern  muot. 
volget  mir,  ez  wirt  iu  guot.  1500 

;  _.  iu  ist  bu  wol  bekant, 

nemt  die  arl  in  die  hant, 
ert  ziunet  unde  saßt, 
snit  dreschet  unde  maßt, 

und  ander  slahte  arbeit  1505 

die  man  gebüren  üf  leit, 
als  iuwel*  vater  hänt  getan, 
die  wären,  waen  ich,  guote  man. 
swer  des  niht  gehorsam  ist, 
bedenke  sich  in  guoter  Trist  1519 

waz  er  da  von  widerdriez 
und  wie  kleinen  geniez 
wirt  gewinnen  her  nach, 
dar  zuo  im  nu  ist  so  gach. 
die  edeln  nbersehent  niht,  151& 

daz  sie  mit  in  haben  phliht 
in  keiner  slahte  geselleschaft 
oder  daz  sie  ir  kraft 
97^*1.    gegen  in  erzeigen:  -* 

sie  müezen  in  vur  eigen  152fr 

dien  oder  liden  not, 

daz  in  waeger  waer  der  tot. 

dannoch  ist  daz  grmzer  vil 

daz  in  der  vient  geben  wil 

an  ener  werlde  ze  löne,  1525 

dem  sie  hie  dienent  schöne, 

ze  spise  natern  slangen, 

wil  sie  nach  trinken  Hangen,  .      \ 

er  macht  in  eine  zeche 

von  swebel  und  yon  peche,  1530 

von  ezzich  gallen  galganr 

als  der  übel  vint  wol  kau. 

1531.  galgan.  vielleicht  ist  galga  tiux,  gallapfel  gemeint  ¥   vergl. 
Carpentier  zu  Du  Gang*  ttnttr  galga. 


■•;    * 


BUCH  DER  RÜGEN.  8» 

[Den  werblichen  vrowen] 
Wir  müezen  alle  des  verjeben    - 
das  man  vrowen  übersehen 
sol  von  drin  Sachen:  1535 

daz  wil  ioh  war  machen, 
ich  wil  die  sache  nennen 
daz  man  sie  mac  erkennen, 
von  zwein  Sachen  sol  man  Arn 
vrowen  und  ir  lop  mern:  1540 

diu  dritte  sache  erbarmet  mich, 
wan  si  ist  erbärmeclioh. 
nn  hoeret  unde  merket  wol 
wä  von  man  vrowen  Aren  sol. 
wir  wären  ewielichen  tot,  1545 

98  vw.    uns  brähte  ein  vrowe  6z  aller  not 
diu  uns  den  heilant  gebar, 
als  ir  wol  wizzet  alle  gar, 
si  ist  Maria  genant, 

über  alle  kristenheit  erkant.  1550 

durch  ir  reinen  saften  lip 
ßret  elliu  vrumen  wipr 
die  andern  sache  nenne  ich  in 
sicherliche:  daz  ist  diu, 

wir  haben  alle  wol  veraomen  1555 

daz  wir  von  vrouwen  sin  bekomen*   % 
da  von  sol  man  sie  billich  Arn 
und  ir  lop  State  mfcrn. 
er  waere  niht  ein  vramer  man 
der  daz  niht  wokte  stete  hAn  1560 

und  niht  neem  in  sinen  muot 
die  zwo  saohe  wunderguot. 
weit  ir  die  dritten  sache  h&n, 
so  gedenket  dar  an, 

habt  ir  mit  in  ze  reden  iht,  1565 

ob  kein  strafe  da  gesehiht, 
der  mugens  niht  erliden, 
swie  daz  si  niht  miden 


62. 


90  BUCH  DER  RÜGEN. 

swaz  man  in  verbieten  kan : 
wolden  siez  niht  hftn  getan, 
ez  muoz  zehant  dar  nach  geschehen, 
des  müezen  alle  die  mir  jehen 

98  rw.    die  vrouwen  ie  hänt  erkant 

in  der  werlt  durch  elliu  Iant. 

da  von,  lieben  bruoder  min, 

\ät  in  unmaere  sin 

zuo  der  strafe  und  zuo  gebot, 

si  hietens  doch  vür  einen  spot. 

wan  mugt  ir  sie  wol  Iftren 

wie  von  sünden  ze  kören 

der  mensche  sol  sin  bereit, 

zenphfthen  die  süezekeit 

die  got  in  sinem  riebe 

teilen  wil  geliche 

die  sin  willen  hänt  getan, 

kint  vrowen  oder  man? 

swaz  man  vrowen  sagen  sol, 

als  ir  alle  kunnet  wol, 

daz  sagt  in  also  guotüch 

daz  keiniu  vergezze  sich. 

diu  vil  liht  so  gaehe 

waere  oder  spsehe 

daz  sie  zürnen  wölte, 

des  sie  doch  niht  ensolte, 

die  nemt  besunder  hin.  dan, 

strafet  sie  als  einen  man 

oder  triwen  vürbaz, 

wan  ich  hän  gelesen  daz 

ckum  sich  vor  dem  wolve  ernert 

der  sich  der  wülpen  niht  enwert.' 

99  vw.    [Daz  gehört  die  prud*  selbVan  die  pdigen 

schullen  vnd  lern  die  estenhait] 
Hoert,  ir  bruoder,  minen  rät. 
sit  iu  got  enpholhen  hat 
die  kristenheit  ze  lftren 

1570.  Woltin  aeuz         1572.  mir  die         1579.  wan]  waz 


BUCH  DER  RÜGEN.  91 

nach  zuht  and  nach  eren, 

ib  hebet  mit  den  werken  an,  1605 

als.  unser  herre  hat  getan : 

diu  söln  stsete  weseu  gnot. 

dar  nach  nemt  in  den  muot 

daz  ir  an  der  bredige  seit 

ze  aller  zit  die  warheit.  1610 

gebessert  niht  mit  ungebar 

die  liute,  wan  sie  nement  war 

wie  ir  iucli  da  zuo  köret 

daz  ir  mit  Worten  leret. 

da  von  halt  iuwer  zuht,  .    1615 

von  allen  Bänden  habet  vluht, 

keret  iueh  zuo  gote 

und  ze  sinem  geböte, 

daz  nieman  rür  die  witrheit 

gesprochen  müge  'swaz  der  seit  1620 

und  nii i  worten  leret, 

mit  werken  dfi  von  keret.' 

got  weiz  etliu  herzen  wol, 

da  von  muoz  unde  sol 

der  mensche  in  allen  stunden  1625 

tuon  des  er  ist  gebunden. 

da  von,  bruoder,  sit  gemant, 

wan  in  tugent  ist  bekant, 

ze  rihten  iuwer  sinne 

nach  der  wären  minne.  1630 

iuriu  wort  sin  statte  war, 

heimlich  unde  offenbar, 

iuwer  leben  geislich 

statte  und  unvreislicfa. 

diu  herzen  sin  vridelieh  1635 

und  der  muot  sitelich, 

daz  üf  iueh  niht  werde  gatribeu 

also  wir  vinden  geschriben 

'swenne  eigen  schuld  den  lener 

strafet,  daz  ist  lasterbaer.'  1640 

wamlo         1623-  vergl-  »u  iw.  i58  und  iu  flwiort-828. 


*B  BUCH  DER  RÜGEN. 

vlieht  die  vrowen  bi  der  zit, 

wan  'ungewaerer  stete  lit 

strA  bi  dem  viure 

da  wazzer  waere  tiure/ 

ob  ez  aber  nu  geschiht 

daz  ir  mit  in  weit  reden  iht, 

daz  si  nütze  and  kürzlich, 

des  man  ich  iuch  gar  vlizeclich. 

niht  diu  händel  drücken, 

niht  hin  zuo  smücken, 

niht  löslich  an  blicken, 

niht  diu  ärmel  zwicken, 

niht  schouwen  rdtiu  wängelin, 

daz  lät  also  durch  got  sin, 

da  kumet  von  boeser  gedank 

und  werdent  vestin  herzen  krank. 


SANCT  OSWALDS   LEBEN. 

205 a    ÖErne  noch  frewden  mere 
Stet  alle  seyn  begere 
Der  höre  czu  gar  ebin 
Von  sinte  Oswalden  lebin 
Das  allw  gescbrebin  stat 
Vnd  was  her  begangen  hat 
Dem  kinde  lobesam 
der  todt  ymbeczeite  nam 
Beyde  vater  vnd  muter 
do  begunde  der  vil  gute 
vil  willich  her  began 
Sey  vater  hatte  em  gelan 
Reichtum  vnd  gutis  ane  mosz 
Synt  das  her  eyn  heyde  was 
Her  lys  jm  bürge  vnd  lant  czu  eigen 
Das  muste  man  jm  beczeigen 
dinst  vnd  vil  eren 

1G42.  Won  —  tmgewarc        1649.  hadei        1615.  lfeleicb 


SANGT  OSWALDS  LBBBN.  9» 

alle  dy  grosen  herren 
Dy  bey  den  seibin  jaren 

Vndir  ym  gesessen  waren  20 

Newn  konig  reiche 
dintin  ym  alle  gleiche 
dreyczen  bischoffe 
Gehorten  czu  seynem  hofe 
Virczig  grouen  bey  namen  *  25 

Alle  czu  seynem  dinste  qwomen 
205 b    Von  den  wart  her  gesunder! 
Ritter  sebenczen  hundert 
Vnd  dreysig  tawsint  man 

dy  ym  czu  geböte  musten  stau  30 

Do  der  milde  sinte  oswaldt 
Gewuch(s)  vnd  wort  so  alt 
Das  ym  konig  gefug 
Seyn  swert  noch  trug 

Do  ryten  em  alle  seyne  man  35 

her  aulde  das  mit  nichte  lau 
her  sulde  nemen  endelicli 
Eyne  fraw  lobelich 
Dy  ym  wol  beqweme 

Vnd  ir  gebort  ym  ebin  cztme  40 

Also  oswalt  an  dy  czyne  qwan 
do  sach  her  Lomen  eynen  man 
Czu  seynem  hoffe  her  do  ging 
oswalt  en  wirdiglich  entphing 
her  sprach  liber  bruder  meyn  45 

wy  ist  der  name  deyn 
Her  sprach  ich  heyse  tragemund 
Alle  laut  synt  mir  wol  kunt 
Czwe  vnd  sebeczig  cEungen 
das  wunderte  den  iungen  50 

Gar  seife  das  her  en  frogete 
vnd  bat  das  her  ym  sagete 
206*    ap  her  yrae  hette  irkorn 

Eyne  iuncfraw  zo  wol  geton 

dy  ym  czu  nemen  tuchte  55 

do  her  mit  ir  blebin  mochte 


94  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

kewsch  bas  an  sevn  ende 

Vnd  alle  missewende 

Neyn  sprach  der  brnder  czwor 

dy  werlit  ist  zowuste  gar  60 

Sinte  oswalt  alczu  bant 

Nam  den  bruder  bey  seyner    bant 

Vnd  fürte  en  vil  drote 

yn  eyne  kemenote 

off  seynen  stul  her  en  satzte  65 

vff  dy  bang  her  sich  selbir  satczte 

Dy  Hrn  worn  des  gewar 
Sy  sprochin  alle  offinbar 
Herre  ir  tut  nicht  recht 

Das  ir  nedir  fallit  also  dy  knecht  70 

off  dy  harten  bencke  . 
Ir  sullet  euch  bas  bedenckin 
das  do  sten  czu  ewer  hant 
Stete  bürge  vnd  eygen  lant 
vnd  thut  ewerim  leibe  nicht  zo  we  75 

vnd  sitczet  uff  dy  benche  nicht  me 
Durch  got  habe  ich  geton 
das  desir  gar  müder  man 
206 b    Gerue  doruffe  diste  bas 

vil  wol  gan  ich  ym  das  r 

Her  sprach  über  bruder  meyn 
Sage  also  lip  alz  dir  got  mag  geseyn 
Kennistu  yn  deyne  synne 
Irne  eyne  konigynne 
dy  mir  czum  weibe  tuchte 
vnd  keusch  mit  mir  bleibin  mochte 
do  sprach  der  bruder  hyr 
Ferre  obir  das  wilde  mer 
Doch  wil  ich  dir  eynen  rot  gebin 
Mit  der  du  kewsch  magist  lebin 
Do  wonet  eyn  konig  freysam 
.    Der  hot  eyne  tochter  lobesam 
Sy  hot  tugende  vnd  schondö  ane  czil 
Vorwor  ich  das  sprechin  wil 
Juncfraw  spange  ist  sy  genant 


80 


85 


90 


95 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  95 

lt  vater  ist  den  heiden  weit  bekant 

Wer  sy  freyet  das  sage  ich  ane  czorn 

Seyn  lebin  hot  her  czu  hant  vorlom 

Sy  ist  zo  gar  behende 

Sy  bleibit  kewsch  bys  an  ir  ende  100 

Synte  oswalt  ane  der  stunt 
Sprach  vil  liber  tragemunt  >- 

Rot  mir  wy  ich  sy  gewynne 
Dy  selbige  kewsche  konigynne 
Her  sprach  alz  ich  habe  gesayt  105 

Wer  sy  freyet  dy  schone  mayt 
Der  hot  vorlom  seyn  lebin 
Her  mag  nicht  wol  dowedir  strebin 
Doch  mich  dewehte  ys  notze  were 
du  host  wol  acht  jor  here  HO 

Eynen  rabin  geezogen  ane  wan 
das  her  vil  wol  sprechin  kan 
den  losz  balde  brengen  her  _>,. 
vnd  volge  meiner  lere 

vorgulde  ym  seyn  gefedere  115 

Isz  brengit  dir  fromen  wedere 
vorsilbere  ym  dy  clawen  seyn 
vorgulde  ym  seyn  snabil  feyn 
Mache  ym  uf  das  hewpt  schone 
Eyne  güldene  crone  120 

Vnd  losz  yn  jn  das  heiden  lant 
Flien  das  wirt  ym  bekant 
Der  sal  freyen  dir  czo  (gar?) 
dy  edele  mayt  das  glewbe  mir  czwor 
her. sprach  vil  liber  brnder  deyn  (/•  meyn)     125 
Gfot  lone  dir  das  rotin  deyn 
Oswalt  hys  hin  springen 
her  hys  den  raben  brengin 
her  satezte  yn  uf  seyne  schossz 
wy  wenig  en  das  vordrosz  130 

her  streichte  ym  seyn  gefedere 
vom  hewpt  Üys  her  nedere 
her  begunde  mit  ym  czu  kosin 
der  rabe  horte  gar  lose 


96  SANGT  OSWALDS  LEBBN. 


Ler  sprach  vil  Über  rabe  meyn  135 

du  must  nw  meyn  böte  seyn 
Gar  ferre  yn  fremde  lant 
Mir  ist  worden  bekant 
das  ein  konig  gar  vormessin 
Obir  das  mer  ist  her  gesessin  140 

.  Der  ist  eyn  heyde  freysam 
vnd  hot  eyne  tochte  lobesam 
dy  ist  genant  iuncfraw  spange 
du  salt  nicht  beyten  lange 
vil  Über  rabe  meyn  145 

Frey  mir  das  megeteyn 

Synte  oswalt  mit  losten 
do  den  raben  koste 
Vorne  an  seynen  spitczen  munt 
vnd  druckte  yn  czu  der  seibin  stunt  l&O 

an  seyn  hercze  liplich 
her  sprach  got  hy  von  hymelrich 
der  losze  dich  gesunt  von  mir 
her  lachte  yn  an  gar  wunderschir 
her  sprach  vil  Über  rabe  meyn  löö 

Irwirp  nw  das  megeteyn 
208 a    her  sprach  ich  vorsage  dirs  nicht 
Ich  habe  dorczu  gar  gute  phlicht 
das  wü  ich  gerne  thüen 

das  du  mir  gebewtist  nw  1*>0 

nu  losz  balde  hin  springen 
Eyn  gülden  fingerleyn  brengen 
das  ich  dir  möge  vnvorczait 
gebin  der  vil  schonen  mayt 
ap  ich  sy  irwerbin  kan  l^5 

Wenne  edele  iuncfrawen  han 
gerne  lipliche  goben  "   .   . 
her  tat  alz  en  hys  der  rabe 
vnd  lysz  eyn.  achtbar  vingerleyn 
Brengen  das  was  guldeyn  *  ^v 

das  was  gewest  des  vaterB  seyn 
do  stunden  drey  steine  ynne 
dy  worn  edil  vnd  gut 


SANGT. OSWALDS  LEBEN.  97 

der  eyne  was  dy  demut 

der  andir  dy  gerech tikeit  175 

der  dritte  Was  dy  kewscheit 

dy  hatte  sinte  oswalt 

dy  drey  mit  ym  mit  gewalt 

das  vingerleyn  ym  lip  was 

zo  das  her  der  ny  vorgas  ISO 

hy  czu  cleynen  standen 

dem  rabe  wart  gebunden 

das  vndir  den  flogil  seyn 
£08  b    her  sprach  vil  Über  rabe  meyn 

das  gib  der  edeln  konigynne.  185 

Juncfraw  spangen  durch  den  willen  meyn 

wiltu  eyn  fromer  böte  seyn 

So  brenge  mir  von  ir  eyn  vingerleyn 

das  ich  möge  dy  worheit 

Irkennen  zo  werde  ich  gemeit  190 

der  rabe  czum  herren  sprach 

williglich  gerne  vnd.iacb 

ap  got  von  hymel  wil 

Ich  kome  hyn  yn  eyne  kortzy  czil 

vnd  frolich  wedere  195 

her  schotte  seyn  gefedere 

vnd  Hoch  in  das.  laut 

das  ym  der  heide  wart  bekant 
Do  her  den  herren  an  sach 

Czuchtiglich  her  czu  ym  sprach  200 

Gegrusset  seystu  heydenischer  man 

der  heide  sach  den  rabe  an 

her  gruste  en  wedir  vnd  sprach  • 

Czu  seyne  herren  vn  jach 

wer  hot  hy  zo  sewberlich  I#  205 

desen  raben  wunderlich 

Mit  silbir  also  gecziret 

vnd  mit  golde  also  floriret 
.  dy  herren  alle  zunder  wan 
-09'    den  raben  begunden  alle  czu  ym  yen  210 

Sy  hetten  Schoners  rabin  ny  gesen 
Der  heide  en  do  fragete 
*.  D.  A.    II.  7 


98  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

vnd  bat  das  her  yni  sagete 

von  wanne  her  komen  were 

vnd  dnrch  welcherley  mere  215 

das  vmme  her  durch  dy  laut 

der  rabc  ym  das  nicht  bekant 

Torste  seynett  willen  gcbin 

zo  bette  her  das  lebin  vorioren 

wer  der  heide  worden  ynne  220 

das  her  dy  konigynne 

Seyne  tochter  wolde  freyen 

her  hettfe  sich  über  mocht  Vorczeieti 

doch  vorsWeig  (her)  dy  worheit 

das  ym  icht  wedir  worde  leit  225 

her  sprach  ys  ist  eyn  konig  reiche 

dem  k*n  sich  nymant  gleichin 

vnd  wonit  yn  dem  dewtczin  lande 

vnd  hot  eyn  lant  weit  vnd  grande 

Her  hot  auszgesanth  mich  230 

her  hot  bereit  sicherlich 
Vierdehalphundert  güldene  cleyder 
vnd  sprach  czu  dem  heydin 
Weldistu  dich  tewfin  Ion 

der  cleyder  must  du  eyn  par  han  22  3S 

209  b     her  sprach  libis  rebeleyn 

lossz  mich  bleibin  der  ich  fein 

Nicht  me  sage  mir 

Von  4er  toffe  das  sage  ich  dir 

Meyn  brot  vnd  meyn  weyn  &A* 

Sal  williglichen  deyn 

Seyn  bys  an  deyn  ende 

du  bist  also  behende 

Bier  sprach  wiltu  wunder  sehen 
zo  losz  balde  her  yen  ^^4 

das  schachczagü  spil  bftngin  dir 
der  heide  sprach  nw  sage  mir 
Off  die  rechte  trewe  deyn 
Von  dem  schachczagü  spil  meyn 
het  sprach  nw  ich  dirs  sagin  sol  2&° 

du  hast  eyn  bret  das  ist  wol 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  99 

hundert  lote  marg  wert 

der  heide  mit  der  fart 

lys  balde  loffin  hin 

vnd  brengen  das  spil  vor  en  255 

das  hret  was  von  helfinbeyneu 

Saphiren  wprn  dy  steyne 

Mit  gulde  zo  durchslagen 

das  ys  ir  czwelfe  musten  tragen 

dem  heidin  dy  rede  wol  gefil  260 

Im  was  übe  zu  dem  spil 
210*     das  bret  was  groz  vnd  starg 

Is  koste  wol  hundert  marg 

das  schachczagü  spil  mit  der  fart 

do  vor  en  gebrocht  wart  265 

do  hys  der  heydenische  man 

den  raben  bebin  an 

der  rabe  aivmb  sich  sach 

Czu  den  herren  her  do  sprach 

dy  dort  worn  yn  dem  sal  270 

her  gruste  sy.  abir  al  - 

her  bat  sy  alle  geweyne 

das  ym  alleyne 
v  wünschten  gewynnes  heil 

her  sprach  ich  wil  euch  gebin  eyn  teil  275 

Ich  achte  nicht  wen  ys  berewe 

Ich  (leide  euch  alle  newe 

dy  herren  mit  grosim  sehalle 

wunschtin  ym  fceyles  alle 
Der  rabe  do  dy  weile  aam  280 

vnd  zoch  gar  furchtsam 

das  her  dem  heydenischin  man 

das  spil  allis  an  gewan 

her  gewan  des  suldis 

dreyhundert  marg  guldis  285 

Goldis  vnd  auch  wol  mir 

des  irczorniUe  her  den  heidin  zere , 

der  heide  sprach  cza  dem  raben 
210 b    Ich  wil  dy  weile  meyn  ebin  habin 

Wol  her  an  alle  meyne  man  290 

7* 


100  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

dy  ich  nw  hy  oben  ha(n) 
der  rabe  musz  seyn  hewpt 
hy  lossen  das  gelewpt 
her  musz  meyn  gefangyn  werdin 
vor  mir  mag  her  nicht  wol  genesin  295 

Em  helfe  denne  eyn  bedirman 
Mit  bescheiden  Worten  der  rabe 
Sprach  dem  heiden  den  czorn  abe 
her  sprach  wort  yr  y  von  trewen  holt 
So  nemet  hin  das  selbe  golt.  300 

vnd  kewft  mir  alczohant 
edil  tewer  gut  gewant 
Purpir  vnd  scbarlachen 
das  sal  man  desin  herren  macbin 
Der  heide  dys  nicht  lysz  305 

das  gewant  her  kewffin  hys 
das  dy  herren  sulden  haben 
vnd  hys  das  vor  den  raben 
off  eyne  toffil  do  vortragin 

das  gap  ber  der  herczogin  3lO 

vnd  den  andern  grosin  herren 
Eyme  itczlichin  noch  seynen  eren 
das  sy  seyn  wol  gedechtin 
her  gap  rittern  vnd  knechtyn 
211  *    kochen  gesinde  vnd  knaben  Z%& 

musten  ouch  seyn  gewant  babin 

Das  tat  her  allis  vmb  das 
das  her  qweme  czu  der  mosz 
Ap  en  der  hunger  twunge 

das  ym  wol  gelunge  3^^ 

Qweme  her  yn  das  kochhaws 
das  en  nicht  her  wedir  aws 
Trebin  dy  aschinbrodele 
Vnd  slugen  en  nf  seyne  gefedere 
do  eyn  das  gewant  gecleidet  wart  3^^ 

Yderman  noch  seyner  art 
her  brochte  das  mit  bobischeit 
.  das  der  konig  ouch  seyn  cleyt 
Begunde  selbir.  czu  tragen 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  1Ö1 

Juncfraw  spange  horte  sagen  330 

Off  der  bürg  dy  mere 

wy  do  eyn  rabe  were 

der  künde  wanders  also  vil 

wol  czyen  das  schachczägil  spil 

das  wanderte  sich  dy  iuncfrawe  335 

den  raben  wolde  sy  schawen 

Sy  hys  bereitin  ir  gewant 

das  totin  dy  meyde  alczu  hant 

An  eryn  leip  wart  geleth 

Eyn  sne  weysz  cleyt  340 

Do  worn  wassir  perlyn  uf  getragen 
211 b    Vnd  mit  gulde  wol  durchslagin 

Ir  volgete  noch  eyne  grosze  schar 

Secbczig  frawen  dy  worn  clar 

vnd  hundert  iuncfrawen  345 

dy  man  vil  gerne  mochte  schawen 

Dy  iuncfraw  ging  czu  hant 

do  sy  erin  vatir  fant 

Czuchtiglich- sy  czu  ym  sprach 

Da  sy  en  an  säch  350 

bey  meyiiem  gote  vil  süsse 

Edeler  vater  ich  dich  grusse 

her  sprach  edele  tachter  meyn 

Meyn  got  sal  deyn  Ion  seyn 

her  was  schaftu  '  355 

vor  mir  edele  tachter  nw 

Sy  sprach  ich  habe  vornomen 

wy  eyn  rabe  her  ist  komen 

Ferre  ausz  dewtczin  landen 

Noch  deme  ist  mir  zo  bange  360 

Sy  sprechin  her  künde  wunders  so  vil 

vnd  wol  czyn  das  schachczägil  spil 

her  sprach  yo  tachter  zwor 

das  ist  alczu  mole  wor 

Gestirn  her  gewan  365 

•r  dreyhundert  marg  mir  an 

Sich  an  vmb  desih  sal 
212*    Wy  her  vnser  volk  obir  al 


102  .     SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

« 

Schone  bot  her  sy  gecleit 
das  alle  seyn  gewant  tret  370 

desir  wunderlichen  sachin 
dy  iuncfraw  begunde  czu  lachin 
Sy  sprach  vil  liber  vater  meyn 
Vnd  mag  der  rabe  meyn  geseyn 
her  sprach  gestern  yn  der  nacht  375 

hat  ich  dir  en  bedocht 
Jo  vil  libe  tochter  meyn 
her  mus  ymer  deyn  eygin  seyn 
dy  iuncfraw  alczuhant 

des  rabin  sich  vnder  want  380 

her  wolde  nicht  mehe  gan 
Sy  muste  en  an  erim  arme  trayn 
Sy  trug  en  vil  drote 
In  eyne  kemmenote 

So  sy  nymande  me  woste  385 

Sy  rette  mit  ym  was  sy  loste 
Sy  druckte  en  liplich  an  sich 
Sy  sprach  meyn  got  behüte  dich 
her  sprach  iuncfraw  das  ist  nibt  wof  getan 
das  yr  dy  apgote  betet  an  3i?< 

Glewbet  an  den  woren  got 
der  alle  ding  geschaffin  hot 
Vnd  loth  euch  tewfin  vil  balde 
So  werdit  ir  behaldin 
212  b    vnd  ir  werdit  da  von  selig  &9l 

vnd  aller  sunden  ledig 
Do  sprach  das  edele  megeteyn 
Ich  tar  nicht  von  dem  vatir  meyn 
Der  ist  zo  gehas  den  cristen 
Mit  allen  seynen  listen  400 

Wo  her  das  irfiire 
das  lebin  ich  vorlore 
der  rabe  sprach  iuncfraw  meyn 
Nym  mich  an  dy  arme  deyn 
vnd  mercke  ebin  vnd  wol  405 

was  ich  dir  sagin  sal 
Dy  iuncfraw  lobesam 


SANGT  OSWALDS  LEöfitf.  103 

den  rabin  an  erjn  arm  nam 

Czu  hant  der  rabe  vuvorczayt 

Freyte  dy  schone  mayt  410 

her  sprach  got  grusse  dich  iuncfraw 

Got  grusse  dich  lügen  ey  rosep  taw 

Got  grusse  dich  lichter  morgenstejrn 

Meyne  awgen  dy  sehn  dich  gerne 

Got  grusse  dich  meyen  reysz  415 

Got  grusse  dich  bluendes  paradisz 

Got  grusse  dich  edele  konigynne 

Ver  spange  übe  iuncfraw  meyn 

Sy  sprach  got  vorgelde  dir 
213a     So  was  kanstu  mir  420 

Also  schone  sproche  sagen 

Jo  torste  ys  ny  keyn  konig  wagen 

Vmb  nich  her  vorturbe 

das  her  y  gewurbe 

Is  ginge  ym  an  das  lebin  seyn  425 

her  sprach  czartis  iuncfrawleyn 

Vorgysz  deyner  togunt  nicht 

das  du  nicht  lest  totin  mich 
Sy  sprach  neyn  ich  zwor 

das  bys  an  alle  vor  430 

Grusse  mich  vnd  frey 

also  lip  das  dir  sey 

her  sprach  zo  merke  dese  ding 

Mich  hot  eyn  edil  iuncgeüng 

der  obir  yenisz  mer  wont  435 

her  iuncfraw  czu  euch  genant 
Der  ist  fumfczen  jor  alt 

vnd  ist  geheisin  oswalt 

her  ist  eyn  konig  lobelich 

gar  gewaldig  vnd  reich  440 

Gar  toguntsam  vpd  gi*t 

Czu  gote  stet  ym  *ey»  mut 

Mit  vasten  vnd  mit  beten 

Got  wil  her  niht  abe  tretin 
213 b    In  der  kirchin  czu  allir  czeit  ^45 

her  ouch  vil  gerne  leyt 


104  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

das  tut  her  ouch  vmb  got 

der  alle  ding  geschoffia  bot 

der  entpewt  dir  iuncfirawleyn 

weldistu  seyn  bule  seyn  450 

her  weide  mit  dir  lebin 

vnd  weide  dir  seyne  trawe  gebin 

kewsoh  bas  an  das  ende  seyn 

Neyn  sprach  das  edele  megeteyn 

höre  was  ich  dir  wil  sagen  455 

vnd  vornym  mir  meyne  clage 

Is  ist  wol  dreyczen  jor 

do  starb  mir  meyne  muter  clar 

Ouch  bot  mir  meyn  vater  vorczalt 

Wenne  ich  worde  xvj  jor  alt  460 

Vnd  dorczu  qweme 

das  her  mich  dy  weyle  neme 

An  meyner  muter  stat 
v:  "  höre  was  her  geton  hat 

Durch  meynen  willen  synt  465 

wol  vierdehalp  hundert  konigis  kynt 

von  ym  getotit  alle 

warte  wy  das  dir  gevalle 
'  Do  sprach  das  rebeleyn 

214*     Czu  dem  megeteyn  470 

Nu  höre  iuncfraw  wol  getau 

Nym  oswalt  czu  eynem  man 

das  du  mit  ym  werlich 

kommist  yn  das  hymmelreich 

Wiltu  ouch  zunder  wan  47^3 

Bete  vnsern  got  an 

Sy  sägen,  ouch  wol 

was  vns  gesehen  sal 

Juncfraw  spange  saget  der  rabe 

Tut  euch  der  rede  abe  48CP 

vnd  glewbit  an  ihesum  crist 

der  eyn  worer  got  ist 

vnd  nemet  an  euch  dy  tawffe  der  zelikeit 

zo  kommet  ir  yn  dy  ewigkeit 

vnd  wert  czu  den  stunden  485 


# 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  105 

von  ewern  sunden  entpunden 

der  werdit  ir  alle  ledig 

vnd  ewig  vnd  vmmer  selig 

Nu  höre  was  ich  dir  sagen  wil 

du  spricht  also  recht  vil  490 

Von  dem  konige  hochgemut 

Vnd  qweme  ys  yn  meynen  mut 

Mochte  her  denne  wedir  sten 

dem  grymmigen  vatir  meyn 
214 b    her  sprach  jo  edele  konigynne  495 

frew  dich  vnd  bys  fro 

deyme  fridil  musz  also 

dynen  vnd  wesin  vndirtan 

dreyczen  bischoffe  lobesam 

Vierczen  grofen  lobelich  500 

vnd  newn  konigf eich 

Fumfczenhundert  ritter  vnd  gut 

Alle  müssen  thun  seynen  mut 

vnd  dreyssig  tawsint  man 

dy  synt  ym  alle  vndirtan  505 

do  iuncfraw  spange  dese  wort 

von  dem  raben  hatte  gehört 

So  frolich  sy  do  wart 

Sy  sprach  do  czu  desir  vart 

Wol  mir  das  ich  ie  gewan  510 

das  lebin  über  rabe  nw  sage  an 

hot  was  mir  meyn  fridil  ausz  gesant 

Mir  bey  dir  icht  obir  lant 

her  sprach  eyn  guldyn  vingerleyn 

das  nym  vnder  dem  flogil  meyn  515 

Nu  czu  desin  stunden 

hy  hot  her  mirs  gebunden 

dor  vnder  mit  der  hant  sey 

das  sal  iuncfraw  wesin  deyn 
215*    wenne  du  übe  iuncfraw  meyn  520 

An  sist  das  vingerleyn 

So  gehoristu  ymmer  werlich 

Czu  dem  schonen  hymmelreich 
Do  das  dy  edele  mayt 


106  &ANCT  OSWALDS  LEBEN. 

An  sach  vnvorczayt  525 

Sy  wart  also  wol  gemut 
Von  dem  vingerleyn  gut 
Beyde  kewscher  vnd  toguntsam 
Rechtin  globin  sy  an  sich  nam 
her  sprach  iuncfraw  seyt  ir  530 

meynem  herreu  holt  zo  sendit  bey  mir 
Ouch  eyn  guldin  vingerleyn 
Sy  sprach  vil  libis  rebeleyn 
Bälde  sy  hen  loffin  hys 

Sy  czu  ir  brengin  lys  535 

Eyne  stolcze  lade 
das  tat  wol  dem  raben 
Dorawsz  nam  sy  eyn  vingerleyn 
das  brenge  dem  Üben  herren  meyn 
vnd  sage  ym  schire  aber  540 

was  das  vingerleyn  togunt  habe 
Wer  das  vingerleyn  gemeit 
An  seyner  hant  ys  treyt 
der  wirt  nicht  irslagin 
21 5 b     Off  wasser  noch  uff  wegin  545 

her  mag  nicht  irtrincken 
Noch  keynerley  weise  vorsincken 
Vnrechtis  todis  gerecht 
Mag  her  gesterbin  nicht 

Das  kompt  von  seyner  togunt  dar  5öO 

Is  bot  acbczen  forsten  crafft  gar 
das  saltu  libes  rebeleyn 
brengin  dem  liben  herren  meyn 
her  sprach  vil  übe  iuncfraw  meyn 
An  bint  mir  das  vingerleyn 
Mit  grüner  seyde  alczuhant 
Mit  ewer  sne  weisin  hant 
Bynt  mir  das  feste  vnd  wol 
Synt  ich  ferre  flyen  so! 

Obir  des  wildis  meris  hoe  560 

das  mirs  yeht  entphalle  jo 
Dy  iuncfraw  her  ouch  bat 
das  sy  gebe  iren  rot 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  107 

wy  ir  fridil  mit  seyner  schar 

Czu  ir  komen  mochte  dar  565 

Sy  sprach  ist  her  also  creftig 

Also  du  sprochist  vnd  so  mechtig 

So  sage  ym  das  her  bawe* 

Czwe  vnd  zebeczig  schiffe  nawe 
216 a    Vnd  schicke  dor  eyn  alleyne  570 

Sinte  oswalt  der  reyne 

Vnd  alle  seyne  dinstman 

dy  ym  alle  sint  vndirton 

Vnd  komme  selbir  mit  yn  her 

In  alle  deme  gerberde  575 

Ap  her  wer  eyn  kawffman 

das  mag  her  grosen  fromen  han 

Gan  ys  mir  denne  got 

So  fare  ich  mit  ym  an  allen  spot 

heym  czn  lande  580 

Frolich  an  alle  schemde 

der  rabe  do  weg  wolde 

do  nam  yn  dy  iuncfraw  holde 

liplich  an  ir  ermeleyn 

Sy  sprach  libis  rebeleyn  585 

Ls  stunde  mir  nicht  wol  an 

Sulde  ich  dich  von  bynne  Ion 

Flyen  von  mir  vnbegobit 

wy  worde  ich  denne  gelobit 

Wo  man  das  worde  gewar  590 

ls  stunde  mir  czu  vordencken  gar 

Du  mocht  nicht  sagin  von  mir 

das  man  glewbite  dir 

dy  fursten  vnd  ouch  dy  berren 
216 b    Neyn  czwor  ich  wil  dich  eren  595 

Mit  etlichin  dingen 

Mir  mag  noch  wol  gelingen 

Perlen  vnd  gesmeide 

Purpir  vnd  seyde 

Von  silbir  vnd  von  golde  600 

Man  brochte  was  sy  weide 
lysz  sy  vor  en  legin 


108  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

den  rabin  vnd  czyren 
Ir  iuncfrawen  eyne 

Mit  golde  vnd  mit  gesteyne  605 

der  iuncfrawen  eyne 
Czirerte  ym  seyne  gebeyne 
Mit  feynen  wassir  perlin 
dy  ander  dy  kny  sein 

Mit  cleyne  margaritin  steyn  610 

vnd  mit  edelim  gesmeide  reyne 
dy  dritte  ym  czu  den  cloen  ruckite 
dy  vierde  ym  den  snabil  smockite 
dy  fumfte  machte  ym  schone 
Vff  seyn  hewpt  eyne  crone  615 

dy  vj  seyn  gefedir 
Streichte  von  obin  her  nedir 
Rechte  also  iuncfraw  spange  wolde 
Wart  her  gecziret  mit  golde 
2i7a    do  her  also  gecziret  wart  6£*> 

do  stunt  her  yn  alle  der  art 
Ap  her  eyn  engil  wer 
vnd  ausz  dem  padis  füre  her 
JuncfraW  spange  alczuhant 

Streichte  yn  mit  seyner  weisin  hant  62  £> 

do  sing  her  seyn  gefedir  lang 
das  ys  obir  al  clang 
Seyn  gnldin  gut  gesmeyde 
Gewunden  wol  mit  seyde 
Edele  iuncfraw  sprach  der  rabe 
Got  lone  euch  ewer  stolczin  gebin 
Orlop  wil  ich  haben  nw 
Ich  musz  von  hynnen  nw 
Sy  sprach  czu  dem  rabin 
Orlop  saltu  von  mir  habin 
Sy  trug  en  selbir  an  dy  czynne 
Vnd  hys  en  flyen  von  hynne 
Sy  sproch  fleuch  hin  libis  rebeleyn 
Got  deyn  beschirmir  müsse  seyn 
vnd  gedencke  an  mich  vil  arme  mayt  £40 

vnd  was  ich  dir  habe  gesayt 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  109 

hin  flog  her  mit  sorgen 

Bys  an  den  eylften  morgen 

do  qwam  her  vnfro  geczogen 
217 b    Vff  das  wilde  mer  geflogen  645 

her  warte  wo  ys  ym  tochte 

das  her  gernhen  mochte 

do  was  eyn  kawfman  irtrunken 

Mit  seyme  schiffe  was  her  vorsnncken 

des  mastbomes  wart  her  gewar  650 

Der  rabe  flog  nf  en  aldar 

Doruffe  her  gerute  sedir 

vnd  her  irschotte  seyn  gefedir 

Zo  das  von  dem  geschotte  seyn 

Entphil  ym  das  vingerleyn  655 

czu  hant  yn  der  selbigv  stnnt 

In  des  wildis  meris  grünt 

der  rabe  do  crang  wart 

Dorvmb  snlde  ich  irtrincken 

Vnd  yn  das  wilde  mer  vorsinken  660 

Vnd  besorgete  ich  meyn  nicht 

An  vnserm  herrn  ihesum  crist 

Wol  x  sechczentawsin  jor 

habe  ich  versewmet  das  ist  wor 

Synte  oswalt  dem  herren  meyn  665 

Vnd  iuncfraw  spange  dy  edele  konigy 

Im  was  leide  vnd  bange 

Seyne  clage  werte  en  lange 

Eyn  fischer  qwam  geswumen 
~l8a    Vff  des  meris  vnden  670 

In  eyme  schiffe  balde  . 

das  was  des  rabin  salde 

Eyn  fischer  gut  vnd  weise 

der  hysz  meister  reys 

der  den  seibin  rot  bevant  675 

do  mete  der  engil  den  konig  bewant 

do  her  den  rabin  blicket  an 

heiligen  globin  her  gewan 

her  vil  uf  seyne  bare  kny 

Nedir  yn  seyn  keneleyn  680 


HO  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

her  sprach  bistu  ys  raphael 
Adir  der  engil  gabriel 
Adir  hot  dich  got  von  hymmelreich 
her  nedir  gesant  czu  mir  dich 
her  sprach  geruche  dich  wer  ich  bin 
Vnd  wirff  eyn  das  netze  deyn 
dir  wedir  fert  gut  heil 
du  feest  fische  eyn  michil  teyl 
Fische  alhy  an  desir  stat 
der  fischer  das  czu  hant  tatd 
Das  en  der  rabe  hys 
der  gute  got  das  nicht  lysz 
her  fing  vil  schire  wol 
Seyn  schiff  gutter  fische  vol 
218 b    Der  fischer  sprach  nw  nym  du  rabe 
Also  vil  fische  also  du  wilt  habin 
Gip  mir  eynen  sprach  der  rabe 
do  mete  ich  mich  mochte  gelabin 
das  arme  crancke  hercz  mey(n) 
her  irwoschte  eynen  mit  dem  snabil  sey 
der  do  hatte  das  vingerleyn 
Geslungen  yn  den  magen  seyn 
In  sich  her  das  geslungen  hat 
der  rabe  den  fischer  gar  zere  bat 
das  her  ym  en  uf  sluge 
vnd  gebe  ym  seyn  gefuge 
wedir  das  guldin  vingerleyn 
her  sprach  ys  ist  gewest  deyn 
Zo  saltu  ys  wedir  habin 
des  irfroyte  sich  der  rabe 
her  sprach  bint  mirs  vndir  den  flogil  meyn 
vnd  fische  bas  an  das  ende  deyn 
dorvmb  wil  ich  so  schone 
Betin  got  das  her  dir  lone 
vnd  her  dyr  /seyn  engel  sende 
An  deyme  letztin  ende 

Also  wart  dem  rebeleyn 
wedir  seyn  guldin  vingerleyn 
Do  von  her  frewde  vil  gewan 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  111 

vnd  her  flog  vorbaS  von  dan  720 

Obir  eylff  tage  fort 
219*    das  her  gar  müde  wart 

dy  weyle  her  ouch  ny  entpeysz 

Gutter  speise  wedir  kalt  noch  heys 

Off  eyme  steyne  her  do  sas  725 

der  au&z  dem  mere  gewachsin  was 

doruffe  was  her  noe  gestorbin 

vnd  vor  hunger  vilnnoch  vortorbin 

hette  got  von  hymmelreicb 

nicht  irneret  seynen  ieip  730 

dem  ym  seyne  speyse 

Sante  ausz  dem  paradise 

dy  her  also  lange  nam 

Bas  her  wedir  czu  creftin  qwam 

do  swang  her  seyn  gefedere        -  735 

vnd  floch  abir  wedere 

Bys  das  her  jn  seynes  herren  lant 

Quam  der  oswalt  ist  genant 

Synte  oswalt  an  der  czynne 
wart  des  rabin  ynne  740 

her  sprach  frewet  euch  ir  berezogen 
vnd  ir  grofen  vnbetrogin 
Ich  see  meynen  rabin  czart 
wedir  komen  uf  der  fart 

Der  rabe  qwam  geflogin  745 

her  achte  nicht  uff  der  herezogin 
Noch  der  grofen  keyne 
In  wer  das  lip  adir  leyde 
^19b    her  floch  ym  uf  dy  achsil  seyn 

her  sprach  bys  wilkomen  über  rabe  mey        750 

wo  bistu  gewest  also  lange 

was  entpeut  mir  iuncfraw  spange 

dy  edele  czarte  konigynne 

des  saltu  werdin  ynne 

Sy  hot  dyr  entpoten  das  755 

mit  gantezin  trewin  ane  has 

dyr  wil  sy  sich  ergebin 

vnd  keusch  mit  dir  lebin 


112  SANGT  OSWALDS  LB^BN. 

an  eris  leibis  ende 

an  alle  missewende  760 

Ich  begere  ouch  nicht  mere 

Sprach  oswalt  der  edele  herre 

So  was  hot  sy  mir  gesant 
das  saltu  mir  thnen  bekant 
dyr  hot  gesant  dy  edele  konigynne  76S 

Eyn  schon  guldin  vingerleyn 
das  was  entphallin  mir 
In  das  mer  das  sage  ich  dir 
das  bot  dir  got  gegebin  wedir 
das  losz  en  genisen  sedir  77  d 

das  dy  armen  lewte 
Also  ich  dich  kan  bedewün 
obir  dy  irbarme  dich 
durch  den  got  von  hymelreich 
So  wirstu  komen  schone  IT  - 

Czu  dem  ewigin  trone 
220 a    her  sprach  gerne  libis  rebeleyn 
Zeb'g  sey  dy  lere  deyn 
her  sagete  ym  des  vingerleyn  crafl 
vnd  dy  macht  dy  dor  an  lag  7fr* 

Also  lip  alz  ich  bin  dir 
Zo  sage  über  rabe  mir 
•  hostu  icht  vornomen 
Wy  ich  czu  ir  mochte  komen 

Bier  sprach  gehabe  dich  wol  78  «S 

Ich  dirs  allis  sagen  sal 
Ich  habe  ys  irfaren  gar    ... 
wy  du  czu  ir  körnest  dar 
mit  wunderlichin  sachin 

Saltu  dir  losin  machin  79*3 

Czwe  vnd  sebenczig  keyle 
Beyte  nicht  vnd  eyle 
vnd  losz  sy  gar  scbire  blicken 
dor  eyn  zo  saltu  schicken 

hantwerg  allir  hande  79 & 

dy  man  yn  dem  lande 
dy  man  yrne  vinden  kan 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  H3 

dorczu  nym  alle  deyne  man 

So  sal  ach  mit  dyr  körnen  aldar 

komen  yn  alle  dem  dir  var  800 

Ap  da  seyst  eya  Jtawflman 

Ap  dirs  denne  got  gan 

So  fert  sy  mit  dyr  czu  lande 
20 b    dy  iuncfraw  an  alle  schände 

Oswalt  nicht  lange  bcy te  805 

dy  schiffe  gar  schüre  bereyte 

Dor  eyn  vnvorczogin 

hys  allis  das  gut  doreyn  legin 

das  man  dorczu  solde  habin 

Eyn  sas  her  vnd  alle  seyne  man  810 

hyn  füre  her  mit  seynen  herrn 

Bys  uf  das  wilde  mer 

do  vorgas  her  des  rabin 

den  her  methe  sulde  habin 

her  ryf  ir  herrn  alle  gemeyne  815 

hot  den  rabin  ewer  keyne 

Sy  sprocfcin  alle  neyn 

In  hette  denne  yrne  keyn 

her  sprach  woluf  endelich 

Sewmit  nicht  das  wil  ich  820 

Ewer  achte  adir  vier 

Brenget  mir  en  vil  schier 

Czu  hant  dobereyt  wart 

Sy  musten  de  wedir  an  dy  fart 

do  fanden  sy  den  rabin  gan  825 

Alczo  eyne  arme  man 

In  eyner  snodin  art 

wenig  gutis  ym  getan  wart 

Sy  sprachin  czu  dem  raben 

da  mast  mit  vns  drabin  830 

21*    Von  hynne  alczuhant 

Ferre  yn  fremde  lant 

her  sprach  ich.  wil  do  heyme  bewarn 

vnd  wil  nicht  von  hynne  varn 

Meyn  herre  hot  meyn.  vorgessin  835 

vnd  ich  muste  mit  den  sewen  essin 
F.  D.  A.  IL  8 


114  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

des  wom  ay  gar  zere  verdrossen 
Sy  habin  mir  mey  gefedir  czu  stossin 
Vnd  meyn  schon  gefedere 
wy  sulde  ich  denne  wedere 
komen  nagkt  gegangin 
Blosz  vor  iuncfraw  spangin 
das  stunde  mir  nicht  wol  an 
wil  mich  meyn  herre  han 
mit  ym  czu  seyner  ioncfrawen 
her  musz  selbir  noch  mir  komen 
mit  allin  seynen  herren 
vnd  mit  seynen  dynern 
Dese  wort  dy  boten 
Oswaldin  wedir  knnt  totin 
1      Oswalt  czu  hant  uf  der  fort 
mit  den  seynen  vmb  kart 
do  her  den  rabin  an  sach 
her  knyte  nedir  vnd  sprach  . 
Eya  vil  liber  rabe  meyn 
Losz  wendin  den  ezorn  deyn 
221 b     Vare  mit  mir  von  hynne 
das  bete  ich  dich  mit  ynne 
wo  du  bleibist  hynder  mir 
Juncfraw  spange  ich  entpir 
her  sprach  ir  habet  meyn  vorgessin 
mit  den  sewen  muste  ich  essin 
dy  habin  mir  dy  fedir  meyn 
ausz  gestosin  das  ich  blos  bin 
So  habin  deyne  kochin  knechte 
mir  geton  gar  vnrechte 
Sy  haben  mir  czuslagin 
Meyn  hewpt  das  ich  musz  olagin 

Oswalt  ryff  mit  schalle 
Sy  müssen  hangen  alle 
her  sprach  das  sal  nicht  seyn 
das  ymant  durch  den  willin  meyn 
wurde  benomen  seyn  lebin 
das  ym  got  bot  gegebin 
Nu  setze  mir  dy  crone  recht 


SANCT  OSWALDS  LESEN.  115 

Meyn  gefedere  mache  siecht 

So  fare  ich  Dait  dir  vnvorczait 

Vnd  schicke  dir  dy  schone  mayt 

Oswalt  nicht  iengir  beyte 

den  rabin  her  bereitte  880 

Vnde  her  eylte  ane  mosse 

vff  des  mens  Strosse 
222*     Im  czu  farin  wart  besoheidin 

Sebinczen  tage  reyse 

Sy  musten  wol  acht  jor  885 

Vmb  farn  das  ist  ivör 

Im  was  ans  der  mosen  bände 

her  künde  nicht  komen  czu  lande 

In  vil  manichin  joten 

Von  des  wildin  meris  strömen  890 

Czu  der  innefrawen  seyn 

Vor  spange  der  edelen  konigyn 

das  machtin  hose  winde 

dy  en  vmb  trebin  swinde 

In  dem'  erstin  jore  895 

lys  em  got  ezwerfc 

Alczu  niole  irtrincken 

Eynvnsebeczig  schiffe  vorsinoken 

ym  W6dirfur  grosz  vagemach 

Leydes  ym  ouch  vil  geschach  900 

Off  des  wilden  meines  ström 

doch  en  got  yn  sfeyne  hatte  nam 

vnd  dy  übe  muter  seyn 

Maria  dy  hyöidkonigynne 

Do  vor  spange  das  vornam  905 

das  ir  fridü  nicht  qwam 

Sy  gedochte  ir  vil  leyde 

vnd  ging  czn  dem  heidin 
-22 H    das  tat  sy  allis  Vmb  das 

das  sy  ym  das  vingerieyn  910 

weyste  das  her  muste  seyn 

kewsch  wen  her  das  an  sach 

vnkewscheit  an  ym  gebrach 

dy  selbe  togunt  hatte  ys  ouch 

8* 


116  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

Allir  czorn  von  ym  floch  915 

von  seynen  togunden  da«  geschach 
der  beide  begunde  czu  frogen 
das  sy  ym  sulde  sagin 
wer  ir  das  gegebin  hette 
vil  vngerne  sy  das  tete  920 

Juncfraw  spange  wart  gewar 
wol  jn  dem  newndin  jor 
das  ir  lyp  an  vndirlasz 
In  vil  grosin  notin  was 

Noch  mochte  her  nicht  irdrinken  9££> 

Noch  yn  dem  mere  vorsinckin 
Em  was  gegangen  abe  . 

Brot  trincken  essin  vnd  ir  habe   * 
was  czu  speyse  tochte 

das  her  nicht  inehe  gehabin  mochte  93^ 

Oswalt  want  seyne  hende 
dem  schiffe  ging  her  czn  ende 
do  stunt  eyn  alter 
doruffe  gotis  martir 
223 a    Her  sprach  got  von  hymelreich  92££ 

Irbarme  dich  hewte  obir  mich 
Mir  deyne  hilfe  sende 
Ich  forchte  meyn  leip  habe  eyn  ende 
0  du  rosen  vares  blut 

vaser  herre  nym  mich  yn  deyne  hat  §4k^ 

dy  clage  horte  der  rabe  ouch 
dem  herren  her  ouch  uf  den  arm  floch 
her  sprach  was  gewirt  dir 
Liber  herre  das  sage  mir 

do  sprach  hen  wedir  synte  oswalt  9>4* 

Meyne  clage  ist  zo  manchfalt 
das  clage  ich  nymande  mere 
Wenne  gote  vnserim  herren 
Ich  weys  was  ich  dir  sagin  sal 
du  weist  ys  selbir  wol  9&& 

das  nw  dirs  yemerlichin  gat 
Is  sal  wesin  gut  rat 
Globe  got  an  desir  frist 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  it7 

Au  vnserm  herren  ihm  crist 

drey  tage  yn  der  wochin  955 

vasten  vngebrochin 

So  dastu  keyner  hande  weys 

Gutter  speise  nicht  entpeyst 

So  wirt  dir  marien  kint 

Sendin  eynen  gutin  wint  960 

223 b    das  du  komist  czu  lande 

Gzu  vor  spange  noch  der  ist  dir  zo  bange 

Oswalt  das  nicbtin  lys 

her  tat  was  en  der  rabe  hys 

do  qwam  eyn  vil  gutter  wint  965 

der  en  czu  lande  brochte  synt 

do  her  czu  lande  komen  was 

der  rabe  wart  nv  zo  lasz 

Czu  der  bürg  her  hin  floch 

vnd  dor  vndir  swebete  ouch  970 

das  treib  her  also  lange 

das  dy  konigynne  vor  spange 

Seyn  do  gewar  wart 

des  rabin  zo  czart 

her  floch  durch  eyn  fensterleyn  975 

dorvndir  sas  dy  konigynne 

do  eyn  muterleyne 

Bey  ir  was  der  meyde  keyne 

Do  sy  den  rabin  an  sach 

Sy  entphing  en  vnd  sprach  980 

Bys  wilkom  vil  libis  rebeleyn 

wo  ist  oswalt  der  herre  meyn 

her  sagete  ir  dy  mere 

wy  her  mit  groser  swere 

Mit  not  vnd  mit  sorgen  grande  985 

komen  wer  nw  czu  lande 
224 a    vnd  das  grosz  vngemach 

das  ym  uf  dem  mere  geschach 

Liber  rabe  nw  sage  an 

wo  bot  her  dy  schiffe  gelon  "° 

her  sprach  sy  seyn  irtruncken 

vnd  yn  dem  wilden  mere  vorsuncken 


US  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

Sy  sprach  zo  musz  ich  bleibin  hir 

Vorwor  das  glewbe  mir 

her  sprach  edele  iuncfraw  gut  995 

Czwor  alz  ir  ys  nichtin  tat 

vnd  wo  das  vorginge 

vnd  do  hen  nymmer  qweme 

do  man  euch  nymmer  nente 

Adir  ewern  namen  irkente  1000 

Ich  ouch  mit  nichten  dar 

wo  ich  ewer  worde  gewar 

Sy  sprach  lip  über  rabe  bleib.  hybey  mir 

Ich  thu  allis  das  lip  sey  dir         -     «. 

her  sprach  iuncfraw  meyn  >.  >  1005 

Ir  sprecht  alz  eyne  czarte  konigyn 

liot  euch  tewiin  balde 
das  wirt  ewir  sulde  .  •  .  .    « 

do  wirt  von  euch  getrebin 
vnd  alle  ewer  sunde  vorgehin       ,      ..  1010 

Sy  sprach  ist  her  eyn  heiliger  man   i> 
Meyn  fridil  das  ich  nicht  gewissin  k4n 
224 b     So  heysz  en  betin  seynen  got 
das  her  ym  helfe  das  ist  not 
vmb  eyn  hirsch  das  sal  seyn  silberin  1015 

vnd  fewir  rot  guldin 
der  sal  loffin  alczu  hant 
durch  meynes  vatern  lant 
kan  her  den  gehabin  nicht 
von  seyne  woren  gotis  phlicht  102O 

So  musz  her  von  hynne  gar  vnsewberlich 

von  hynne  farin  ane  mich.      .       

der  rabe  sagete  ym  dy  mere 

vnd  ouch  nymande  mere 

Bessz  yn  alle  der  not  -      1025> 

wenne  vnsers  libin  herren  got  ;  j 

vnd  übe  muter  seyn  . 

Allis  sunder  eyne  trosteryn 

Ich  röte  e«ch  allir  Euadir  wan 

Rafft  sy  mit  ganfczin  trawen  an  lOSO 

Ynd  her  sagete  euch  da  bey 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  119 

von  dem  hirs  geweye 
Wy  das  sulde  gelon  seyn 
Vnd  wy  der  hirsche  liffe  hyn 
Sulde  do  czu  hant  1035 

loffen  durch  eris  vajer  laut 
wo  das  nicht  gesohlt 
So  magistu  ir  habin  nicht 
225 a    vnd  most  an  sorgen  banden 

varin  heym  wedir  czu  lande  1040 

Oswalt  fil  nedir  uf  dy  kny 
her  sprach  ich  bin  nw  aihy 
komen  in  surgen  vnd  yn  peyn 
herre  durch  den  willen  deyn 
hilf  mir  durch  den  werdin  gol  .  1 045 

das  ich  kome  aus  not 
•  vnd  gip  mir  czu  desir  feist 
den  hirsch  also  her  mir  befoln  ist 
Losz  mich  nicht  vorterbin  .     . 

dorvmb  wil  ich  werbin  1050 

Czu  eyner  kirchin  dir 
Also  ich  sy  allir.  beste  habe  .  . 

das  ich  möge  dor  abe 
Eyü  prister  daste  baa  geban 
vnd  yn  deyme  dinste  bestau  1055 

Williglichin  cfcu  allir  czeit  .       .     .  •  .; 
An  dir  alle:  meyn  trost  leit 
do  her  dese  wort  gesprach 
Eynen  hirsch  her  do  vor  ym  sach. 
Ap  her  aws  dem  padise  ...  .  1060 

vnd  yn  alle  der  weyse 
Vnd  yn  alle  dem  geberde 
Ap  ys  eyn  heiliger  engil  were 
Von  silbir  vnd  von  gulde 
325 b    also  got  von  bymel  wolde        •..•">         1065 
das  der  hirsch  wonniglich 
Czu  der  bürg  machte  »ick 
Obir  berg  vnd  obir  tal  n 

lyff  der  hirsz  obir  al 
her  lyf  vü  manche  faort  1070 


120  SANGT  OSWALDS  LBBKN, 

das  der  heyde  seyh  gewar  wart    '  ' 
her  riff  wol  uf  alle  meyne  dinstman 
Ich  sehe  eynen  stolezin  hirsz  stan 
den  schönsten  zo  ich  en  y  gesacb 
Czu  hant  das  volk  uf  brach 
dem  hirsche  folgeten  sy  noch 
wol  dreisig  tawsint  man  vilnoch 
Czu  hant  uf  der  selbigen  fart 
dy  bürg  veste  geslossin  wart 
Gar  wol  unvordrossin 
Mit  czwe  vnd  sebeczig  slossen 
In  der  selbigen  stunde 
der  rabe  abir  begunde 
Czu  sprechin  mit  der  edelyn  mayt 
her  hup  uf  vnd  sayt 
Ir  dy  swere  inere 
wy  dy  bürg  geslossin  were 
Gar  zere  her  sy  bat 
das  sy  selbir  gebe  rot 
226*    wy  sy  ir  fridel  were 

Vnd  das  sy  von  der  bürg  qweme 
Sy  sprach  ist  her  eyn  heilig  man 
alz  ich  an  dem  hirsche  gesehn  ha(n) 
vnd  eyn  teil  irkant  wol 
Seynen  got  her  betin  sal 
das  sich  dy  slosz  uf  süssen 
vf  der  bürg  das  mag  her  wol  genissen 
Geschit  das  von  seyner  bände 
zo  fare  ich  mit  ym  czu  lande 
do  her  dy  botschafft  vornam 
der  rabe  czu  oswaldin  qwam 
her  sagete  ym  dy  mere 
'das  dy  bürg  geslossin  were 
Oswalt  vil  nedir  uf  dy  kny 
her  sprach  got  ich  bin  alhy 
Irfrewe  meyn  gemute 
durch  alle  deyne  gute 
Gedenke  über  herre  meyn 
das  ich  durch  den  willen  deyn 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  121 

vnd  durch  rechter  kewsoheit  1110 

dy  du  au  meyn  bertze  host  geleth 

Ich  wil  dir  leistin  dy  gobe 

dy  ich  dir  globet  habe 

mit  willen  über  herre  meyn' 
226 b    deyn  dyner  ich  ymmer  wil  seyn  1115 

des  losz  mich  herre  genissen 

das  sich  dy  slosz  uf  süssen 

dese  bürg  alle  gemeyne 

vnd  das  ich  kewsch  vnd  reyne 

mit  der  edelen  konigynne  1120 

Bälde  möge  komen  von  hynne 

Ee  her  dy  wort  ausz.  gesprach 

dy  slosz  man  alle  offin  sach 
AJczu  hant  der  rabe 

dy  iuncfraw  nam  her  abe  1125 

do  fürte  her  sy  bey  der  weisin  hant 

do  her  seynen  herren  fant  r 

her  antworte  seynem  herren 

dy  iuncfraw  mit  grossen  eren 

Synte  oswalt  alczu  hant  1130 

Juncfraw  spange  vndifwant 

her  entphing  sy  frolich 

vnd  vmbgreiff.  sy  lipüch 

mit  den  beyden  armen  seyn 

her  koste  sy  an  beyde  wengeleyn  1135 

An  allin  argen  wan 

Vorbas  her  sy  nymmer  an 

Gerurte  czu  keyner  stunt 

her  druckte  sy  an  seynes  herczin  grünt 
227*    her  sprach  der  alle  ding  bot  1140 

Geschaffin  mit  seyner  maiestat 

der  losse  vns  allen  beiden 

In  rechtir  kewscheit  vorscheydin 

Ap  stysz  her  das  schiff  seyn 

hyn  fürte  her  dy  konigynne  feyn  1145 

Sinte  oswalt  der  milde 

Uff  des  meris  wilde 

Czu  hant  vol  komen  was 


122  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

do  qwam  der  heide  vnd  dast 
Mit  dem  hirschin  guldin  1150 

vnd  wolde  den  der  libin  tachter  seyn 
Vor  libe  habin  gegebin 
Sy  was  ym  lip  alz  seyn  lebin 
do  her  dy  tachter  nicht  fant 
Eyn  hörn  nam  er  yn  dy  hant  11&5 

das  satczte  her  an  den  munt 
Vnd  blysz  das  czn  der  selbigen  stunt 
das  hörn  lawte  vnd  bedewtet  das 
Seynen  czorn  vnd  grymmigen  -has 
vnd  seyne  grose  grimmickeit  US« 

dy  her  an  dy  tachter  let 
dornoch  alle  Samen 
dreisigtawsint  heidin  qwomen 
dy  do  alle  bey  dem  hörn 
227 b    Wol  irkanten  seynen  czorn  HG 

dy  irboten  alle  sich 
Czu  seynem  dinste  williglich 
her  sprach  ir  herrn  gebit  rat 
Synt  mir  eyn  kawffm(an)  hot 
weg  gefurt  dy  tachter  meyn  \17<- 

das  musz  mir  leyt  seyn 
dy  weile  ich  lebe  eynen  tag 
Bys  ich  mich  gerechin  mag 
Aus«  der  sammelange  her  do  kosz 
dreisigtawsint  beiden  grosz  117  ^ 

dy  bey  den  selbigen  joren 
dy  beste  alle  woren 
dem  heidin  was  vil  yocb 
her  machte  sich  snelle  hernocb 
do  juncfraw  spange  gewar  wart  llö^ 

Eres  vaters  nacbfart 
Sy  gyng  alczu  hant 
do  sy  oswaldin  farrt 
Czn  des  schiffe*  ende 

Sy  koste  ym  seyne  bende  llS^ 

Grosse  libe  musz  gfeseh  eidin  seyn 
Jo  sprach  sy  liber  herre  meyn 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  123 

# 

Meyn  vater  bot  irseheilit  eyn  hörn 
das  bedewtet  seynen  czorn 
her  ist  cyn  freisim  man  1190 

228  *    vnd  komet  her  vns  an 

her  brengit  vns  in  grose  not 
An  bete  wir  balde  vnsern  got 
An  den  ich  gerne  glewbin  wil 
das  her  kawme  also  vil  1195 

In  dreyen  tagen  gefarin  kan 
Also  wir  hewte  habin  geton. 
Synte  oswalt  knyte  nedir 
mit  ynnickeit  bette  her  sedir 
her  sprach  hymelischer  got  1200 

Sich  an  meyne  grosse  not 
vnd  gedencke  ouch  doran 
was  ich  dir  habe  geton 
williglich  durch  rechte  reynikeit 
vnd  vmb  lautir  kewscheit  1205 

Ich  wil  dir  leistin  y  dy  gobe 
dy  ich  dir  globet  habe 
Vnde  ich  ouch  dorczu 
obir  vier  wochin  yo 

Machin  eyne  spende  1210 

mit  meynes  selbis  hende 
So  wil  ich  alle  dy  gewern 
dy  an  mir  icht  begern 
durch  den  willen  deyn 

hilff  vns  herre  ausz  desir  peyn  1215 

vnd  mache  das  meyn  swer 
Bey  dreyen  tagen  möge  nyfiier  her 
^28 b    An  dy  stat  gefarin  kan 

Also  wir  hewte  ban  geton 

do  machte  das  hymelische  kint  1220 

das  do  qwam  eyn  gut  wint 

her  hinderte  den  heiden 

das  her  sich  voste  leide 

Czu  bedenckin  begunde  dorynue 

hin  her  für  vil  manche  krome  .    .  1225 

vnd  manchen  irren  gang 


124  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

das  machte  ym  dy  weile  lang 
Also  qwam  sinte  oswalt 
heym  vor  dy  Strosse  mit  gewalt 
In  seyn  eygin  lant 
vnd  samniilte  sich  alczu  hant 
her  czu  hoffe  brochte  alsam 
wol  dreisigtawsent  man 
an  dem  dreiczenden  tage  och 
do  qwam  gefarin  hen  noch 
Seyn  swer  der  heide 
Vmb  seyne  tachter  was  ym  leide 
Mit  dreisigtawsint  reckin 
Begunde  sich  wedir  sy  czu  streckin 
Oswalt  hatte  dreisigtawsint  man 
her  begunde  wedir  en  czu  stan 
Streitlich  czu  sampne  quomen 
.   229  *    dy  heidin  grosen  schaden  nomen 
Eyn  teil  wart  irslagin 
Alz  ich  horte  sagin 
das  andir  teil  irtrang 
In  dem  mere  ys  vorsang 
Gar  obil  ys  dem  heidin  ging 
den  heidin  man  selbir  ving 
Seyn  leip  vnd  ouch  seyn  lebin 
Sinte  oswalt  wart  gegebin 

Do  lys  her  seynen  swer 
legin  yn  eynen  kerker 
der  do  was  gelegin 
Gar  none  bey  dem  wege 
do  man  hen  vor  muste  gen 
Is  was  gut  das,  man  fing  den  man 
Eynes  tages  das  geschach 
der  engil  czu  ym  qwam  vnd.  sprach 
Lebistu  noch  du  heidenischer  man 
wy  lange  wiltu  ym  vngloben  stan 
du  salt  nw  alhy  seen 
was  gegebin  wirt  den 
dy  hy  gote  gedynet  han 
vnd  gute  werg  han  gethon 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  125 

Öuch  saltu  gewar  werdin 
was  vordyaet  habin  dy  uf  erdin 
dy  do  lebetin  wedir  got 
229 b    vnd  nw  getoten  seyn  geboth 

her  begunde  selbir  czu  yen  1270 

her  weide  ys  gerne  sehn 

do  sach  der  geselle 

nedir  eyn  dy  helle 

do  sach  her  legin  ynne 

Eyne  grosse  wolflynne  1275 

dy  tewfil  standen  vmb  sy 

Swefil  vnd  pech-  gossin  sy  yn  sy 

In  den  halz  an  vndirlosz 

Ir  peyn  gar  grosz  was  . 

von  hitcze  stang  vnd  roch  1280 

do  bey  stunt  eyn  stul  ouch 

der  heide  cza  bant  frogete 

vnd  bat  das  her  ym  sagete 

vnd  ym  tete  offinbar 

wes  der  stul  wer  aldar  1285 

vnd  was  das  mochte  geseyn 

dy  wolfin  in  der  hellin  peyn 

her  sprach  ys  ist  dy  bausfraw  deyn 

So  ist  der  andir  stul  gegebin  dir 

her  ist  aldo  gesatczt  dir  1290 

Do  her  sach  obir  sich 
In  das  hoe  hymelreich 
do  wart  her  gewar 
Drey  stule  offinbar 
^30*    Sten  bey  marien  schone  1295 

An  des  hoen  hymelstrone 
der  heide  en  abir  frogete 
vnd  bat  das  her  ym  sagete 
Was  dy  drey  stule  wern 
her  sprach  der  eyne  oswaldin  sal  seyn         1300 
der  andir  der  tachter  deyn 
der  dritte  mag  wol  werdin  dir 
wiltu  andirs  volgin  mir 
Vnd  wilt  dich  tewfin  Ion 


I 


126  SANGT  OSWALDS  LEBEN, 


vnd  got  betin  ob  1305 

der  beide  czu  bant  do 
Sprach  yo  herre  yo 
aller  deyner  lere 
wil  ich  williglich  folgen  gerne 
Des  morges  do  das  wart  1310 

Juncfraw  spange  an  der  fart 
Begunde  czu  der  kirchin  gan 
Ir  vatir  sach  sy  vnd  riff  sy  an 
Tochter  gehe  her  vnd  höre  mich 
Mit  trewen  das  bete  ich  dich  1315 

Mir  ist  hewte  vorkomen 
vnd  wy  ich  das  habe  vornomen 
das  wunderliche  mere 
wy  eyn  gutter  got  wer 
230 b    der  wonit  yn  dem  bymelreich  lföO 

Wir  habin  geglewbit  torlich 
das  wir  alle  sundir  wan 
den  tewfil  gebetet  habin  an 
Ich  habe  irkant  in  desir  frist 
das  eyn  warer  got  ist  132£* 

Nu  vil  übe  tachtir  meyn 
Bete  oswaldin  den  herren  deyn 
das  her  beut  seynen  got 
Vmb  meyne  lewte  dy  her  hol 
Irslagen  vnd  irtrenckit  13&Ö 

Vnd  yn  dem  mere  vorsenckit 
das  her  mir  czu  desir  stunt 
dy  lebendig  vnd  gesunt 
So  wil  ich  mich  tewfin  Ion 
Mit  en  vnd  got  betin  an  13$£? 

dy  iuncfraw  vil  fro  wart 
hyn  lyff  sy  mit  der  fart 
Sy  fant  Oswalden  an  seym  gebete 
Inniglichin  her  das  tete 

Vor  dem  crewcze  sy  en  legen  fant  1340 

Seyne  andacht  was  gote  bekant 
den  her  stetigüch 
Bat  vmb  das  bymelreich 


SANCT  OSWALDS  LEBEN.  ItJ 

do  her  dy  inncfraw  an  saoh 

Czachtiglicb  her  cza  ir  sprach  1345 

Juncfraw  was  macht  ir  vor  mir 
231*    das  berichtet  mich 

Ir  wisset  wol  was  ich  en  gebetin  habe 

das  ir  stete  sollet  stan 

In  der  kirchin  vnd  betin  vil  1350 

do  sprach  dy  konigynne  feyn 

herre  mich  hot  der  vater  meyn 

her  cza  dyr  gesant 

vnd  her  hot  mir  zo  hoch  genant 

Liber  herre  ich  bete  dich  1355 

das  du  got  von  hyihelreich 

Vnsern  herrcn  ihesu  orist 

Vmb  seyn  volk  betist  das  do  tot  ist 

Bete  das  en  das  lebin 

Wedir  wirt  gegebin  1360 

So  wil  her  lossin  tewfin  sich 
vnd  wil  an  got  glewbin  von  hymelroich 
Juncfraw  das  vormag  ich  nicht  m 

Ir  tut  denne  gote  rieht 

Eyn  ding  das  ist  e^rer  kewscheit  1365 

vnd  ewer  lawtir  reynikeit 
Globet  cza  haldia  gote 
Gancz  fru  vnd  spote 
das  ir'czu  allen  standen 

kewsch  vnd  reyn  werdit  fanden  1370 

So  wil  ouch  got  von  hyihelreich 
231 b    Dese  bete  gewerin  mich 
An  desin  grosin  sachin 
Seyn  volk  lebendig  machin 
dy  iancfraw  das  fro  was  1375 

Sy  sprach  gote  ich  globe  das 
vnd  marien  der  üben  tnater  seyn 
dy  ist  dy  kewsebit  meyn 
Vnd  meyne  reynigkeit  lewterüch 
Wil  ymmer  behaldin  ewiglich  1380 

Stete  an  allen  gewanckin 
Mit  worten  vnd  mit  werokin 


128  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

Wo  ich  das  ymmer  breche 
Got  das  an  mir  reche 

Sy  sprach  über  berre  meyn  1385 

Bete  ouch  vor  dy  sele  meyn 
vnd  dy  deynen  den  glitten  got 
Vil  gerne  wil  ich  .an  seyn  gebot 
Wo  ich  bin  yn  weidin 

mit  dem  volke  adir  mit  de  winde  1390 

mit  den  hyden  czu  keyner  stunt 
Seyner  übe  vorgist  nymmer  der  munt 
Ich  trincke  adir  esse 
Seyn  ich  nymmer  vorgesse 
Vnd  dy  bitter  martir  seyn  1395 

Vnd  der  yemmerlichin  peyn 
282*    dy  her  an  dem  crewcze  leit 
vnd  der  grosin  yomerkeit 
dy  seyne  übe  muter  leit 

Vnd  seyn  grosz  vngemach  140^> 

do  sy  ir  kint  hangin  sach 
m      an  dem  crewcze  vil  hoe 
Gleich  eyme  dybe  also 
0  vater  hymelischer  got 

Gedencke  an  den.  bittern  tot  140-S 

den  du  ledist  gedultiglich 
an  desim  gebete  irhore  mich 
Ich  dich  bete  hewte 
Mache  das  dese  lewte 

Wedir  müssen  lebin  14*  *^ 

dy  hy  dem  tode  synt  gegebin 

Do  her  dese  wort  gesprach 
dy  lewte  man  alle  sach 
lebindig  bey  dem  vber  stan 

Vnd  begunden  czu  der  bürg  gan  14  f  & 

Czu  der  selbigin  stunt  .  . 
Wordin  sy  alle  gesunt 
Vff  dy  bürg  qwamen  mere 
wy  sy  alle  lebindig  weren 
do  sy  alle  bey  namen  1420 

vor  sinte  oswalt  qwomen 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  f29 

her  sante  eyn  seyn  lant 

Noch  bischoffeil  alczu  hant 
&32 h    Do  qwomen  her  gefern 

dreyczentawsent  ir  worn  1425 

vnder  ym  gesessin 

her  hatte  sich  vormessin 

Sy  mästen  dorczu  tichtin 

wy  sy  dy  heidin  machtin  cristin 

Dy  bischoffe  oswaldus  nam  1430 

vnd  ouch  ere  capellan 

Tawftin  czu  dem  selbigen  mole 

dy  Heidin  allis  obir  al 

dornoch  nicht  lange 

wart  getawft  iuncfraw  spange  1435 

vnd  ir  vater  mit  der  vart 

Johannes  her  geheysin  wart 

Dy»  getawfftin  alle 

Riffen  uf  mit  schalle 

Sint  oswalt  ist  eyn  heiliger  man  1440 

der  dys  wander  bot  geton 
Johannes  do  alczu  hant 

heym  für  yn  seyn  lant 

her  lysz  alle  vmb  steydin       *  !  ■ 

Tewfin  dreysigtawsint  heidin  144$ 

dy  sich  nicht  woldin  Ion 

vnd  noch  rechtim  globin  stan 

dy  lysz  ber  alle  totin 

In  zo  yemmerlichin  notin 
$3*    her  lysz  en  gar  ufte  1450 

Binden  hende  vnd  fusse 

Gzu  sampne  vnd  irdrenckin  •    * . 

Vnd  yn  das  mer  vorsenckin 

Alhy  hot  das  buch  eyn  ende 

Oot  vnsz  seyne  hülfe  sende  1455 

Ruft  an  synte  Oswaldin 

das  her  vns  yn  seyner  hüte  behalde 

Vnd  czu  dem  konige  gut 

das  her  vns  neme  yn  seyne  hut 

vnd  bessir  vnser  lebin    -  1460 

F.  D.  A.    IL  9 


130  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

So  das  wir  komen  ebin 
Czu  ym  alle  gleiche 
In  gotis  hymmelreiche 
Das  vns  das  allis  werde  wer 
So  sprechit  alle  amen  offinbar  1465 

Et  sie  est  finis 
Aus  der  Wiener  handschriß  3007,  früher  N.  297,  pap.  vom 
j.  1472;  vergl.  Hoffmanns  Verzeichnis  s.  180, 

FRANZ  PFEIFFER. 


BIBLISCHE   GESCHICHTE. 

Von  der  beschaffunge  diser  weit  bifs  auf  das  jungst 

gericht  gereymt. 

So  steht  auf  dem  decket  einer  papierhandschriß  der 
Nürnberger  Stadtbibliothek  (Bibl.  Solger.  Cod.N,  15.  fol.), 
geschrieben  im  j\  1465,  enthaltend  d)  Diefs  sint  konig  Sal- 
monis  buchere  und  zwar  1.  Salomonis  Spruche  (proverbia), 
2.  der  zureder  oder  lerer  (ecclesiasticus),    3.  gesangk  vber 
alle  gesenge   (cantic.  canticorum),  schliß/send  Hie  hant  Sa- 
lomons  bucher  ein  ende  Anno  dni  tc  lxvto.  —    b)  Hie  vahet 
an  Seneca  von  den  vier  angel  tagende.  —    c)  eine  Wibcl 
oder  biblische  geschickte  a.  und  n.  tt>  in  2  cohimnen  mit 
bildern  (vorn  die  4  demente)  und  vergoldeten  anfangsbuch- 
stoben,  51  bl.9  schliefsend  Finite  'ita  feria  p9  galli  Anno  dni 
M°cccc°lxquito.     die  vorrede  vierremig9    wohl  nach  Gott- 
fiied  von  Straßburg  9  dessen  Tristan  auch  wohl  gemeint  ist- 
die  handschriß  zeigt  einige  eigentümliche  laute  und  reime  * 
sie  hat  nicht  nur  det,  du,  Ire  de,  rede  :  stede,  baden  :  gnaden* 
drost  ...  entstunt  :  frunt,  sondern  auch  noit,  loifs,   koniog 
könne  :  wonne  ü.  s.  w. 

1*    CJot  herre  in  dineif  trinitat 

Welich  ein  wunderlicher  ratte 

Von  erst  bifs  herre  gewurekett  hat 

Iiin  aller  siner  hant  gedate 

Gar  wunderlich  ist  din  gewall 

Das  sint  wunderlich  gestalt 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  131 

Din  dinge  gar  manigfalt 
Vnd  ist  din  wunder  vrigezalte 
Was  ein  man  yon  wunder  mag 
Gelesen  alle  eynen  tag 
Das  ist  als.  Jn  die  bach  ein  slag1 
So  grosser  wunder  gott  ye  pflag 
Das  bruffet  wole  ein  wyser  man 
Der  wunder  wole  gebruffen  kän 
Das  gott  noch  nicht  nye  began 
Man  sehe  da  wunder  allein  an 
Die  Elemente  besunder 
Ertzeugent  alle  wunder 
Wie  sich  der  erden  bunder 
Hat  gesetzet  vnder 
Vnd  das  wasser  alda  neben 
Darumb  hat  sich  der  lufft  gegebn 
Das  fuer  will  obe  Jne  allen  sweben 
Das  ist  ein  wunderliches  leben 
Nu  bruffet  an  das  firmament 
Wie  wunderlich  von  Orient 
Es  gahet  an  den  Occident 
Diefs  ist  ein  wunderlich  euent 
Die  sonne  hat  auch  jren  gang 
Viel  tusent  mile  lang 
Bifs  widder  an  Jren  anfang 
Diefs  ist  ein  wunderlich  gedanck 
Was  die  erde  auch  ye  getrog 
Da  siecht  man  wunder  an  gnug  •'< 
Welich  man  wart  ye  so  clug 
Der  da  funde  semlichen  füg 
Were  mochte  des  ein  meister  sin 
l)as  sieh  ein  rotfarwe  rdselin 
Cläre  geferw^t  vnd  fin 
Vff  slusset  gein  der  sonnen  schyhe 
Diefs  zeichenlich  wunder  diit 
Lylien  vnd  aller  hande  blute 
Were  heran  setzet  sinett  mute 


I.  in  fTatther  124,  14. 


132  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Den  wunder  nicht  wan  got  ist  gut 
Nu  mercket  was  der  vrhabc  sy 
Personen  vnderscheiden  dry 
Da  erkennen  wir  ein  gotheit  by 
Nu  sehet  obe  das  sy  Wunders  fryhe 
Got  der  nach  wunder  richtet  sich 
Des  dinge  sint  billich  wunderlich 
Wasser  erde  hymelrich. 
Die  sint  wunder  alle  glich 
Vnd  dar  zu  der  bäumen  frucht 
Vnd  aller  creatuer  züchte 
Von  wunder  hat  die  kein  flucht 
Sie  sint  von  wunder  gar  gewucht J 
Were  mochte  das  wunder  mee  gethun 
Das  vfs  eym  ey  wirdet  ein  hjine 
Ein  falcke.  ein  lerche.  ein  fafsethune 
Ein  swane.  ein  pfahe.  vnd  ein  grün 
Das  ist  yedoch  noch  ein  wicht 
Sint  Hymel  vnd  erde  was  nicht 
Vnd  ist  noch  wunder  an  gericht 
Das  ist  der  wunder  vberpflicht 
Sint  wunder  also  viel  da  ist 
So  horent  den  wunderlichen  list 
1 e     Wie  got  vnser  herre  Crist 
Geborne  warde  jn  zyttes  frist 
Von  eyner  keyserlichen  maget 
Wo  ist  das  wunder  mee  gesaget 
Der  solich  gnade  was  betaget 
Das  sie  jme  zu  mutter  hat  behaget 
Was  sache  jne  hie  hat  getriben 
Das  ist  nit  vnder  wegen  bliben 
Man  findt  an  diefsem  buch  geschriben 
Des  ist  mir  jn  dem  synne  becliben 
Das  ich  des  gantzen  willen  hann 
Obe  ich  die  gnade  möge  emphan 
Das  ich  die  rede  sunder  wan 
Will  betutten  so  ich  beste  verstau 
Verneinet  von  erst  doch  ein  clage 
Sint  ich  uch  durch  myn  sage 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  1» 

Obe  uch  der  rede  icht  myfs  hage 

Das.  mirs  uwer  gunst  vertrage 

Ich  kan  nit  vil  gesmyren 

Noch  die  wort  gezieren 

Ich  wil  die  rede  füren  (gevieren?) 

Ane  alles  floriren 

Geblumet  rede  seyt  der  gral 

Herr  ywyn  vnd  herr  parzifal 

Vnd  wie  gewarp  zu  Cornual 

Brangene  ysot  tristan  rewal 

Vnd  wie  die  clare  plätziflur 

Bestricket  jnn  der  mynne  snür 

Mit  tristande  durch  amür 

Heyme  zu  parmenie  füre 

Solicher  rede  ich  nit  enger 

Were  sich  dann  nit  will  keren  her«* 

Der  findet  doch  sinen  were 

Der  sehe  vor  sich  dirre  vnd  der 

Diefs  rede  ist  ein  ernstlich  gefar 

Des  rede  ich  ernstlich  dar 

Mit  blossen  wortten  vnd  bar 

Nu  hört  vnd  nemet  die  rede  war 

Hye  vor  da  sich  die  zijt  anfing 

Vnd  die  weit  anginge 

Da  gtftt  hat  vnser  heylant 

Mit  siner  gotlichen  hant 

Alle  Creature 

So  zarte  vnd  so  gehöre 

Geschaffen  wole  nach  pryse 

Da  hat  er  sin  wise 

Noch  gotlicher  wirdigkeit 

So  wirdiglich  auch  angeleyt 

Das  der  hymel  vmb  gang 

Vnd  der  planeten  widder  fang 

Was  gemachet  ordenlich 

Vnd  die  sonne  wonniglich 

Vber  scheyne  die  weit  wyt 

Vnd  underschied  das  tagez  zyt 

Von  der  finsterlichen  nacht 


BIBLISCIIR  GESCHICHTE; 

Der  auch  zn  fochten  was  gemacht 

Der  monde  vnd  auch  die  Sterne 

Diefs  duchte  den  herren 

Alles  wunderlicher  gütt 

Die  baäme  stunden  jnn  der  blute 

Die  erde  wole  gezieret  was 

Crutter  blumen  vnd  grafs 

Mangerley  könne 

Stunde  jnn  gantzer  wonne 

Die  tier  vor  Jme  ließen 

Jglich  jre  styme  rieften 

Diefs  was  gryme  diefs  was  gut 

Diefs  wilde  das  was  wole  gemnte 

Die  fische  flussent  jnn  dem  mere 

Ein  gar  wunderlich»  höre 

Viscbe  elein  vnd  vische  grors 

Diefs  ruche  vnd  diefs  Mofs  -    '- 

Als  sie  geschaffen  waren 

Gar  wunderlich  gevaren  (gebären?) 

Wart  von  fischen  da  gesehen 

Als  es  noch  dick  mag  geacheen 

Embore  die  fogel  sich  swungen 

Sie  gurren  vnd  sangen 

Jglicber  sin  wise 

Die  nachtigal  zu  ryse 

Die  lerche  jnn  die  lüfte  swang 

Sie  hübe  jre  stywe  an  vnd  sang 

Die  winde  hatten  jren  dofe 

Jenes  wasser  here  diefs  bin  flol's 

Vnd  funden  doch  jren  vrspring 

Sust  waren  aller  hande  ding 

Geschaffen  wole  noch  wünsch  gar '  • 

Des  name  jre  schopffer  gut  war 

(NU) 
Er  sprach  nach  gütlicher  Ee 
Wir  sollen!  dannocht  schaffen  inee 
Einen  man  gar  wunderlich 
Der  sot  vns  selber  wesen  glich 
Er  soll  vnser  bilde  bann 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  iU 

Jme  sol  auch  wesen  vnderthaae 

Was  du  hie  geschaffen  ist 

Er  nam  dar  nach  Jnn  kurtzer  frist 

Ein  gar  lutzel  erden 

Dar  aufs  so  hiefs  er  werden 

Einen  man  lobesam 

Mit  namen  hiefs  er  jne  adam 

Er  satzte  Jne  Jnn  das  paradifse 

Das  er  were  jnn  aller  wifse 

Alles  dinge  ein  Crone 

Das  sie  jme  alle  schone 

Vnderthenig  solten  sin 

Diefs  sach  vnser  D rechtin 

Vnd  duchte  jne  alles  gut 

Nu  was  sin  gotlicher  mute 

Der  man  were  vhel  eyne 

Der  nam  vis  sym  gebein 

Ein  Rypp  vis  sinen  brüsten 

Er  schuff  jme  wole  noch  gelüsten 

Eynen  freuwelichen  lyp 

Das  sie  were  sin  elich  wyp 

Das  sie  wem  beide  alleyne 

Zwene  korper  an  jn  zweien 

Doch  zwey  an  eynem  lybe 

Das  gantz  truwe  blybe 

Zweien  gemechten  ymer  mce 

Da  gäbe  jne  got  all  soliche  Ee 

MV  was  der  wonne  garte 

Geplanzet  also  zarte  u.  s.  w. 

sündenfall*    Lucifers  fälL 
Der  vngetrnwe  »lange 
Der  da  vor  vnlange 
Von  dannen  was  Verstössen 
Mit  sinen  falle  genossen 
Dem  was  Seligkeit  gegeben 
Freude  vnd  ewigs  leben 
Jnn  dem  hymel  trone 
Safs  er  mit  wirde  schone 
Got  hatte  grosse  Schönheit 


136  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

An  den  engel  her  geleit 
Er  was  der  engel  hereste 
An  wirdigkeit  der  erste 
Der  schonest  was  er  auch  erkant 
2d    Des  was  er  lncifer  genant 
Als  ein  liecht  drager 
"  Sint  er  der  schonest  were 
Sin  schöne  gäbe  jme  vbermut 
Als  es  noch  den  lütten  dut 
Gein  sinem  scbopffer  satzte  er  sich 
Er  seyt  er  solde  jme  wesen  glich  u.  s.  w. 
3*    wird   durch  Lucifer  Eva,     durch   Eva   Acf^t 

verfuhrt.     Verbannung  aus  dem  paradies& . 
3€    Er  triebe  sie  für  das  paradifs 
Yglichs  brache  ein  qwesten  ryfs 
Vber  ym  und  deket  sich  u.  s.  w. 
3*    Eya  (l.  ßven)  vngetruwer  rate 
Der  lute  viel  verleytet  hat 
Hinabe  zu  der  hellen  u.  s.w. 
hienach  das  gericht  gottes  über  den  menschen. 
Hye  käme  es  also  ferre 
Das  der  hymel  herre 
Got  von  hymelrich 
Besafs  gewaltiglich 
Selber  ein  gerichte 
Mit  wirdiglicher  pflichte 
3d    Mit  aller  hymelischen  schare 

Die  hymelfürsten  komen  dar  u.  s.  w. 
4*    Der  tron  was  gemachet  wole 
Als  da  ein  keyser  sitzen  sol 
Von  golde  vnd  auch  von  richer  hört. 
gesteine  und  blumen  werden  beschrieben,      darnach  redet 
gott  die  engel  an. 

4°    DEr  rede  got  alsus  began 

Er  sprach  Jre  fursten  vnd  jr  man 
Wir  hatten  grosser  wirdigkeit 
An  den  menschen  vil  geleyt 
Jme  was  vnderthan  gemacht 
Was  der  hymel  hat.  bedackt  u.  s.  w. 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  137 

iten  die  vier  Schwestern  Barmherzigkeit  Wahrheit 
tigkeit  und  Fried* x  ayfund  schlichten  den  spruch. 
4d    So  diese  rede  ergingen 

Mit  grosser  swere  empfingen 

Sie  die  herren  alle  gliche 

Das  der  koning  riche 

Mit  zorniglichem  mute 

Durch  die  missehute 

Vff  des  menschen  vnheil 

Fragete  vmb  ein  vrteil 

Sie  westen  nit  was  sprechen 

Sint  sich  der  koning  rechen 

An  dem  menschen  wolde 

Sie  würben  vmb  ein  hulde 

Dem  menschen  vnd  baden 

Glich  allesampt  gnaden 

Gnade  koning  riche 

Auch  warbe  getruwelich  ■  ? 

Frauwe  Barmhertzigkeit 

Jre  was  des  menschen  kumer  leyt 

Sie  neigte  vor  gottis  fufse      . 

Sie  bade  auch  also  sufse 

Vor  des  menschen  missetat 

Eya  herre  syt  das  mensche  hat 

Vbergriffen  din  gebott 

So  bifs  du  ein  milter  gott 

Du  salt  barmhertzig  sin  u.  s.  w. 
>*    Das  hört  jre  swester  Warheit 

Sie  ginge  hin  für  den  koning  stan 

Sie  jach  ich  hette  keynen  wan 

Das  frauwe  Barmhertzigkeit 

ete  darstellung  wurde  bekanntlich  öfter  behandelt ;  prosaisch 
lernt  im  Belial,  gereimt  theils  in  Rudolfs  v.  HE.  fortsetzun- 
mherzigkeit  Wahrheit  gereehtigkeit  minne),  theils  in  beson- 
lichtet  beginnend  Sich  huob  vor  gotes  tröne  ein  gespraeche 
h  cod.  Stuttgard.  bibl.  publ.  Mscr.  poet.  fol.  n.  10,  cod. 
Cmmeram.  6.  xxxvi.  eh.  4,  cod.  Paldt.  341.  nr.  124 
Coloezaer  cod.  nr.  120,  JWener  hs.  2677  nr.  xl.  bl.  100b 
ur  eine  abschriß  des  Colocz.  cod.) 


iSa  BIBLISCHE  GESCHICHTE, 

.  Diese  wortte  hett  vfsgeleyt  u.  s.  w. 
5b    ClErechtigkeit  die  horte  das 

Sie  stände  uff  balde  da  sie  salb 

Sie  ging  auch  vor  den  koning  riebe  u.  s.  w. 
5e    Da  Friede  horte  diesen  stryt 

Sie  sprach  nu  weres  an  der  zyt 

Das  ich  zu  hoffe  queme 

Vnd  die  rede  da  verneme 

Sie  name  ein  vrkundt  vnd  ein  plant 

Rechtes  frieden  jnn  die  hant 

Das  was  gottis  bilde 

Sie  sprach  bifs  herre  milde  u.  s.  w. 
5d    Da  diefs  rede  was  gescheen 

Sagt  an  was  mocht  got  da  jheen 

Verhörte  er  barmhertzigkeit 

Das  were  jrer  swester  warheit 

Ymer  widderzeme 

Obe  aber  er  verneme 

Gerechtigkeit  das  were 

Gar  vnfriedber 

Kurtzlich  nu  geschach 

Die  maiestas  aber  sprach 

Jre  fursten  vnd  jre  Ratman 

Jglicher  rade  was  er  kan 

Gebet  endlichen  Rate  darzu 

Was  ich  zu  diefsen  dingen  thue 

Wie  ich  milde  walde 

Vnd  doch  warheit  haide 

Vnd  wie  ich  halde  friede 

Vnd  gerechtigkeit  dar  myde  u.  s.  w. 
6*    Des  vatters  wifsheit  vnd  sin  Rat 

Der  der  gotheit  gehat 

Spiegel  vnd  bilde 

Sehent  den  zwange  grofs  milde 

Vnd  jnbrunstig  mynne  u.  8.  w. 
6h    Do  diefs  clare  maiestas 

Den  Rat  jn  sym  Spiegel  lafs 

Der  endelosen  wifsheit  «.  s.  w, 
6 r    Da  nu  der  sone  begatte 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  IM 

Das  er  den  veriaup  hatte 

Von  sinem  vatter  schiere 

Die  swester  alle  viere 

Hofelich  sprach  er  an  u.  s.  w. 
d    So  diefs  swester  alle 

Von  dem  freuden  schalle 

Hortten  den  sone  der  künftig  was 

Als  iglich  selber  lafs 

Jnn  der  golheit 

Da  worden  sie  gemeytt 

Vnd  auch  zuchtiglichen  froe 

Sie  sprachen  alle  glich  also 

Du  hymelischer  Spiegel 

Were  wolde  wesen  kriegel 

Gein  diner  wisen  lere  u.  s.  w. 
b    Synt  ich  was  an  lant  gefaren 

Vnd  ich  den  segel  wolt  sparn 

Den  ich  durch  rüe  nyder  lieb 

Vnd  den  encker  in  den  griefs 

Des  selber  hann  geschossen  «.  s*  w.  i 
h    Da  der  Rate  ergangen  was 

Das  des  vatter  Spiegel  glafs 

Der  Sone  daz  hymel  kindelin 

Der  gotheit  widder  scheyne 
*c    Nach  hoher  wifsheit  vfserwelte  u.  s.  w. 
\t  die  rede  über  auf  die.  boten  die  gott  als  verkündi- 
sohnes  im  ablauf  der  Seiten  sendet. 
>  *    Hernach  etwae  lange  was 

Als  ich  in  den  buchen  lafs 

Das  es  den  herren  dachte  zyt 

An  dem  alle  tugent  lyt 

Botten  sant  er  jnn  die  lant 

Vnd  hiefs  dem  volck  thon  bekant 

Hoffenliche  mere 

Das  ein  erlosere 

Schier  komen  solde 

Der  vns  erlösen  wolde  u.  s.  w. 
9*    Mere  Abraham  der  erste 

Der  Patriarchen  berste  .  »  .  . 


140  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

10'    ÜEre  Moyses  hernach  enstundt 
Der  viel  getruwe  gottes  frundt .  .  . 

10°    ^%l¥o  sin  Hecht  ye  hin  quame 
Diesen  Sterne  balaam 
Lange  vor  erkande  .... 

10°    "Oet  gul  Iop  het  auch  vernomen 
Wie  got  her  nyder  wolt  komen 
Jn  diese  menschliche  wat 
Das  er  auch  vor  gesaget  hat 
Zu  got  rieff  er  taugen 
Joch  herr  myn  din  äugen 
Fleischlichen  sollen  werden  .... 

10d    Der  vfserwelte  gottis  früt  (/.  trut) 
Der  konig  dauid  vberlut 
Hat  vorhin  lange 
In  sinem  psalter  sänge 
Geprediget  vnd  vor  geseyt 
Vnd  gar  mit  truwen  vfs  geleyt 
Wie  Cristüs  vnser  herre 
Der  liechte  sonne  Sterne 
Komen  wolt  jnn  vnser  wat 
Vnd  wolt  sin  hantgedat 
Drostlich  schauwen  vnd  sehen  .... 

1 1 h    Her  Salomon  der  wise 

Der  was  auch  an  dem  pryfs 
Dieser  hohen  bottschafft 
Des  er  von  geistlicher  crafft 
Vnd  von  gottlicher  ee 
Sprache  er  miserere  domie  .... 

11 c    ÜEre  abagug  in  truwen  sprach  .  .  . 

12*    Der  wissage  Aggeus  «... 

12 b    Der  wissage  auch  Micheas  ... 

12 c    !Dßr  werde  Zacharias  .  .  . 

12d    l>Er  prophete  Jonas 

Der  dry  tag  jnn  dem  vische  was  .  . 

13b    JLuch  ist  nit  vnderwegea  hüben 
Osee  hates  auch  geschriben 

13°    Öeü  tempel  Malachias 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  14t 

■ 

I*    Ayel  hat  auch  vernoinen 

Wie  vnser  herre  woll  komen 
rden  die  heidnischen  Sibyllen  Virgil  u>  s.  w.  einge- 
• 
lc    In  die  heydenisch  magt 

Sibilla  was  gar  vnuerzagt 

An  derselben  botschafft 

Von  gott  hat  sie  die  crafft 

Das  sie  so  viel  verkundt  hat 

Den  heydenischen  gottes  Ratt  u.  s.  w. 


» 


b 


khalten  hant  jre  hie  bevor 


Wie  herre  nabuchedonosor 

Auch  gottis  sone  erkant  u.  s.  w. 
»d    Moch  han  wir  vor  vns  (einen)  hell 

Der  zu  der  botschafft  erweit 

Auch  sunderlich  von  gott  was 

Jnn  siner  schrifft  der  wise  lafs 

Wie  gott  wolde  uff  erden 

Geborne  mensche  werden 

Als  er  verkündet  hat  alsus 

Der  heyden  doch  Virgilius 

Als  er  auch  hett  wole  vernomen 

Der  sprach  die  letzte  zyt  sol  komen 

Davon  sibilla  hat  gesaget 

Es  soll  komen  vns  ein  maget  u.  s.  w. 
m  trojanischen  kriege  und  Achilles  (16*)  treten  die 
m  wieder  ein. 
ic    Dsr  lobelich  ysaya& 

Auch  vor  gesiechtiglich  lafs 
'°    öysse  wyste  auch  Jeremias 

Da  er  von  dem  herren  lafs 
ift    HEre  Daniel  der  gute 

Er  want  mit  reynem  mute 

Das  er  auch  vor  wole  wyste 

Von  vnserm  hern  Criste 

Wie  er  mensch  wart  geborne 

Vnd  vns  den  ewiglichen  zorne  u.s.tc. 
>*    Kzechiel  die  porten  sach 

Darumb  er  mit  truwen  sprach 


14t  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Von  der  magct  lobeüch 
Ein  porte  beslossen  ewiglich 
18  •    In  der  zyt  was  auch  eyn  man 
Dem  die  Judent  gar  entran 
Er  was  von  aller  awer  gryfs 
Er  hat  sich  jnn  alle  wise 
Zu  gottes  dienst  wole  bereit 
Er  was  jnn  der  Judischeit 
Ein  priester  nach  der  alten  ee 

d.  t,  Sirneon. 

19°    Zu  Jerusalem  ein  priester  waz 
Geheissen  Zacharias 
Ein  bischoff  nach  der  alten  ee  u.i.w. 

hier  geht  die  rede  auf  Maria  über. 
20 b    Waz  solte  langer  rede  mee 
Einen  sone  die  frauwe  trug 
Hie  mit  sy  der  rede  gnug 
Eya  myniglicher  gott 
Durch  die  gnade  vnd  die  gebott 
Vnd  durch  die  claren  sussigkeit 
Die  du  herre  ane  vnderscheit 
An  dir  ewiglichen  weist 
So  gib  mir  die  volleist 
Dins  heiligen  geists  ratt 
Der  manig  hertz  erluchtet  hat 
Daz  er  mir  myne  synne 
Mit  süsser  zarter  mynne 
Myn  hertze  vnd  myn  gemäte 
Mit  warer  mynnen  glut 
So  heiliglich  entzünde 
Das  ich  von  aller  sunde 
Geweschen  werde  vnd  gezwagen 
Das  ich  wirdiglichen  sagen 
20°    Von  der  rechten  rosen  möge 
Daz  es  jre  zu  lobe  doge 
Der  lob  vber  alle  dinge  swebt 
Daz  mit  dir  ewiglich  lebt 
Als  ein  herre  konigin 
So  du  mir  din  gnade  schyn 


«BUSCHE  GESCHICHTE.  UM 

Allein  ich  doch  wole  weyfs 

Was  sich  yemant  gefleyfs 

Daz  er  sie  globte  wol 

Jre  lobe  wart  doch  nye  lobes  vol 

Vnd  was  nu  ist  vnd  auch  ye  was 

Laup  krader  blühen  vnd  grafs 

Vnd  ymmer  mee  sol  werden 

Creature  uff  erden 

Konde  daz  alles  sprechen 

Vnd  lobe  von  lobe  brechen 

Es  konde  doch  nit  glichen 

Es  muste  jrem  lobe  entwychen 

Doch  meret  es  des  lobes  schar 

Nu  nemen  alle  lute  wäre 

Were  diese  frauwe  möge  gesin 

An  der  diefs  hohe  lop  erschin  (wart  schin?) 

Nach  so  werdem  pryse 

Daz  meister  nye  so  wise 

Wurden  die  ergründen 

Jre  lobe  noch  wirde  künden 

Er  ist  der  Engel  frauwe 

Vnd  ist  ein  Hofs  jnn  dauwe 

Die  bluet  schonn  jnn  alle  zyt 

An  jre  vil  selickeit  lyt 

Sie  ist  aller  gnaden  ein  volles  fais 

Nu  hilff  auch  da  mir  frauwe  bafs 

Mee  sprechen  dann  ich  könne  (künno) 

Du  bist  der  hymel  wunde  (:  wünne) 

Du  lylien  viol  rosa 

Du  zart  zytlosa 
d    Du  porte  des  paradifses 

Du  stame  des  mandel  ryses 
r  gehen  fort  durch  alle  thicre  bäume  pflanzen. 

Da  turteltaube  du  adelspare 

Da  fenix  vnd  da  adelar  u.s.w. 
IV  der  englische  grufs  und  die  Verkündigung,  nebst 
h  und  Mariac  heimsuchung,  endlich  Christi  geburt. 
"    Im  der  zyt  also  geschach 


144  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

-    Ein  so  wunderlich  noit 

Keyser  augustus  vfs  gebott .  .  .  . 

darnach  die  heiligen  drey  köm'ge. 

25 c    Hye  trede  ich  aber  vff  daz  spor 
Da  wir  die  rede  liesen  vor 
Ee  ich  der  zyt  so  viel  verzere 
Wie  daz  lobelich  here 
Die  heren  konig  alle  drij 
Von  Saba  tarsis  vnd  arabij 
Vnd  alles  jre  gezunffite 
Waren  an  jre  kunffte 
Nach  dem  Sterne  gahend 
Jerusalem  zu  nahend 

darstellung  Christi  im  tempel. 

27  d    Maria  waz  ylzüt  gereyt 

Vnd  des  kindes  fründt  genug 

Das  man  jnn  jnn  den  tempel  trug  . 

Herodes  und  der  kindermord. 

29*    Do  Herodes  diese  rede 

Gesprach  die  knecht  so  zu  stede 
Ylten  gein  Judeen  lant 
Sie  slugen  nyeder  so  zu  hant 
Was  sie  kinde  fanden 
Jnn  duchelin  gewunden  .... 
*  Christus  im  tempel. 

29H    MiAnge  rede  ich  kurtzen  mag 
Das  kint  wüchse  allen  tag 
An  alter  vnd  an  wifsheit 
An  gotlicher  wirdigkeit 
Zuname  er  an  juget 
29d    An  geistlicher  tugent 

Er  wart  den  lütten  allen  wert 
Als  ein  kint  das  man  begert 
Von  formen  was  er  schone 
Sin  munt  ein  sufs  gedone 
Hett  mit  sprach  vnd  auch  rede 
Des  herre  Dauid  sprach  zu  stede 
Jnn  sinem  psalter  gesange  also 
Speciosus  forma 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  145 

(bild,   Christus  im  tempel) 

So  er  nu  zwolff  jerig  wart 

Da  hübe  «ich  ein  walfart  . 

Zu  Jerusalem  als  man  pflag  u.s.w, 
3s  der  tauf  er  und  Christi  taiife. 
0C    In  derselben  frist 

Johannes  der  Bapliste 

Zu  an  heiligkeit  name  .... 
lb    Hernach  es  aber  also  quam 

Das  Crist  der  heilant  lobesam 

Wolt  erfüllen  diesen  Rat 

Den  er  lange  vffgelegt  hat 

An  den  Jordan  er  da  ginge 

Den. dauffe  er  von  Johanne  encpfieng 

Als  jne  die  wäre  mynne  hiefs  .... 
auftreten  und  predigt. 
lh    In  sprach  jre  selige  gottis  kinde 

Die  hüte  hie  gesamet  sin  (kint  :  sint) 

Vernement  heilsamen  Ratt 
*s  des  tauf  er s  lod. 
>d    Wv  was  es  ytzo  also  komen 

Das  herodes  hat  genoihen    . 
V     Sins  bruder  frauwe  zu  wyp  , 

?  thut  zeichen  und  wunder. 
\h    Inn  der  zijt  alsus  geschacli 

Das  man  von  Jhesu  zeichen  sacli 

Die  nye  gescheen  waren 

Da  vor  (in)  allen  jaren 

Die  lamen  det  der  heylant  gecn 

Die  totten  dett  er  vff  steen    . 

Die  hincken  deter  springen 

Die  stummen  sprechen  vnd  singen 

Die  sunder  siechen  macht  er  reyn 

Sehent  das  was  gar  gemeyn  . 

Gehorde  gäbe  er  den  dauben 

Den  tummen  rechten  glauben 

Die  blinden  macht  er  sehend 

Die  zwuifler  verjehend  u.s.w. 
D.  A.  II.  .-'   \  .     10 


146  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Christi  einzug, 

34 b    UV  was  yedoch  der  hohe  tag 
Das  man  da  hin  pflag 
Da  was  des  volokes  michel  schar 
Die  nameni  allesamet  war 
Wo  der  konig  lobesam 
AI  dort  here  geritten  kam 
abendmal  35  \  —  gebet  am  ölberg. 

35 b    Hye  was  ein  garte  vor  der  stat 
Darwerts  vnser  herr  drat 
Da  wolte  er  sprechen  sin  gebet! 
Als  er  hie  vor  vil  dick  dete 
Die  jungem  volgten  im  nach  .  *  . 
35 c    Kyn  gebete  er  aber  dete  (treib?) 
Judas  na  vnlang  bleib 
Er  hat  gehauffet  ein  schare 
Die  quamen  mit  jme  aldar 
Sie  brachten  stecken  vnd  swert 
Sie  gingen  gein  dem  berge  wert 
Da  vnser  herre  sin  gebete 
Nach  gewonheit  vff  dete 
Christus  vor  Pilatus. 

36°    Vnd  da  daz  morgenliecht  vfging 
Abur  man  den  herren  finge 
4  Man  fürte  jne  vor  pilatum 
geiselung. 

37 b    Pilatus  jnn  der  zijt  vernam 
Das  der  heylant  lobesam 
Geborne  was  von  nazareth 
Das  jnn  gallilea  stett 
Da  herodes  was  ein  vogt .... 
kpeuzigung.  yl 

37 d    Ime  ein  creuz  da  bereit 
Ihesu  wart  daz  vff  geleyt 
Das  er  daz  selber  solt  tragen 
Nu  was  er  also  sere  geslagen 
Das  sin  heiliges  blute 
AI  vmb  vfs  sinem  Übe  wut 
Da  von  yme  die  macht  zu  ran 


BIBLI8CHB  GESCHICHTE. 

Nu  was  von  eyme  dorff  ein  mann 
Von  geschiechte  kommen  dar 

38*    Den  z Wungen  sie  der  Jaden  schar 

Das  er  das  crutze  must  helffen  tragen  . 

38b    Sye  singen  jne  vnsufse 

Durch  hende  vnd  durch  fufse 
Dry  queck  negel  vnd  nit  scharpff 
Loifs  man  vmb  sin  cleider  warff ... 

t  von  Arimathia*  ,- 

39*    UV  was  alda  ein  Edelmafi 
Der  an  pilato  erwarb  alsan 

(bild>    Christi  grablegung) 
Das  er  begraben  solde 
Jhesum  wann  er  wolde 
Joseph  hiefs  er  von  armatia  .... 

ti  Höllenfahrt. 

39 (1    WV  höret  die  rede  furbafs  mee 
Der  ich  doch  han  begonnen  ee 
Was  drostes  jnn  die  hellen 
Adam  vnd  sin  gesellen 
Quam  so  wirdigüch 
Mit  diefoem  fursten  rieh  .  .  », 

ttehung. 

Da  nu  die  ander  nacht  erging 

Ee  der  morgen  liecht  empfing 

Vnd  der  saboth  was  vergan 

Von  hymmel  quam  da  sunder  wan  ■■_ 

Ein  so  grosser  donnerslag 

Das  die  ritterschalt  erschraok 

Den  das  grab  beuolhen  was 

Sie  wurden  bleicher  dann  ein  wabs; 

4b     Sie  fielen  nyder  von  der  not        -    > 

Glicher  wise  sie  wem  dot  :-7x 

Die  erde  bieben  da  iegan  . 

Jhesus  der  gotlich  man 

Ja  der  Ware  heylaot 

Vfs  dem  grabe  stände  zu  Haut  *«*•'*>• 

41 c    Also  stand  vff  der  herr  fro 

10* 


148  BIBLISCHE  GESCHICHTE, 

Bereyt  hetten  sich  ytzo 
Die  marien  alle  dry  .... 
Himmelfahrt. 

42 d    Da  die  viertzig  tag  da 
Ergingen  vnser  herr  sa 
Mit  sinen  jungern  dranck  vnd  als 
By  jne  er  frunüichen  safs  .... 

pfingsten. 

43b    Da  nu  der  pfingstag  entstund 
Die  lobelichen  gottis  frundt 
Waren  by  einander  gar 
Zu  Jherusalem  an  eyner  schar 
Die  herliche  menge 
Lagen  an  irer  venige 
Vasten  weynen  sin  gebette 
Yedennann  besunder  dete 
Sin  sassen  alle  da  by  eyne 
Da  jnn  der  droste  von  gott  erschevo 
Es  quam  ein  snelliglieh  bofs 
Als  eins  gehen  windes  dofs 
Da  von  ein  hufs  erbiben  sol 
Das  hufs  (wart)  aller  gnaden  vol    . 
Der  geist  alda  schuff  wunder 
Er  besafs  besunder 
Iglichen  wirdiglichen 
Vnd  also  lobelich 
Alle  tugent  alle  kunst 
Sie  hatten  goüiche  gunst 
Sie  waren  sunder  meisterstule 
Komen  hin  zu  hoher  schule 
Ire  meister  was  der  heilige  geist 
Der  gäbe  jne  werde  volleist 
Zu  tugent  vnd  zu  wyfsheit 
Ine  was  zu  stunt  alda  bereit 
Das  sie  künden  alle  schrifft 
Das  wunder  warde  alda  gestiefft 
Das  jne  das  alles  kundig  was 
Das  jre  keyner  doch  nye  gelafs 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  110 

Ine  was  alte  spräche  kunt 

Die  kundeil  sie  alda  zu  stunt 

Durchmechtiglich  als  jren  namen 

Hie  von  die  löte  hatten  gamen 

Da  sie  die  herren  sahen 

Glich  alle  sie  da  jähen 
i3°     Sie  weren  wynes  druncken 

Da  was  das  von  den  funcken 

Des  heiligen  geists  glüte 

Da  von  afs  jrem  gemüte  ..... 
"  kraß  der  jünger  (W)  und  von  der  dreieinigkeit. 
4fc     So  sint  die  drij  ein  eynig  gott 

Also  ist  das  ewiglich  leben 

Eynlich  vnd  diylich  vnderweben 

Eben  eynig  vnd  eben  bere 

Sebent  diefs  waz  der  herren  lere' 

Diefs  predigten  vnd  lartten  sie 

Den  glauben  Hessen  sie  vns  hie 
4°  Den  sollen  wir  doch  ymmer  han 
aria,  ihrem  lobe  und  ihrer  himmelfuhrt. 

Hiemit  sollen  wir  bestan 

Konde  ich  nu  wirdiglichen  kosen 

Von  der  hochgelobten  rosen 

Die  frauwe  obe  allen  frauwen  ist 

Die  vnser  herre  Jhesus  crist 

Zu  mutter  vfserwelt  hat 

So  solde  ich  finden  eynen  Ratt 

Daz  ich  endorffte  nit  vertagen 

Ich  solde  ein  lutzel  sagen 

Von  der  lobelichen  fort 

Wie  die  konigin  wart 

Gefurt  so  wonniglich 

Hin  zu  hymmelrich 

Ja  mag  ich  nu  reden  wol 

So  borett  was  ich  uch  sagen  soll 

Was  eygentlich  ich  sprechen  mag 

Maria  hüt  uff  diefsen  tag 

Alsus  diefs  mynn  brief 

Den  herren  Salomon  doch  rieff 


180  BIBLISCHE  GESCHICHTB; 

Von  des  heiligen  geistes  wegen 
Der  sie  mit  flifs  konde  pflegen 
Myn  sele  sich  zu  lassen  hat 
Sint  myn  frundt  gekoset  hat 
So  bann  ich  jne  zu  stunden 
Gesucht  vnd  doch  nit  fanden 
Ich  rieff  mit  ynniglicher  gier 
Antwort  engab  er  nit  mir 
Der  stete  wartet*  mich  ye  sa 
Funden  jnn  den  zytten  da 
Die  wundeten  vnd  singen 
Mich  sere  jnn  den  vnfiigen 
Der  Muren  wechter  vnder  jnn 
Drugen  mynen  mantel  hin 
Von  Jerusalem  jre  meyde 
Mynen  frundt  sagend*  gerade 
44 d    Das  ich  sij  von  mynnen  kranek 
Diefs  was  maria  mynnen  sang 
Iren  frundt  den  wolt  sie  haben  . 

Sie  bat  einer  liebe  entzoben  (enUaben) 
Vnd  der  hymel  sussigkeit 
Des  hat  sie  das  pulse  leyt 
Zarten  jammer  vmb  jren  frundt 
Marien  wole  die  clage  siunt 
Eya  Edele  konigin  (kuneginne) 
Wie  kanstu  dragen  mynne 
Zu  eynem  fursten  rieh 
Du  mynaest  wirdiglioh 
Er  mynnet  dich  hinwidder  wert 
Iglichs  des  andern  mynne  gert 
Er  diner  als  du  siner  thueat 
Davon  du  billich  tragen  must  > 

Frauwe  die  hymmel  kröne 
Die  er  dir  gibt  zu  lone-  , 

Vmb  alle  soüche  mynne 
Du  biat  die  konigy*(ne) 
Der  konig  ist  din  zartes  kint 
Die  zwey  gar  wäre  myne  sint 

*  l.  warter. 


.U  _/  j.  i.       „  . 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  t&f 

(bild,    Mariae  tod) 
45 a    le  doch  in  derselben  friat 

Der  mynniglich  herre  crist 

Mit  eyner  wirdigiichen  schar 

Quam  zu  siner  matter  dar 

Die  jne  hat  hie  erzogen 

Er  hat  jre  brüst  gesogen 

Da  er  die  lobelichen  sach 

In  luterkeit  er  zu  jre  sprach 

Du  zartes  durtel  tobeiin 

Da  vsserwelte  frundin  myne 

Da  lutter  schone  sunder  wal 

Din  flecke  bat  an  dir  nit  male 

Din  zange  honig  gasset 

Din  manl  mit  seume  fluiset 

Vnd  din  adelicher  smack 

Vber  alle  krader  riechen  mag 

Sehet  der  wintter  ist  zurgan 

Es  (Er)  hat  sin  rege»  auch  gelagen  (gelän) 

Die  blumen  lobelichen  vffgeent 

Die  wingartten  alle  jnn  blute  steent 

Die  turteltuben  singent  nfi 

Inn  vnser  freude  frundin  da 

Stant  vff  yle  bifs  gereyt 

Komme  inr  grosser  wirdigkeit  . 

Komme  herre  von  dem  libano 

Gekronet  saitu  sin  ye  so 

Seht  das  eristas  wider  rede 

Nu  waren  kommen  da  zu  stede 

Sin  jungem  auch  ye  sa 

Des  wart  die  Edel  maria 

Verrichtet  mit  der  heilikeit 

Die  zu  dem  ende  ist  vffgeleit 

So  das  alles  da  erging 

Mariam  wirdiglich  empfing 

Der  hohe  forste  jnn  sin  gewalt 

Die  hymel  köre  manigfalt 

Sungen  vnd  waren  frohe 
5*    Hin  für  die  konigyn  da 


152  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Lilien  vnd  roseiin  ma 

Vyoln  vnd  zytoselin  (zitlöselin) 
Vnd  aller  hande  blumen 
Waren  jre  zu  Rome 
Zu  dienste  hart  wole  bereyt 
Sie  machte  jre  ein  vmkleyt 
Sie  hatl  dienstes  keinen  bruch 
Ire  diente  aueh  adelich  geruch 
Mirre  baisam  vnd  aloe 
Cordamömen  gamandre 
Muscaten  vnd  negelin 
Cubeben  galgen  zynamomya 
Vnd  aller  edelicher  gesmack 
Der  von  wurtzen  riechen  mag 
Der  was  aller  samet  da 
Mit  der  konigyn  sa 
Da  die  hymelische  schare 
Der  konigyn  wart  gewar 
Von  jne  ein  süsse  stymme  erclang 
Sie  sungen  diesen  wunder  sang 
Were  ist  die  frauwe  jn  dirre  wat 
Die  so  lobelich  vff  gat 
Die  vffgende  wirdet  schynen 
Als  ein  rauches  gurlelin 
Von  wyrach  vnd  mirren 
Mit  diefsem  hymmel  herren 
War  richtest  du  dich  wyse  magt 
Ein  morgen  schyn  an  dir  betagt 
Du  geest  vff  als  ein  morgen  rote 
Dem  die  sonne  jren  schyne  embot 
Du  Edel  dochter  von  Syon 
Gar  süsse  jnn  diner  stymme  doa 
Du  bist  schone  vor  alle  war 
Dem  monde  bistu  glich  clar 
Vsserwelte  konigynne 
45°    Glich  der  claren  sonnen  schyne 
Also  füren  sie  wirdiglich 
Hin  jnn  das  hymmelrich 


BIBUSCHE  GESCHICHTE.  153 

Christ. 

1    Maria  aller  sunden  drost 

Da  hilff  vns  daz  wir  erlofst 

Werden  von  der  falschen  lisi 

Den  man  nennet  antecrist 

Vnd  siner  ungetruwen  boden 

Des  vnser  seien  also  geroden 

Nu  nach  alle  stunde 

Inn  der  hellen  abegrunde 

Von  jnn  icht  werden  verbrant 

Des  syest  du  konigin  gemant 

Da  dirre  tufelisch  man 

Geborne  werden  sol  von  dan 

Dann  der  zwolff  sone  eyner  hiefs 
1    Die  Jacob  jnn  Egipten  liefs 

Als  jre  lange  hant  vernommen 

Von  des  gesiechte  sol  er  kommen 

Von  eym  Juden  wybelin 

Das  sol  yedoch  das  boste  sin 

Von  demselben  könne 

Vntugent  wirt  sin  wonne 

Liegen  vnd  vnkuscheit .... 
leben  bis  zu  seinem  stürze. 

Das  ende  nahet  yedoch  nu 

Wanne  vnser  herre  Jhesus  crist 

Der  herre  vber  alle  konig  ist 

Ein  lichter  vnd  ein  heylant 

Sin  herschafft  machet  da  bekant 

Sin  gewalt  vnd  sin  gebott 

Ja  der  droste  der  wäre  gott 

Nyder  siechte  den  bösen  wiecbt 

Vor  des  volckes  angesiecht 

Daz  jne  die  warheit  werde  kont 

Die  Engel  kommen  so  zu  stunt 

Vnd  slagen  die  tufel  abe 

So  lassen  sie  vsser  habe 

Vnd  lassen  jne  gewerden 

Er  feilet  zu  der  erden 

Wol  gar  er  ^u  bristet 


IM  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

47 d     Daz  volck  nit  lenger  fristet 

Sie  schauwent  vnd  nement  war 

Sie  nement  alle  wunder  gar 

Das  er  zubrosten  lyt 

Sie  clagen  jre  verlöre  zijt 

Das  sie  die  bann  also  verthan 

Vff  eynen  offenlichen  wan 

Die  warheit  widder  plantzet  dann 

Die  doch  die  zwene  gottis  mann* 

Den  lütten  hann  gesaget  vor 

Des  komet  sie  mit  der  spur 

Der  heiliglichen  lere 

Das  sie  widderkere 

Bälde  vnd  endlieh  thun 

An  crist  den  waren  gottis  sone 

Das  sie  ruwen  vnd  ley't 

Infi  jrs  hertzen  bitterkeyt 

Vnd  wäre  bichte  han 

Vnd  balde  bufse  emphan 

Nach  gnaden  vmb  jre  missetat 

Solichen  heilsamen  ratt 

Vorhin  die  herren  hant  gegeben 

Die  lute  gahen  vnd  sterben 

An  geistlich  fare 

48*    Zu  der  herren  lare 
Heiden  vnd  prassen 
Kriechen  vnd  russen 
Vngern  datterere 
Schotter  frantzoyser 
Walhen  vnd  latine 
Juden  Sarratzene 
Vnd  alle  volck  was  sprachens  kan 
Ein  herte  es  wirdet  alles  dan 
Es  werdent  alle  ein  schar 
Der  sol  ein  hirte  nemen  war  .  .  .  . 
Sam  die  heydenisch  mag! 
Sibilla  hat  vns  vor  geseyt 

*  Elias  und  Malachia*.     


Mg,lBflHK  «SCHICHTE  HB 

Vnd  der  heidenisoh  man 

Virgilius  sich  bebet  dan 

Das  nymant  vrab  kauff  fori 

Noch  mit  mären  sich  erwert 

Wann  ein  ander  ist  gesant 

Achilles  nü  zu  Troien  lant 

Vnd  verrichtet  gar  den  stryt  j 

Aller  vnfriede  na  gelyt 
i8b    So  das  alles  na  er  gat 

So  wene  ich  daz  die  werft  bat 

Ye  doch  jrs  Janffes  leste  ziel 

hgstcn  tage  und  seinen  ßln/kekn  seichen. 

Diefs  ist  ein  tag  des  zornes 

Ein  dofse  des  hereborns 

Jamers  bitterkeit  vol 

8C    Noch  ist  der  propheten  viel 

Der  ich  na  geswigen  will 

Die  es  alles  hant  geschrihen 

Vff  den  engstlichen  tag 

Da  nyemant  sich  verbergen  mag 

Ye  doch  sol  von  erste  geseheen 

Das  man  sol  jamerzeiohen  sehen 

Ee  derselbe  tag  erstee 

AI  solich  noit  geschieoht  ee 

Gein  dem  wander  freysen 

Den  lütten  mag  wole  eysen 

Die  dann  sint  am  leben 
i8d    Vnd  das  geschauwet  eben 

Ire  sint  funftzeben  an  der  zale 

Yedoch  nyemant  wissen  soll 

Wann  es  nyemant  hat  verneinen 

Obe  sie  nahe  einander  komen 

Von  langer  zijt  von  langer  frist         i 

Diefs  dinge  nymant  kvndig  ist 

Das  erste  zeichen  ist  also  .       ~ 

Das  mere  vber  alle  berge  hohe 

Sol  viertzig  den  hoher  geen 

An  siner  stette  sol  es  gteen 

Eyner  muwer»  güob  gestajt 


h    w*         »      ■**  *~J 


156  BIBLISCHE  GESCHICHTE* 

Daz  wunder  schauwen  glich  Junge  vnd  alte 

Das  ander  zeichen  also  stat 

Das  mere  sich  widder  nyeder  lat 

Vnd  sencket  sich  zu  dale  ..... 
49b    Vnser  herre  ertzeuget  sich 

Eym  hohen  forsten  glich 

Oben  von  Orient .... 
von  den  sieben  hauptsünden. 

50b    Vfirnement  kurtze  rede  noch 

Die  siben  heuptsunde  ydoch 

Die  ucb  nu  sint  vorgeleyt 

Sie  fiiessen  vfs  der  schalckheit 

Des  vngetruwen  slangen 

Wann  er  also  wolde  fangen 

Alles  menschlich  könne 

Von  der  hymmel  wonne 

Davon  er  schemlichen  fiel 

van  den  sehen  geboten. 

50 d    Der  auch  beide t  die  gebott 

Die  vns  hat  gebotten  gott 

Der  hat  selber  vsse  erkorne 

Der  wirt  nymmer  mere  verlorne 

Ire  sint  doch  zehen  an  der  zale 

Als  ich  uch  bescheiden  sal 

Das  erste  ist  so  gestalt 

Das  du  nit  verswern  salt 

Gottis  namen  vmb  nicht  u.  s.  w. 
von  dem  tode  und  der  halle. 

51b     Wo  sijt  jre  nu  herr  Judas 

Herre  Cahin  vnd  herr  Caiphas 

Herre  phebus  vnd  herr  Jubiter 

Meister  allexander 

Frauwe  venus  vnd  frauwe  pallas 

Achilles  vnd  Eneas 

Paris  Hector  Hercules 

Vnd  auch  der  wyse  Olixes 

Herre  Symon  vnd  herre  Nero 

Herodes  vnd  pharao 

Ire  Juden  jre  sarrazene 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  157 

Ire  getauften  kauwerzene* 

Ire  prassen  vnd  dalterere  '• 

Ire  rauber  vnd  nachtbrenner 

Ire  morder  vnd  jre  diebe    < 

Sehent  jre  uch  nu  icht  lieb 

Ire  sollent  furwar  alle  dar 

Also  erfullent  jre  die  schar 

Wann  jre  syt  gar  der  hellen  kynt 

Hiemit  gar  begriffen  sint 

Was  lute  hant  vnrechtes  leben 

Den  wirt  ein  ewig  fluch  gegeben  u.s.w, 

Wv  helfffc  mir  alle  bitten  gott 

Durch  sin  wirdiglich  gebott 

Vnd  durch  die  claren  mynne 

Die  zu  der  konigynne 

Der  hochgelobte  furste  treyt 

An  die  er  Schönheit  hat  geleyt 

Vnd  also  grofs  wirdigkeit 

Inn  sinem  riebe  ane  vnderscheit 

Das  er  sin  wirdigliches  blute 

Das  vfs  sinen  wunden  wüte 

Das  für  vnser  missetat 

Der  konig  herre  vergossen  hat 

Wolle  an  vns  behalten 

Das  wir  icht  sin  verschalden 

Des  ewiglichen  lebens 

Das  er  icht  habe  vergebens 

Die  marter  also  durch  vns  gelitten 

Das  er  also  jemerlich  versnytten 

An  dem  fronen  crutze  stunde 

Er  wolle  vns  vnder  sin  frunde 

An  dem  letsten  tage  zelen 

Das  er  vns  dar  zu  wolle  erwelen 

Des  bitten  wir  den  heylant 

Dem  alle  hertzen  sint  erkant 


t  Kawerzer  in  Sehmeilers  baier.  wb.  2,  275.  monum. 
>3  an  chaberzein  oder  an  Jaden,  niederrhem.  urk.  v.  j.  1123 
magnas  Judeorum  vel  Cauwercinorum  urgentes. 


158  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Die  von  übe  ye  qnamen 
Nu  sprechent  lieben  Amen 
Finite  ijta  feria  p9  galli  Anno 
dni  M°cccc°lxquito. 

H.  F.  MASSMANN. 


EINIGES  ZUR  LEX  SALICA. 

Ich  behalte  einer  späteren  ausführlichen  arbeit  vor  zu  be- 
weisen dafs  die  sogenannte  malbergische  glosse  nicht  einem 
deutschen  dialecte,  sondern  den  keltischen  volksmundarten 
der  gallischen  lande  wo  diese  lex  zur  Anwendung  kam  ange- 
hört, es  wird  sich  dann  auch  der  beweis  fähren  lafsen  dafs  die 
abweichungen  der  verschiedenen  handschriftea  hinsichtlich 
dieser  glosse  nicht  blofs  der  nachläfsigkeit  der  Schreiber  an- 
heim  fallen,  sondern  zum  grofsen  theile  entweder  synonymen 
oder  nur  mundartlich  abweichende  formen  derselben  Worte 
darstellen,    hier  vorläufig  nur  einiges. 

Der  tit.  in  deßirHs  antmaüum  wird  gewiss  Von  den  mei- 
sten als  ein  beweis  angesehen  dafs  die  malbergische  glosse 
deutsche  worte  enthalte,  denn  ochsaiora  und  öhseno  stimmen 
doch  zu  gut  scheinbar  mit  dem  deutschen  ochsen;  man  sollte 
aber  billig  sogleich  stutzig  werden  wegen  der  verschiedenen 
beiden  ausgäüge  des  Wortes,  und  bei  den  übrigen  Wörtern  die* 
ses  titeis  wird  man  bald  verzweifeln  sie  aus  dem  deutschen  zu 
erklären,  ochsaiora  wird  durch  annicuhan  ammal  d.  i.  ein- 
jähriges rind  erklärt,  ohseno  durch  bos.  diesen  erklärungen 
entspricht  ganz  das  gälische  agh  searra  und  agh  seine  (spr. 
och  seärra  und  öch  sehne,  soweit  sich  die  laute  deutsch  be- 
zeichnen lafsen).  agh  bedeutet  ein  rind,  in  der  regel  ein  jun- 
ges rind,  searr  oder  searrach  ist  jedes  junge  thier,  füllen, 
hirschkalb,  auch  ein  junger  kalbiger  mensch,  also  agh  searra 
ist  ein  kalbiges  rind.  seine  heifst  älter,  also  agh  seine  ist  ein 
älteres  rind.  *  —  Pcdero  wird  durch  vituhts  lactans  erklärt. 

*  ein  ganz  ähnliches  Verhältnis  wie  zwischen  diesen  worten  and 
dem  deutschen  worte  ochse  findet  statt  zwischen  dem  malhergischeu 
Worte  ortfoeia  und  dem  deutschen  worte  vogel.  die  ähnlich keit  ist 
nur  scheinbar,  fiath  heifst  im  irländischen  gälisch  jeder  grbfeere  hoch- 


ZUR  LEX  SALICA.  IM 

der  ganse  reiohthom  s'dmmtlicher  deutscher  mundarten  bietet 
kein  analoges  wort,  aber  das  gKlische  bietet  sofort  baothair, 
was  ein  milch  kalb,  auch  einen  jungen  kalbigen  menschen  be- 
deutet, an  das  p  im  anlant  darf  man  sich  nicht  stofsen ;  das 
gilische  hat  ursprünglich  kein  p  und  es  hat  diesen  bnchsut- 
ben,  der  weicher  ausgesprochen  und  auch  weiches  b  (beith 
bog)  genannt  wird,  blofs  der  fremden  Wörter  wegen  eingeführt, 
das  *ö  wird  mit  einem  laute  «wischen  ü  und  S  ausgesprochen, 
Wie  ein  dumpfes  e»  pedero  und  baothair  ist  sicher  dasselbe 
wart.  —  Mäht  wird  durch  vacca  erläutert,  ein  solches  wort 
hat  keine  deutsche  mnndart,  aber  das  gülische  hat  maol  nnd 
dien  bedeutet  ursprünglich  ungehörnt,  dann  die  ungehtirnte 
kuh  (bo  mhaol)  und  endlich .  kuh  überhaupt,  da  anf  den  briti- 
schen inseln  mehrere  rindviehracen  sind  mit  ungehörnten 
kilben  nnd  die  Kelten  wohl  auch  in  Gallien  solche  racen  hiel- 
ten» sie  waren  ja  Tacitus  tu  folge  auch  in  Deutschland  ver- 
breitet» —-»  Zymü  bedeutet  offenbar  mit,  zusammt  mit,  denn 
*ymü  pedero  malia  wird  §  4  erläutert  durch  vacca  cum  vi* 
Udo  (in  den  §  8  ist  die  glosse  nur  durch  versehen  gekommen, 
indem  der  Schreiber  nach  dem  worte  ßiraverit  im  4n  statt  im 
3n  Paragraphen  zu  schreiben  fortfuhr),  ein  diesem  zymis  ent- 
sprechendes wort  hat  der  deutsche  sprachstamm  kaum  aufzu- 
weisen, wohl  aber  das  gälische,  in  welcher  spräche  soimh 
(jetzt  gewöhnlich  soimh)  zusammen,  unter  sich  verbunden, 
gepaart,  bedeutet,  es  heifsen  also  die  worte  xymis  pedero  ma- 
&r  Zusammen  mit  dem  kalbe  die  kuh.  —  Abazym  pedero  be- 
deutet dasselbe,  denn  ba  heifst  einfach  auch  die  kuh  und  a  ist 
wahrscheinlich  der  artikel,  der  im  gälischen  an,  aber  in  ge- 
wiesen fallen  anch  a  lautet,  also  a  ba  %ym  pedero  heifst  Die 
kuh  mit  einem  kalbe,  was  wohl  in  dem  lateinischen  ausdrnek 
vacca  domita,  eine  bezwungene  kuh,  eine  kuh  die  gerindert 
hat,  im  gegensatz  einer  kalbe,  auch  liegen  soll,  da  wir  hier 
zym  in  einfacherer  form  als  oben  zymis  haben,  so  ist  anzu- 
fliegende vogel;  in  der  regel  zwar  ein  rabe,  allein  man  unterscheidet 
durcJr  präfigierte  worte,  gairr-Jiaeh  ein  habicht,  cnaitnh-fiach  ein 
geier.  go  ist  das  ortfocla  der  glosse  nichts  als  ort-fiaeh  mit  einer 
bildongssitbe  noch  am  ausgange  des  wortes.  ord  heifst  tapfer,  streit- 
bar, and  als  tapfere,  streitbare  vogel  können  wohl  aceipiter  grvs 
cygnu$t  anf  die  «ich  die  glosse  bezieht,  bezeichnet  werden. 


160  ZUR  LEX  SALIGA. 

netuaen  dafs  jenes  is  an  zymis  noch  etwas  besonderes  be- 
zeichne, ise  ist  im  gälischen  die  emphatische  form  des  femi- 
nins  des  pronomens  der  dritten  person,  die  personalpronoiirina 
stehen  aber  in  allen  keltischen  sprachen  in  nächster  beziehung 
zu  den  possessivpronominibus.  bedeutet  nun  ise  oder  in  jetzt 
eadem,  so  liegt  sehr  nahe  dafs  auch  eiusdem  oder  suus  damit 
ausgedrückt  werden  konnte,  und  so  erhalten  wir  für  die  worte 
%ym  is  pedero  malia  die  bestimmte  erklärung  Mit  ihrem  kalbe 
die  kuh.  —  Cherecheto  wird  erläutert  durch  taurus  ptri  gre- 
gem  regit,  aus  deutschen  mundarten  wird  sich  hier  nichts 
beibringen  lafsen,  aber  gälisch  heifst  greigh  die  herde ;  du 
entspricht  dem  eher  ecke»  nun  kann  to  blofse  bildungssilbe  sein 
oder  auch  mit  tois,  tus9  der  erste  platz,  der  beginn,  die-  Eh- 
rung, zusammenhangen  und  vielleicht  nicht  vollständig  ge- 
sehrieben sein. —  Traslo  wird  durch  bimus  taurus,  zweijähri- 
ger stier,  erläutert,  ich  glaube,  man  wird  im  ganzen  germani- 
schen Sprachschatz  umsonst  nach  etwas  ähnlichem  suchen, 
während  man  gälisch  dasselbe  wort  hat,  denn  treas-laogk 
(sprich  tras-löh)  bedeutet  ein  starkes  kalb,  und  so  kann  man 
wohl  einen  zweijährigen  stier  bezeichnen.  —  Ein  diebesfrerel 
der  an  einem  mehreren  landgütern  gemeinsam  gehörigen  bal- 
len geübt  wird  ist  §  9  durch  chami  tkeuto,  ein  diebesfrevel 
der  an  einem  zu  einer  königlichen  domäne  gehörigen  bullen 
geübt  wird  ist  durch  chamutevo  bezeichnet,  nun  heilst  com 
oder  caim  gälisch  jede  Ungerechtigkeit,  jeder  frevel,  und 
tuath  heifst  die  gesammtheit  von  landleuten  die  in  irgend 
einem  verbände  stehen ;  cham  i  theuto  könnte  also  recht  gut 
mit  hilfe  des  gälischen  durch  Frevel  an  der  gemeinde  erklärt 
werden,  das  utevo  das  sich  an  das  andere  cham  anschliefst 
weifs  ich  zur  zeit  nicht  zu  deuten.  —  Es  folgt  sodann  §  12 
ein  auch  sonst  oft  vorkommendes  wort,  sonischalt.  es  be- 
zeichnet überall  wo  es  vorkommt  eine  verbundene  anzahl 
vieh,  eine  geschlofsene  zusammengehörige  herde.  in.  unserem 
titel  §  13  scheint  es  durch  iunetum  erklärt  zu  werden,  wenn 
man  nämlich  die  glosse  sonischalt  zu  dem  letzten  davor  ste- 
henden worte,  iuneta,  allein  bezieht,  wie  man  wohl  mufs, 
wenn  diese  stelle  nicht  in  directen  Widerspruch  treten  s.oll 
mit  allen  übrigen  in  denen  das  wort  vorkömmt,  sehen  wir 
uns  im  gälischen  um,    so  finden  wir  son  in  der  bedeutung 


ZUR  LEX  SALICA.  161 

kräftig,  stark,  in  beziehung  auf  menschen  heifst  es  grofsge- 
wachsen;  in  bezieh ung  auf  acker  und  gewächs  fruchtbar; 
überhaupt  vortheilbringend,  glücklich,  durchdringend,  kräftig, 
tüobtig.  eeal  heifst  die  fuge,  die  Verbindung,  eeile  w*s  veu- 
bunderi  ist,  z.  b.  eheleute.  sonischalt  könnte  also  eine  frucht- 
bare herde  die  der  Vermehrung,  des  vortheils  willen  verbun- 
den ist,  bezeichnen,    dies  passt  bei  allen  stellen« 

In  ähnlicher  weise  wie  die  glossen  zu  dem  erwähnten  titel 
bin  ich  im  stände  die  ganze  malbergische  glosse  zu  erläutern, 
das  heilst  also  so  dafs  mit  ausnähme  einiger  weniger :  Worte 
sämmtliche  übrigen  sich  auf  ganz  nahe  liegende  gäliscbe  Wortr 
stamme  zurückfuhren  lafsen.  im  einzelnen  mag  ich  mich,  bei 
der  nenheit  meiner  Studien  nach  dieser  seite,  vielfach  irren, 
in  innigen  fallen  näher  liegendes  übersehen  und  nach  entfern- 
ter verwandtem  greifen,  aber  der  gesammteindruck  ist  mir  ge- 
worden, die  malbergische  glosse  des  fuldischen  codex  stellt 
eine  keltische  und  zwar  eine  dem  gälischen  sehr  verwandte 
mundart  dar.,  das  wort  malberg.,  das  der  glosse  beigeschrie- 
ben ist,  bezeichnet  auch  selbst  nichts  anderes,  denn  mal  heifst 
gäüsoh.  die  Versammlung,  der  häufe,  und  beargnadh  die  Volks- 
sprache, Hngua  vemacula;  die  abkürzung  malberg*  wird  also 
nichts  anderes  bezeichnen  als  Volkssprache,  landessprache  des 
gerichtsumstandes,  des  zum  gericht  versammelten  haufens, 
und  mit  deutschen  malbergen  nichts  zu  thun  haben. 

Dafs  in  nordöstlichen  gegenden  Frankreichs  und  in  Bel- 
gien, wenn  sich  noch  reste  der  alten  keltischen  spräche  hiel- 
ten,, diese  den  dialecten  Irlands  und  Schottlands  nahe  standen 
scheint  den  irländischen  traditionen  von  einwanderung  der 
Firbolg  oder  Belgier  in  Irland  ein  neues  gewicht  zu  geben. 

Ich  kann  nicht  umhin  hier  gleich  auch  ein  wort  der  mal- 
bergischen  glosse  zu  besprechen  das  sich  zeither  als  ein  wah- 
res kreuz  erwiesen  und  noch  kürzlich  herru  ghr.  Luden  zu 
der  wunderlichen  ansieht  verfuhrt  hat  es  sei  ein  eigenname, 
nämlich  das  wort  Leodardi  oder  Leudardi*  dies  wort  ist  ge- 
braucht zu  beÄeichnung  der  verschiedenartigsten  frevel,  es 
ist  aber  nichts  anderes  als  das  gälische  wort  leadairt,  abgelei- 
tet von  dem  zeitwort  leadram,  welches  jede  art  frevelhaftes 
gehabens  von  blofs  moralischer  mishandlung,  von  blofsem  mis- 
brauch,  von  der  Verhöhnung  eines  menschen  bis  zur  vernich- 
Z.  F.  D.  A.    II.  U 


162  ZUR  LEX  SALICA. 

ieaden  körperliehen  mishandlung,  dem  niederschlägt*  und 
derhauen  bezeichnet?  leadairt  ist  ein  jedes  solches- 
verachtendes  verfahren,  *  und  diese  bedeutung  pesst  n  aHcn 
stellen*  anch  die  glosse  leudi  hängt  damit  zusammen,  denn 
ieod  ist  gälisch  mit  leadairt  synonym.  daTs  dieser  dem  gi- 
tischen  verwandte  keltische  dialect  gerade  in  den  belgisches 
gegenden  bei  einwanderung  der  salischen  Franken  noch  ge- 
sprochen worden  sein  mufs  sieht  man  daraus  dals  einsehe 
solche  keltische  worte  nicht  blofs  in  der  glosse  sieh  finden, 
sondern  im  text  selbst  vorkommen,  der  doch  ohne  Zweifel 
in  niederländischer  gegend  abgefafst  worden  ist.  so  indet 
sich  im  2n  titel  §  14  im  texte  poreeläa  tertuuus.  dies  to- 
tere wort  ist  ohne  zweifei  dasselbe  mit  dem  in  der  glosse 
zu  §  5  sich  findenden  tkertesun.  dies  findet  seine  erkläruag 
in  den  textworten  qui  sine  matre  vwere  possü  und  hat  als 
synonym  bei  sich  das  wort  ymrüsfith.  ea  kommt  ohne  iwei- 
feil  her  von  tarrthaim  d.  i.  wachsen,  bedeutet  also  herta- 
gewachsen, und  ynCnüfith  von  iomain,  als  verbum  treiben, 
als  substantivum  die  getriebene  herde,  dann  insbesondere  die 
schweineherde,  undfithean,  das  seh  wein;  es  bezeichnet  cm 
schwein  das  mit  der  herde  laufen  kann,  ein  trabersekweia. 
ein  anderes  synonymes  wort  gibt  §  14  in  der  malbergiseben 
«glosse,  dracechaäy  wofür  andere  handsebriften  Uob  «tat, 
drauge  haben,  es  erklärt  sich  dies  wort  durch  drmgk,  tmv 
-neu,  abnehmen,  und  durch  coüleadh,  das  sehwein  %  Jhrace- 
-ckalt  ist  ein  getrenntes,  von  der  muttersau  entwöhntes 
sehwein.  *  den  entscheidendsten  beweis  aber  dafo  wir  es 
mit  einer  galischen  mundart  zu  thun  haben  liefert  §  II  des- 
selben titeis.  da  haben  die  textworte  st  quis  mgmä  fmnqm 
parcas  furaverit,  übt  ampäus  in  grege  ülo  nonßterint  ne- 
ben sich  die  glosse  sonisekaü  tua  zym  ü  fit  miha  ehmm. 
sonischalt  kennen  wir  schon,  es  heifst  die  zusammengeht 

*  dafs  ehalt  das  schwein,  im  besondern  die  sau  bedeutet  sielt 
man  aus  den  beiden  glessen  foeichalt,  »erofa  fitrat*,  und  v*r*tk**} 
scro/a  oeeita.  jenes  ist  mit  fogh,  der  raub,  zusammengesetzt,  4ks  mit 
mharbk  (sprich  warw),  todt,  getödtet.  so  wie  es  auch  aus  dar  glosse 
in  %ymi  sexa  ehalt  hervorgeht,  welche  sich  erklärt  durch  usque  ad 
sex  capita  (porcorum);  in  steht  hier  (wie  weiter  unten  in  unserem 
texte  tua)  in  der  bedeutung  Bis  zu,  und  in  zymi  sexa  ehalt  keifet  Bis 
zusammen  sechs  Schweinen. 


ZUR  LEX  SALICA.  1« 

rigc,  die  ganze  herde ;  tue  seheint  das  gälisehe  do  zu  seilt, 
welches  zu  etwas  hin,  bis  auf  etwas,  bedeutet;  sym  beifit 
sammt,  mit  9  »  bedeutet  eins;  nun  mäfsen  also  die  werte /f 
mt&z  chunna  fünfundzwanzig  sehweine  bedeute*,  und  würkr 
lieh  heifst  fitohe  gälisch  zwanzig,  muc  (in  den  obliquen  ca- 
sibos  mute)  das  sebwein,  und  cuignear  fünf,  und  zwar  ist 
die  Stellung  der  Zahlwörter  eigenthümlich  den  keltischen  sprä- 
che» eine  ganz  ähnliche,  z.  b.  eilf  männer  heilsen  aon~foar- 
deug  d.  i.  wörtlich  Ein  männer  zehn,  wie  wir  hier  haben 
Zwanzig  sehweine  fünf,  die  ganze  glosse  eonückalt  tm 
sym  ü  fit  miha  chunna  bedeutet  also  Zusammengehörige 
herde  bis  zu  sanunt  ihren  fünf  und  zwanzig  sehweinen. 

H.  LEO. 


CHRENECHRUDA. 

Ohne  zweifei  ist,  wenn  sieb  einmahl  eine  andere  quelle 
für  4iß  erUärung  der  malbergischen  glossen  eröffnet  zeigt 
als  die  bisherigen,  eine  der  ersten  fragen,  was  bedeutet 
ehren  ekruda?  die  antwort  lautet,  nichts  bedeutet  es  als 
ww  der  codex  Estenais  ohnehin  zur  erklämng  beifügt,  näm- 
lich terra  eotieeta.  doch  wir  wollen  die  erklärung  ausfähr- 
Ueber  geben  und  zu  diesem  ende  zuerst  tit.  v  de  ßertb 
wprwrum  in.  betrachtung  ziehen,  wo  sich  §  2  eine  ähnlich 
Mutende  glosse  zu  den  worten  findet  si  verq  super  treu  ear 
free  fvraverit.  die  bisherigen  ansleger,  namentlich  auch 
Grimm  (rechtsaiterthümer  111),  sind  der  meinung  gewesen 
da*  wort  chrenecruda  habe  sich  zu  den  angefahrten  lateini- 
schen worten  aas  versehen  verirrt,  dem  ist  jedoeh  nicht 
so  |  das  wort  ist  im  gegentheil  recht  an  seiner  stelle,  nur 
ist  ea  anders  abzutheilen,  nämlich  chrenec  ruda.  es  heifst 
im  gälischen  rata  die  herde.  hinsichtlich  der  viehzahl  wel- 
che den  betrag  der  herde  ausmacht  bestehen  in  den  verschie- 
denen volksreohten  zu  den  verschiedenen  viehgattungeu  ei- 
gene bestimmungen ;  wahrscheinlich  war  es  also  auch  so  in 
beziehung  auf  ziegen,  und  mehr  als  drei  ziegen  heilsen  schon 
eine  rata*  das  wort  chrenec  aber  kommt  von  cruim,  der 
kreifs,  die  Versammlung,  wovon  cruinntch,  versammeln,  ab- 

11* 


164  CHRENECHRUDA. 

geleitet  ist.  wahrscheinlich  ist  ein  altes  adjeetivnm  erm- 
neach,  versammelt,  gesammt,  abgekreifst,  vorhanden  gewesen 
und  dies  ist  unser  chrenec,  denn  ui  und  ai  wechseln  amd- 
artlich  wo  diese  diphthongeu  stammvocale  sind. 

'Dasselbe  adjectivum  cruinneach,  d.  i.  collect**,  bildet 
den  ersten  theil  von  chrenechruda,  welcher  also  wohl  aidi 
chrenec  oder  chrenech  zu  schreiben  ist,  aber  in  der  malber- 
gischen glosse,  die  die  worte  nicht  nach  gelehrter  Orthogra- 
phie, sondern  nach  dem  öhr  darstellt,  chrene  geschrieben 
wird,  weil  das  anlautende  ck  des  folgenden  Wortes  du  an- 
lautende eh  in  chrenech  unhörbar  machte*;  chruda  oder  ermiß, 
wie  andere  handschriften  haben,  ist  creadh,  d.  i.  erde,  staab. 
das  ganze  bedeutet  also  terra  collecta.  dafs  nun  Zusam- 
mengenommene erde  und  Zusammengenommene  herde  in  der 
malbergischen  flösse  so  ähnlich  klingen  findet  sein  analogen, 
wenn  wir  bedenken  wie  wohl  ein  Franzos,  der  naeh  dem 
klänge  die  ebenangeführten  deutschen  , worte  aufschreiben 
sollte,  verfahren  würde,  schwerlich  würden  sie  sieh  befaer 
unterschieden  ausnehmen  als  chrenec  ruta  und  ehrende  cruJ*. 

Wen  es  wunder  nehmen  sollte  dafs  creadh  zu  erwi* 
gehöre,  trotz  des  so  abweichend  lautenden  stanunvoeales, 
der  bedenke  dafs  erstens  dies  wort  überhaupt  in  seinem  vo- 
cale  sehr  schwankend  ist,  denn  neben  creadh  kommt  in 
Sehottland  und  Irland  die  form  criadh  vor,  und  offenbar  nar 
eine  nebenform  ist  credh9  die  mineralische  erde,  das  er*, 
sodann  zweitens  dafs  früher  eine  form  crotk  auch  in  glli* 
sehen  vorgekommen  sein  mufs,  wie  die  ableitung  crothaiij 
ein  grantsteinchen,  ein  kiessteinchen,  groihal,  sand,  kies 
grant,  beweist.  —  das  gälische  ea  hat  in  Irland  einen  lan- 
gen, einen  kurzen  und  einen  accentlosen  laut;  es  lautet  öA, 
e,  oder  fast  wie  französisches  stummes  e.  wo  es  den  lan- 
gen laut  hat  ist  es  in  der  malbergischen  glosse  in  der  regel 

*  einen  ganz  ähnliehen  fall  haben  wir  in  tit.  xlii  de  plagfatori- 
1ms  f  %.  hier  findet  sieh  zu  dem  falle  dafs  jemand  einen  sklaven 
stiehlt  und  üj>er  das  meer  entführt  die  glosse  viridio  für  vir-ridm, 
d.  h.  meer- fluch  tung,  von  mhuir  (sprich  wuir,  mortificierte  form  Y©ä 
mtiir),  das  meer,  nnd  ruith,  die  flüchtnng.  die  gelehrte  Orthographie 
würde  ein  doppeltes  r  erfordern ,  die  rasche  rede  l&fst  aber  nnr  ein 
einfaches  wahrnehmen. 


CHRfiNECHRUDA.  ifid 

e  geworden,  selten  io  oder  eo>  eu;  vielleicht  ist  aber  auch 
renechreuda  zu  lesen,  wenigstens  hat  der  Fnldaer  codex 
renceude  für  ckrenechruda.  das  kurze  gälische  ea  ist  in 
r  malbergiscben  glosse  immer  e. 

Ich  scblielse  der  besprechung  dieses  Wortes  noch  ein 
nlich  lautendes  an  welches  tit.  u  de  furtis  poreorum  §  1 

der  Pariser  handsehrift  begegnet,  da  steht  zu  den  latei- 
leben  Worten  u  quis  porcellum  lactantem  de  frwme  (vei> 
btieben  für  kranne,  und  die  Fuldaer  handsehrift  setzt  noch 
nz  nqthwendig  hinzu  /»riota  aut  de  mediana)  ßtrtveritüit 
tose  ehrinne  chuläs.  doch  ehe  ich  diese  Wörter  erklären 
an  müfs  ich  erst  den  ausdruck  rhanne  erläutern,  im  gä- 
ehem  heilst  rann,  rainn,  ruinn  oder  runadh  eine  abthei- 
ig$  in  unserer  stelle  hat  rhanne  dieselbe  bedeutong  oder, 

speziellerem  sinne,  sorte,  race,  art.  die  worte  des  Ful- 
er  codex  de  rhanne  prima  aut  de  mediana  bedeuten  Von 
ringster  race  oder  von  mittlerer,  dies  beweisen  deutlich 
\  in  demselben  codex  dabei  stehenden  worte  der  glosse 
fmkeeaim  lerecala  id  est  unum  ahelepte.  nämlich  rhanne* 
la  ist  verschrieben,  wie  man  deutlich  aus  der  bedeutang 
I-  nachher  zu  erläuternden  chrtnne  eultis  sieht;  es  sollte 
üben  chranne  cala9  der  Schreiber,  der  die  glosse  nicht 
skr  verstanden  zu  haben  scheint  oder  das  im  text  vorher- 
kende  wort  rhanne  im  köpfe  hatte,  setzte  für  chranne: 
m  wort  noch  einmahl,  chranne  eala  heifst  häfslichster  quä- 
lt, von  grama9  d.  i.  häfslich,  schlecht,  und  edü,  die  qua* 
tt.  lere  cala  heifst  leidlicher  qualität,  hinreichender  quä- 
lt* von  leor,  hinreichend,  genügend,  und  edil,  qualität. 
m  lere  cala  wird  noch  erklärt  durch  die  worte  id  est  unum. 
&  kpte9  d.  h.  eines  von  gedeihlicher  race,  denn  ehe  ist 
i  gälische  aigh9  gut,  gedeihlich,  und  lepte  ist  das  gälische 
tbkadh,  die  race.  der  folgende  paragraph  des  Fuldaer 
lex  sagt  dann  si  vero  in  tertia  rhanne  (also  von  noch  hö- 
rer  sorte)  Juraverit,  und  dazu  die  glosse  rhanne  chalteo* 
sr  ist  rhanne  an  seinem  orte;  denn  chalteo  ist  das  gäli- 
le  gallda,  fremd,  und  rhanne  chalteo  heifst  Von  frem- 
r.  sorte. 

Wir  haben  also   in  dem  vollständigen  codex  drei  ver~ 
liedene  sebweinesorten,  nach  deren  höherer  gute  die  bufs- 


100  CHRENECHRUDA. 

gclder  steigen,  aufgezählt,  der  mangelhaftere  Pariser  codex 
hat  offenbar  nur  die  erste,  geringere  Sorte  im  tage  $  die  fol- 
genden bestimmungen  fehlen  ihm,  und  diese  erste,  geringste 
sorte  wird  bezeichnet  mit  ckrtnnd  chultü,  d.  i.  unattsehnlH 
ehes  Schwein,  von  cr(6n,  klein,  unansehnlich,  und  euttkadh, 
das  sohwein« 

Ich  taufs  hier  nothwendig  noch  etwas  hinnuffigtn  Über 
das  eh  der  tnalbergischen  glosse*  es  entsprieht  nämlich  baU 
gUischem  c,  bald  gallischem  ah9  bald  gälisehem  g.    der  lau 
ch  ist  im  gälischen  nur  ein  mortificlertes  C;  die  mortifleatioa 
tritt  bald  als  grammatisches  bildnngsmittel,  bald  in  feige  des 
auslautes  rorhergehender  Worte  und  Silben  ein,  bald  ist  sie 
nur  dialeetische  eigenheit.   dafe  also  zuweilen  malbergisehm 
c  gäliscbes  eh9  zuweilen  malbergisches  ch  gälisohes  *  ist 
und  dann  und  wann  sich   malbergisches  nnd  gällsebes  ek 
decken  ist  natürlich  $  jedes  anlautende  gälische  e  kann  ja  m 
tdr  tomständen  die  mortificatlon  erleiden,    auffallender  ist  at* 
lerdings  daß  ch  auch  gäliSchem  g  entspricht,  und  «War  sehr 
häufig,  allein  auch  das  ist  natürlich,  wenn  wir  andere  bw** 
stabenreihen  betrachten,    die  Galen  haben  nur  einen  reinen 
dentalen  laus,  denn  *  ist  Sibilant  und  t  ist  im  irländische* 
(offenbar  die  ältere  ausspräche  festhaltenden)  überall  ein  star* 
kes  englisches  th  (im  schottischen  ist  es  rar  sogenannten 
breiten  vocalen  zur  tenuis  *,  vor  sehmalen  vocalen  zum  tta* 
liänisehen  et'  geworden)  j  zum  ausdrücken  der  reinen  dem** 
lis*  sowohl  des  f  als  des  d>  hat  also  das  alte  gälische  mir 
einen  buehstaben,  nämlich  rf.     offenbar  kannte  die  schrill 
früher  auch  nur  d$  denn  während  alle  übrigen  bachstabe* 
baumnamen  öder  vielmehr  pflanzennamen  haben»  hat  das  t 
allein  den  namen  teilte  (feuer)*  zum  zeiehen  dafc  es  in  das 
aiphabet  gekommen  unter  gang  anderen,  späteren  umständen* 
wert*  Also  in  der  malbergischen  gtosse  bald  t  Dar  gkUSöbe* 
d,  bald  d  für  gätisches  t  steht,  so  hat  dies  nichts  befrra* 
dendea>  weil  sich  d  und  f  im  gälisehen  erst  später  und  ofr 
fenbar  nach  etwas  anderen  gesfchtspuneten  schieden  als  bei 
der  aufifedfcufcg  des  mundartliehen  kianges  für  die  malbergi* 
sehe  glosse  obwalteten,     ein  ganz  gleiches  Verhältnis  Indet 
hinsichtlich  f  und  b  statt;  jenes  ist  gar  kein  alter  gälfecher 
buchstab,  er  hat  keinen  eigenen  namen,  sondern  wird  als 


CHRENECHRUDA.  167 

weiches  b  bezeichnet  und  im  irländischen  wenigstens  weicher 
als  b  aasgesprochen,  er  ist  ursprünglich  für  fremde  wortc 
in  die  spräche  gekommen,  und  wenn  er  auch  in  einige  ur- 
sprünglich gälische  worte  eingedrungen  ist,  findet  sich  doch 
in  der  regel  die  Schreibung  derselben  worte  mit  b  noch 
daneben  und  sogar  häufiger,  z.  b.  boc  (capra)  neben  poc 
u.  s.  w.  so  scheint  es  nun  dafs  wie  bei  der  dentalen  und 
labialen  reihe  die  tenuis  und  die  media  in  älterer  zeit  im 
gründe  zusammenfallen  (denn  auch  bei  der  dentalen  reihe 
wird  noch  häufig  in  denselben  Worten  t  und  d  geschrieben, 
z.  b.  teine,  feuer,  und  deine,  hitze,  sind  eigentlich  dasselbe 
wort  und  der  orthographische  unterschied  ist  nur  wie  im 
deutschen  bei  wider,  contra,  und  wieder,  rursus,  rein  künst- 
lieh und  willkürlich*),  so  auch  bei  der  gutturalen  reihe  der- 
selbe feil  statt  fand  und  die  tenuis  e  und  die  media  g  viel- 
fach verwechselt  wurden $  auch  tritt  noch  jetzt  derselbe  fall 
wie  bei  den  andern  reihen  ein,  daüs  die  Schreibung  willkür- 
lich in  vielen  Wörtern  zwischen  media  und  tenuis  wählt, 
z.  b.  neben  gabhar,  die  ziege,  findet  lieh  fast  ebenso  oft 
cabhar.  ein  anderes  hieher  gehöriges  beispiel  hatten  wir 
oben  in  crothaid,  das  sandsteinchen,  kiessteinehen,  neben 
grothal,  der  sand,  kies,  kurz,  wie  in  Thüringen  kein  mensch 
den  unterschied  von  t  und  d,  von  p  und  b>  und  selten  den 
von  Ar  und  g  hört,  und  also  auch  ihn  nicht  ausdrückt,  so 
ist  es  bei  den  Galen  wahrscheinlich  in  älterer  zeit  bestellt 
gewesen,  und  daher  dies  kreuzen  und  wechseln  der  Schrei- 
bung, selbst  in  denselben  Wörtern,  und  sogar  im  anlaute, 
wo  doch  sonst  tenuis  und  media  am  leichtesten  geschieden 
gehalten  werden;  daher  diese  Unsicherheit  in  dem  vorkom- 
men der  tenuis  und  media,  wenn  man  die  malbergischen 
worte  mit  gälischen  in  vergleichung  bringt,  indessen  erin- 
nere ich  mich  nicht  ein  malbergisches  g  anders  gefunden  zu 
haben  als  gälischem  g  entsprechend. 

H.  LEO. 

*  d.  h.  ursprünglich  willkürlich ;  denn  in  der  länge  der  zeit  würkt 
dann  die  Schreibung  auch  auf  die  ausspräche  wenigstens  derer  die  auf 
bildung  ansprach  machen,  wie  man  bei  gewissen  durch  die  schreibang 
entstellten  deutschen  Wörtern  sieht. 


168 


INC1PIT  AVREA  FABRICA 

de  laudibus  virginis  gloriosae. 

1  Illius  assit  gratia, 

qui  stricta  cinctus  fascia 
caelormn  ambit  spaüa 
et  manet  ante  solem, 
et  moritur  pro  gregibus 
datqae  salatem  regibus, 
ut  suis  subdant  legibus 
totius  orbis  molem. 

2  Fideles  tradant  apices, 
latofis  legis  Codices, 
mysteriorum  indicesy 
sub  forma  typicorum, 
ad  straem  tabernaculi, 
caelestis.  habitaculi, 
sacrorum  retinaculi, 
quas  quivis  Hebraeorum 

S    Res  absque  simultatibus 

de  suis  facultatibus 

sinceris  cum  cönatibus 

pro  viribus  dederunt. 

magnates  cum  potentibus^ 

qui  prafifuecunt  gentihus 

noa  sine  puris  mentibus, 

laetanter  obtulerunt 
4    Aurum  quidem  ab  aurea,. 

argentum  ab  argentea, 

aes  ad  ornandum  aerea, 

ut  novit  architectus: 

thesaurus  istis  varii 

vigoris,  multifarii 

coloris  cingentarii, 

est  lapidum  adiectus. 

4,  %.  3.  /.  ad  —  ad  7.  /.  argentarii  t 


AUREA  FABRICA.  109 

5  Nunc  donant  inter  alia 
ligna  Sethim  nobilia, 
sed  haec  imputribilia 
fuisse  memorantur. 
postremo  dant  purpurea 
com  cocco  byssum,  linea, 
quae  nunquam  laedet  tinea. 
sed  ista  applicantur 

6  Cohortibus  leviticis 
pro  vcstibus  pontificis, 
quae  noverunt  artificis 
industria  poliri. 
egeni  dabant  denique 
com  pilis  pelles  uüque, 
cum  quibus  opas  undique 
debebat  operiri. 

7  Oblaüs  bis  gemmarius 
Beseleel,  aurarius 
fidelis,  commissarius 
prae  omnibus  electus, 
pradens  vermicularias* 
perfectus  operarius, 
doctus  anaglypharins, 
est  opibus  praefectus 

8  Subtili  cum  lignario 
Ooliab,  plumario, 
bono  polymitario, 
viro  sciente  plura, 
quae  fieri  ex  arbore 
yalebant  et  ex  inarmore, 
lapidibus  et  ebore 

in  omni  caelatura. 

9  Com  suis  rei  stemmata 
hi  norunt  et  aromata, 
ex  quibus  thymiamata 
suavissimi  odoris 
conficienda  fuerant, 
has  artes  ut  docuerant 
et  artius  innuerant 


AUREA  FABR1CA. 

insu  actus  creatorii. 
9     Ornatus  habitaculi 
cum  archa  taberuaculi 
solertes  bi  vernacnli, 
candelabrura  et  amm 
cum  Cherubim  velamioa, 
et  vasis  ad  libuiina 
ex  auro  formant  lamina 
pontjficis  üaram, 

1  Lucernas,  enmnctoria, 
quae  nulla  fuscat  sooria, 
cum  kasibns  tenloria 

et  purpura  iaciacto, 
vom  epbot  veste  vario 
et  opere  plumario, 
ritu  polymilario 
bis  coeco  quoque  tinclo. 

2  Ast  alii  dnrissimo 
saxoqoe  de  Gnuissimo 
mcl  sapidum  purisaimo 
cum  oLeo  suxerunt. 

de  istis  quid  plus  referara 
vel  ad  quid  plnra  proferam, 
cum  nil  egisseut  perperam 
in  bis  quae  eonstruxernnt? 

I  Sed  ego  cum  sim  Intens 
et  sensns  uisi  brüte  us, 
sit  altns  quoque  puteos 
nee  vas  ad  hauriendum, 
prae  facultale  peaola 
hinc  voce  peto  tremula, 
nt  lingna  parcat  aemula 
prompta  ad  uorrigendum. 

t     Thesaurus  heu  scienüae, 
argentum  cloquentiae 
et  aurum  sapientiae 
in  cordis  mei  sporta 
deüciuut,  habititaa 

■  '-  auri 


AURKA  FADRICA.  tjt 

lignorum  et  nobilitas 
gemmarum  et  stabilitas 
aeris,  byssot  retorta, 

5  Eburque  eastimoaiae, 
beryllus  parsimoniae 

'  et  marmor  sanetimoniae 
cum  iaspide  iaci&ctus, 
et  parpur  aptitudinis 
lumenque  valeturfinis 
et  lana  rectitudini*| 
bis  coccus  quoque  tinetus. 

6  Rex  ergo  oelsi  ntuninis, 
dignare,  pater  lumiuis , 
torreute  sacri  fluminis 
me  sie  laetificare» 

si  oleum  cum  mellibus 

non  sugam  ex  saxeüibus, 

sed  pilis  et  de  pellibus 

queam  eructuare 
f    Mariae  laudes  et  honorem, 

virtutes  et  decorem 

virginitatisque  pudorem 

et  mores  cum  ornatibus, 

diversis  modis  a  diseretis 

tarn  patriarcbifi  et  propbetis 

praetypiatos  in  secretis 

obscuris  aenigmatibus« 
*    Excelsi  regis  mater  nata, 

ab  intus  pulere  deaurata 

et  variis  praedetorata 

scripturae  cum  monilibas, 

dignare  pennam  irrigare 

et  stylum  mentis  cölorare 

sie  ut  ad  struem  eomportare 

quid  queam  cum  exilibos. 
>    Scriptoris  linguam,  cttrsum  mentis 

gubernet  virga  dirigeuüs 

velociterque  conscribentis 

virtutes  ew  et?  _.....- 


Wi  AUREA  FABRICA, 

illius  scribae  calamus, 
cui  virgo  tarn  serennm 
hoc  praeparasti  pargamenum, 
in  quo  depictus  est  ad  pleiiam 
caelesti  sponso  thalamus. 

20  Cenlenis  centies  millenis, 
millenis  milies  cenlenis,      > 
minuta  quae  sunt  in  arenis*  ' 
tot  etsi  fruar  linguulis, 

si  Unguis  loquar  angelornm 
arteque  cauam  musicorum 
et  mores  noscam  ethicornm, 
sed  etsi  fungar  singnlis 

21  His  sacris  dotibus  perfecte, 
nequaquam  quibo  adhuc  recte 
reginae  caeli  praeelectae 
virtutum  laudes  pangere* 

si  tarnen  ipsa  spes  reorum 
hoc  mihi  praestet,  quod  meorom 
arx  muri  ruat  vitiorum, 
temptabo  tuba  clangere. 

22  En  qualis  haec  et  quanta 
est,  cuius  pulcritudo  tanta 
sie  a  supina  pedis  planta 
ad  verticem  protenditur? 

en  haec  est  virgo  praecedentem 
non  habens  parem  nee  sequentem 
virtutibus  aequipollentem, 
ex  scriptis  ut  perpenditur. 

23  Dos  casta  haec  est  viri,  parens 
enixa  virum  viro  carens, 
producens  geraten  humus  arens, 
haec  estque  phoenix  unica, 
capillos  cuius  auricolor 

et  verticem  miratur  olor, 
in  facie,  qua  mire  solor, 
arrident  mala  puoiea. 

24  Ex  intermixto  liliaü 

19,  5.  cui  tu  v.?  22,  1.  En  qualis  virgo? 


AUREA  FABRIGA.  493 

rubedine  cum  roseali 
maxillae  forte  nitent,  tali 
perfuso  fronte  parcius. 
cincinnos  non  adulter  facus 
subornat  neqae  tingens  sucus, 
snbtilis  iste  cum  sit  brucus 
padorem  rodens  artius. 

15  Nasusque  forma  moderata 
est,  nee  depressa  nee  elata, 
pigmenta  reis  de  quo  grata 
scaturiunt  cottidie. 

hinc  oculi  praerutilantes 
sunt  et  ut  stellae  rutilantes 
ac  in  virlute  coruscantes 
sol  tamquam  in  meridie, 

16  Seseque  sompnö  nunquam  dantes 
palpebrae  neque  dormitantes 
sunt,  sed  pro  suis  vigilantes. 
praeclara  supercilia 

o  quam  decenter  ornant  vultum, 
totius  quoque  formae  eultum, 
oreque  labiis  rubet  multum 
baec  pulcrae  Syon  filia. 

17  In  India  nee  ebur  tale 
nutritur,  dentibus  est  quäle 
candoris  decus  virginale 
illustrans  oris  medium: 
gutturque  lacteo  colore 
candescit,  Collum  nivis  more, 
stupescit  mentum  prae  decore, 
fit  exul  omne  taedium. 

£8     Supernus  auetor  egit  Sorte, 

quod  aures  eius  forent  portae 

caelorum  regis  preces  forte 

nolentes  unquam  spernere. 

o  quam  felicem,  quam  beatum 

hunc  dicam,  cui  datum 

est  hunc  praeclarum  et  dicatum 
4.  perfasa?  26,  7.  ore  labrisque?  28,6.  hunc  ego? 


•A  AUREA  PAW1CA. 

vultnin  in  aevum  cerser«. 

29  Serutatnr  ab  infftatia 
pectus  eins  menun 
praecepta  «um  flagranti« 
condiloris  rem«, 

et  ubera  fragrantia 
sunt  hiiic  denn)  verum 
in  invene  laclaatü 
anliquumque  die  nun  - 

30  Est  venter  eins  aureus 
argenteus  beatns, 

est  merito  eburaeos 
et  gemmeus  vocfttus, 
portatur  quo  aeÜieretu 
caelorum  advocaius, 
per  quem  iacet  vipereus 
iam  coluber  proslrstos. 

31  Re  vera  eelsi  solii 
dum  nuneins  legalur, 
cor  huiw  insUi'  folü 
palmamm  elevatur 

et  ut  repandi  lilii  - 

sie  supra  dilaUtnr; 
dum  flebant  Evae  tilii, 
'ecce  anritt»   faUir. 

32  Virginea  deceatia 

ad  instar  plumi  eigni 
sunt  brachia  nitenüa, 
ex  aloesqae  ligui 
odore  redolentia 
diviiio  apla  igni: 
amplecti  cum  freqiienlia 
o  si  essemus  digni. 

33  Ingen  ti  pulcritudine 
sunt  manus  decoratac 
decenÜ  lougiLndiae 
cum  digiiis  ornatae, 
donandi  aptitndine 

2«,  8.  tptiqnum?  32,  %.  U  flunae 


AURBA  FABRICA.  176 

quae  minine  Watte, 
sed  dandi  promptitudine 
innt  aquilis  praeUtae. 
34    Tornatilii  est  dextera 
virtaium  genitiva 

Dieses  gedieht  ist  mir  von  Am.  prqf  fVk,  Grimm  zur 
lbatmtmackung  gütig  überlq/sen  worden,  der  es  von  Schmelz 
r  erhielt,  in  absekrift  aus  der  Münchener  handsekrfft 
ug.  Domimc.  26,  15  Jh.  pap.  4*,  bL  91*.  die  Überschrift 
urea  fabrica  könnte  ein  original  zu  Konrads  von  fFüru- 
trg  goldener  schmiede  vermuten  la/sen9  allein  das  doub- 
lte und  das  lateinische  gedieht,  soweit  sieh  das  letalere 
's  bruchstück  beurtheUen  tijfst,  sind  in  form  und  inkalt 
mz  verschieden  und  bieten  kaum  im  einzelnen  etwas  über- 
nsthnmendes  dar.  die  Überschrift  rührt9  wie  mich  dünkt, 
m  einem  abschreiber  her,  da  sich  in  dem  gedickte  selbst 
ine  beziehung  darauf  findet;  will  man  sie  dennoch  als 
ht  gelten  la/sen9  so  darf  man  wenigstens  aurea  fabrica 
'cht  durch  goldene  schmiede  wiedergeben*  in  den  einfä- 
nden worten  sagt  der  dichter  da/s  zu  erriehtung  (so  ist 
ohl  2,  5  ad  strnem  tabcrnaculi  zu  nehmen)  und  aus* 
hmücktmg  der  sHftshütte  jeder  von  den  Juden,  der  reiche 
ie  der  arme,  das  seine  beigetragen  habe,  gold,  säber, 
%z,  edle  steine,  köstliches  holz  und  anderes,  und  dq/s  aus 
)esen  Stoffen  kunstvolle  meister  eine  woknung  filr  den  koch- 
en bereiteten,  der  dichter  wünscht  dqfs  ihm  in  ähnlicher 
eise  von  gott  das  gold  der  Weisheit,  das  silber  der  be~ 
xltsamkeit  u.  s.  w.  verliehen  werden  möge,  damit  er  das 
b  Marions  besingen,  gleichsam  zu  dem  baue  ihres  tem~ 
üs  der  ehre  und  des  rukmes  das  seine  beitragen  könne, 
vt  also  der  dickter  selbst  sein  werk  aurea  fabrica  genannt, 
>  verstehe  ich  unter  fabrica  eine  werkstätte9  bauhütte,  wie 
wen  viele  im  mittekUter  zur  erbauung  eines  münsters  er- 
chtet  wurden;  aurea  ist  dann  blofs  epitheton  omans. 

Das  alter  des  gedicktes  wird  sich  nicht  genau  bestimm- 
en Iq/sen;  ich  möchte  es  in  das  13e  jk.  setzen,  weniger 
veifelkqß  kann  es  sein  dqfs  der  dichter  du  fVelsehcr, 
ahrscheinlick  ein  Franzose,  kein  Deutscher  war.  dies  zeigt 
cht  sowohl  18,  6  die  form  pargamenum  (parchenio),  den» 


176  AUREA  FABRICA. 

diese  könnte  dem  abschreiber  angehören,  sondern  es  geht 
aus  mehreren  eigenthümlichkeiten  in  Stellung  und  bildung 
der  Wörter  hervor  die  sich  am  besten  bei  einem  Schriftstel- 
ler erklären  laßen  der  die  lateinische  spräche  wie  eine 
halbangeborene  zu  behandeln  gewohnt  war.  dahin  rechne 
ich  die  häufiing  von  adjectiven,  die  form  saxeüibus  16,  6, 
arx  muri  (vitiorum  meorum)  21,  7.  —  das  wort  penolas 
13,  15,  das  ohne  zweifei  ärmlich  bedeuten  soll,  ist  wohl 
von  penuria  abgeleitet»  vernaeuli  10,  3  steht  ßir  famuH.— 
ungeschmack  zeigen  die  worte  25,  2«  selbst  der  alte  Ab- 
schreiber scheint  den  werth  des  gedicktes  nicht  hoch  ange- 
schlagen zu  haben,  da  er  abbrach,  verbefierungen  werden 
noch  an  manchen  stellen  nöthig  sein. 

LEIPZIG.  H.  LEYSER. 


ZU  BERTOLTS   CRANE. 

In  Mafsmanns  denkmalern  deutscher  spräche  und  Ute- 
ratur  befinden  sich  1,75 — 79  bruchstäcke  eines  unbekann- 
ten erzählenden  gedicktes  welches  allem  anscheine  nach  von 
Bertolt  von  Holle  herrührt  dessen  gedieht  Crane  wir  m 
ersten  bände  dieser  Zeitschrift,  so  weit  es  erhalten  ist,  müh 
getheilt  haben* 

Einmahl  stimmt  sowohl  das  alter  dieser  handsekrfft*, 
die  dem  vierzehnten  Jahrhunderte  angehört,  zu  der  zeit, 
in  welcher  Bertolt  lebte,  als  auch  der  fundort  derselben, 
Magdeburg,  zu  dem  vaterlande  des  dickters;  vorzüglich 
aber  entscheidet  die  spräche  und  das  ganze  colorit  in  die- 
sen bruehstücken  dafür  dqfs  beide  nur  von  einem  verfqfser 
herrUkren  können,  formen  welche  hier  vorkommen,  wie 
men  fitr  man,  van  ßir  von,  wert  für  wirt,  wc  ßir  wie, 
let  ßtr  liez,  ret,  repf,  vornam,  unthelden,  over,  orlop,  doreh, 
vorste,  coning,  coninginne,  vorte  {ßir  fuorte),  »loch,  tro- 
gen, genogen,  mozen,  vrowen,  vrowden,  truwe,  und  über- 
haupt der  mangelnde  umlaut  zeigen  dasselbe  Verhältnis  der 
vocale  wie  es  sieh  in  dem  gedickte  Crane  aus  meiner  s,  60. 61 

*  sie  besteht  nur  aus  zwei  pergdmentblättem  in  quart,  die  vom 
einem  bücherdeckel  abgelöst  wurden ;  jedes  derselben  enthält  96  teilen. 


ZU  BERTOLTS  CRANE.  177 

suchten  Zusammenstellung  ergab;  nickt  minder  entspricht 
'selben  der  consonantismus  in  diesen  bruchstücken,  vgl. 
en,  geven,  gaf,  over,  sterven,  irwenreri,  repf,  hulphe, 
phen,  let,  vordrot,  stolten,  dat  neben  daz,  troch,  slocb, 
jen  für  höhen,  die  syncope  des  h  in  Jen,  sen,  gesehen 
l  anderem,  mit  dem  zu  Crane  s.  63  gesammelten,  ein- 
ne  geringe  abweichungen  finden  sich  allerdings,  wie  z.  b. 
rs  diese  Handschrift  hc  Jiir  eh  hat,  was  aber  eben  nur 
i  verschiedenen  Schreibern  anheim  fällt;  denn  auch  in 
lern  einzelheiten  zeigt  sich  genau  dasselbe  idiom,  da 
r  he  mit  her,  imber  mit  umber  und  ummer  wechselnd, 
i  für  sus,  das  niederdeutsche  wente,  dieselbe  Verwirrung 
der  declination  des  ungeschlechtigen  pronomens  und  der 
Crane  I,  37  bemerkte  attffallende  gebrauch  der  präpo- 
\on  an  wiederkehrt,  die  reime  in  diesen  bruchstücken 
d  eben  so  einförmig  wie  im  Crane;  namentlich  findet  sich 
9  bei  Bertolt  sehr  häufige  alzohant :  bekant  oder  lant  in 
i  wenigen  versen  dreimahl,  zuletzt  zeigt  noch  die  häu- 
e  Wiederkehr  der  epitheta  gemeit,  wert,  milde,  hochge- 
et  dafs  beide  gedickte  nur  einen  verfafser  haben,  so  wie 
*  ganze  ton  und  die  manier  der  poesie  in  beiden  bruch- 
\cken  übereinstimmen,  was  keinem  leser  bei  angestellter 
•gleichung  entgehen  wird,  wir  theilen  deshalb  hier  nur 
\e  kurze  probe  (bl.  II,  z.  86  —  97  nach  Mqfsmanris  ab- 
veke  mit,  eine  stelle  die  mit  Crane  IV,  449ff.9  wo  Ache- 
ide van   Gayol   abschied  nimmt ,     sehr   große  ähnlich- 

it  hat. 

De  coning  zo  der  vwen  sprahe 
'In  can  mibe  nihet  leng'  sparen, 
Nahe  dem  vorsten  wil  ihc  varen. 
Woldi  mibe  vmm'  me  gesen, 
Daz  sal  vor  antriun  gesehen. 
Heiz  min  waphen  bringe  mihe/ 
'Nein,  o  milde  vorste  rihe,' 
Sprach  de  coninginne  reine, 
'Wold  ir  dar  riten  eine, 
We  stet  daz  vwer  edelicheit? 
Ir  hat  so  manigen  helid  gemeit  — 
Unter  den  personen  die  in  diesen  bruchstücken  erwähnt 

Z.  F.  D.  A.     IT.  12 


178  ZU  BERTOLTS  CRANE. 

werdet*  tritt  besonders  Demantin  hervor  (bl.  II,  17*  64.80), 
der  die  schönste  Jungfrau  Syrgamote  erworben  hat.  mm 
besieht  sich  Bertolt  im  Crane  IV,  216  f.  folgendermaßen 
auf  ein  früheres  erzählendes  gedieht  welches  von  frischen 
spöttem  getadelt  sei, 

do  ich  sprach  we  der  man  vü  gin 

mit  swerten  pris  er  worven  hat, 

se  twanc  ires  bertzen  valschen  rat 

datz  se  der  tzucht  vor  gazen 

vn  mine  rede  mazen. 
ich  hatte  schon  vermutet  dqfs  in  dem  unverständlichen  man 
vü  gin  der  name  des  helden  stecken  müfse  und  es  wird 
jetzt,  zumahl  da  namen  in  altdeutschen  handschrtfien  öfter 
sehr  verdorben  sind*  der  schlufs  zulafsig  sein  dqfs  hier 
Demanttn  statt  der  man  vn  gin  gelesen  werden  müfse,  wo* 
fiir  sowohl  der  reim  als  die  schriftzüge  sprechen :  woraus 
denn  von  selbst  folgt  daß  die  ernannten  bruchstäcke  bei 
Mq/smann  au  dem  gedickte  Demantin  von  Bertolt  von  Holle 
gehören. 

Noch  sickerer  dürfen  unserm  Bertolt  die  bruchstücke 
eines  gedicktes  zugeschrieben  werden  welches  in  Nyerups 
symbolae  ad  literaturam  teutoniemn  antiquiorem  jrp.  83—92 
aus  einer  pergamenthandschrifl  welche  gleichfalls  dem  vier- 
zehnten Jahrhundert  angehört  unter  dem  titel  fragmenton 
earminis  antiqni  Suevico  -  Saxonici  ex  historia  Daribnti  mit* 
getheilt  sind,   wir  glauben  den  beweis  nicht  einleuchtender 
führen  zu  können,   als   wenn   wir  diese   bruchstücke  hier 
ganz  mittheilen  und  die  parallelstellen  aus  Crane  und  De- 
mantin  hinzufügen,  zumahl  da  Nyerups   buch  nicht  jedem 
leser  zur  hand  sein  möchte,     weil  wir  keinen  diplomatisch 
getreuen   text  liefern  konnten,   so  geben  wir  Nyerups  ab- 
druck  interpungiert  und  von  den  ärgsten  fehlem  gereinigt 
wieder :  die  Schreibart  der  handschrift,  so  inconsequent  sie 
ist,  haben  wir  beibehalten,  da  sie  sich   nicht  nach  den  ge- 
wöhnlichen mittelhochdeutschen  gesetzen  regeln  Iqfsen  wird, 
wenn  es  auch  leicht  war  einzelnes  zu  befsern.   nur  die  un- 
trennbaren präpositionen  sind,   wo  sie  abgesondert  waren, 
der  deutlichkeit  wegen   mit  den  Worten  verbunden  zu  wel- 
chen sie  gehören,  die  wichtigsten  ahweickungen  von  Nyerups 


ZV  BERTOLTS  CHANE.  179 

\xte  sind  angezeigt,  offenbare  Lesefehler  aber  stillschwei- 
end  verbefsert. 

mit  der  sconen  Locedyan  quam 

dar  al  sin  froren  en  ende  nam 

in  der  vroweden  riehen  nacht 

dar  sie  tzo  samende  worden  bracht. 

ein  bete  in  Was  ghemachet  5 

mit  richeit  uongheswaghet : 

mit  vroweden  brachten  sie  se  dar 

vil  menich  scone  vrowe  clar. 

dar  wart  sunder  sörghen 

de  nacht  went  an  den  morghen  10 

bracht  vil  vrolichen. 

dar  wart  yme  daz  riche 

ich  wene  kleine  ghedacht. 

waz  dar  vroweden  wart  volbraeht, 

des  ne  muoz  ich  wisen  nicht;  15 

were  ich  vorbaz  bericht 

ich  chunde.  iz  doch  vorswighen  wol: 

vor  der  valschen  delh  man  sol 

vorswighen  gutes  mannes  heil 

daz  sie  es  ne  winnen  nimber  teil.  20 

Do  de  nacht  uof  ende  quam 

Locedyan  man  do  nam, 

man  kleidete  sie  mit  richeit: 

menich  vrowe  gemeii 

halph  zimeren  iren  lip.  25 

do  was  sie  das  seoneste  wip 

daz  mannest  oughe  i  ghtsacb, 
"de  meyste  menie  ir  des  :iach, 

an  scone  hetle  sie  den  prfs: 

de  cronen  dar  tzo  Torfcis  30 

de  sach  man  ir  hovuet  tragen. 

ich  wil  van  dem  vorsten  sagen, 

ich  meine  den  werden  Balifeit: 

im  waren  van  samitte  kleit 

3.  4az  wa»  i»  N>  vgl,  Cr.  iv,  240.  4,  4az  iV. 

-i  iv,  115.  11T.  »43.         5.  uf  ein  bete  N.         1*.  Cr.  iv,  262-46. 
16.  der©  JV./       30.  den  N.         33.  Gr.  iv,  70.  WO.  501. 

12* 


180  ZU  BERTOLTS  CRANB. 


35 


ghesniten  riche  und  grot: 
manich  lowe  van  golde  rot 
de  stunden  bi  ein  ander  dar 
mit  menigheme  riehen'  steine  clar 
vaste  underscheiden. 

iz  genc  also  in  beiden  40 

als  in  de  wuonsch  hette  irdacht. 
Nuo  wart  dar  de  erone  bracht 
de  des  landes  hette  ghewalt. 
nuo  wart  de  iuonghe  vorste  balt 
ghecronet  dar  tzo  Torkis,  45 

dar  her  sint  vil  menighen  pris 
beghench  mit  siner  milden  hant. 
nuo  uontfenghen  ir  borge  vn  ir  laut 
de  Torsten  vnd  de  heren  al. 
von  hoverende  irhof  sich  do  ein  scal  50 

vor  dem  iuongen  coninge  riche 
von  den  herren  al  gheliche 
vnd  von  dem  hertzoghen  wert., 
swer  dar  wolde  nemen  swert, 
daz  wart  mit  willen  im  gegheuen:  55 

man  sach  nach  werdicheide  streuen 
vil  manighen  edelen  riehen  man. 
der  coninch  etzen  do  began. 
dar  lephen  ros  heren  vri 

de  de  rittare  sloghen  bi,  60 

dar  upphe  menich  samit  lach 
ghesniten  und  pellel  von  Baldach 
de  de  vorslen  riche  troghen  vore. 
dar  was  uof  ghetan  de  tore : 
de  ir  gnaden  gherten  65 

de  vorsten  sie  ghewerten 
mit  ir  gave  vnd  mit  sotzicheit. 
dar  was  alles  daz  bereit 

36.  Cr.  296—300  dÄ  se  de  Mite  priseten  de  man  dar  underschei- 
den yant,  manigen  lewen  riche  irkant  de  uf  einen  samit  breit  koste- 
liehe  waren  bereit.  38.  was  N.  46.  her  fehlt  N.  50.  hono- 
ende  N.  vgl.  €r.  iv,  210.  51.  von  N.         59  ff.  Cr.  iv,  134-1*1 

63.  de  ersten  richten  N. 


ZU  BERTOLTS  CHANE.  181 

daz  ein  vorste  hauen  solde 

de  erliche  wolde  70 

sine  hochtzit  machen. 

daz  de  spottere  dar  nof  lachen, 

ob  sie  daz  letzen  daz  wer  mir  .leit. 

dar  wart  mit  grotzer  werdieheit 

de  hochcit  uof  ein  ende  bracht:  75 

ich  wene  dar  ichtes  wer  gedacht 

iz  ne  werte  al  ghetan. 

ich  wil  von  der.  rede  lan, 

waz  woldich  ir  mer  ghesaghet? 

dar  bleif  de  vorste  uonvorzaghet  80 

gheweldich  an  sime  riebe: 

daz  besaz  her  so  erliche 

dazhers  ghewan  so  hoen  lof, 

swer  nach  im  reit  an  sinen  hol 

dorch  besehen  an  sin  lant,  85 

her  wart  also  wider  ghesant, 

daz  is  der  coning  ere  uontfeno. 

Balifeite  iz  wol  irghenc: 
do  vn  ymber  mere 

irwarf  her  pris  vnd  ere.  90 

von  Darifante  wil  ich  saghen: 
sin  rittferschaf  beguonde  in  iagben 
dorch  der  minne  pris  an  vromede  lant. 
orloues  gherte  her  altzo  hant: 
waz  her  dicke  wart  ghemant!  95 

he  wolde  im  liehe  don  becanl 
mit  im  daz  coningriche, 
her  solde  gheweldichliche 
mit  im  dar  inne  coning  sin. 

Tuolle  daz  eighen  riebe  min  100 

ich  don  is  dir  ghelichen  teil  becant.' 
do  sprac  de  inonge  Darifant 

'%  vgl.  18  und  Cr.  i,  22.  iv,  2\%  ff.  78.  Cr.  iv,  375.  84.  Cr.  i,  43-45. 
.Cr»  550.  551  ir  werdet  also  weder  gesant  datz  ich  des  motz  ha- 
t  ere.  -  92.  Cr.  iv,  462.  556.  -  zwischen  05  und  06  scheint 
hu  *u  fehlen.  96  #   Cr.  iv,  438.  333   miner  löte  and  miner 

t»o* -ich  im  liehen: teil  bekant. 


188  ZU  BERTOLTS  CRANE. 

'duo  solt  din  riche  selver  han: 
ich  wil  heide  und  plan 

nach  aventuoren  riten,  105 

dorch  zyosteren  vnd  dorch  striten 
wil  ich  sochen  vromede  lant.' 
Nu  tzoch  de  werte  Darifant 
harnasch  an  sin  stolte  lip. 

waz  dar  ntanich  soone  wip  HO 

mit  ir  smalen  witzen  hant 
im  sine  waphen  remen  baut! 
sin  korsit  vnd  sin  waphenkleit 
mit  grotzer  richeit  was  beleit 
so  iz  Fiolede  irdachte  :  11& 

mit  kost  sie  iz  vollenbrachte, 
de  coninginne  reine 
waren  uoz  ghespruongen  steine 
vor  swerten  swar  de  vorste  streit, 
nuo  hette  de  coningin  ghemeit  12Ä 

robine  dar  wider  in  ghetan. 
sie  mochte  is  lever  han  ghelan, 
sie  waren  dar  vonghepriset 
de  aventuore  mir  wiset, 

iz  ne  wart  ni  vorste  baz  ghesant  12 J 

ghesimeret  an  vromede  lant. 
.    swe  vil  her  ghebeten  wart 

daz  her  bliue,  her  wolde  aof  de  vart* 
als  mi  seit  de  aventuore, 

nuo  karte  der  ghehure  134 

mit  siner  feyen  an  vromede  lani. 
der  coning  gherne  mit  im  ghesant  — 
es  fehlen  wemg-stens  zwei  Mütter* 
de  sie  hetten  hos  ghesant. 
Thiolede'  Darifant 

vil  dicke  ref,  swe»  her  trat  13! 

vnd  so  nendichliche  sleghe  mat 

110.  Cr.  vr,  4«a— 470  de  jtuge  k+aingiiiae  gemalt  im  *1  te  wi 
tartane*  baat  mit  ir  wirta  edelen  hanU  \%L  bau  fehlt  Jfc 

ltf»  Cr.  iv,  465»  &37.  1*9.  als  mi  de  *»  N.         13tK  igi.  lü 

Cr.  i,  19.         134.  Dem.  i,  59.        IM.  Dem.  k,  6ö>         kvc  w*  M 


ZU  BERTOLTS  CKANE.  183 

uof  den  gheflorereden  man., 
wider  rofen  her  togan 
Fiacrode  de  coningin, 

an  dime  deneste  ich  hir  bin,  140 

din  scone  helphet  mich  vorwar .' 
her  rif  sie  an  vnd  trat  im  Aar: 
swicka,  we  he  do  swenken  gheno 
vnd  selve  daz  widerghelt  uontfenc 
von  dem  werden  Darifant!  145 

dar  spranc  vor  der  tzwiger  haut 
daz  wer  wol  twiger  ackere  breit 
nno  dranc  de  vorste  iunc  ghemeit 
•    zo  Darifande  daz  her  trat 

vnd  uontweich  ein  kleine  von  4er  stat.  150 

dorch  so  grotze  strites  not 

de  feye  ir  övghen  uontieghen  im  bot. 

sie  sprach  'owe  der.  vrovde  min ! 

suolt  ir  hir  vorstriten  sin, 

so  si  wir  dri  an  vrovden  toth;  155 

ich. meine  der  gotinnen  not 

vnd  der  sconen  Effadien  dar 

de  nimber  ghetrost,  daz  is  war, 

ne  werdet  wen  von  vwer  hant: 

herre,  des  sie  uoch  gemant.'  160 

do  de  vorste  ir  not  ghesach 

her  trat  ieghen  im  vnd  sprach 

cdiz  si  Fioleiden  teil!' 

daz  wart  des  eoninghes  uonbeil 

do  her  so  nendicblichen  quam,  165 

daz  swert  mit  beiden  banden  nam: 

we  her  swenkete  uof  den  helt  gemeitl 

dar  spruongen  spene  eilen  breit 

von  des  coninges  scilde  uof  den  sant. 

im  gaf  sin  mute  iunghe  haut  170 

so  riche  sleghe  daz  her  doroh  not 

vntweich :  her  moste  hauen  den  tot 

.  Dem.  ii,  55.  144»   nonterfenc  N.  doch  vgt.  255. 

'.  I,  28.        149.  zo  fehlt  N.        153.  Cr.  iv,  452  —  54. 
do  N.         166.  und  daz?        168.  eyne  breit  N. 


184  ZU  BERTOLTS  CRANE.  - 

ghenomen,  wen  de  coningin 

de  dorch  ires  truowes  herzen  sin 

snellichen  von  dem  pherde  trat.  175 

sie  beguonde  loufen  uof  der  stat 

dar  sie  iren  herren  striten  sacb : 

des  liues  si  sich  do  irwach, 

do  sie  irkande  sin  uonheil. 

do  Darifant  daz  weghere  teil  180 

hette  ieghen  den  cuonen  man, 

mit  uonwitzen  sie  do  began 

louphen  ieghen  den  vorsten  wert: 

vil  nach  Darifantes  swert 

hette  ir  den  lip  ghenomen.  1&5 

von  dem  iunghen  vorsten  vromen 

wart  ghelatzen  tzo  der  tzit 

dorch  de  vrowen  dar  de  strit. 

do  sprach  aver  Darifant 

yeghen  den  vorsten  al  tzo  hant  1^^- 

cbeitzet  de  vrowen  van  uons  gan, 

so  wert  hir  strites  mer  ghetan.' 

do  sprach  auer  Offiart 

ean  vwen  denest  wert  ghekart, 

herre,  swes  ir  an  mi  ghert:  19  - 

des  suolt  ir  an  mi  sin  ghewert. 

ich  gheue  noch  miner  trnwen  phant, 

yeghen  rittar  ni  streit  min  hant, 

ich  ne  tethe  im  achte  clagende  not: 

swer  sich  tzo  s tri te  yeghen  mich  bot,  20^ 

dar  was  daz  spil  ghewonnen  min. 

ich  moz  an  vwer  deneste  sin, 

swes  ir  röchet  an  mich.3 

do  sprach  der  iunghe  vorste  rieh 

chat  ir  mir  Sicherheit  ghetan,  2(^- 

herre,  der  wille  ich  noch  irlan. 

ich  wolde  ieghen  yspanien  lant 

verre:  dar  is  mir  becant 

aventure  von  einer  maghet 

174.  hertses  JV.       185.  hir  N.       186.  Cr.  iv,  576.       Ift7.  Da* 
i,  86—89. 


ZU  BERTOLTS  GRANE.  185 

(so  hat  ein  rittar  mir  ghesaget);  210  [ 

nach  ir  der  gheverte  ich  gherende  bin,  £jj 

ich  wolde  sie  sen,  des  ghert  min  sin/ 

Offiart  de  sprach  tzo  hant  ^ 

cherre,  ir  suolt  an  min  lant  ' 

mit  dessen  vrowen  riten:  215 

swer  hir  komet  dorch  striten, 

her  ghewinne  scaden  oder  hau, 

her  moz  dorch  sines  prises  teil 

mit  uons  bliuen  doch  de  nacht, 

herre,  so  sult  ir  werden  bracht  220 

nof  de  rechten  stratze  an  daz  lant 

dar  uoch  de  maghet  wert  becant. 

ir  hotet  doch  de  duoreste  man 

der  i  dorch  minne  pris  ghewan 

mit  dren  sinen  gheverten,  '  225 

de  mit  speren  vnd  mit  swerten 

dicke  hat  irworven  pris/  * 

do  sprach  der  iunghe  vorste  wis 

cich  wil  darhin,  daz  ist  min  ghere: 

her  sal  an  mich  vinden  were  230 

strites,  daz  si  noch  ghesaghet. 


swaz  mich  gheschen  von  im  mach, 
nimber  vrolichen  tach 

ne  leve  ich,  ine  come  dar  235 

daz  ich  ghese  er  oughen  clar/ 
Modiane  sprac  tzo  hant 
•'herre,  ich  wil  uoch  don  becant 
des  landes  recht  sult  ir  began : 
iz  sal  werten  al  ghetan  240 

des  ir  an  dem  vorsten  ghert. 
siet  nuo  wart  de  coning  ghewert. 
mit  im  karte  Darifant; 
unvorwitzen  an  daz  lant 

&11.  Dem.  i,  35   ze  Antriun   dar  wold  ihc  hin   den  vorsten  sen, 
Ken  min  sin.        215.  zwar  N.        226.  Cr.  iv,  216  d6  ich  sprach 
Demantin  mit  swerten  pris  erworven  hat.        229.   Cr.  iv,  450. 
Cr.  iv,  171.  395.        235.  ne  come  N. 


186  ZU  BERTOLTS  CRANK. . 

he  an  kortzen  stunden  reit,  .    245 

bi  im  de  scone  machet  ghemeit, 

des  copinghes  swester,  daz  is  war, 

vnd  de  scone  Fedakine  clar; 

de  was  des  landes  coningin. 

sie  karten  hertze  vnd  sin    »  *  250 

we  sie  scophen  im  gheinach: 

al  des  denestes  man  im  plach 

des  her  selve-  gherte : 

noch  mer  man  im  ghewerte. 

he  wart  dar  wol  uontfanghen.  255  v 

uontieghen  im  quam  gheganghen 

vil  menich  scone  vrowe  ghemeit, 

do  he  uof  einen  [gronen]  angher  breit 

mit  der  coningin  gheriten  quam 

dar  her  ghesach  vnd  vornam  260 

manich  poulun  riche, 

ghesimeret  costichliche. 

her  sag  ein  dar  vnder, 

soldich  half  de  wonder 

saghen  de  ich  dar  von  weit  —  265 

952.  Cr.  iv,  359.  255.   uonterfangheu  N.  200.  Cr.  i,  46. 

262.  was  g.  N.  vgl.   Cr.  iv,  52.  270.  264.   Cr.  ii,  15. 

iv,  286. 

Die  verglichenen  stellen,  obgleich  sich  fikr  einzelhei— 
ten  noch  mehr  anführen  ließen,  scheinen  hinlänglich  z 
dem  beweise  dqfs  das  gedieht  von  Darffant  ebenfalls  vo 
Bertolt  herrührt,  der  umstand  dqfs  im  anfange  des  brück 
Stücks  ein  vermählungsfest  beschrieben  wird*  dessen  wen 
auch  kürzere  Schilderung  in  der  ganzen  manitr  der  be — 
Schreibung  von  Gayols  Vermählung  gleich  kommt*  läfst  au^*0* 
genblicklich  denselben  verfafser  erkennen,  zumahl  da  auc& 
hier  wie  in  Crane  an  einer  ganz  entsprechenden  stelle  ein^ 
ähnliche  rüge  der  spottere  vorkommt,  auf  welche  sich  eben — 
falls  des  dichters  klagen  in  der  einleitung  zu  diesem  ge^" 
dichte  beziehen.  Bertolts  idiom  zeigt  sich  auch  hier,  wi^ 
im  Demantini  so  deutlich  dqfs  wir  es  für  überfiyfsig  ha&~ 
ten  einzelnes  hervorzuheben*  bei  genauerer  betrachUmg  ef~~ 
gibt  sich  dqfs  die  drei  gedickte  Demantin  Crane  Darjfiv** 


ZU  BERTOLTS  GRANE.   '  187 

ler  folge  wie  wir  sie  eben  aufgeführt  haben   verfaßt 

.  denn  wenn  der  dichter  im  Darifant  seine  einseitige 
deshalb  leicht  erkennbare  monier  mach  nicht  verleug- 
so   zeigen  doch  einzelne  partim  eine  höhere  kunst- 

mdungy  weshalb  dieses  gedieht  gewiss  nach  dem  Crane 

setzen  ist. 

WILHELM  MÜLLER. 


ZUM   IWEIN. 

Die  hs.  2779  (R.  2259)  der  Wiener  hofbibliothek  ent- 
unter anderem  auch  Hartmanns  Iwein.  damit  niemand 
in  zweifele,   da  die  von  Graff  Diitt*  S,  371  und  Hoff- 
n  verz.  $.16  angegebenen  anfangszeilen  nicht  der  ein- 
%  des  Iwein  sind9  mag  hier  räum  finden  was  Karajan 
darüber  vorlängst  mitgetheilt  hat. 
Bl.  46  vw.  bricht  auf  der  in  spalte  die  kaiserchronik 
es  folgt  mit  der  20n  zeile 

hie  hebet  sich  an  daz 

Bvch  daz  da  haiiset  der 

ritter  mit  dem  leben 

Swenn  ein  wol  beschaiden  man 

Der  beschaidenleichen  dienen  chan 

Baiden  mft  vnde  leip. 
-    Leit  an  einem  beschaidem  weip. 

Swen  des  wudert. 

Daz  do  ir  hertze  syndert. 

von  vns  allen  hintze  den« 

Der  sagte  gerne  weste  er  wem. 

Des  enwndert  mich  nicht. 

Swa  dem  gvten  wol  geschieht. 

Des  pin  ich  immer  vro  mit  in. 

Daz  haizzent  anch  di  weisen  sin. 

Di  rede  lazzen  wir  beleiben. 

rnde  sagen  ev  von  den  weihen. 

Si  habent  wnderleichen  sit. 

Da  &i  di  man  versuchen!  mit* 

Swer  ev  di  alle  solde  sagen. 


188  ZUM  IWEIN. 

Der  endorft  auch  nimmer  gedagen. 

Wir  svln  si  lazzen  beleiben. 

Swer  er  solde  schreiben. 

Alle  ir  wuderleiche  site. 

Der  bedorfte  praiter  permeit. 

Swelich  weip  von  ir  sinne. 

Dar  vmbe  versprichet  minne. 

Daz  die  leute  alle. 

Bedent  mit  einem  schalle 

Secht  wi  State  deu  ist. 

Di  1er  ich  einen  pezzern  list. 

Daz  si  minne  walte. 

Vnd  ir  er  doch  behalte. 

vnde  minne  einen  man. 

Der  minnen  vnde  helen  chan. 

So  sprichet  manigev  wa  fvnd  ich  den 

Da  wage  iz  wider  tisen 

waz  iz  wider  den  man  daz  ist  mein  rat 

Der  zucht  vnd  schone  sinne  hat 

So  mag  ir  nimmer  misse  gan. 

Si  sol  doch  vngeluche  han  </> 
hierauf  beginnt  die  2e  spalte 

Swer  an  rechte  gvte  u.  s.  tu. 
die  vorhergehende  reimerei  wird  niemand  zum  Iwein  rech- 
nen oder  Jtlr  hartmannische  poesie  halten. 

H. 


ZU  DEN  MERSEBURGER  GEDICHTEN/ 

Das  asyndeton,  ohne  welches  im  zweiten  gedieht  nicht 
vier,  nur  zwei  göttinnen  sein  würden,  fordern  folgende  gründe. 

1.  ira  gen.  sg.  fem.  ist  ahd.  und  auch  alts.  von  iro  gen. 
pl.  geschieden,  beide  sondern  sich  wie  goth,  ixös  and  izt- 
auch  das  Hildebrandslied  hat  nur  iro  eorum,  kein  ira;  wenn 
im  Heliand  einigemal  ira  für  iro  steht,  so  scheint  das  feh- 
lerhaft,  da  auch  thero  und  alle  übrigen  gen.  pl.   o  weisen 

*  über  zwei  entdeckte  gediente  auf  der  zeit  des  deutschen  oeideB- 
thuras.    Berlin  1842. 


ZU  DEN  MERSEBURGER  GEDICHTEN.  1«9 

und  das  ags.   fries.   a  meiden,  erst  im  mhd.  ir  fallen  beide 
casusformen  schädlich  zusammen. 

2.  bedeutete  ira  hier  eorum,  auf  wen  soll  es  bezogen 
werden?  doch  auf  Phol  und  Wodan?  dann  folgte  notwen- 
dig dafs  Phol  und  Wodan  briider,  Sunna  und  Folla  ihre 
Schwestern  waren.  Phols  und  Wodans  brüderschaft  ist  aber 
beiden  bedeutungen  entgegen  die  ich  von  Phol  versucht  habe, 
noch  weniger  scheinen  Wodan,  Sunna,  Folla.  geschwister. 
Söl,  nach  nordischer  mythe,  war  tochter  der  Mundilfari, 
Schwester  des  Mäni  (Mond),  nirgend  werden  Söl  und  Fulla. 
geschwister  genannt,  zwar  heilst  Fulla  auch  nicht  der  Freyja 
Schwester,  sie  steht  vielmehr  in  nahem  Verhältnis  zu  Frigg. 
und  da  Frigg  (langob.  Frea,  ahd.  Fria,  slavisch  Priye)  ver- 
wechselt wird  mit  Freyja  (ahd.  Frouwa,  Frua),  so  fragt  es 
sich  ob  nicht  in  unserm  denkmal  für  Frua  gesetzt  werden 
mtifse  Fr  ja?  dann  wäre  Wodan  vollends  ein  unpassender 
bruder,  weil  er  Frtas  gemahl  ist. 

3.  auf  den  ersten  schein  gemahnt  frua  Folla  an  do- 
mina  Abundia,  dame  Habondc,  wie  an  frau  Berhta,  frau 
Hulda,  frau  Venus,  doch  diese  ausdrucksweise  beginnt  erst 
im  12n  oder  13n  jh.,  ich  glaube  nieht,  dafs  man  im  8n  oder 
9nJrouwa  als  blofsen  titel  vor  eigennamen  setzte,  die  ags. 
und  alts.  mundart  haben .  das  ahd.  fi%ouwa  überhaupt  nicht, 
späterhin  scheint  es  aus  der  hochdeutschen  in  die  nieder- 
deutsche, bis  in  die  niederländische  und  friesische,  einge- 
drungen, mhd.  lesen  wir  freilich  allenthalben  vrowe  Jüno, 
vrowe  Pallas,  wie  her  Jupiter •,  her  Adam  und  vrowe  nah- 
tigal;  in  den  meisten  anreden  wird  betitelt,  aber  ü.  und  N, 
verwenden  frouwa,  frowa  nicht  so.  Maria  heifst  auch  spä- 
ter niemals  frau  Maria,  sondern  entweder  Jungfrau  Maria, 
oder  sente  Maria,  oder  unsere  frau  Maria  (wie  bereits  im 
Essener  fragm.  üsero  fruon  sancte  Mariun),  was  mehr  als 
titel  ist.  0.  1,  3,  31.  1,  5,  7.  1,  7,  1  hat  nur  sancta  Ma- 
ria; N.  ps.  21,  11  Jone  Mariun  wombo;  ps.  79,  18  Marim 
sun.  niemals  ertheilt  0.  einer  Elisabeth,  Magdalena,  Mar- 
tha den  titel  frowa,  noch  N.  im  Marc.  Cap.  einer  Juno, 
Minerva,  scheint  also  frua  Folla  unstatthaft,  so  mufs  Frua 
ein  von  Folla  verschiednes  wesen  sein,  ich  habe  Folla  für 
die  göttin  des  reichthums  gehalten,    lieber  als  für  den  Voll- 


190  ZU  DEN  MERSÄBURGER  GEDICHTEN. 

mond,  weil  weder  bei  der  nord.  Fulla,  noch  bei  Abundia  und 
dem  lettischeu  Pilnitis  des  monds  gedacht  wird,  nach  dem 
Volksglauben  spendet  auch  der  neumond  mehr  fülle  und  Se- 
gen als  der  Vollmond  (litth.  pilnatis,  goth.  fulhps).  wie 
sich  aber  Abundia  und  Diana,  Hulda,  berühren,  könnte  den- 
noch bei  Fulla  der  Mond  in  betracht  kommen. 

4.  wäre  frau  Folla  recht,  so  müste  es  auch  Sinthgund 
sutma  sein,  und  Sinthgund  den  eigennamen  der  sonne  bil- 
den, einen  Solchen  fuhrt  sie  nun  nirgend,  ohschon  der  ihm 
nachgewiesene  sinn  auf  sie  wie  auf  ihre  Schwester  anwend- 
bar wäre,  würde  aber  dann  nicht  bloCs  Sinthgund,  mit  wcg- 
labung  des  appellativs  sunna  gesagt  worden  sein,  der  sonne 
nicht  notwendiger  das  prädicat  frau  gebühren,  als  der  Folla, 
selbst  wenn  diese  der  mond  wäre?  in  der  handschrift  ist 
naoh  Sinktgunt  der  den  haupteinschnitt  des  verses  bezeich- 
nende punct  gesetzt,  und  im  folgenden  vers  könnte  er  hin- 
ter Frua  ebenfalls  stehn.  dürfte,  wenn  frua  blofser  titel 
wäre,  zwischen  ihm  und  dem  eigennamen,  so  wie  zwischen 
dem  eigennamen  Sinthgund  und  dem  appellattv  sunna  die 
metrische  ruhe  eintreten?    ich  zweifle. 

Sind  nach  allem  diesem  Frua  und  Folla9  Sindgimd  und 
Sunna  vier  eigene  göttinnen,  drückt  ira  ejus,  folglich  schwe- 
sterschaft je  zweier  unter  einander  aus,  so  darf  das  weg- 
bleiben der  copula  dem  nach  stuont  (gramm.4,216. 346.950) 
an  die  seile  gesetzt  werden*  und  auf  weitere  bestätigungeo 
hoffen,  ich  führe  noch  einige  stellen  aus  der  edda  an.  I$6tfr9 
AsMJr  Olmo&ssynir  Saem.  116";  Ani9  Omi  ovo  bormr  Am* 
grims  synir  116b;  Amr  ok  Iöfiir,  Mär  115b$  Vinhiürg, 
Valbttrg  235  b ;  gldar  Gullinbnrstiy  Hüdisvini  114%  diese 
letzte  fögung  ist  zweideutig,  da  Hüdisvini  auch  der  dat. 
sein  könnte  und  dann  das  comma  unterbliebe,  aus  der  rahd. 
poesie  lafsen  sich  vielleicht  befsere  beispiele  sammeln,  als 
folgendes,  Nöupatris,  Eskelabön  der  manegen  pris  bezaiit 
Wh.  106,  23. 

JAC,   GRIMM. 

*  auch  zwischen  herod  uoder  im  ersten  gedieht  scheint  die  copul»- 
gleich  absichtlich  ausgeladen. 


toi 


CHE  DE  MIHI. 

0 

Wenn  Hartmanns  reine  deutsche  spräche  einem  abt  die 
>etheuerung  cröde  mich  für  crede  mihi  zweimal  in  den  mund 
egt  (Gregorius  853.  1456),  so  mufs  sie  unter  den  kloster- 
euten  sehr  im  schwang  gewesen  sein,  auch  Reinmar  von 
Zweter  MS.  2, 124*  sagt  diu  glihsenheit  diu  birg  et  vil  un- 
feines, —  dur  Juden  und  dur  vürsten  golt  s6  ist  man  ir  ze 
Röme  holt,  ir  Cröde  mich  kan  schatses  wol  gevdren,  und 
lochmals  MSH.  2,  203 a  da  trüwe  ich  nimmer  vinden  süeze 
iäle9  crSde  mich  (:  sich),  auch  im  Waltharius  807  wird 
nihi  crede  eingeschaltet,  und  man  darf  Otfrieds  giloubi  thu 
nir9  thas  giloubi  thu  mir,  thes  giloubi  thu  mir  (2,  14,61. 
S,  20,  178.  4,  5,  34),  thaz  giloubet  ir  mir,  thes  giloubet 
r  mir  (4,10,6.  19,53)  oder  giloubi  minän  worton  (5,7,4. 
13, 4)  schon  für  eine  blofse  Verdeutschung  dieser  formel  hat- 
en,  so  natürlich  auch  die  eigne  spräche  auf  den  ausdruck 
ührt.  was  ich  aber  hier  bemerken  wollte  ist  da£s  noch  im 
17n  jh.  in  dem  niederrheinischen  kloster  Rommersdorf  eine 
speise,  seien  es  klöfse  oder  ein  backwerk,  unter  dem  namen 
rrede  mihi  verabreicht  wurde;  ein  Heimbacher  weisthum  von 
1627  (1,  619  meiner  samluug)  besagt,  der  alt  burgemeister 
empfanget  den  hqffneren  im  closter  30  crede  mihi  vnd  ein 
ituck  keefs,  das  vber  19,  doch  ?iit  20  heller  werth  sei.  im 
Bennebergischen  hiefs  nach  Reinwald  1,  70.  2,  62  eine  ge- 
wisse art  klöfse  herr  gott  behütes,  oder  abgekürzt  blofs 
hütes. 

JAC.  GRIMM. 


DAS    ER    ORTLICHER  APPELLATIVE 

UNADJECTIVISCH. 

Den  schein  des  adj.  hat  höchstens  der  nom.  sg.  masc. 
11  Nürnberger  tand,  Berliner  witz,  Frankfurter  kaufmann, 
las  uns  fast  wie  guter,  schlechter,  alter  lautet,  doch  in  al- 
en  andern  fallen  schwindet  er,  Nürnberger  tan  des,  Berliner 


102    DAS  ER  ÖRTLICHER  APPELLATIVE  UNADJECTIVISCH. 

waare,  Frankfurter  geld.  dies  unveränderlich  haftende  er 
unterscheidet  sich  also  auch  von  organischen  adj.  auf  er, 
wie  mager 9  heiter ,  die  überall  flectieren.  es  ist  nichts  als 
der  vorgesetzte  gen.  pl.,  den  die  frühere  spräche  oft  auch 
dem  regierenden  subst.  nachsetzt,  z.  b.  ein  Schilling  Regens- 
burger 9  Co^a»^er= Regensburger,  Cos  tanzer  Schilling,  wie 
man  ihn  zu  Regensburg,  Costanz  ausprägte,  die  ahd.  spräche 
sondert  jenen  festen  gen.  pl.  -dro  bestimmt  von  guoUr  und 
magar.  wenn  nun  allen  eigennamen  und  örtlichen  appella- 
tiven  ein  grofser  buchstab  gebührt,  so  folgt,  dafs  er  jenen 
gen.  nicht  entzogen  werden  darf,  und  es  unrichtig  ist  zu 
schreiben  leipziger  druck,  berliner  handschrift  statt  Leipzi- 
ger, Berliner. 

JAC.  GRIMM. 


FRAU  KEIN  WILDES  THIER. 

Schon  gramm.   4,  650  ist  auf  redensarten  hingewiesen 
worden  die  mir  uralt  scheinen,   will  eine  frau  ihrem  gelieb- 
ten seine  Müdigkeit  vorrücken,    so  sägt  sie  ihm  Ich  war  ja 
kein  wildes   thier  das   du  zu  meiden  brauchtest,      bei  dem    . 
von  Kürenberg  MS.  1,  38b  jo  enwas  ich  niht  ein  eber  wilde, 
als  der  liebhaber  sich  nicht  sie   zu  wecken  getraut  hatte. 
Iwein  2269  ir  möhtent  sitzen  näher  baz,  min  vrouwe  bizet 
iuwer  niht.     MS.  2,  195b  sin  möht  mit  linden  henden  mir* 
niht  ersldn.  auch  unser  noch  gebräuchliches  einem  den  zahr* 
weisen  kann   dazu  genommen   werden:    si  zeiget  mir  der* 
wolves  zant  Ben.  386.     es  mufs  andere  stellen  mehr  geben.  9 
deren  ich  mich  jetzt  nicht  entsinne. 

JAC.  GRIMM. 


103 


MARIENLIED. 

Der  herzoglich  nqfsauische  oberschulrath,  herr  dr  Frie- 
ann,  director  des  centralarchives  zu  Idstein,  hatte  die 
?  mir  eine  im  anfange  und  am  ende  defecte  pergament- 
dsckrift  eines  lateinischen  psalteriums  mitzutheilen,  die 
n  dem  ehemaligen  marienkloster  zu  Amstein  aufgefun- 

hatte,  in  welcher  auf  den  letzten  blättern  ein  deutsches 
ienlied  steht. 

Die  handschrift  ist  in  kleinoctav  und  gehört  in  das  drei- 
rite  oder  vierzehnte  Jahrhundert;  die  spräche   aber  so 

die  reime  weisen  auf  eine  bedeutend  frühere  zeit,  so 
i  wir  also  nur  eine  abschrift  eines  von  einer  frau  ge- 
beten frommen  liedes  vor  uns  haben:  diu  buoche  (das 
h),  alinc  (unversehrt,  ganz),  andouge,  du  statt  diu  im 
'rumentalcasus  so  wohl  als  im  nominative  und  accusative, 
l  mehr  der  art,  laßen  an  der  ßiiheren  entstehung  des 
'es  nicht  zweifeln. 
Ich  füge  hier  noch  bei  dafs  der  folgende  abdruck  sich 

eine  von  mir  selbst  genommene  abschrift  gründet,  in 
zher  ich  nur,    des  leichteren  lesens  wegen,   den  vocal  i 

einem  puncte  versehen  habe ;  alles  übrige,  so  wie  auch 

interpunction,  gibt  treulich  die  handschrift  wieder. 
GÖTTINGEN,  apr.  7.  1842.  G.  F.  BENECKE. 

I        Die  vier  ersten  Zeilen  sind  ausgekratzt. 

werlt  van  der  sunnen  vz  geit  ane  ser  5 

vnd  an  arbeit,    daz  kint  daz  himel  und 
erden  soide  er  frouwen.    daz  ze  storene 
qua  uiisen  ruwen.    an  aller  slahte  ser  iz 
uan  dir  qua.    alsiz  godes  kinde  alleine- 
me  gezam.    Van  der  sunnen  geit  daz  10 

dage  liet.    sine  wirdet  umbe  daz  du 
dunkelere  niet.    hog  bewollen  ward 
din  megedlicher  lif.    allein  gebere  du 
daz  kint  heiügez  wif.    Sint  du  daz 
'•  F.  D.  L    II.  13 


10 


194  MARIENLIED. 

kint  gebere.    bit  alle  du  were.    luter  unde        15 
reine  uan  mannes  gemeine*    swencn  so 
daz  dunket  unmugelich  der  merke 
daz  glas  daz  dir  is  gelig'    daz  sunnen 
liet  schinet  durg  mittlen  daz  glas,    iz 
is  alinc  unde  luter  sint  alsiz  edes  was.  20 

durg  daz  alinge  glas  geit  iz  in  daz 
hus.    daz  uinesternisse  uerdriuet  iz  dar 
uz  Du  bis  daz  alinge  glas  da  der 
II     durg  qua.    daz  liet  daz  uinesternisse  der 
werlde  benam.    uandir  schein  daz  go- 
des  liet  inalle  die  lant.    do  uan  dir  ge 
boren  warth  unse  heilant.    iz  belubte 
dich  und  alle  cristenheit.    du  inden  5 

ungelouuen  uerre  was  uerleit.    iz  uant 
dich,    iz  liz  dich,    bit  alle  luter  alse  du 
sunne  deit  daz  glase  uinster.   luden 
die  ug  willen  ce  gode  keren.    merket 
daz  glas  daz  mag  ug  leren.   Inder 
buche  lese  wir.    daz  ysaias  uane  dir. 
alsus  hauet  gesprochen,    die  wort  die 
sint  belochen  "Wz  uan  iesse  sal  wahsen 
ein  rvde.   uffe  der  rüden  sal  wahsen 
ein  blüme.    ander  blumen  sal  gervn  * 

der  heilige  geist.    her  sal  sie  gesterken 
bit  allen  sinen  crefden.    uan  ime  sal  sie 
du  godes  craft  entfan.    da  mite  sal  sie 

den  uiant  erslan.   meinet  du  rüde  dig 

20 
heilig  megedin.    bedudet  du  blume 

din  drut  kindelin  Oug  saget 

uns  alsus.    du  buch  du  der  heizet  exo 

dus.    daz  moyses  ein  heilig  man.    sag 

III     einen  busch  de  der  bran.    den  busch  du 

flamme  beuienc.   ie  doch  her  niet  ne 

cegienc.   her  bran  unde  louvede.    daz 

für  ime  nine  scadede    Schein  uan 

deme  busche  daz  für.    daz  meinede  daz 

uane  dir.    got  hie  in  erden,    erberwet 

111,  6.  deutlich  erberwet  in  der  hs. 


MAR1BNLIED.  195 

solde  werden,   grunede  daz  löf  indeme 

füre,   blüde  der  din  magedum  inder 

geborte,   der  busch  behielt  da  sine  sco- 

necheit.    so  dede  din  heilig  lif  da  sine  10 

reinicheit.    Dines  magedämes  blü- 

me  grünet  ie  nog.   du  heizes  unde  bis 

mader  ie  doch/  daz  is  daz  wunder  daz 

niene  gescag.   daz  nie  ore  negehorde 

nog  onge  ne  gesag.   Oug  bezechene-  15 

de  dich  wilen  de  mandelen  zuig.    de 

uore  gode  blöde  daz  was  i&rones 

rüde,   de  sament  bit  den  blumen'erou 

nede  die  mandelen.   Du  porte  besloz 

zen  gode  alleineme  offene  du  ezechi  20 

eli  erschein,   si  was  oug  diner  ceichen 

ein.   Man  liset  oug  ander,   uil  manig 

wunder,   damide  din  geburd  wilen. 

uore  gekündet  ward.   Med  ich  dusent 

munde  gesagen  ich  niene  künde  en 

vollen  des  wunderes,   daz  uan  dir  ge 

scriuen  is.   iznemogen  alle  zungen 

gesagen.    nog  ges .  diiiei4  5 

eren.   nog  dines  loues  enuollen  Der 

himelischer  hof.   singet  aller  dinen 

lof.   louet  dig  cherubin.    eret  dig  sera 

phin.    allez  daz  herie  der  heiliger  en 

gele  die  godes  andouge  Stent  uofi  10 

aneginne  propheten  und  apostolen. 

und  alle  godes  heiligen,   die  frowent 

sig  iemer  diu.    kunenclichez  mege 

din  ^iWale  muzen  sie  dig  eren*   du 

bis  müder  ires  heren  de  der  himd  15 

und  erden,   uan  eres  hiez  werden,   de 

bit  eineme  Worte  gescfif  du  werft 

alle  dem  alle  dinc  sint  uuder  dan 

19.    vielleicht  zu   befsern   eroügede.     vergl.  genes,    fundgr. 

5.  ohne  zivetfel  gesingen,  das  auch  nachher,  x,  %\f.t  mit  zungen 
for  diner  ist  noch  zu  erkennen  bit  alle. 

13* 


196  MARIENLIED. 

dem  uiet  ne  mag  widerstan.   dem 
alle  craft  gewichet  dem  niet  ne  ge  20 

liehet,   den  der  eret  und  uortet.    alle 
duse  werlt.    Baz  is  mir  lanc  zesa 
gene  wie  her  du  sis  ce  himele.   iz  enis 
V     oug  niemanne  kunt.    ane  den  seligen 
die  da  sint.    Des  eines  bin  ig  uan  dir 
gewis.    daz  frowe  sus  geret  bis.    durg 
die  dine  groze  gude.   durg  die  dine 
otmude.   durg  du  dine  suvercheit  5 

durg  du  dine  groze  mildecheit 
Van  du  anerüfen  ig  dich,    frowe  nu 
gehöre  mig.   aller  heiligeste  wif.   uer 
nim  mig  sundigez  wif.   allez  daz 
min  herze,    daz  fled  dir  bit  flize.  l0 

daz  du  mir  willes  genaden.    cedine 
me  sune  "helfen,   daz  er  durg  sine  gu 
de  miner  missedede  uergezze  bit 
alle  unde  mir  genaden  wille  bei- 
der mine  lidicheit  du  hat  mig  dik  ^ 
ke  uerleit.   daz  ig  uan  minen  seul 
den.   uerworte  sine  hulde.    frowe 
daz  is  mir  engestlich  her  umbe  so 
vorten  ig.    daz  er  sine  genaden  uan 
mir  sule  keren.   Van  du  flien  ig  % 
ce  dir  numuze  daz  stan  ane  dir 
wie  du  mir  mäged  milde  gehelfes 
siner  hulde.   hilf  mir  wares  ruwen 
VI    daz  ich  mine  sunden.   muze  gewei 
nen.  bit  inneclichen  Irenen  Hilf 
mir  bit  flize  daz  ig  du  hellewize 
niemer  ni  relide.   dad  ig  oug  vermi 
de  hinne  uord  alle  dine  die  wider 
godes  hulden  sint  "Wnde  räche 
mig  gesterken  in  allen  guden  werken, 
daz  ich  bege  minen  lif.   alse  die  heili 

23.  enis  ist  nicht  ganz  sicher;    man  könnte  auch,   und  vielleicht 
richtiger,  izn   is  lesen.  V,  3.    vor  sus  scheint  du  ausgefallen  *u 

sein.  VI,  4.  dad]  /.  daz. 


MARIENLIED.  197 

ge  wif  die  uns  aller  dugende  gege 

uen  hauent  bilede.    unser  müder  sa  10 

ra  du  otmudige.   anna  du  geduldi 

ge.  hester  du  milde,  iudit  du  wizzi 

ge.  und  andere  die  frowen.  die  in  go- 

des  forhten.  hie  sig  so  betrageden.  daz 

sie  gode  wole  behageden.  Oug  na  di  15 

ner  gude.  na  diner  otmude.  müz  ig 

gescheppen  minen  lif.  des  hilf  mir  hei- 

ligez  wif/  an  dine  hant  ig  begeuen 

mig  und  allez  daz  min  leuen.  dir  be 

velen  ig  alle  mine  not.  daz  du  mir  20 

willes  sin  gereit  in  swelechen  minen 

noden  ig  dich  iemer  ane  gerufen  Fro 

we  diner  hende  beuolen  si  min  ende/ 

und  räche  min  gewisen.  und  mich  er 

losen  uz  uander  grozer  not  suanne 

so  der  leide  dot  ane  mir  sol  gescheiden " 

den  lif  uander  seien  Inder  grozer 

engeste  cum  du  mir  ce  tröste/  unde  hilf  5 

daz  min  sele  werde  ce  deile.  den  lie 

uen  godes  engelen.  niet  den  leiden  du 

uelen/  daz  sie  mich  dare  brengen.  da 

ig  muze  uinden.  du  eweliche  frowede 

die  da  hauent  ce  himile/  die  fil  selige  10 

godes  kint  die  dar  zu  irwelet  sint. 

Daz  ig  muze  scowen  den  unsen  lieuen 

herren.  den  unsen  scheppere,  den  unsen 

heilere  der  uns  gescvf  uan  niwete.   der 

vns  oug  gecoufte/  bit  sines  sunes  blö  15 

de  uan  deme  ewigeme  dode.   "WVer  sal 

mir  des  gehelfen,   wer  sal  mig  so  geluteren 

daz  ich  des  wirdich  muze  sin.  daz  saltu 

ific  herre  min.  gif  mir  herre  dinen  ge 

ist  wantu  selbe  wale  weist,  alle  mine  20 

crancheit.  und  alle  min  unwizigheit. 

daz  ig  muze  scowen  bit  den  minen 

ougen/  din  unuerloschen  liel  daz 

ne  were  du  mir  niet/  daz  is  der  ewige 


i 


Jt 


« 


198  MARIENLIED. 

lif.  daz  is  daz  ig  armez'  wif.  bit  diner 

helfen  suchen  daz  la  mig  herre  uinden. 

Des  sie  min  bode  cedir.  dines  selues  m&der/ 

owie  selig  bin  ich  dan.  of  sie  mig  wil-  5 

let  fore  stan.  Jflaria  godes  druden. 

maria  trost  der  armen/  niaria  Stella 

niaris.  zufluht  des  suaderis.  porce  des 

himeles.  burne  des  paradises/  dan  ans 

du  genade  uz  gefloz  du  uns  eilenden  10 

entsloz  daz  unse  rehte  uater  lant.  nu 

gif  uns  frowe  dine  hant.  UTise  uns 

uz  gehelfen  uon  dere  grozer  dufenen 

•  •  •  • 

daz  is  des  duveles  gewalt.  dar  uns  in 
hat  geualt/  eua  unse  müder  nu  flie  15 

wir  alle  zu  dir.   Wir  weinen  unde 
suften.  ce  dinen  lieuen  uvzen/  la  du 
dich  irbarmen/  die  not  die  wir  armen/ 
indirre  dale  helden  manege  wis  uer 
dulden.  Stella  maris  bis  tu  genant.  20 

na  deme  sterren  der  an  daz  lant.  daz 
müde  schif  geleidet  dar  iz  cerasten 
beidet/  geleduns  an  ifim  dinen  sun 
IX    Auf  dieser  seite  ist  nur  zu  erkennen  dqfe  das  was 
darauf  stand  deutsches  war.  aber  alles  ist  ausge- 
kratzt, zu  lesen  ist  nur  als  zweite  häffie  der  leb- 
ten zeile  daz  er  sie  behu- 
X     de  naht  unde  dach,  uan  aller  slahten 
ubele  daz  in  gewerren  mach,  daz  er 
in  geuen  wille  die  sine  lieuen  hulde 
unde  celezzes  uns  gesamene  in  deme 
ewigeme  leuene.  Jflaria  milde  ku  5 

ningin.  nu  muzes  tu  gelouet  sin/  der 
diner  o tarnte,  und  aller  diner  gfide/ 
dar  umbe  dig  crist  gen  am.  ce  müder 
als  iz  wale  gezam/  daz  den  aller  bez 

VIII,  8/  porce  deutlich  in  der  hs.,  aber  wohl  nur  schreüffehkr 
statt  porte.  19.  genau  so  in  der  hs.  23.  das  wort  sun  kan» 

auch,  und  vielleicht  richtiger >  vil  gelesen  werden. 

X,  $.  \0.  bezzestes  fehler  der  hs.,  I.  bezzesten. 


MARlENLifiD.  199 

zesles  mau  der  ie  induse  werlt  quam.  10 

daz  bezzeste  wif  gebere  du  in  wiues 

kunne  were.  Bfu  muzes  tu  gelouet 

sin  maria  unse  uogedin.  trost  der 

cristenheide.  schilt  der  unser  brode 

cheide/  maria  grä  plena  du  bis  uol  15 

aller  gnaden/  des  heib'gen  geistes  er 

cornez  uaz.  daz  er  cedisen  eren  sun 

derliche  erlas/  uz  uan  allen  wifen. 

die  der  ie  geboren  wurden.  Milde 

maria.  genedige  maria.    süze  maria  20 

dinen  lof  muzen  singen,  aller  slah 

te  zungen  /  und  alle  du  gescheffede 

du  der  is  in  erden  of  in  himele.  diu 

Die  folgende  scite  ist  ausgetilgt  und  unleserlich. 


GOTTHICA  MINORA. 

1 

Zu  band  1  s.  311  ff. 

Die  s.  314  ausgesprochene  beziehung  des  von  Bonaven- 
tura Vulcanius  herausgegebenen  commentariolus  docti  cuius- 
darn  viri  anonymi  auf  Richard  Strein  dürfte  der  weiteren 
besprechung  nicht  unwerth  sein,  die  a.  a.  o.  genannte  hand- 
schrift  von  Leyden  (Vul.  92c)  liegt  in  ihrem  ganzen  inhalte 
jetzt  vor  mir  und  gewährt  bei  näherer  betrachtung  manche 
eigenthümliche  beziehung. '  ich  schildere  sie  daher  noch  etwas 
näher. 

1 .  der  inhalt.   s.  1   enthält  a)  Alphabetum  Gethicum,  dar- 
unter die  worte  fuyjtfTGAqQ,    <J)|\i|Ui  rijt)uui  jMj*STQA.euJ>. 

aiuuaggelgo     thairh  marcu      anastodetth 

darunter  b)  ORATIO  DOMINICA  (gothisch)  bis  auf  s.  2> 
welche  noch  enthält  SALVTATIO  ANGELICA.—  s.  3 
CANT1CVM  VIRGINIS,  mit  lateinischer  Übersetzung  über 
den  Zeilen  und  Wörtern,  bis  s.  4.  —  s.  5  bietet  Canticum 
Stmeonis,  blofs  gothisch. —  s.  6  bis  10  sind  leer. —  s.  11 
und  12  enthalten  die  s.  315  bereits  besprochenen  kammer- 
rechnungen  oder  notizen  von  Richard  Strein,  die  wir  hier 
mittheilen. 


200  GOTTHICA  MINOR A. 

s.  11  Ad  Cces.  Ca.  aulicam. 

Die  key.  ml  weißst  sicher  disen  bewilligung  vnd  ist 
wol  zuerjnnert.  vnd  diewayl  er  ein  tool  verdeinster  schuh 
So  ist  der  (über  der  steht  jr)  mx.  will  das  dasselbige  dem 


zo 


supplicantenn  vnuersagelich  gereicht  werde,  Darumb  jr  M\ 
beuelch  ist  dafs  jr  M  koy serlicher  (diese  drei  worte  in  leer 
gelafsenen  räum  mit  schwärzerer  tinte  eingetragen)  hqfcämer 
also,  vnd  das  der  supplicant  nitt  lenger  auffgehaltenn  werde 
anzureichen  (ausgestrichen,  darüber  anzuzeien).  per  tmpe- 
ratorem  15*  Julij.  69. 

praesentata  fuit  hose  requesta  22a  Junij  zu  sehen  obs 
nicht  zuuor  den  Jesuws*  beuelh.  oder  in  recknung 

26  Julij  68. 
Georg  Lanng.   solle  Georgio  Cassandro  200  goldt  Gulden 
zuestellen 

13  Decembris  A°  p  65. 
s.  12  (abgeschnitten  und  weiter  gerifsen)  .  .  auff  die  ...  . 
.  .  Lieber  Her  hqffzallmaister  willet  dem  supplieäten  diese 
zwe  hondert  goldt  guldenn  van  stundan  betzalenn,  vnd  ob 
ires  jm'ambt  nicht  hetet  aufs  bewiegerung**,  vnd  b  am 
ersten  gelt  wider  erstaten  19  Julij  68.  Vndertzeckent 

Strein. 
2.  innere  eigenthümlichkeiten.  bekundet  schon  das  letzte 
wort  vor  der  Unterschrift  des  namens  Strein,  Vnderzeckent 
einen  Niederdeutschen  oder  Niederländer,  so  bestätigen  dies 
einige  über  die  lateinische  interlinearversion  zum  canti- 
cum  virginis  geschriebene  deutsche  Wörter,  nämlich  über 
hHjHyeiUftt  und  humilitatem  das  niederdeutsche  nedricheit, 
und  über  rURiA(Jmtrrjms  und  superbos  —  hogdenckende,  und 
über  FjiSQruVft  und  impleuit — gesedigen***. 

Vergleicht  man  die  gothischen  texte  bei  Vulcanius  und 
hier  bei  Strein  näher,  so  ergibt  sich  1)  die  gröste  ähnlicbkeit 
in  beziehung  der  alphabete ;  man  sehe : 

*  undeutlich,  ebenso  das  darüber  geschriebene  er ... .  and  das  dar- 
unter, neben  reckung  stehende  Jres  maj  ztjn. 

#*  oder  aufs  bewiegerum;  darüber  unleserlich  ringchen,  ob  aus 
aufibewiegeren  gemacht  ist  ausbringhen  ? 

***  über  tlA6BlAjl  und  suseepit  steht  hebet  auff. 


GOTTHICA  MINORA. 


201 


Vulcanius 
Br&6|;QhH 

IKAMNQnOjlS 

n  n  <\>  z  X 

b9  c,  d9  e,  f9  g9  A,  eta9 
i,  k9  l9  m9  n9  o9  p,  q9  r,  s, 
v9  u>  y9  z9  eh. 


Strein 


eta 


f\^f\  bb   r  b  66  fc  q  Ji  H 

/ 

th  o 

(|)lKAMNöne^S 


t  uu  n  y  z  x 

v         u  z    ch 

[Ji.  B.  6.  il    gibt  Str.  in 
verschiedenen  formen.] 


selbe  folge  der  buchstaben;  dann  dieselben  irrthümer, 
°%  eta9  v  st.  qv9  dagegen  0  als  q,  dieselben  fehler  (g  st.  j) 
dem  bei  Strein  gleich  folgenden  anfang  des  evangelii  Marci 
i  Vulcan.  s.  66),  nur  dafs  Str.  aiuuaggelgo,  Vulc.  Ai- 
nggelgOy  überdies  noch  Marcum  schreibt;  im  gothischen 
>en  übrigens  beide  hier  <})j\lKh  Hjuum. 

2)  bei  Strein  folgt  das  vaterunser,  das  Vulcan.  s.  32 — 34 
t.  gemeinsam  ist  hier  beiden  das  1,  s.342  schon  bespro- 
na  Mj\tiS;  Vulcanius  zeigt  (s.  33,4)  am  ende  der  zeile 
p}>j\  st.  yjiiju})jtt  bei  Strein;  des  Vulc.  auslegung  s.  35 
lanfsigaima  erklärt  sich  (während  er  s.  34  abbricht  mit 
lAj\HS  und  35  mit  SlQjttMjV  anhebt)  aus  Streins  SKUAjtHSSi- 
H^ ;  Strein  schliefst  s.  1  mit  svasvejah  und  beginnt  s.  2  mit 

briggais.  uns.  in.  fraist.  \  ubnjai.,  läfst  also  aus  (durch 
;)  vais  aflötum  thai  skulam  unsuratm  jah.  Strein  setzt 
lfach  punete  zwischen  den  Wörtern :  so  nach  namo  thein.  — 
udinassus  theins.  und  von  himmadaga.  an  fast  hinter  jedes 
rt  bis  zum  schlufs.  Strein  hat  TiB'eAiN  (mit  absichtlich  ver- 
wärztem  e)  —  beweis  dafs  er  in  seiner  Urschrift  wie  Vul- 
lius  richtig  UBiAiu  vor  äugen  hatte. 

3)  in  dem  bei  Strein  nun  folgenden  englischen  grufse 
ulcan.  s.  31)  verbindet  Str.  j\HSTjHj\neij\hj\Jrrj\,    eben  so 

lc.  f\HST^n  |  ajthjtjrrjt;    Vulc.  bietet  ^,    Str.  nur  f^\ 

gegen  im  folgenden  lobgesang  Mariae  mit  jenem  j^N,   wie 

und  im  Cant.  Simeon.  beide  ^);  beide  geben  das  umge- 


202  GOTTH1CA  M1NORA. 

kehrte  n  st.  u  in  niHQH  und  ni<J>j\HS,  eben  so  beide  «Jnn^RQA 
K)lj\N  (Vulc.  daher  thiu  thidol  kran)*. 

4)  im  lobgesang  M.  beide  (nach  dem  silbernen  c.)  Mtküeid 
und  Sveigneid,  beide  auch  gleich  trennend  HlKiA6i&SjU  yjkAjk> 

eben  so  &n  r<J>  j\,  welches  fk  Str.  durch  articulus  erklärt,  wie 
in  Ali  h  HjMyeiHjM  (eben  so  trennt  Vulc.)  das  h  ihm  articult) 
sein  mufs,  j\  articulus  wieder  als  iS)ij\6A  j\  (eben  so  setzt 
Vulcan.  ab).  Str.  giebt  uj\sqj\uj\  (Vulc.  richtig  H^SQjkHd) 
und  drüber  salutare  (salvatore)  meum  (H6iUfmHj\ !) :  beweis 
falscher  abschrift  im  goth.  wie  im  latein.  —  Strein  gibt  weiter 
falsch  seiHjHSQS  (Vulc.  richtig  seiujuzas).  beide  verbinden 
wieder  j^HlutiMjiN  itj\ru\j\rqj\H  st.  fram  himma  nu  au- 
dagjand).  Vulcanius  Holzschneider  sah  und  schnitt  HlSlMlRl- 
A6iu(Str.  hat  jenes  i  nicht),  beide  wieder  trennen  Hj^rl  ölS 
(nomen  ejus),  und  verbinden  (J)6iHQrjlN«vj\ri,  wo  Str.  im  bei 
beiden  falsch  mit  6  geschriebenen  tyjUtt  deshalb  nicht  den  arü- 
kel  sieht  (er  setzt  blofs  timentibvs  über),  beide  verbinden  und 
theilen  ferner  (am  ende  der  zeile)  mKiA(JmhT^NSr^|hnr&jU$ 
Vulcanius  bezeichnet  richtig  am  ende  der  Zeilen  ns- 1  hjttihlAjV 
und  tiHjM-lyi^HS  und  ajui-|sjihs  rjmn- 1  njin&s,  weil  sie 
auch  Streiu  verbindet;  er  trennt  auch  lNSj\N-|AW^\  and 
rj\MRNj\- 1  Mas ,  wie  Vulcanius  am  ende  HN-|a^iy.  Strein 
schliefst  schon  mit  j\jttij\tij\iKTeiNS  -  syj\S(J)e,  während  seine 
s.  räum  genug  bot  mit  Vulcan.  zu  schliefsen  rodida  du  attam 
unsaraim  Abrahama  ja  fi*aiv  ts  und  aiv.  beide  geben  wieder 
gleich  rj\  h  hju-  |  yia^ns  Vulc,  rj\  h.  | Ujuyia^us  Str.; 
Strein  fehlerhaft  tiA6BU\j\  st.  Vulc.  hAeiBie^v,  beide  (mit 
oder  aus  cod.  Argent.)  (Jnrmjirn  zu  seinammu. 

5)  gleichmäfsig  nach  dem  silb.  cod.  im  Canücum  Simeo- 
nis  (Vulc.  s.  41)  beide  (und  beide  gleichm.  getrennt)  foty 
AeiTjViS ;  beide  ferner  gleich  fehlerhaft  rjvyjvip))rj* ;  während 
aber  Vulcan.  jtfii\QNj\  schneiden  liels  (ähnlich  Str.  voraas 
J^juin- 1  uqu<v  st.  Vulc.  }^jmri-  [ nqn«v),  schrieb  Str.  nur 
jtflQNjl,  verleitet  durch  das  vorausgehende  n.  Strein  gibt  mit 
ausgewischtem  H  blofs  Hj\uj\  ]  yi&es,  beide  wieder  den  glei- 
chen fehler  (gleichmäfsig  getrennt)  in  j\n  j\u«vyjHj<4>qj^  Str. 
weiter  hin  <Jnn&QN,  Vulc.  richtig  (|)in<VQH,  Str.  endlich  ver- 

'  vgl.  bd.  1,310. 


GOTTHICA  MINORA.  203 

m 

schrieb  <}>eNj\i,  strich  es  durch  und  wiederholte  mit  der  neuen 
zeile  t^iNGi. 

Alle  diese  einzelheiten  beurkunden-  hinlänglich  eine  und 
dieselbe  quelle  für  Vulcanius  und  Strein,  nur  dafs  letzterer 
blofs  texte  abschrieb,  Vulcanius  dieselben  anders  geordnet 
wieder  gab.  natürlicher  folgt  aber  bei  Strein,  obschon  nach 
der  Überschrift  des  evangelii  Marci  nochmals  das  vaterunser 
aus  Matth.  6,  9  steht,  der  engl,  grufs  —  der  lobgesang  M. 
—  der  lobgesang  Simeons  (d.  i.  Lucas  1,  28  —  1,  46  — 
2,  29)  als  bei  Vulcanius  s.  1  das  aiphabet,  s.  31  der  engl, 
grufs,  s.  32  das  Vaterunser,  s.  36  der  lobgesang  Mariae, 
s.  41  der  lobgesang  Simeons,  endlich  s.  66  die  stelle  Marc. 
6,  4  (non  est  propheta  nisi  in  patria  sua  mit  den  fehlem 

ihist  n|qm}tfTns  |  «ins  ye^s   nibjun  |  irjui)u)>ju  ssinju. 

sieh  bd.  1,   s.  324  u.  325)  und  die  Überschrift  des  evangelii 
Marci. 

2 

Zu  band  1  s.  377  ff.  Gothisches  in  Spanien. 

Paulus  Piasecius  episcop.  praemisl.  sagt  in  seiner  Chro- 
nica gestorum  in  Europa  singularium  (Gracoviae  1645  fol.) 
s.  48,  wo  er  von  den  Gotheii  und  Vandalen  spricht,  Quod 
vero  potissimum,  me  procurante,  Adamus  Makovius,  dum  in 
Hispania  a.  1622  obiret  legationem  a  Sigismundo  m  Rege 
Poloniae  apud  Philippum  iv  Hispaniae  regem,  perquisivit 
ibi  summa'  diligentia  monumenta  Gothorum  Vandalorumque 
ac  invenit  multa,  etiam  sacram  Hebraeorum  historiam* 
Gothica  lingua  scriptam,  quae  cum  a  Suecis9  qui  erant  in 
aula  Sigismundi  regis  non  pauci  viri  docti*  comparareniur 
tum  vulgari  tum  obsoletiori  demumque  cultiori  scriptae  lin- 
guae  Sueticae  et  Germanicae,  nee  unicum  verbum  reperiri 
potuity  in  quo  una  alteram  vocis  aut  syllabarum*  vel  ety- 
mologiae  significationisve  proprietate  assimilaret.  quin  imo 
et  in  publicis  inscriptionibus  vetustis,  quae  in  Suecia  plu- 
rimae  praesertim  circa  oppidum  Telga  visuntur,  ne  minima 

*  das  mute  doch  wohl  das  alte  testament  sein,  vorher  sagt  er  in 
isla  gente9  ex  qua  natus  d.  Hieronymus,  eadem  lingua  slavonica  sa- 
cram Hebraeorum  historiam  vertit,  ut  ipsemet  in  apologia  contra 
Rußmim  testetur. 


204  GOTTHICA  M1N0RA. 

qiddem  similitudo  invenitoir  sermonis  vel  characteris  Gothxcu 
illudque  vulgare  Gutthland  non  Gothicum  sed  Germanicum 
est  nomeny  ob  bonitatem  soli  certae  ibidem  regioni  inditum. 
quod  nolant  etiam  geographi,  ut  Petrus  Bertius  in  descri- 
ptione  Uhus  regionis.  imagines  autem  anliquae  Gothorum 
et  Vandalorum,  quae  ibidem  in  Hispania  alicubi  vismtur, 
referunt  vestitum  Sarmatico  similem,  sed  his  carptim  anno- 
tatis  ad  propositum  redeamus. 

Hätte  der  gute  mann  doch  nur  eine  probe  mitgetheilt. 
die  imagines  Gothorum  erinnern  an  das  Standbild  Theodo- 
richs in  Neapel  (band  1  s.  375);  die  erklärung  von  Goth- 
land  ist  nicht  schlechter  als  die  noch  heute  in  Schweden  ge- 
wöhnliche, eben  von  den  Gothen.  von  diesen  selber  sagt 
aber  Piazek  s.  48  Gothi,  Uli  inquam  bellicosi  Gothi  me 
Gethae  (idem  enim  sonat  utrumque  apud  omnes  erudito*. .-. .) 
an  sint  censendi  inter  gentes  Sarmaticas,  aliis  disculiendum 
relinquo;  keinesweges  aber  seien  sie  aus  Schweden  gekom- 
men, sondern  vom  schwarzen  meere  und  von  der  Donau, 
ebenso  seien  die  Vandalen  vom  sarmatischen  flufse  Vanda- 
lus  oder  Vistula  gekommen. 

H.  F.  MASSMANN. 


ERFURTER    GLOSSEN. 

De  nominibus  cognationum. 

Coloni.  locatum  agrum  colunt.  id  est  anderes  lantsexan* 
Inquilinus  inbvirthich.  Indigene.  inlendig.  ürbanus.  bürgere* 
Oppidanus  burgsezo*     Mancipium  quicquid  manu  capi  subdi- 
que  potest.   Libertus  urigelazin.  Libertinus  urigela%ins  sm* 
Manumissus  geuriethat.   Manumissor  dator  libertatis.   Dediü- 
cius  ein  hantgengo.    Genitores  a  gignendo  dicuntor.     idem 
parentes  quasi  parientes.  idem  et  creatores  a  cremento  quod 
est  semen  cuiusuis  generis  masculini  nominantur.  Auus.  se- 
cundus  pater.   auia.    Proauus.   tercius  pater.   Proauia.  Aba- 
uus  im  pater.  Abauia.  Attauus  v  pater.  Attauia.  Tritauus  vi 
pater.    tritauia.  Soboles.  filii   et  filiae  a   substitutione  uocati 
sie.  Liberi  id  est  filii  sie  appellati  ut  secernantur  a  seruis.  Po- 
stumus  dictus  quod  post  humationem  patris  nascitur.  Nothus  a 


ERFURTER   GLOSSEN.  205 

Qobili  patre  et  ignobili  matre.  Spurius  patre  incerto  matre  ui- 

dua  genitus.  quia  niuliebrem  naturam  ueteres  spurum  uocabant. 

Nepos  filius  filii.  Pronepos  tercius  filius.  Proneptis.  Abnepos. 

quartus  filius.    abneptis.    Adnepos.    quintus  ülius.    adneptis. 

Trinepos.  sextus  filius.  trineptis.  Patres  ante  genitores.  patres 

ante  proauum  dicti  uel  nominati.  Progenies,  filii  post  nepotem 

dicti.   Maiores  dicuntur  ante  tritauum  patres.  Minores  omnes 

post  trinepotem  dicti.  Agnati  ueniunt  per  uirilis  sexus  perso- 

nas.  id  est  Jitdermaga.    Cognati  ueniunt  per  sexus  feminini 

personas.  id  est  müdermaga.   Dicitur  etiam  proximus  magh 

id  est  propinquus  et  sanguineus.    Fratres  de  patre  nati.   ali- 

quando  gelandan.  quos  Laiini  paternitates  appellant.  Patrue- 

les.  quorum  patres  fratres  inter  se  fuerunt.   Fratrueles  mater- 

terae  filii.   hoc  est  muidirsuna*.   Consobrini  aut  ex  sorore  et 

fratre  nati.   aut  ex  duabus  sororibus.    Sobrini  consobrinorum 

filii.  Socer  et  socrus  parentes  sunt  mulieris  et  uiri.    et  dicitur 

a  sociando.  Gener  uir  qui  habet  filiam.   Nurus.  femina.  Leuir 

dicitur  frater  uiri  et  feminae.   Vitricus  priuignus.    Patruus. 

patruus  magnus**    propatruus.    abpatruus.  et  sie  de  amita. 

Auunculns.  auunculus  magnus.  proauunculus  et  sie  de  mater- 

tera.  Scemata  dicuntur  ramusculi  quos  aduocati  faciunt  in  ge- 

nere  cum  gradus  cognationum  parciuntur.    ut  puta  ille  filius. 

ille  pater.    ille  auus.   et  cetera.   Arrabo  daturpro  coniugio  di- 

eta  quasi  arrabona.  et  dos.   Pronuba  et  paranimpha  huuelspce- 

persa   Obstetrix  Matrona  heimurouua.    Mater. 

UDum  habens  infantem.  Materfamilias.  plures.  Fratrissa.  fra- 

tris  uxor.  Lanitrices  duorum  fratrum  uxores.  Galus  uiri  so- 

ror.  Friuolum  est  cum  eo  separantur.   ut  rursum  ad  se  inui- 

cem  renertantur.  Repudium. 

Capilli  capitis  quasi  pili.  houethar  vel  vhas.  Pili  a  pelle,  id 
est  lichhar.  Cesaries.  ein  schorenlach,***  a  cedendo  vocata. 
Coma  proprie  sunt  non  ceci  (/.  caesi)  capilli.  hoc  est  lanc. 
Greci  enim  comas  a  secando  caimos  nominant,  unde  et  cerin 
tondere  dieunt.  inde  et  cirri.  id  est  lebdceloccas  uocantur. 
quod  idem  etiam  Greci  mallonem  appellant.  Crines.  wispkas 
(so),  quod  vittis  discernuntur  dicti.  Timpora  thiunnebein.   sie 

*  mnidirsuna  über  unterpunetiertem  ex  duabus  sororibus. 
**  patruus  magnus  über  propatruus. 

oder  -lath ;  an  dem  vorletzten  bnchstaben  ist  corrigiert. 


m  «  • 


206  ERFURTER  GLOSSEN. 

nuncupata  quia  monentur.  Vultus  geetäna.  a  uoluntate  aahti. 
Taotonibus  ouer  Facies  ab  effigie.     Frons  a  foramini- 

bus  ocalorum.  Oculi.  quod  ciliis  oculantur.  Papilla  a  pauitate 
dieta.  eadem  et  päpnla.  Conas  ovgan.  Corona  eo  quod  ambiat 
papulam.  Palpebra  a  palpilacione.  Lacrimae  a  laceratione 
mentis.  Has  Greci  dacria  dicunt.  Cilia  eo  quod  celant  ocolos. 
Supercilia  eo  quod  superposita  sunt  oculis.  Intercilmm  inter 
ocolos  et  supercilium.  Gene  inferiores  partes  oculomm  uocatae 
propter  rotunditatem.  quas  Greci  mala  dicunt.  Maxillae  Irin- 
nebein.*  propter  diminutionem  a  malis.  Mandibuiae  partes 
maxillae.  Pinnula.  orlappa  ab  acumine  dicta.  Nares  dictae 
quia  nos  odore  admonent  ut  aliqua  sciamus.  Olfecisse  enim 
ueteres  scisse  dicebant.  Praescissores.  qui  rem  praesciunt. 
Canni.  thesmarmesgethunche.  Molares  quod  quasi  molant 
atque  inmassent.  Fauces  quod  per  eas  faniur.  Arteriae  vuinth- 
atkren.**  dictae  quod  per  eas  a  pulmone  aer  fertur.  Tolles 
per  diminutionem  toxellas  uocamus.  quae  in  faucibus  turge- 
scere  solent.  Mentum  quod  mandibuiae  ibi  iungantur.  Gor- 
gulio  a  gutture  nomin  ata.  Rumen.  binc  ruminatio.  Suk- 

linguium  dicuntur.    quod  illic  uiscera  torta  uideantar. 

idem  lacerti.  idem  musculi.  idem  et  uiscera.  Lingua,  xhvnga. 
Cubitus  elenbogo.   uel  eleu,   quod  in  ipso  cubamus.  Utnus  se- 
cundom  quosdam  fathem.   secundum  quosdam  elennam.  Greci 
ulenos  cubitos  uocant.   Talias  lenden.  Alae  o seien,   a  smintfr 
dine  alarum  eaedem  ascillae.   quod  ex  eis  brachia  excellantur 
et  monentur  eadem  et  sub         Ungulas  nägala.***  has  Greci 
onices  uocant.  Truncus  tota  medietas  hominis.  Torax  Grecun 
nomen  est.     hoc  est  brustlappa.     quam  Latini  aream  uocaat 
Pectus  btiistbein.    siue  una  costa  quod  sit  quasi  pexum.    Mi* 
mille   per    diminutionem  a  rotunditate  quasi  malae  PapiHae 
vuarxm  quod  eam  infantes  quasi  papant.  dum  lac  sugunt.   Lac 
a  colore  dictum  quia  Greci  leucos  album  uocant.  Ubera  qmo4 
lacte  uberant.  Arpina  spunna  et  liquando  nece.  Pulpa«  orspm* 
na  et  est  illud  durum  in  aure.    Cira  quod  palpitor  eandem  et 
uiscum  uocant  quia  glulinosa  sit.    Artus  lithe.     et  aliquando 
lim us  dicti  quod  inuicem  artentur.  Compago  membrorttm.   qaod 

*  kinnebein  über  maxillae. 
das  erste  t  von  anderer  hand  übergeschrieben. 
nagala  corrigiert,  vorher  stund  nagela. 


ERFURTER  GLOSSEN.  207 

sibi  compacta  sunt  neruis.  Veslibula  vuerfbein.  eo  quod  in- 
flexione  membrorum  uertuntur.  Cartilagines  dietae 

quod  leni  attritu  carent  dolore.  Terga  quia  eis  iaeemus  in 
terra.  Scapula  scoldra.  tota  medietas  inter  scapilium.  Palae 
scoldrin.  sie  dietae  quod  in  luctando  eas  premimus.  nam  Greci 
palin  luctam  nominant.  Spondilia  rugbein.  Spina  rugelenda 
quia  radiolos  acutos  habet.     Sacra  spina  lendenbein.*    hanc 

a 
Greci  ieron  osten  id  est  sacrum  6s  nominant.  eo  quod  haec  a 

gentilibus  diis  hostia  dabatur.  Renes  lenden.  quod  riuf  ab  his 
obsceni  humoris  naseuntur.  Lumbi  hufbein.  ob  libidinis  lasci- 
uiam.  Umbilicus  quod  sit  umbus  iliorum  sie  uocatur.  Ilium 
lanco  et  est  Grecum  nomen  quia  ibi  nos  obuoluamus.  Grece 
siquidem  ileos  obuoluere  est.  Clunes  gofen.  quod  sint  iuxta 
eulum.  Genitalia  haec  pudenda  haec  et  inhonesta  et  idem  uere- 
trum  quia  uiri  est  tan  tum.  Virus  proprie  humor  fluens  a  natura 
uiri.  Viscus  pellis  in  quo  testiculi  sunt.  Posteriora  dieta  quod 
retro  sunt.  Meatus  quod  per  eum  meant  id  est  egerantur  ster- 
cora.  Coxae  quasi  coniunetae  axes.  Vertebra  vuersban.  quod 
in  eis  capita  femorum  uertentur.  Suffragines,  kämmen,  quod 
subtus  franguntur  id  est  flectuntur.  Tibiae  scinkan.  quasi  tu- 
bae.  Crura  schina.  quia  iu  his  currimus.  Bathma  thioth.  Ta- 
lus enkel.  a  tolo.  nam  tolus  est  eminens  rotunditas.  Pedes 
Greci  podas  dieuut.  Plantae  pes  antea  a  planicie.  Viscora. 
befallet  flesc.  dictum  propter  uiscum  quod  est  rmdblood.  siue 
billistr.  Item  uiscera  intestina  sunt,  id  est  tharma.  Item  ui- 
scera uitalia  hoc  est  harlinnethere.  Item  uiscera  capita  neruo- 
rum  ex  sanguine  et  neruis  copulata.  quod  est  scoodliran. 
Idem  tori.  idem  lacerti.  id  est  senulyran*  Idem  murüs  et  per 
diniinutionem  musculi  a  similitudine  animalium  sub  terra  deli- 
tescentium  dicti.  Pulmonem  Greci  pleumon  uocant.  in  qua 
pneuma  id  est  Spiritus  inest.  Iecor  quod  ex  eo  ignis  in  cere- 
brum  subuolat.  Fibre.  leuerinlappan.  sie  uocatae  quod  apud 
gentiles  in  sacris  ad  Phebi  aras  ferebantur.  Stomachus  Grecum 
est  et  interpretatur  6s.  et  subauditur  uentris. 

Mitgetheilt  von   herrn  doctor  Waitz  aus  einer  in  der 
amplonianischen    bibliothek    zu  Erfurt    befindlichen    handr 

*  lendeinhein  die  hs. 


<208  ERFURTER  GLOSSEN. 

schrift  in  octav  aus  dem  12njh.;  aber  dq/s  diese  glomn 
aus  einer  älteren  Handschrift  abgeschrieben  sind  lehrt  der 
augenschetn. . 


BONUS. 

Gotlichiu  maere 
waeren  uns  vreudenbaere 
von  dir  ze  sagene, 
küniginne  aller  magene. 
der  wil  ich  einez  recken, 
da  soltu  minen  sin  zuo  strecken, 
daz  ich  dich  lobe  nach  dinem  rehte. 
wan  mir  sundigem  knehte 
ist  gar  ze  unmügelich. 

doeh  ist  niinem  willen  niht  traglich,  1® 

ich  si  dir  dienstes  bereite, 
min  zungen  mir  geleite 
und  süeze  den  Hüten  mine  stimme, 
swes  ich  in  dinem  lobe  beginne, 
du  himelischiu  küniginne.  ^  ** 

Einen  kneht  hiet  du  dir  erweit, 
der  hete  in  dine  gnäde  verselt 
sinen  lib  und  sin  seie. 
des  wuohs  sin  6re 
vor  gote  und  vor  den  liuten. 
swä  in  diu  schrift  bediute 
da  er  solte  dienen, 
des  erwendete  in  niemen, 
er  waere  dienstes  geneht. 
ich  hän  gesprochn  er  waer  din  kneht, 
vrowe  der  engelischen  schar. 

Hie  hebet  (hebt  V)  sich  an  alsus  (svs  V)  von  einem  bischoif  (P*~~ 
schof  V)  hiz  (der  hiez  V)  Bonus  MF.  1  ff.  Lachmann  zttr  kla£T^ 

s.  292.  1.  Gotliche  M.         4.  magden  V.         6.  do  MF.        ste*~ 

cben  V.  8.  svndigen  F.  9.  vielleicht  ist  ez  g.  ze  unm. 

11.  dienst  geraite  F.        12.  beraite  F.  15.  himelische  V,  hym«?*"' 

sehe  M.  16.  hite  M.  17.  De  hete  in  dein  genade  v.  V. 

21.  kan  bedeuten  M.         25.  gesprochen  er  were  M. 


i 


BONUS.  209 

des  wurden  alle  die  gewar 

die  er  näeh  bischolflichen  £ren 

solde  wisen  unde  16ren 

den  weg  ze  dem  Ewigen  lebene.  30 

swaz  im  unser  harre  gab  vergebene, 

daz  nam  er  umb  anders  niht  veile, 

denne  swen  er  zuo  dem  (wegen  heile 

gevürdern  mohte  tag  und  naht, 

dar  an  lag  sin  vliz  und  sin  mäht.  35 

Bonus  was  er  genant, 
der  name  het  in  wol  ermant, 
wan  er  guot  hiez  und  wolde  guot  tuon. 
er  het  den  weisen  vor  sinen  suon, 
die  witewen  vür  sin  muoter.  40 

Bonus  sprichet  Guoter: 
guot  tete  er  zwäre 
tougen  und  offenbare, 
er  was  der  dürftegen  amman. 
allez  daz  er  ie  gewan,  45 

daz  im  ze  nAtdurft  über  wart, 
daz  wart  niht  unz  morne  gespart, 
er  ged&hte  ze  allen  ziten 
an  sine  hinevart  witen. 

Der  von  im  welle  vrAgen,  50 

Wachens  künde  in  niht  betragen, 
vasten  was  sin  gwonheit: 
wie  selten  er  [keinen]  tak  venneit, 
er  würde  bihtig  unde  sunge. 
üf  die  muoter  der  barmunge  55 

liez  er  allen  sinen  gedingen: 
da  muost  im  von  rehte  an  gelingen, 
eines  sites  er  ouch  phlak, 
swenne  kom  der  selbe  tak 
daz  man  unser  vrowen  hinvart  begie,  60 

&8.  Di  her  nach  mit  bisch.  M.  29.  solden  M.  30.  Den  wege 
.  ewigen  leben  M.  31.  vergeben  M.  32.  Daz  man  vmb  anders 
M.  33.  ewigen  M  {immer  -igen).  34.  ze  tag  vnd  ze  naht  M. 
38.  gute  hiez  M.  39.  hete  M.  40.  sine  M.  47.  morgen  M. 
5£.  gew.  M.  54.  bichtige  M.  57.  do  mfste  M.  59.  kome  M. 
.  F.  D.  A.  II.  14 


210  BONUS. 

so  verlie  er  daz  nie, 
er  waer  über  naht  an  sime  gebete. 
eines  beilegen  nahtes  er  sam  tele, 
zuo  einen  hochziten 

(diu  sache  sol  witen  65 

guoten  liuten  werden  kunt  getan), 
dö  sach  er  den  himel  offen  stän, 
got  wolt  wunder  mit  im  begän« 
Daz  aller  schoenste  sank  er  vernam, 
als  ez  in  wol  von  rehte  gezam  70 

die  gotes  kint  sint  genant, 
daz  nieman  $6  schamez  vant 
von  wunneklicher  wise, 
[daz  hörte  er]  zem  fersten  ein  teil  lise, 
dar  nach  ie  baz  unde  baz.  75 

der  harre  siner  psalmen  gar  vergaz. 

D6  sach  er  ein  sträze, 
diu  dühte  in  zuo  der  mäze  . 
als  er  [&]  in  den  buochen  het  ges&n 
in  der  himelischen  Jerusalem,  80 

sam  si  wesen  solde 
uz  durch  gesotem  golde, 
wol  gezieret  üz  und  innen 
von  berlin  und  von  gimmen, 
rehte  alsam  ez  braune:  85 

daz  was  micbel  lieht  an  sunne, 
da  enschein  der  niäne  noch  der  sterre. 
ey  waz  wunne  der  harre 
in  dem  münster  sach  aleine 
die  heilegen  alle  gemeine,  9° 

si  beguoden  lachen, 
sam  si  in  ein  senfte  wolden  machen, 
die  dö  fuoren  ze  tal, 
rehte  gegen  dem  beLesal 
da  dirre  lag  eukriuzestal.  95 

62.  Er  were  —  sinem  gebet  M.  65/.  werden  hinter  fei  *• 

78.  in  fehlt  Jf.        79.  gesän]  so  M.        86.  lachte  M.        87.  !>• 

eascneine  — stern  M.        88/.    ey  was  wunne  vnd  was  ern.  Derfcerre 

sach  in  dem  mvnster  alein  M.  95.  Do  dirre  läge  en  krtn^Ud  &• 


BONUS.  211 

Die  koere  wären  underscheiden 

von  jungelragen  und  von  meiden, 

als  si  der  vorwise  solden  phlegen 

und  den  magden  antwurt  geben. 

mit  wunderlicher  stimme  100 

beleiten  si  die  kiineginne. 

der  zwelifboten  h£rschaft, 

ir  orden  was  ßrhaft, 

dö  si  si  fuorten  under  banden. 

ein  stat  si  erkanden,  105 

vor  den  alter  fröne 

saz  diu  maget  schöne 

und  hete  uf  ein  guldin  kröne. 
Harte  was  der  bischolf  erkomen. 

er  het  im  ein  winkelstat  genomen  110 

da  er  wände  in  saehe  niemen. 

dö  vrägten  die  boten  wer  da  got  solde  dienen. 

'Bonus'  sprach  diu  fröne  maget, 

cder  sol  werden  her  für  geladet, 

den  ich  dar  zuo  wirdigen  erkenne  115 

daz  ich  in  zuo  miner  gnözschaft  nenne.' 

die  rede  er  harte  widersaz, 

er  smukte  sich  zesamne  baz 

hinder  den  philaere. 

daz  gebot  duhte  in  swaere,  120 

er  enphalch  sich  gote  in  sime  gebete. 

do  entweich  diu  sul  von  der  stete 

wol  zwelif  kläfter  wit : 

daz  [zeichen]  gesach  man  dö  und  nimmer  sit. 
Bi  der  hant  viengen  si  den  hörren,  125 

si  fuorten  in  mit  ören 

da  diu  fröne  maget  saz. 

getröstet  wart  er  aber  baz 

vorweise  M.  101.  beleitent  M.  106.  dem  M. 

eholfe  M.  110.  hete  M.  111.  Do  M.  119.  ? 

^enoschaft  erkenne  (:  erkenne)  M.         118.  iv  samne  M, 
eiler   (:  swere)  M.  121.  in  sin  gebet  üf.  124.   vnd 

l»  seit  M.  125.    Bi  handen  viengen?  127.  Do  —  mag- 

14* 


1 


212  BONUS. 

daz  er  sines  unmuotes  erwant : 

si  gesegent  in  mit  der  hant.  130 

dö  reichten  im  die  engel  h&re 

daz  messegewant  mit  grözer  Are. 

als  er  vür  den  alter  gie, 

manegen  zäher  er  dö  lie, 

die  im  in  sinen  buosmen  fluzzen  135 

und  die  himelwät  beguzzen, 

wan  er  sich  unwirdik  erkante 

da  in  diu  maget  zuo  benante. 

und  ein  wunder  daz  geschach, 

do  er  daz  gebete  vor  dem  alter  sprach,        140 

so  man  tuoi  zuo  einr  islichen  messe, 

dö  sprächen  die  zweifboten  gewisse 

die  wären  indulgenciam. 

daz  duhte  den  hörren  tröstsam. 

Üf  huoben  die  [himelischen]  degene  145 

daz  ambet  schöne  und  ebene 
daz  des  tages  ze  singen  was 
von  ir  diu  gegenwürüc  saz. 
wem  geschach  solhes  ie  iht  mär 
daz  die  erzengel  hör  1^ 

im  reichten  daz  opher  an 
unz  diu  messe  ein  ende  nam 
und  stuonden  gezogenlichen  an 
unz  der  bischolf  sine  gehorsam 
den  zwelifboten  erzeigte  1** 

vor  den  er  sich  [nider]  neigte? 
si  gäbn  im  urloub  zuo  dem  segene 
und  neigten  sich  gar  hingegene. 
dö  sprach  diu  maget  fröne 
erain  dienstman  Böne,  lW 

hab  dir  ditz  messegewant  ze  löne/ 
Dö  wart  diu  künegin  Marjä 

131  /.  her :  er  M.       136.  himelwät  so  M.     138.  do  M.     141.  einer  *. 
142.  zwelifboten  gar  gewisse  M.      143.    die]  Den  M.       145.  ta- 
gen M.  153.  an]  dan?  155.  erraichet  M.        156.  vor  dem - 
naiget  M.        157.  Si  gaben  — -  segen  ^hingegen)  M.        162.  kvneginne 
Maria  M. 


BONUS.  213 

also  schiere  diu  ober  bra 

die  nideren  gerüeret 

ze  hiniele  gefaeret.  165 

der  bischolf  staont  eine : 

sin  gebete  was  reine 

unz  an  die  mettine. 

d6  k6men  die  sine 

wol  geirrten  kaplän  170 

die  im  wären  änderten. 

d6  si  träten  in  den  tuora, 

si  duhte  als  ein  balsamum 

allenthalben  waere  geströuwet, 

si  wurden  groszlich  gefröuwet.  175 

niht  betrouc  si  ir  sin: 

si  sprächen,  got  were  do  mite  samte  in, 

daz  erzeigte  dd  dez  bischolf  gewin. 

er  beleip  mit  in  staete, 

wan  er  kom  aller  von  der  waete  180 

diu  dennoch  üf  dem  altar  lac. 

dö  in  erschein  der  liehte  lac, 

dö  lie  si  der  bischolf  schouwen 

welch  ein  gäbe  er  von  unser  vrouwen 

des  nahtes  het  enphangen,  185 

dö  er  frönampt  bete  begangen. 

wizer  denne  der  sn£  was  diu  wät: 

da  enmohte  nieman  keine  nät 

erkiesen  mit  den  ougen. 

ouch  zeigte  ern  ander  tougen,  190 

wie  im  diu  Stile  was  entwichen 

da  er  hinder  was  geslichen, 

diu  in  vor  den  engein  niht  getorste  verheln. 

d6  huoben  die  phaffen  mit  heitern  kein 

schoene  gesank  von  unser  vrouwen:  195 

l.  nidern  M.  165.  daz  si  zv  himel  wart  gefuret  M. 

vnde  M.        168  /.  mettin  :  sin  M.        177.  were  do  mit  samte 
177  y.   vielleicht  si  sprachen,    got  waer  da  mit  in  samt,  daz 
;  da  der  stanc.         179.  beleihe  M.  180.  wan  er  erkom  M. 

I.  do  im  erscheine  M.      184.  welich  M.      186.  fron  ampte  M» 
9.  do  —  dekeine  M.  190.  er  in  M.  WJL.  do  M. 

in  in  niht  getorste  verheln?        194.  dö  ho  oben  si  mit  h.  k.  ? 


214  BONUS. 

sumlicheu  begundeo  touwen 
die  heizen  zeherbrunnen. 
[alle]  die  daz  bedenken  kunnen, 
die  sulen  iren  muot  k&ren 
daz  si  si  immer  gerne  Ären,  200 

die  muoter  des  obristen  harren. 
Dö  der  bischolf  verschiet 
und  sich  dö  gotlich  beriet 
umb  einen  andern  althßrren 
der  die  liute  künde  gelßren  205 

den  weg  zuo  dem  & wegen  riche, 
doch  was  er  sinem  vordem  angliche 
daz  er  s6  grozer  durnehte 
künde  gephlegen  oder  mehte. 
doch  gedähte  er  im  sit,  210 

swenn  kaem  unser  vrowen  höcbzit, 
er  wolde  an  sime  gebete  benahten 
unde  mit  gote  betrahten 
ob  im  diu  &re  möhte  geschehen 
daz  er  solde  solch  tougen  sehen  215 

als  der  vorder  bischolf  sach. 
nu  boert  wiez  im  ergie  her  nach : 
in  gie  dgmüetikeit  an, 
als  noch  vil  manigen  man. 

Do  er  minen  trehtin  an  rief,  220 

üf  der  grßden  er  entslief. 
welch  ein  wunder  im  geschach 
daz  er  an  allen  ungemach 
in  sin  bette  wart  geleget! 
er  hete  lützel  ruowre  gephleget,  225 

ze  metten  wakte  in  der  sinegöz. 
sin  angest  wart  dd  vil  gröz 
wer  in  uz  dem  münster  hiete  brftht. 

196.  svmlich  M.  200.    daz  si  sein  imer  M.  203/.  viel- 

leicht unde  si  dö  got  beriet  mit  einem  u.  s.  w.        206.  wege  M. 
208.  durnehte  M.  200.   mechte  aus  mocht  gebefiert  M. 

211.  swenne  kerne  M.        212.  sinem  M.       .  217.  Nv  höret  wi  ez  M. 

210.  manik  M.  224.  geleit  M.  225.  r*  gephleit  M. 

226.  sinegöz  tmtinnabulum,  Schneller  3,  254.        227.  sine  M. 


BONUS.  215 

er  weste  wol  deir  kintlich  het  gedäht 

daz  er  sich  dem  wolde  geliehen  230 

der  unser  vrowen  so  fliziklichen 

künde  dienen  als  ich  iu  gesaget  hau. 

er  klagte  daz  erz  torste  ane  gän. 

doch  wart  er  ein  gaot  man  sit. 

küneges  kint  Davit,  235 

her  an  dise  werlt  würd  du  geborn: 

läz  unser  keinen  werden  vlorn 

die  dich  ze  vogtin  habent  erkora. 

• 

29.  deir]  daz  M.  232.  diente?  233.  er  klagete  daz  er  ez 
i  an  ergan  M.  236.  Herre  MV.  ward  V,  wmrde  M. 

verlorn  MV.        238.  ze  vogtin  V:  zv  vogtinne  M. 

ius  (M)  der  Melker  Handschrift  R,  18,  perg.,  14,/%., 
»,  hinter  den  strickerischen  beispielen  s.  212  ff.  ab- 
ft  verdanke  ich  herrn  Fron»  Pfeiffer,  die  ersten  18 
die  letzten  4  verse  theilt  Greith  spicil.  Vat.  62  f.  mit 
V)  der  vaücanischen  hs.  bibl.  Christ.  n<>  1423,  perg., 
j.  1347,   128  bll.  oetav.     diese  hs.   ist  wahrscheinlich 

abschrffi  der  Melker  hs.  genau  in  derselben  folge 
ilt  sie,  mit  ausnähme  weniger,  die  nämlichen  stücke, 
anzen  zwei  und  vierzig.    Banga  in  seinem  verzeich- 

(im  aufsefsischen  anzeiger  1833,  284  ff.)  hat  das  20e, 
!h  in  dem  seinen  (spicil.   VaU  57  ff.)  das  3*  das  29* 
das  33*  ausgelassen.  —   von  der  legende  vom  bischqf 
s  hat  Hoffmann  altd.  bll.  1,  327/.   eine  bearbeitung 
tdnischen  reimen  nachgewiesen. 

H. 


216 


WALTHER  UND  HILDEGUNDE. 

Da  Karajan  die  von  ihm  entdeckten  und  in  seiner  früh- 
lingsgabe  im  j.  1839  mitgetheilten  wichtigen  bruchstücke 
eines  mhd.  gedicktes  von  Walther  und  Hildegunde  der  k. 
k.  hofbibliothek  übergeben  hat,  so  war  es  mir  vor  zwei 
Jahren  möglich  die  beiden  pergamentblätter  nochmaliger 
durchsieht  zu  unterwerfen,  ich  bekam  ziemlich  viel  heraus, 
auch  die  Zeilen  wo  oben  oder  unten  nur  spuren  von  buch- 
staben  geblieben  waren ;  blqfs  ein  paar  vom  buchbinder  zer- 
knickte zeilen  widerstanden»  das  durch  das  beschneiden 
vom  2n  blatte  verlorene  konnte  an  einigen  stellen  leicht  und 
sicher 9  an  andern  gar  nicht  ergänzt  werden,  das  ergänzte 
ist  hier  cursiv  gedruckt,  das  unsichere,  erloschene  zwischen 
klammern  gesetzt,  die  zeilenabtheilung  der  handschrifi 
bewahrt  Kartgans  erster  druck,  zu  dem  ich  nur  bemerke 
da/s  die  wörterabtheilung  am  ausgange  der  zeilen  noch 
mehr  als  dort  geschah  und  fast  regelmä/sig  durch  einen 
bindestrick  bezeichnet  ist;  2,  18,  2  steht  sogar  vrA|*evnde; 
2,  13,  1  steht  jener  strich  nach  si  wohl  nur  abrückend  oder 
sollte  dem  i  (si)  zufallen. 

Neuer  abdruck  dieser  bruchstücke  erfolgt   hier  weil 
Karajan,  dem  ich  meine  abschrifi  in  Wien  damals  gern 
übergab,    mir  jüngst  bei  erbetener    rücksendung    schrieb 
dafs   er  so   bald  an  keinen  Wiederabdruck  kommen  könnt, 
bei  meiner  letzten  anwesenheit  in  Berlin  aber  die  dortig^1 
freunde  dazu  antrieben,     möge  Karajan  durch  erneute  be- 
mühung  auch   die  von  mir  noch  gelafsenen   lücken  ausßU" 
len.    ein  reagens  wurde  von  mir  nicht  angewendet.  * 

H.  F.  MASSMANN. 

•   [einige   bemerkungen  die   ich   hinzuzufügen  mir  erlaubt  k<*&4 
tind  durch  klammern  und  H.  bezeichnet.     Haupt.] 


WALTHER  UND  HILDEGÜNDE.  217 

1 

WALTHERS  UND  HILDEGUNDEN  HEIMKEHR. 

a 
in.) 
wol  gehelfen,  si  ruhten  minen  win. 
von  miner  hende  nemen  an.  (ic)h  gan  iv  deste  baz. 
daz  ir  vns  leitet  nah  den  iwern  siten.  daz  svle  wir  dvl- 

den  ane  haz. 
Si  enphiengen  Volkere,  vnd  ovch  die  sine  man. 
sehzec  siner  degene.   die  waren  mit  im  dan. 
gevolget  von  dem  Rine.   dvrch  den  wasechen  walt. 
er  laitte  so  den  gast  vnd  ovch   die  sine,    daz  ers  vil 

wenich  enkalt. 
;     Do  sprach  der  eilende,    nv  helffet  mir  bewarn, 
daz  wir  die  twerhen  strazen  iht  1  den  landen  varn. 
wir  svln  gen  leng's.   da  ist  d'  vater  min. 
des  antwrt  Volk'  der  vil  kvne.    des  sol  ich  hvt'  sin. 
\    Swie  wir  anders  riten.    so  ist  daz  div  lere  min. 
daz  wir  da  ze  Metzen  geste  niht  ensin. 
Ortwin  hete  drinne  /  wol  tovsent  kfner  man. 
swaz  der  kvnic  hernach   darvmbe  geredete,  mit  strite 

wrde  wir  bestan. 

5  Er  hete  wol  geraten,   si  liezens  ane  strit. 
so  er  aller  beste  chvnde.    so  leit  er  siv  sit. 

di di  ez  sahen  daz  er  da  mite  reit. 

die  mohte  do  dem  helde  noch   d'  vröwen   vor  i  gerate 

deheiniv  leit. 

6  Wa  si  die  nahtselde.   nsemen  dvrch  div  lant. 
mit  volk'e  dem  helde.    daz  enwart  mir  bechant. 
d'  kvnic  mit  sin   gvte  im  schone  dinen  hiez 

Volk'  d'  was  in  also  werden  mfte.     daz  er  sin  wenic 

vliez. 
P    Ovz  Ortwines  lande  dvrch  Bvrgonde  dan. 
br&ht  si  do  volk*  d*  vil  kfne  man. 
ob  mä  daz  sin  geleite,    so  starch  niht  het  gesehen, 
so  mvs  in  ouf  der  selben  straze  dikche.    sin  michel  ar- 
beit geschehen. 

5,  3  von  ez  sahen  daz  spuren  oben  an  der  »eile,  die  untere  hälfte 
"**  erloschen,         [6,  3.  /.  sinem  guote,  mit  Karajan.  H,] 


218  WALTHER  UND  HILDEGUNDfi. 

8  Nv  hört  ovch  wie  der  reke  frvt  i(n  sime)  lant. 
die  boten  die  er  hete  dem  konige  gesant. 
die  riten  röss  div  gvten.    vn  fvrten  spaehiv  kleit 
die  sagten  indem  lande,    daz   er  körne  vn  och  vrö  Hil- 

deg't  div  meit. 

9  Do  der  khvnic  alker.   gehorte  dise  sage. 

do  entweich  im  vngemvte.   vnd  ovch  sin  langiv  klage, 
die  boten  er  vlizichliche  enphie.   vnd  ovch.    sin  wip. 
si  wrden   harte   grozer  vrevden  riche.    dvrch  den  v?m\- 

theres  lip. 
10    Do  sprach  d  vogt  von  Spanyge  so  wol  mich  iwer  sage- 
ich hete  sorge  manige.  lang  mine  tage, 
daz  sin  s(in  in  der)  fremde,   was  mir  wol  t°vsent  iar/ 
ich  sih  in  gern,  swen  i  got  send9  div  red  ist  entlichen 

war/ 


11  Do  ez  div  kvniginne.   het  mit  im  vernomen. 

ir  was  von  lieben  maeren.   vil  d   tneh'en  komen. 
.   von  herzen  indiv  ovgen.   weinde  si  do  saz. 
si  riet  wie   man   si  bede  wolde  solde  enphahen.   vnde 

tet  vil  willechüchen  daz. 

12  Do  sprach  aber  der  rekche  ir  svlt  mich  hören  lan. 
wie  Etzele  vnd  frö  Helche  zv  zin  haben  getan, 
do  sprach  der  boten  einer  daz  wil  ich  iu  sage 

walth*  ist  vö   dem   kvnige   so   gescheiden.    daz   ez  d*e 

Hivnen  immer  mvzen  klagen, 

13  Ir  ettelich'  drvnder.   daz  si  i  weeren  holt, 
er  hat  an  svmelichen.   vil  wol  daz  versolt. 

daz  si  im  immer  flvchen.   wand  er  hat  in  erslagen. 
an  siner  verte  vil  ir  lieben  mage.   ich  kan  iv  and's  oib* 

gesag. 

14  Do  sprach  der  kvnic  edele.    ich  sol  mich  vrewen  sin- 
er mvz  wesen  herre.    inden  landen  min. 

[8,  1.  in  sime  lant  bezweifle  ich,  nicht  wegen  der  in  diesem  wOT* 
nicht  seltenen  Verkürzung  des  da  live  s,  aber  wegen  des  sinnes.  eher  ,n 
Silin  lant.  H.]    9,1.  alker]  *.  2,  7,  1.     10,  1.  blaues  D.      11,4.  *°1' 
de  solde  so. 


WALTHER  UND  HILDEGUNDE.  219 

ej  wirt  der  Hvne  purgetör. 

swes  Ezele  vnd  sine  rechen  ie  begvnden.    da  was   er 

ze  allen  ziten  vor. 

Den  chvnic  spraqh  zv  den  reken.  wol  67  alle  mine  man. 

vnd  ritet  im  begegene.    er  hat  mir  liep  getan. 

swer  I  nv  gerne  dienet,   des  vrivt  (wi)l  ich  wesen. 

div  lant  svlt  ir  mit  vns  beiden  bowen.    ir  mvgt  bi  wal- 

th'  wol  genese. 

Man  sagt  im  daz  in  leite,    d'ch  Gvnth's  lant. 

Volk'  der  vil  kvne.    d'  was  im  wol  erkät. 

vnd  ovch  des  kvniges  reken.   driv  hvndert  od'  baz. 

do  bat  er  sin  gesinde  zv  im  gahen.    di   täte  willechli- 

chen  daz. 

Do  hiez  ovch  sich  bereiten  des  edeln  kvniges  wip. 

ia  wolde  si  beleiten.    d'  Hild'gde  lip. 

so  si  aller  beste  kvnde.    ze  Lenges  indie  stat. 

ir  vrowen  si  do  wol  kleiden  begvnde.   des  si  der  kunich 

selbe  bat. 

Sin  warten  sine  livte.   mit  g°zer  vngebite. 

dar  nach  in  chvrzen  stvnden.   man  sagt  im  daz  da  rite. 

daz  Gvnth's  gesinde.   mit  in  indaz  lant. 

do  kom  d'  wirt  mit  stolz'  massenye.    da  er  vröu  Hild'. 

vant. 

Div  kvniginne  fvrte.   wol  sehzec  megedin. 

die  aller  schönisten.   die  d'  mohten  sin. 

vn  ovch  d'  hohsten  mage.    di  mä  do  bi  in  vant. 

do  fvrten  och  des  alten  kvniges  helde.  vil  harte  her- 
lich gewant. 

12  si  vol  drie  mile  komen  waren  dan. 

von  der  stat  ze  Leng'es.   in  volgen  tvsent  man. 

od'  dannoch  mere.   die  zv  den  gesten  riten. 

wand  si  d'  kvniginne  here.    beten 

14,  3.  4.  die  zeilen  sind  in  der  hs.  so  abgetheilt.  min.  er  wirt  der 
ne  pur-  |  getftr.  swes  Ezele  vnd  sine  |  rechen  u.  s.  w.  15,  1.  ro- 
J*  D.       ^0,  1.  blaues  E.         4.  mit  heten  bricht  das  erste  blatt  ab. 


220  WALTHER  UND  H1LDEGUNDE. 

2 
hildegvnde  brvte 

1  MV  was  zehove  niemen.    wan  di  da  solden  siu. 
het  gesehen  iemen.    ein  schöner  magedin. 
denne  waer  Hildegvt  do  si  da  heime  saz. 

da  ir  des  ivngeft  kvniges  reken  dieten.   ich  gelovb  mv- 

lich  daz. 

2  Swaz  man  wesse  vnpilde.    di  iemen  het  getan, 
er  waere  denne  wilde  zereht  mvse*  stan. 

da  walther  d'  vil  kvene  sines  vater  lant  besaz. 
er  phlach  des  landes  nach  der  kröne  rehte.   wände  im 

riet  div  ivnehfröwe  daz. 

3  Die  Walthers  mvter.   zafle  wol  die  meit. 

daz  sach  der  degn  gvter.   iz  was  im  niht  lett. 
si  schvf  ir  hovegesinde.   vil  schöniv  magedin. 
die  bi  Hildegvnde.  »ze  allen  ziten  mit  groze  zvhte  mv- 

se  sin. 

4  Do  div  magt  edele  in  ir  heinliche  saz. 
so  getet  ir  chvrzwile/nie  dekeine  baz. 

wä  so  si  des  gedahte  waz  ir  d'  chvne  degen. 
&  daz   er   si  vö  den  Hivnen  brsehte.    het  gedienet  ovf 

den  wegen. 

5  Dar  zv  sach  er  si  diche.   vrö  was  in  d*  m°vt. 
ir  trivtlich*  bliche  siv  beide  dovhte  gft. 

er  liebte  swie  er  kvnde.    daz  mumechliche  ktnt. 

das  man  lobes  mvse   iehen HildegvnAt.   i& 

wwcvrowen  sint. 

6  Swa  ie  des  irrsten  böte  nften.   dvrch  daz  lant. 
es  wart  den  livten  allen,   mit  sime  tvn  bechant 
er  wolde  hohzile.   mit  Hildegvnde  han. 

der   riche   kvnich  mitte  mit  sinen  vrevnden.     dar  *p 

bereiten  sich  began. 

7  Crestvle  hiez  do  wrchen  der  herre  alpker. 
ahzec  hßr  gesellen,  vnt  waen  dannoch  Inder  mer, 

hildegvnde   brvte  ist  schlvfs  rother  Überschrift.  1,  1.  to* 

tes  N.  .  [6,   %.   die  ausfüllung  dieser  zeile  ist  mir   bedenklich, 

vielleicht  er  hiez  den  Unten  allen  mit  vlize  tnon  bekant.     H.] 
6,  4.  oder  blofs  mit*    [vielmehr  der  r.  k.  mit  den  sinen  vrinnden.  B.] 

7,  1 .  blaues  G.        [7,  2.  inder  verstehe  ich  nicht,   wohl  unt  w»a 


WALTHER  UND  HILDEGUNDE.  221 

....  der  ieslichen  wol  zwei  hvndert  man. 

die  mit  de  ...  .  sehe   chomen   solden.    des  werches 

gahen  man  heg  an. 
Er  schvf  oveh  allen  tha/tan.  iäget  inden  walt. 

vf  manic  tyer  wilde,  der  he enkalt. 

ouch  mvsen  vischeere.  ovf  wage  vnmvzic  wesen. 

si   fvnden   ir  vil in  den  vnden.  die  von  in 

ißkvnden  genesen. 
Die  sinen  valchn&re.  der^rste  peizen  hiez. 
wie  vil  man  der  nezze.    mvzichlichen  liez. 
verren  vnde  nahen,  man  der  vögele  vie. 
.  .  .  hiez(e)n  a snelle a 

in  s 

E 

wie icher  de e   daz. 

gesniten. 

di(e)    da  lieber  röss   gewnne   der  kom   vil   manig   dar 

gerite. 
Die  Aohzite  walther  d'ge    .  .  .  .  do  der  walt  gelovbet 

was 

vnd  daz  die  blvme  vnd  das  gras 

«Ivnden  allenthalben  öf  den  wisen  breit. 

daz  im  ds  sine  geste  körnen,   so  ivas  allez  da  bere(it.) 

V vnmvzic  waren  hie.  ze  Sporne  lant. 

da  h  .  .  .  nv  .   .    .  Hildegvnt.  kom  heim  .   .  .  gesant. 

ze  Arrogön  dem  lant  div  maere  hiez  si  sagen. 

daz  si  in  chvrzen  ziten  wolde  kröne,  bi  dem  kvning*e 

waltheve  tragen. 
\    Wol  was  iz  in  allen.  (de)n  si  /  den  grdz  enbbt. 
oveh  mvs  in  wol  gev allen,  daz  si  von  mang'  not. 
zen  Hivnen  was  geseeiden.  vnd  daz  si  brahte  dan. 
der  A*  walthere   so   rehte  löbliche,   da  vö    er  ere  vil 

gewan. 

inoch  mär.  H.]  [8,  %.  vielleicht  vil  manic  tier  wilde  der  herschaft 
:alt.  H.]  [8,  4.  wohl  die  vor  in  //.]  [9,  *l.  wie  w&nic  oder  wie  lützel. 
:elnetze  sind  gemeint.  //.]  10,  1.  E  und  die  half  te  der  zeile  noch  atif 
•  Vorderseite  des  zweiten  blattes ;  mit  wie  endet  die  erste  zeile  der 
kseite.  [11,  4.  s6  waere  //.]  [12,  3.  wohl  ze  Arr.  dem  lande 
re  (oder  diu  m.)  h.  s.  s.  //.]  [13,  1.  Liep  was  //.]  13,  3.  mit 
c  schließt  die  zeile.         [14,  4.    nicht  bloft  her  W.?  //.] 


222  WALTHER  UND  HILDEGÜNDE. 

14  Des  kimiges  ingesinde.  be(rei)te  sich  xer  vart. 

wol  .   .   .  sa(z;te   er  di  reken.   wol   geziret  6f  rossen 

vn(gesp)art. 
#rowen  vo Aher. 

•      •      •      •      •      •      •      •      •      •       •      •      •      •••••••      ••      •••••• 

15  Ze  Engellant.  man  riten  och  die  boten  hiez. 
die  wege  man  vil  wite?t.  gar  vnmvzic  (lie)z. 
zNauarren  vn  Ch&rlingen.  da  wart  ez  ovch  bechant. 
do  rihten  si  sich  gen  der  hohzite.  i  daz  waitheres  lant. 

16  Walther  gie  zerate.  ob  si  daz  devhte  gvt. 
sine  man  vn  sine  mage.  ob  niht  vbele  gemvt. 
Ezel  da  vo  w°rde.  ob  er  die  boten  sin. 

im  vnd  der  kvniginne  Helch'n  sande.  vn  ouch  daz  schon 

magdin. 

17  Daz  wider  riet  im  niemen.  da  von  wart  ez  sit  getan, 
sine  brieve  schriben.  man  dar  zv  began. 

die  er  da  wolde  senden  in  Ezelen  lant. 
den  selben   boten   lie  man  niht  gebresten.    man  gab  in 

rosse  vnd  och  gewant. 

18  Mit  den  hiez  man  do  rite,  di  da  solten  an  den  Rin. 
Gvnth'  wol  gedahte.  vnd  ovch  die  vrevnde  sin. 
wie  er  siniv  m&re.  hete  dar  gesant. 

bi  volkere  dem  stolzen  videlaere.  in  der  Bvrg&nde  lant. 

19  Do  sprach  der  vogt  von  Rine.  vnd  w&r  iz  niht  schände 

min. 
het  ich  nv  tovsent  miner  beiden,  so  wold  ich  gerne  sin. 
ze  siner  hohzite.  waer  ez  d'  Hagne  rat. 
so  wold  ich  dar 

15,  1.  blaues  Z. 


223 


••» 


EDICHTE  DES  ZWÖLFTEN  JH.  ZU  VORAU 
IN  DER  STEIERMARK. 

Herr  Joseph  Diemer,  scriptor  an  der  k.  k.  universi- 
tsbibliothek  zu  Graz  fand  jüngst  in  dem  regulierten  chor- 
^rnstifte  zu  Vor  au  im  codex  N.  xi  eine  anzahl  zum  theil 
nz  unbekannter  deutscher  gedickte  des  12»,  vielleicht  auch 
f  llnjh.  die  kandschrift,  183  pergamentblätter  in  breitem 
fo  mit  je  zwei  sechsundvierzigzeiligen  spalten  und  unab- 
tetzt  geschriebenen  versen  enthaltend,  besteht  aus  zwei 
*£pttheilen9  deren  deutscher  bis  bl.  135  reicht  9  von  wo 
tos  von  Freisingen  Gesta  Fridarici  vivique  imperatoris 
ie  Wolfcangus   scripsit  iubente  Bernhardo  praeposito  von 

136b  bis  183  folgen,  leiden*  nur  die  drei  ersten  bücher 
d  zwei  blätter  des  vierten;  nach  dem  einbände  fehlen 
ya  30  blätter.  eine  hand  des  vorigen  jh.  hat  mit  bleistift 
P  den  innern  decket  geschrieben  Quid  fecisti  frater  Idio- 

quod  lacerasti  hunc  librum  tarn  prsetiosum?  Otto  von 
eisingen  starb  1185,  kaiser  Friedrich  1190,  Bernhard 
j.  1202,  nachdem  er  seit  1185  die  würde  eines  präla- 
>  in  Vor  au  bekleidet  hatte  (Caesar.  Ag.  annaL  1,  682. 
85). 

Der  vordere  theil  der  hs.  enthält  nun  folgende  ge- 
hte. 

1.  bl.  la  —  73d  die  kaiserchronik  bis  zum  beginne  des 
*uzzuges  unter  Konrad  3  im  j.   1147,  mit  denselben  wor- 

ab brechend  wie  die  Heidelberger  hs.  ihr  werth  im  ver- 
teile zu  dieser  wird  sich  aus  folgender  gegenüberstellung 
'  anfanges  eingeben. 

Heidelberger  hs.  Vorauer  hs. 

les  aljnechtigen  gotis  minnen.  In  des  almaehtigen  gotis  niinneo. 

VW  ich  dissis  liedes  beginnen.  so  wil  ich  des  liedes  beginnen, 

schält   ir    gezogeliche    uer-  daz    scult    ir    gezogenliche     u*- 
neme."  nemen. 

i  mac  jv  uil  wol  gezeme.  ia  mag  ez  ech  uil  wole  gezemen. 


224 


VORAUER  HANDSCHRIFT. 


Heidelbergs  hs. 

Ze  hörne  alle  urumecheit. 

Iz  danket  die  tunimen  arbeit. 
Sol  man  sie  icht  leren. 

Odir  wisdum  gemeren. 
Daz  in  were  nnzze. 

Sie  ne  phlegint  nit  guter  wizze. 
Daz  si  ungerne  horent  sagen. 

Da  uon  sie  mochten  haben. 
Wisdum  an  ere. 

Un  were  ie  doch  urume  d'  sele. 


Vorauer  hs. 

ze  hören  alliv  frumichait. 

die  tumben  dunchet  iz  arebait. 

sculn  si  immer  iht  gelernen. 

od'  ir  wislum  geme'en. 

die  sint  unnnzze. 

vn  phlegent  niht  guter  wizze. 

daz  si  ungerne  horent  sagen. 

dannen  von  si  mohten  haben. 

baeidiv  wistum  vn  ere. 

uii  waere  iedoch  frum  der  sele. 


Das  weitere  des  anfangs  in  Hoffmanns  fundgruben,  der 
nur  z.  42  unerhört  aus  nv  grife  wir  daz  gute  liet  ane  (vgl 
z.  2)  daz  gute  her  machte.  —  wichtig  ist  z.  31  mit  c.  pa- 
lat.  mit  scophelichen  Worten,  woraus  die  übrigen  (Münch. 
Wolfenb.)  bereits  schmählichen  gemacht  haben;  Prag,  über- 
sprang. —  der  schlufs  ist 

Heidelberger  hs. 

Der  babes  Eugeni9. 

Der  gewarp  alsus. 
Er  hiez  iz  clagen  drate. 

Deme  kunrate. 
Vn  deme  kunige  Ludewige. 

Daz  ne  stunt  nicht  lange  wile. 
Vnz  d'  abbat  Bernhart. 

Den  uursten  geliebete  die  vart. 
Er  quam  zu  dem  kunige  Kunrat. 

Er  mancte  harte. 
Mit  sinir  suzen  lere. 

Er  spach  daz  selbe  unser  herre. 
In  dar  zu  erwelde. 

Der  kunic    nicht    langer    ent- 
weite. 

die  Heidelberger  hs.  bricht  mit  dieser  Sn  zeile  ihrer  spalte 
105d  ab9  die  Vorauer  hat  die  mitgetheilten  schtyfsverse  Wr 
abgesetzt  und  schliefst  mit  bl.  135.  ebenso  schliefst  die 
Wiener  hs.  2693,  die  Wolf enbütteler  15,  2,  und  die  Straft- 
burger.  die  Münchener  geht  nur  bis  Lothar  2.  die  an- 
deren vollständigen  hss.  ider  jüngeren  recension  mit  dem 
anfange  Hdch  gelobter  altissimus),  cod.  Vindob.  2685,  Vin- 
dob.  lnspruk.9  Carlsruh.  52,  Monac.  germ.  965,  gehen  bis 
zu  kaiser  Friedrichs  2  tode9  cod.  Waldburg.  Zeil,  selbst  bis 


Vorauer  hs. 

Der  babes  Eugenius. 

der  gewarf  do  alsus. 

er  hiez  iz  chlagen  drate. 

dem  ch5nige  Chönrat. 

unt  dem  Chonige  Ludewige. 

daz  enstunt  niht  lange  wile. 

unze  der  abbat  Pernhart. 

den  uursten  geliebte  die  vart. 

er  chom  ze  dem  chunige  Chonrat. 

er  manet  in  harte. 

mit  siner  suzen  l&re. 

er  sprach  daz   selbe  unser  here. 

in  darzu  erweite. 

der  chönich  niht  langer  netvelte. 


VORAUER  HANDSCHRIFT.  22fi 

Rudolf  von  Habsburg,  das  jähr  1 147  wird  aus  mehreren 
gründen  das  anhaltsjahr  ßir  dies  kunige  buoch  bleiben 
müfsen. 

2.  bl.  74a — 96d  die  vier  bücker  Mosis,  von  denen  aus 
der  Wiener  hs.  nur  das  le  buch  und  der  anfang  des  2n 
bekannt  waren  (Hoffmanns  fundgr.  2,9 — 101,  Mafsmanns 
ged*  des  12»  jh.  2,  235  —  342). 

3.  bl.  97c — 98°  ein  gedieht  von  der  weltschöpf ung, 
bisher  unbekannt,  32  Strophen,  etwa  340  verse.  Schöpfung 
durch  die  allmacht  gottes,  auch  der  enget  die  fielen  und  an 
deren  stelle  die  menschen  in  das  paradies  gesetzt  wurden; 
gott  gab  ihnen  bist  und  wonne,  um  bei  künftigen  leiden  auf 
die  Seligkeiten  ihrer  ursprünglichen  heimat  zurückzublicken, 
von  den  höheren  geschöpfen  verlieh  gott  dem  menschen  ver- 
schiedene kräfte,  von  den  steinen  mannhafte  härte  der  beine 
u.  s.  w.  dann  wollte  er  ihn  schmücken  aus  allen  vier  ele- 
mcnten;  vom^feuer  gab  er  ihm  den  reinen  sinn,  von  den 
höheren  lüften  das  gehör,  von  den  niederen  den  gerueh, 
von  den  wq/sem  den  geschmack,  von  der  erde  die  stete 
regsamkeil  der  bände  und  fufse.  danach  ward  mit  dem 
ersten  menschen  ein  vertrag  geschlofsen  dafs  er  mit  dem 
geböte  einen  Zweikampf  bestehe  für  das  ganze  menschen- 
geschlecht 

Daz  er  ein  einwig  rungi 

mit  demo  giboti  uur  manktinni: 
erlange  er  den  sieg,  so  sollten  wir  niemals  sterben;  unter- 
liege aber  unser  kämpf  er, 

wanti  der  unsir  chempho  do  geweich, 
so  fielen  wir  sämmtlich  dem  tode  anheirn  u.  s.  w. 

\.  bl.  98° —  100c  loblied  auf  könig  Salomo  (in  24  Stro- 
phen, etwa  240  versen),  von  den  drei  männern  im  feurigen 
ofen,  und  von  Judith  (in  20  absätzen  von  ungefähr  200 
versen). 

5.  bl.  100°— 108d  ein  gröfseres  gedickt  von  der  Ju- 
dith in  etwa  2400  versen,  wie  die  vorgenannten  gänzlich 
unbekannt. 

6.  bl.  109"— 115c  der  Alexander  des  pj äffen  Lamprecht, 
»war  nur  die  ersten  1600  verse ,   doch   wird  das  fehlende 

Z.  F.  D/A.    II.  15 


286  VORAÜER  HANDSCHRIFT. 

blatt  der  Straßburger  hs.  ergänzt.  —  Judith  und  Alexan- 
der wird  herr  Diemer  demnächst  herausgeben. 

7.  bL  115* — 125"  vom  leben  und  leiden  Jesu9  vom  An- 
tichrist und  jüngsten  gerickte,  aus  der  bisher  einzigen 
Görlitzer  hs.  abgedruckt  (fundgr.  1, 127—204)5  hier  fehlt 
ein,  blaU  (s.  149,  9  —  155,  15),  ebenso  gleich  im  anfange 
die  geschickte  Johannes  des  täufers.  nach  dem  sehlufse  ist 
das  werk  von  einer  frau  gedichtet, 

Dizze  buch  dihtote 

Zweier  chinde  muter 

Diu  sageten  ir  disen  sin 

Michel  mandunge  was  under  in  u.s.w. 

8.  bL  125*—  128b  loblied  auf  Maria,  ungefähr  800 
verszeilen,  deren  erste  dreizehn  auf  den  inneren  deekel  der 
Zwetteler  hs.  73  sich  fanden,  s.  Hoffm.  fundgr.  1,260. 

9.  bl.  128c — 129  ein  gedieht  von  34  Strophen,  etm 
300  versen,  ähnliches  Inhaltes  wie  das  unter  3,  auf  veran- 
lafsung  des  bischofs  Günther  von  Bamberg  (1057 — 1065) 
verfqfst, 

Der  gute  biscoph  gunter  vone  babenberch 

Der  hiez  machen  ein  uil  gute  werhe 

Er  hiez  die  sine  phaphen 

Ein  gut  lieht  machen  u.s.w. 
er  beginnt  mit  der  Schöpfung  der  weit  und  des  ersten  pffl" 
res9  dem  sündenfalle  und  seinen  folgen,  der  erlösung  durch 
den  Messias,  welche  im  alten  bunde  schon  Abels  und  Abra- 
hams opfer  und  Mosis  schlänge  in  der  wüste  vorbedeutete? 
dann  von  der  auferstehung  u.  s.  w.  bei  der  Schöpfung  heifst 
es  auch  hier  wieder,  gott  bildete  den  menschen  aus  ach£ 
thdlen,  von  der  erde  gab  er  ihm  das  fleisch,   der  ihm  ^ 
ihm  der  schweif s,   aus  dem  f eisen  schuf  er  das  bein,  **&" 
den  wurzeln  die  ädern,  aus  dem  grase  das  haar,  aus  de**- 
meere  nahm  er  das  blut,  von  den  wölken  den  sinn  und  vW 
der  sonne  die  äugen,     endlich  verlieh  er  ihm  seinen  geist* 
damit  er  ihn  fortwährend  behalten,    und  die   erkenntnis* 
dafs  er  sie  stets  mehren  sollte  (vergl.  seitschr.  1?  1). 

10.  bl.  129d— 133c  von  den  sieben  gaben  des  h.  g<*~ 
stes  und  von  der  siebenzahl  überhaupt  {die  7  gaben  de* 
geistes,   die  7  sieget  des  buches  in  der  Offenbarung,  die  7 


VORAÜER  HANDSCHRIFT.  «27 

en  der  astronomen,  die  7  Wandelsterne  am  himmel,  die 
ffß  der  woche>  mondwechsel,  lauf  der  sonne,  entstehung 
ausbildung  des  menschen,  die  7  altersstufen^  die  7  freien 
te  und  grade  der  Verwandtschaft,  die  6  alter  der  weit, 
T  hauptschmerzen  des  menschen,  bei  deren  letztem  der 
erfolgt) ;  gegen  900  verse.  als  verf  ist  genannt  ein 
iter  Arnoltb,  vielleicht  der  abt  Arnold  zu  Bonneval, 
le  Septem  douis  spiritus  schrieb,  vertrauter  freund  Bern- 
s  von  Clairvaux  (1113),  dessen  lebensbeschreibung  er 
\/ste. 

11.  bl.  133d — 135  gedieht  vom  himmlischen  Jerusa- 
(nach  offenb.  21.  22).  'in  der  minne  seines  namens,  der 
iimmel  besefsen,  die  erde  umfangen,  die  regentropfen 
klet,  zu  seinem  dienste  die  engel  erwählet,  beginnen 
dieses  liedes;  sehr  furchte  ich  dqfs  etliche  schelten, 
dem  himmel  reden  wir  selten  u.  s.  w. 
2.  Ottos  von  Freisingen  leben  kaiser  Friedrichs,  s.  oben. 
SCHEN,  23  april  1842.  H.  F.  MASSMANN. 


•• 


PREDIGTBRÜCHSTUCK. 

vw.a     verzage  nit  ich   bin   der   der  dinen  lip   vn   diu 

sele  geschaffen  hat.-  Ich  bin  der  der  die  edelkeit 

diner  sele  vn  diner  uature  erkeunet.  da  von  er- 

barmetost  du  mir  vn  fvr  von  himelrich  vsser  mi- 

5     nes   vater  schoz  daz   ich   dich  suchte  vn  wider- 

brehte  zv  diner  edelkeit.     Ach  lieber  mensche 

sprach  er  Ich  bin  diu  vater  da  von  minnote  ich 

dich  so  sere  daz  ich  alles  min  blut  vz  goz.     nv 

merke  wie  mir  din  v  .  .  .  e  be  .  .  .  den  het.    da 

10     von  bin  ich  wol  jjelich  den  velt  blvmelin  an  mi- 

nen  kleidern.  Ich  bin  och  gemeine  allen  dien  die 

min  geruchent.  Min  tod  ist  gemeine,  min  genade 

ist  gemeine,   min  himelrich  ist  gemeine.    Ich  vn 

min  vater  vn  der  heilig  geist  sin  gemeine  allen 

15    dien  die  trostes  ald  genaden   gerent  von  rechte 

..   herzen,  dien  will  ich  mich  selben  geben  mit  vol- 

15* 


228  PREDIGTBRÜCHSTÜCK. 

lern  tröste.  Vn  nach  disem  eilende  wil  ich  selbe 
ir  Ion  vn  ir  vröde  sin.  mir  ist  nieman  ze  am 
mir  ist  nieman  ze  svndig.  Ich  bin  ein  eherer  vn 
1  vw.b  alles  daz  dem  tievel  enphallet  daz  lise  ich  |  vfvn 
5  eheren  ez.  Nv  h&rent  des  gvten  gottes  gvti  er 
gelichet  sich  einem  eberer.  Alz  ir  wol  sebent  da 
die  riehen  lvte  snident  da  gant  die  armen  lvte 
nach  vn  eherent.  Ze  gelicher  wise  tvt  vnser 
herre.    Der  tievel   ist  der  riche  man  der  snidet 

10  leider  vber  alle  die  weit  manig  edel  sele  die  got 
köfte  mit  simc  wirdigen  blvte.  So  ist  vnser  herre 
der  arme  man  vn  gat  alles  nah  in  eherende.  Vn 
swa  im  ein  sele  mag  werden  die  zvket  er  an 
sich.  Vn  des  manet  er  den  menschen  vn  sprach. 

15  0  we  mensche  gedenke  daz  ich  ein  eberer  wor- 
den bin  dvr  din  beil.  Er  sprach  och  lieber  men- 
sche gedenke  wie  ich  dich  gesvehet  han.  Ich  liez 
himelrich  min  rechtes  erbe,  vn  fvr  vf  ertrieb  vn 
wart  mensche.   Vn  liez  mir  min  herze  in  minem 

20     libe  vf  tvn.  vnd  min  zarten  sele  gap  ich  von  mir 
ze  scheidenne.    daran  gedenke  vn  erbarme  dich 
vber  mich  eilende  wan  ich  han  mich  dnr  din  liebi 
Irtv.a    verellendet  da  von  gib  mir  din  herze  daz  |  ichvF 
ertrich  ban  gesvehet.     gedenke  noeh  an  mich  vi 

25  kere  dich  zv  mir  vn  gip  mir  din  herze  zv  einer* 
rvwe  vn  din  sele  zv  einer  mihnerin  wan  des  ha*> 
ich  gegert.  Nv  kere  wider  lieber  mensche  zv  den» 
svzen  vellblvmelin.  er  ist  so  vol  miltekeit  vn  er— 
bermde  daz  er  dich   gvtlich  enphahet.    Owe  eil 

30  menschen  die  sich  ie  von  disem  lieben  veltblvmei 
kertin.  die  keren  hvte  wider  mit  rechter  trvw 
zv  siner  genade.  vn  svehen  trost  an  sin  erbermd 
mit  rechter  demvtekeit.  Wan  er  sprach  selbe  all 
die   mich  svehent  mit   demvtige   herzen   die  su 

35  genade  vn  trost  an  mir  vinden.  Nv  svndirwi^^ 
zen  daz  vnser  herre  nit  allein  ist  ein  veltblfm^ 
alz  er  sich  selben  nemet.  Er  ist  5ch  sinen  beic*-"" 
lichen  frvnden  ein  lylie  in  dem  beslozenen  gartet»  - 
Wan  ze  gelicher  wise  alse  man  des  lylien  ze  al— 


PREWGTBRUCHSTUCK.  229 

len  ziten  sicher  ist  in  dem  beslozenen  garten 
rw.b  Also  ist  got  ze  allen  ziten  ia  dem  |  vridcsamen 
herze.  Wan  der  mensche  der  sich  flizet  daz  den 
vride  behalte  vzwendig  mit  eime  ieklichen  men- 
5  sehen  beidv  an  Worten  vn  an  werken.  Vn  der 
öch  inwendig  hat  ein  lvter  gemvte  ane  nid  vn 
ane  vbeln  willen  der  ist  wol  ein  beslozzener  garte, 
der  sin  herze  also  beslvzet  daz  alle  ärgwan  vn 
alle  nid  da  vor  mvz  beliben.  Vn  5ch  sinen  munt 

10  also  beslvzet.  daz  er  nie  manne  nit  arges  sprach 
hinder  im  noch  vor  im.  Vn  alles  daz  ze  gvte  vn 
ze  tvgenden  keret  das  er  sihet  ald  höret,  der 
mensche  ist  wol  ein  beslozener  garte,  in  dem 
garten  wil  got  rvwen  svzeklich  vn  frvntlich  mit 

15  der  lieben  sele.  Zv  der  sele  sprach  vnser  herre 
mich  het  sere  gelvstet  daz  ich  din  antlvte  gesehe. 
So  mag  dv  sele  wol  sprechen,  alz  si  sprach  in 
der  minne  bvche.  Kvme  her  nider  min  geminter 
in  dinen  garten,  nv  kvme  min  gemahel.  min  garte 

20    ist  wole  geblvmet  mit  aller  bände,  tagenden  raa- 

vw.a    nige  altekeit  vn  ist  da  vndergemischet  |  mit  dem 

grase  inneklicher  begirde  nach  dinem  biwesenne. 

da  die  sele  sattet  nach  aller  genvgede.     nu  kvm 

her  minner  der  minne  dv  da  vb er triffet  alle  sinne 

25    kvm  in  dinen  garten,    der  alvmbe  mvret  ist  mit 

*  vorhte  dine  liebi  ze   verlierenne.  Vn  darzv  mit 

hvte  ze  allen  ziten  dine  heinlichi  vn  dine  frvnt- 

schaft  zebehabenne.  Nv  kvm  her  zvcht  vn  schäme 

stand  an  der  porte  vn  hvtent  daz  dv  vn  din  min- 

30  nerin  mit  enkeiner  vnzveht  werden  erweket.  Nv 
kvm  her  min  vnbevaher  vn  min  minner.  din  garte 
ist  wol  beslozen  mit  dem  sloze  rehter  demvtekeit. 
So  sprach  denne  vnser  lieber  herre.  Ich  wil 
nider  gan  in   minen  garten  vn  wil  gesehen  die 

35  bome  in .  dem  tal  die  blvmen  vn  daz  gras.  Vn 
wil  schowen  ob  die  reben  blvgen.  Nv  merkent 
dis.  die  böme  in  dem  tal  das  sint  die  reinen  tu- 
gende  in  der  sele.  Vn  die.  schönen  reben  daz  ist 
vröüchi  in  gote.  swaz  dich  an  gange  daz  dir  das] 


230  PREDIGTBRÜCHSTÜCK. 

2  vw.  b    ein  vrhde in  allen  dine  .     . 

....  solt  dv  rechte  Aemuetige  vröde  mit  gote 
ban  in  diner  begirde.  daz  dv  zXweg  vröliche  ge- 
rest  arbeit  kvmber  vn  not  haben  in  der  minne 
5  dines  minners.  d  ...  die  reben  in  der  sele  die 
blvegent  schöne  vn  wnnesam  swenne  der  mensche 
vrcelich  ist  in  widerwertekeit.  Vndalweg  begeret 
daz  er  arbeit  dvr  got  trage.  Vnder  dien  bömen 
vn  bi  dien  reben  rvwel  vnser  herre.  als  er  selbe 

10  sprach.  Ich  han  gervwet  vnder  dem  schatten  mi- 
ner gemahelen,  vn  die  frvcht  ir  . . .  den  het  mich 
gespiset.  Vnd  die  spise  ist  mir  gar  svze  in  mi- 
nem  mvnde  vn  miner  kelvn.  Nv  svnd  ir  wüsen 
daz  ein  ieklich  gvt  ron  vnserm   herre  vröde  vä 

15     tust  git.    In  disem  besYozenen  garten  des  reinem 
herzen  sint  got  vn  dv  sele  zesamene  gemehelt. 
daz  ist  ein  wwwneklicher  bongarte  vnd  ein  para- 

dise  der  vrcsde  vnd  lust  da  ...  . 

2  rw.  a     .  .  ^  .  fuge |  • 

20 t  sprach dise 

frvndinne  han  ich  gar  sere  geminnet  vh  bin  men- 
sche worden  dvr  ir  liebi.  Vn  han  arbeit  dvr  si 
geüten  al  da  her  von  minen  kintlicben  tagen.  Ich 
bin  ein  minner  worden  ires  schönen  wolge*to/fea 

25    antlvtes.     Vnd  ir   mt/tneklichiv  geschepfede  ha^ 
mich  zv  einem  minner  gemachet,  dar  vnbe  starW 
ich  an  dem  cruce  daz  mir  minv  frvndin  wrdez^"" 
einer  minnerin.     Vn  daz  ich   vn  sie  lieblich  i& 
samne  gef^get  vn  gemehelt  wrdin.  vnd  ist  daz  ge— 

30    schehen  in  dem   Äeslozenen  garten  da  rfwet  got 
vn  dv  selige  sele  mit  ein  andern,    da  nietet  sieb 
dv  sele  einer  sxzekeit  Alz  si  sprach  in  der  minne 
bvche  Ich   saz   under  sime  schatten   des  ich  fe 
gerte.    vn  sines  svzen  wvchers  nietet  ich  mich. 

35    daz  wort  ist  nit  so  ze  verstenne,  als  ob  si  sprtf- 

che  ich  han  mich  gesezzet 

•  •  •  •    et         ze    •■•••••«•■••..•• 

2  rw,  b    ze .  .  .  n  |  scam  sincr 

menscheit.  Vnd  lief  vf  ze  wartenne  hvngerigu  au 


PREDICTßRÜCHSTÜCK.  231 

den   edeln  wvcher  siner  gotheit.    Vü  ich  ellendv 
ze  kvlenne  vnder  den  schatten  des  heiligen  gei- 
stes.     0   we   svzu    sele  wie  rechte  minneklich 
disv  rvwe  ist.    da  got  rvwet  in  dinem  paradyse 
5     daz  ist  din  geblvmtes   herze  in  allen  tvgenden. 
Vnd   din  sele  rvwet  vnder  sime  götlichen  schat- 
ten,  gesach  got  die  sele  du  mit  rechter  begirde 
rvwet  vn  erkvlet  wirt  vnder  dem  schatten  des 
heiligen  geistes.    Du  sele  mag  wol  genesen  vor 
10     aller  vreise.    Zv  der  sele  sprach  unser  herre  in 
der  minne  bvche.     0   dv  min  aller  liepstu  wie 
schöne  dv  bist  in  dime  zarte.    Nv  merkest  we- 
der der  zart  gotes  si  hin  zv^  der  sele.   oder  von 
der  sele  zv  gotte.  Vn  welu  sele  diz  zartes  wir- 
15     dig  si.     Entrvweu  daz  sint  die  dvrnechtigen  die 
demvtiges  herzen  sint.     ez  sint  nit  die  valschen 
geislichen,   noch  die  glichserin.    ez  sint  och  nit 
die  hinderrede  spvlgent  vn  verkerde.  ez  sint  die 
deniv 
Doppeltes  quartblatt,   pergatnent,    an  einer  seile  be- 
tten, abgelöst  von  dem  einbände  eines  buckes  in  octav 
r  Universitätsbibliothek  au  Marburg,  die  abkärzungen 
atffgelöst,  ergänxungen  cursiv  gedruckt. 
HARBURG.  DR  DIETRICH. 


!R  DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  ZIU. 

fe  spärlicher  unsere  n achrichten  über  diesen  gott,  einst 
der  bedeutendsten,  vielleicht  den  ersten,  fliefsen,  um 
;rthvoller  ist  jede  auch  die  geringste  aufklärung  über 
wesen.  die  folgende  auseinandersetzung  versucht  es 
s  licht  wenigstens  über  seinen  namen  zu  verbreiten. 
irimm  stellt  in  der  mythologie  s.  31  den  namen  Ziu 
gm  lat.  deus  und  griech.  Zevg  zusammen,  und  das  ist 
was  das  letzlere  wort  betrifft  unbezweifelt  richtig  5  ge- 
ie  Zusammenstellung  mit  deus  spricht  aber  einmal  das 
q  vollständig  gleichstehende  griechische  fttog,  dann  aber 
ens  das  Jw-  in  Jupiter,  das,  wie  wir  weiter  unten  zei- 


232  DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  ZIU. 

gen  wollen,  dem  Ziu  und  Zevg  entspricht,  so  dafs  jene  Zu- 
sammenstellung nur  möglich  wäre,  wenn  man  annehmen 
wollte,  alle  diese  Wörter  seien  untereinander  identisch,  dies 
anzunehmen  verbietet  aber  das  sanskrit,  wo  das  Ziu  und 
Zfvg  entsprechende  wort  djaus  (himmel),  das  dem  deus  und 
&eog  entsprechende  dävas  (gott)  ist,  was  wir  zunächst  von 
Seiten  des  lautes  nachweisen  wollen. 

In  deus  und  &eog  sowie  in  dävas  sind  «,  o,  a,  wie  die 
declination  ergibt,      zum   stamm  gehörig  und  wir  behalten 
demnach  als  wurzel   de,  &s,  und   däv,    woraus   hervorgeht 
dafs  das  griechische  und  lateinische  den  halbvocal  v  verlo- 
ren haben*),   der  indess  im  griechischen,  wie  ich  vermute, 
nicht  ganz  verschwunden  ist,  sondern  die  aspiration  auf  den 
anlaut  übertragen  hat.    denn  es  ist,  um  von  einer  verwand- 
ten erscbeinung  auszugehen,  im  griechischen  häufig  dafs  eine 
im  auslaut  einer  wurzel  stehende   aspirata  ihre  aspiration, 
wenn  diese  nach  irgeud  einem  lautgesetz  schwinden  mub, 
nicht  ganz  aufgibt,    sondern   dieselbe  auf  den  anlautenden 
consonanlen  überträgt;  man  vergleiche  #(>/§  mit  TQiipg,  *(>*- 
cpw  mit  TQt\po{icu,  &ütit(0  mit  hd(ptiv  u.  a.  m.  nach  demselben 
lautgesetz  zeigt  das  griech,  ftvyuxr\Q  ein  anlautendes  #  statt 
des  d  in  skr.  duhitd  (f.  duhitar)%    goth.  dauhtar,  weil  das 
griechische  kein   inlautendes    h  hatte   und   statt  dessen  die 
entsprechende  gutturale  media   setzte,   der  ausfall  eines  di- 
gamma,  das  sich  ganz  den  aspiraten  anschliefst,  hat  nun  zu- 
weilen dieselbe  erscbeinung  herbeigeführt  und  diesem  umstände 
verdankt  z.  b.  dvQa  sein  #  gegenüber  dem  d  von  dvdr  f» 
und  dvdr  am  n.,  die  thür;  ein  noch  augenscheinlicheres  Bei- 
spiel ist  yiuQÖg  (fett,  glänzend)  verglichen  mit  skr.  pivaras 
mit  derselben  bedeutung,  neben  dem  maQog  ebenso  wie  das 
einfache  nitov  neben  pivän  besteht,   welche  zugleich  zeigen 
dafs   das  erwähnte  lautgesetz  nicht  in   allen  fällen  durchge- 
drungen ist  und  den  mangel  fernerer  beispiele  erklären,  dem- 
nach dürfen  wir,  denke  ich,  nicht  zweifeln,  das  griech.  &tk 
dem  lat.  deus  und  skr.  dSvas  an  die  seite  zu  stellen,  und  kön- 


deon  im  dorischen  d'svszzi'&eos  gehört  v  nicht  zur  wurzel  (ist  also 
nicht  aas  einem  früheren  djgamma  vocalisiert),  da  6v  durch  contraction 
aus  eo  entstanden  ist.' 


DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  ZIU.  233 

neu  ans  nun  zu  der  zweiten  reihe  der  oben  zusammengestell- 
ten Wörter  wenden.  , 

.  Die  richtigkeit  der  Zusammenstellung  von  Zevg  und  Zfu 
brauchen  wir  nach  Grimms  Vorgang  nicht  weiter  zu  erör- 
tern, und  es  bleibt  uns  nur  die  mit  skr.  djaus  und  zwar 
zunächst  ebenfalls  nur  von  der  seite  des  lautes  zu  rechtfer- 
tigen, dies  wort  hat  drei  verschiedene  stamme,  von  denen 
es  seine  casus  bildet,  nämlich  div9  dju  und  djö9  deren  letz- 
tere in  den  casibus  erscheint,  die  Bopp  die  starken  nennt, 
diese  verhalten  sich  zu  den  schwächeren  wie  im  griechischen 
die  .wurzelform  des  2n  aoristus  vieler  verba  zu  der  des  prä- 
sens,  z.  b.  wie  ecpvyov  zu  qjfvy-co,  und  die  Verstärkung  be- 
steht hier  wie  da  häufig  in  der  vorsetzung  eines  vocals  (im 
skr.  immer  a  oder  d9  mit  denen  u  in  6  und  au  übergeht, 
im  griech.  a,  e,  o)  vor  den  einfachen  wurzelvocal.  die  bei- 
den formen  dju  und  djö  reducieren  sich  demnach  auf  die  eine 
ursprüngliche  dju;  diese  erscheint  nun  in  der  declination 
des  Wortes  nur  in  den  casibus,  deren  endungen  mit  einem 
consonanten  beginnen,  wogegen  sich  die  erste  form  div  vor 
allen  voealisch  anlautenden  endungen  zeigt,  demnach  müfsen 
wir  auch  dju  und  div  als  identisch  ansehen  und  zwar  das 
letztere  als  das  ursprüngliche,  da  v  im  sanskrit  nur  vor  r 
und  j  erscheint  und  vor  allen  übrigen  consonanten  sich  vo- 
caHsiert  oder  verschwindet,  daher  hier  nothwjendig  in  u  ver- 
wandelt werden  muste,  also  diu,  woraus  sich  dann  unmit- 
telbar die  andere  form  dju  entwickelte,  da  das  sanskrit  nicht 
zwei  vocale  neben  einander  duldet. 

Gehen  wir  nun  zur  declination  des  Wortes  über,  so  zeigt 
eine  Zusammenstellung  der  griechischen  und  entsprechenden 
indischen  formen  sogleich  die  formelle  Verwandtschaft  von 
djaus  und  Ztvg  (wobei  wir  das  bei  Boeckh  im  corpus  inscr. 
sieh  findende  digamma  zu  hilfe  nehmen). 

nom.   djaus     Zevg 

gen.    divas    Jifog 

dat.  Xdivö      /i    ' 

loc.   \divi 

acc.     div  am   Jifa 

voc.     djaus    Zev 
hierbei  ist  nur  zweierlei  zu  bemerken,  nämlich  erstens  dafs 


234  DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  Z1U. 

im  noin.  und  voc.  f  an  die  stelle  von  dj  getreten  ist;  die- 
ser lautwechsel  erklärt  sich  jedoch  leicht,  wenn  man  erwägt, 
dafs  £  ein  doppelconsonant  ist,  der  hier,  wie  die  casus  obli- 
qui  zeigen,  aus  einem  d  nebst  folgendem  zischlant  besteht, 
welcher  sich  bereits  dem  vorhergehenden  consonanten  assi- 
miliert hat,  wogegen  er  im  sanskrit  noch  auf  der  ursprüng- 
lichen stufe  verharrt  ist.  zweitens  würde  man  an  der  stelle 
des  griech.  ev  eher  das  vollere  ccv  erwarten  wie  es  z.  b.  ia 
vctvg  verglichen  mit  skr.  naus  (gleicher  bedeutung)  erscheint 
indess  zeigt  gerade  dies  wort  am  besten  die  möglichkeit  einer 
Schwächung  aus  au  in  tu,  indem  es  im  ionischen  ab  nfit 
erscheint  und  die  grammatiker  eine  form  vcvg  aufbewahrt 
haben,  die  vielleicht  nur  den  genitiven  vedg  and  vmv  in 
gefallen  'ersonnen  ist,  aber  nichts  desto  weniger  die  richtige 
Stammform  der  letzteren  ist,  in  denen  das  v  nur,  nachdem 
es  früheren  lautgesetzen  gemäfs  in  digamma  verwandelt  war, 
in  der  späteren  sprachperiode  nothwendig  verschwinden  muste. 

Die  dritte  Stammform  des  indischen  Wortes,  nämlich  dju, 
erscheint  nur  im  pluralis  vor  consonantischen  endungen,  hat 
aber  dem  römischen  namen  des  gottes  den  Ursprung  gcgfr 
ben,  indem  nur  das  anlautende  d9  da  das  römische  nie  # 
im  anlaut  hat,  aufgegeben  ist  und  so  Ju-piter  für  Djupiter 
steht,  die  casus  obliqui  dieses  namens  lafsen  die  erklärong 
sowohl  aus  dem  stamm  dju  als  d/6  zu,  indem  neben  ihnen 
nach  Varro  auch  Jovis  als  nominativ  stand,  dies  wort  erfor- 
dert nun  aber  noch  eine  erklärung  in  bezug  auf  seinen  zwei- 
ten theil,  die  uns  zu  gleicher  zeit  über  die  bedeutung  dtf 
oben  zusammengestellten  Wörter  näheren  aufochlufs  giebt. 

Das  wort  fiter  in  Jupiter  schliefst  sich  nämlich  eng  aa 
das  indische  pitd  (s.  pitar)y  dervater,  an,  und  es  kann  kein 
zweifei  sein,  wenn  wir  die  bedeutung  von  sanskr.  (fy'aus, 
der  himmel,  und  das  lat.  sub  Jove  berücksichtigen,  dafs  J*- 
piter  den  himmelvater  bedeutet,  diese  annähme  gewinnt  noch 
gröfsere  bestätigung,  wenn  man  ferner  erwägt  dafs  auch  Ho- 
mer den  Zfvg  fast  immer  noch  naxrjQ  nennt,  und  die  durch 
den  leider  zu  früh  verstorbenen  Rosen  uns  eröffneten  schätze 
der  vedas  entscheiden  endlich  vollends,  bisher  war  uns  aas 
den  epischen  gedichten  das  wort  djaus  nämlich  nur  in  der 
physischen  bedeutung  bekannt,   in  einigen  vedahymnen  er- 


DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  ZIU.  235 

cheint  es  nun  aber  als  der  personificierte  bimmel,  und  die- 
;r  wird  in  einer  derselben  (Rosen  Rig-Veda  s.  177)  pitd 
fmts9  vater  Z*vg9  vater  himniel,  genannt,  und  ihm  die  tnäid 
rühmt,  mutter  erde,  zur  seite  gestellt,   gerade  wie  im  ho- 

erischen  Zev  ttottiq  yij  ts  (irjftrnjy  und  so  denke  ich  kann  kein 
weife!  an  der  bedeutung  von  Zevg  als  bimmel  sein,  womit 
inn  zugleich  dieselbe  für  Ziu  gewonnen  ist.  was  aber  die 
>nn  betrifft,  so  sehen  wir  dafs  sich  das  angelsächsische 
V»  (gen.  Tives)  am  nächsten  an  die  indische  grundform 
w  anschliefst,  diese  ist  nun  als  Wurzel  auch  sonst  noch 
>rhanden  und  bedeutet  leuchten,  glänzen,  der  himmel  ist 
so  der  glänzende,  eine  durch  die  gewöhnliche  vocalver- 
ärkung  von  i  zu  £  geschehene  ableitung  von  div  ist  nun 
>er  d£vas9  was  demnach  ursprünglich  der  himmlische  heifst, 
id  nun,  wenn  wir  anders  recht  haben,  auch  beweist  dafs 
ms  und  &tdg  nicht  mit  Ziu  und  Zevg  in  eine  reihe  gestellt 
erden  können. 

BERLIN.  A.  KÜHN. 


IBER  DIE  GESCHICHTLICHE  GRUNDLAGE 

DES  GRAFEN  RUDOLF. 

Im  jähre  1828  gab  Wilhelm  Grimm  fragmente  eines  mit- 
telhochdeutschen gedichtes  aus  dem  12n  jh.  heraus,  unter 
dem  titel  Grave  Ruodolf,  deren  trefflichkeit  in  ausfübrung  und 
Erstellung  nach  seinem  vorgange  ebenso  anerkannt  wurde 
als  ihr  Zusammenhang,  die  motive  und  der  abschlufs  des  In- 
halts völlig  räthselhaft  blieb,  unter  diesen  umständen  bat 
jeder  versuch  hoffnungslos  geschienen  historische  gestalten 
aufzusuchen  mit  denen  die  figuren  des  gedichtes  zusammen- 
hangen könnten,  und  je  gröfser  die  lebendigkeit  ist  mit  der 
die  brachstücke  den  zustand  des  königreichs  Jerusalem  vor 
1187  vergegenwärtigen,  desto  mehr  hat  man  den  vertust  des 
8*ftzen  auch  wegen  geschichtlicher  auf  klärungen  die  es  viel- 
teicht  enthalten  hätte  bedauert,  ich  gestehe  freilich  dafs  ich 
dieses  gefällt  nicht  theile  und  bei  der  sichtlichen  freiheit  der 
Stellung  nicht  glaube  dafs  wir  hier  für  kenntnis  der  that- 
s*chen  irgend  ein  neues  gewonnen  hätten,  —  höchstens  sonst 


236  GRAVE  RUODOLF. 

schon  festgestelltes  hätte  schärfere  beleuchtung  erhalten ;  — 
desto  lebendiger  ist  mir  aber  immer  der  umgekehrte  wünsch 
geblieben,  ob  nicht  trotz  alles  ungünstigen  Scheines  darch 
geschichtliche  Untersuchung  fernere  aufklärung  über  den  baa 
des  gedichtes  zu  gewinnen  wäre,  wie  weit  ich  nach  mei- 
nem dafürhalten  in  der  Verwirklichung  dieses  Wunsches  ge- 
kommen bin  mögen  die  folgenden  bemerkungen  darlegen: 
ich  stelle  fürs  erste,  um  die  nöthigen  vergleichungspunkte 
übersichtlich  zur  hand  zu  haben,  den  inhalt  der  vorliegen- 
den  fragmente  zusammen. 

König  Gilot  von  Jerusalem  gibt  ein  glänzendes  fest,  sich 
gegenüber  setzt  er  einen  heim  aus  Flandern,  der  seinen  sota 
an  der  seite  hat. 

Ein  pferd  ist  beim  zügel  gefafst  und  soll  weggeführt 
werden,  des  grafen  knappe  Apollinart  wird  es  gewahr  und 
bringt  eilend  den  Faris  in  sein  behälter. 

Nachricht  von  einem  kriegszuge,  wir  fiengen  einen  der 
das  schönste  ross  an  der  hand  führte.'  —  'habe  dank  männ- 
licher that*  u.  s.  w.  die  ritte r  nehmen  nacbtlager  nnd  zie- 
hen auf  Rudolfs  bitten  am  vierten  tage  nach  Jerusalem^  wo 
sie  mit  geläut  und  heiligthum  empfangen  werden,  am  fünf- 
ten tage  kommt  ein  böte  von  Scalun,  cich  war  da,  derselben 
bürg  also  nah  dafs  ich  sah  in  das  land.'  es  soll  krieg  ge- 
ben, Rudolf  ermahnt  zur  tapferkeit,  der  könig  dankt  ihm, 
'herr,  ihr  seid  kommen  in  das  land  durch  gottes  ehre/ 

Vorgänge  bei  der  belagerung.  Girabobe  führt  von  der 
bürg  herunter  ein  gespräch  mit  Rudolf,  bietet  für  die  gefan- 
genen gold  und  silber,  das  Rudolf  zurückweist,  er  habe  ge- 
nug aus  seinem  lande  mitgebracht.  Girabobe  bat  die  weiber 
in  der  bürg  geschoren  und  in  waffen  gesteckt,  er  zeigt  jetzt 
diese  recken,  könig  Gilot  befiehlt  seinem  heergrafen*  die 
wachen  zu  henken  weil  sie  so  viel  volkes  in  die  borg  ge- 
lafsen,  nimmt  darauf  aber  den  von  Girabobe  dem  grafen  vor- 
geschlagenen frieden  an.  alle  werden  feierlich  in  Jerusa- 
lem von  dem  cardinal  von  Bethlehem  und  andern  empfan- 
gen;  Rudolf,  von  könig  berufen,   reitet  in  den  palast,  sein 

*'  ich  glaube,  der  eonnetable  wird  gemeint  sein,    vergl.  seine  fw- 
ctionen  bei  Ganciani  5,  148* 


GRAVE  RUODOLF.  2SI 

adel,  seine  Schönheit  wird  gerühmt,  die  frauen  blicken  nach 
ihm  in  minne,  der  könig  ehrt  den  kindischen  helden,  der 
gegen  arm  und  reich  gleich  liebenswürdig  ist  und  dem  könige 
gegenüber  wenigstens  nicht  blöde  auftritt,  schon  früher,  anf 
einen  ausruf  des  erstaunens,  'ist  das  wahr?'  antwortet  er 
ihm  scharf  genug,  'denkst  du,  ich  sagte  was  ich  nicht  auch 
vernommen  hätte?'  jetzt,  als  Gilot  meint,  er  möchte  einen 
hofhält  wie  den  des  kaisers  bei  sich  einführen,  lacht  Rudolf 
laut,  'was  denkst  du?  wessen  unterwindest  du  dich?  könige 
dienen  dem  kaiser,  dir  will  ich  guten  rath  geben — .' 

Liebesscenen  zwischen  Rudolf  und  einer  dame,  wie  sich 
weiterhin  zeigt,  der  tochter  des  heidenkönigs  Halap,  an  des« 
sen  hofe  sich  Rudolf  hier  befindet.  Gilot  sendet  aus  dem 
christenlande,  entbietet  dienst  und  minne  und  fordert  Ru- 
dolfs auslieferung  mit  gebundenen  bänden,  er  sei  untreu  im 
dienst  gewesen  und  habe  ihm  den  herzog  und  seinen  söhn 
benommen.  Halap  will  Rudolf  zu  gerichtlichem  Zweikampf 
stellen,  sonst  aber  nicht  ausliefern. 

Rndolf  kommt  zu  dem  heere,  das  mit  grofser  Streitkraft 
vor  der  bürg  am  meere  liegt,  gelangt  mit  list  durch  das  be- 
lagernde heer  in  die  bürg,  richtet  die  gemüter  wieder  auf, 
und  als  Halap  zum  entsatz  herannaht,  macht  er  einen  aus- 
fall,  ohne  jedoch  anders  als  mit  flachem  Schwerte  auf  die 
Christen  zu  schlagen.  Gilot  erliegt  dem  Girabobe:  man  sieht, 
die  bürg  am  meere  ist  wieder  Scalun. 

In  Constantinopel.  die  Fürstin  weist  alle  bewerbnngen 
des  griechischen  königs  zurück,  erhält  in  prachtvoller  taufe 
den  namen  Innengart,  und  läfst  nur  immer  nach  Rudolf  for- 
schen, ob  er  noch  am  leben  sei.  Rudolf  liegt  in  einem  hause 
gefangen  aus  dem  er  mit  mühe  und  noth  entkömmt,  gott 
llfst  ihn  sehr  für  seine  missethat  büfsen.  elend  versteckt  er 
sich  in  einem  dornbusch,  manch  barter  schlag  war  ihm  ge- 
geben und  mancher  stofs,  tiefe  wunden,  sehr  grofse,  hat  er 
gewonnen,  rücken  und  bauch  war  ihm  geschlagen  dafs  es 
niemand  sägen  kann,   ein  wunder  dafs  er  am  leben  blieb. 

Rudolf  und  die  königin  entfliehen  mit  ihren  schätzen. 
heimlich  aus  Constantinopel,  die  königin  wird  müde,  sie  ma- 
chen ihr  ein  lager  auf  blumen,  Bonifait,  Rudolfs  neffc,  be- 
reits früher  ihr  kämmerer,  halt  wache.  Überfall  von  räubern, 


238  GRAVE  RUOQOLF. 

Rudolf  erwacht,  sieht  Bonifait  und  fünf  räuber  bereits  todt, 
erlegt  die  übrigen  und  beklagt  den  neffen. 

Dies  ist  alles  was  uns  zur  begründung  irgend  einer  as- 
sicht  vorliegt;    anfang  und   ende   sind  also  ganz  im  dunkel, 
und   auch    innerhalb   der   fragmente   selbst  sind   die  lücken 
höchst  wesentlich,   den  anfang  unserer  betrachtung,  wenn  sie 
nicht  ganz  im  blinden  rathen  soll,  mufs  eine  möglichst  genaue 
Zeitbestimmung  bilden,   und  ich  denke,  um  über  1187,  den 
allgemeinsten   termin,   hinauszugehen   wird  man  eine  Unter- 
scheidung zunächst  festhalten  müfsen.     nämlich  Grimm  ge- 
winnt ein  zweites  datum  aus  Rudolfs  äufserung  dafa  könige 
dem  kaiser  «  dienten,   eine  thatsache  die  damals  nur  zur  zeit 
Wladislaws  von  Böhmen,   1158  bis   1173  vorgekommen  sei. 
ans   dem  gleich   anzuführenden  gründe  trage  ich  aber  kein 
bedenken  diese  erwähnung  nur  auf  rechnung  des  deutschet 
bearbeiters  und  nicht  einmal  des  französischen  Originals,  zu 
setzen :    dafs   die  handlung  des  gedichtes  selbst  nicht  in  die 
erwähnte   periode   passe   ergibt  die  einfache  bemerknng  dafs 
so  gut  wie  Jerusalem  christlich,  Ascalon  dort  saracenisch  ist. 
man  gewinnt  dadurch  nicht  mehr  1187  als  letzte  oder  1158 
als  früheste,   sondern    1153  als   äufserste  grcnzbestimmuBg, 
und  überhaupt  müfsen  die   bändel  mit  dieser  Stadt,  die  im 
gedichte  eine  so  beträchtliche  stelle  einnehmen,  uns  auf  si- 
here  bestimm ungen  führen,  es  ist  zwar  unmöglich,  aber  für 
unsere   zwecke   auch   nicht  erforderlich,   eine  würkliehe  und 
förmliche  belagerung  Ascalons  durch  die  Franken  nachzu- 
weisen die  den   kämpfen  Gilots   und  Girabobes  entspräche: 
es  wird  uns  vielmehr  darauf  ankommen  eine  periode  in  der 
geschiente  des  königreiches  aufzufinden  in  welcher  der  krieg 
gegen  Ascalon  eifrig  genug  geführt  wurde  um  einen. dickter 
darauf  aufmerksam  zu  machen  und  ihm  allgemeines  interesse 
für  dessen  darstellung  zu  verheifsen.     gehen  wir  in  dieser 
rücksicht  die  einzelnen   regierungen   durch,    so  werden  wir 
zunächst  die  ersten  jähre  Balduins  I  von  vorn  herein  aus- 
schliefsen  müfsen.  die  damaligen  kämpfe  mit  Ägypten  waren 
einmal  von  anderer  bedeutung,  ein  umfafsender  krieg  zweier 
nationen,   wo   Ascalon   freilich  als   waffenplatz   seine  grobe 
Wichtigkeit  hatte,   aber  niemand  daran  dachte  es  als  gegen- 


GRAVE  RUODOLF.  239 

slaad  des  Streites  zu  betrachten ;  zweitens  war  auch  der  er. 
folg  ein  verschiedener,  die  Ägypter  wurden  abgewiesen,  waren 
darum  aber  nicht  weniger  übermächtig,  wahrend  umgekehrt 
in  unserem  gedicbte  Gilot  zuletzt  eine  niederlage  erleidet, 
im  ganzen  aber  kräftig  genug  den  Ascaloni.ten  gegenüber  auf- 
tritt, später  erscheint  als  das  einzige  streben  Balduins  I  die 
besetzung  der  türkischen  seeplätze,  und  nur  in  seinen  letz- 
ten jahren  versuchte  er  sich  in  abenteuerlichen  zügen  gegen 
die  ägyptische  grenze,  wobei  aber  gerade  Ascalon  nicht  im 
mindesten  berührt  wurde,  unter  Balduin  II  wurde  1125  ein 
einzelner  streifzug  gegen  die  Stadt  unternommen,  sonst  aber, 
durch  umstände  und  vielleicht  durch  richtige  einsieht  bewo- 
gen, gieng  die  normale  richtung  seiner  politik  in  abwehr  und 
fortschritt  durchaus  gegen  die  syrischen  und  mesopotamischen 
feinde,  von  Fulco  will  ich  sogleich  reden  und  vorher  be- 
merken wie  Balduin  Hl  zwischen  1143  und  1148  nur  den 
unglücklichen  zug  gegen  Boszra  versuchte,  wie  1148  könig 
Konrad  allerdings  die  belagerung  Ascalons  vorschlug,  selbst 
dortbin  gieng,  sich  aber  von  den  übrigen  forsten  verlafsen 
fand,  worüber  sein  brief  an  Wibald  das  nähere  und  damit 
die  erklärung  des  Nie.  Ambian.  gibt,  dafs  die  iterata  fraus 
auf  die  Christen,  nicht  auf  die  Saracenen  geht,  also  zur  er- 
klärung unseres  gedichtes  nicht  benutzt  werden  kann4,  dafs 
noch  weniger  als  dies  unternehmen  die  endliche  belagerung 
von  1153  im  grafen  Rudolf  gemeint  ist  erhellt  aus  dem  ziem- 
lich schlagenden  umstände  dafs  damals  Ascalon  erobert  wur- 
de, im  gedichte  aber  die  Christen  unverrichteter  sache  ab- 
ziehen müfsen. 

Nur  die  regierung  Fulcos  von  Anjou  ist  noch  zurück, 
und  hier  scheinen  sowohl  die  Verhältnisse  gegen  Ascalon  als 
die  zustände  im  allgemeinen  der  art  gewesen  zu  sein  um  in 
poetischer  bearbeitung  gebrochen  ein  bild  wie  das  unserer 
fragmente  abzuspiegeln,  das  auftreten  Emadeddin  Zenkis  würkte 
in  einer  den  syrischen  Franken  auch  sonst  geläufigen  weise ; 
wo  ein  kräftiger  gegner  auftrat  vermieden  sie  die  kämpfe 
mit  ihm,  statt  sie  zu  suchen  ehe  jener  völlig  erstarkte :  so- 
bald Zenki  seine  macht  in  Aleppo  gegründet  halte  war  von 

*  ep.  Wib.   127. 


240  GRAVE  RUODOLF. 

christlicher  seile  keine  rede  weiter  von  einer  offensive  gegen 
ihn  and  die  nordgrenze  überhaupt,  vielmehr  wandte  sich  die 
einzige  ihnen  nicht  abgenöthigte  thätigkeit  dem  jetzt  beinahe 
ungefährlichen  süden  zu.    nicht  mit  be wüster  planmäf&igkeit, 
sondern  jenem  factischen  Verhältnis   folgend  versuchte  man 
die  ersten  schritte  auf  dem  wege  der  1153  zu  der  einnähme 
Äscalons   und    1168   zu   dem  angriffe    auf  Ägypten   führte: 
langsam  heranrückend  setzte  man  sich  fest  in  der  umgegend 
der  Stadt  und  engte  sie  durch  eine  reihe  starkbesetzter  er- 
stelle ein,   so   dafs  1138  die  Ascaloniten  urbem  per  gyrm 
praesidiis  inexpugnabilibus  va  IIa  tarn  erblickten  nnd  in  völ- 
liger mullosigkeit  darüber  an  den  chalifen  berichteten,  da  war 
1132  Baitnuber  (später  Richards  I   mehrmaliger  lagerplatz), 
dann  näher  1134  Bersaba,   1137  Ibelin,  1138  die  hohe  Blau* 
chegarde  befestigt  worden*,   von  deren  thürmen  man  in  die 
Stadt  hineinsah  und  jede  kriegerische  rüstung  bemerkte,  nicht 
anders  als  der  böte  an  könig  Gilot  berichtet,  'ich  was  da, 
ich   sah  in  das  land.'     von  diesen  bürgen  wurden  die  wenn 
auch    unbedeutenden  doch  lästigen  plünderungen  der  Ägyp- 
ter gehemmt  und    ein  kleiner  krieg  ununterbrochen  gegen 
Ascalon  selbst  gerichtet;  der  könig,  der  patriarch,  die  barone 
hatten  den  grundstein  der  castelle  legen  helfen;   man  siebt 
wie  dies,  in  etwas  gesteigert  und  concen  friert,  den  kämpfe* 
des  gedichtes  vollkommen  entsprechen  muste.  und  in  der  that, 
die  kräfle   des  reiches  brachten  es  zu  wenig  resultaten  da- 
mals aulser  diesen  befestigungen :  abgesehen  von  den  folgen- 
losen   zügen   nach  Antiochien,    zu   denen  Fulco  sehr  gegen 
seinen  willen  genöthigt  wurde,   weifs  Wilhelm   von  Tyrns 
nur   die  Vernichtung  eines  räubernestes   zu  erzählen,  einer 
befestigten  berghöhle,  wie  man  sie  auch  sonst  aus  syrisches 
kriegen  kennt,  der  punkt  war  berufen  wegen  seiner  festig- 
keit,  und  nur  die  ankunft  des  grafen  Dietrich  von  Flandern) 
ebenfalls  1138,  gab  den  mut,  seine  hilfe  den  ausschlag  bei 
dem   unternehmen :   ich  meine,    es   wird  auch  hier  nicht  zu 

*  diese  Zeitbestimmungen  weichen  von  Wilken  ab,  so  wie  der  In- 
halt mehrerer  sonstigen  behauptungen  von  ihm  und  den  übrigen  mir 
bekannten  geschienten,  ich  mufs  die  nähere  begründung  einem  andern 
orte  vorbehalten  und  beziehe  mich  nur  im  allgemeinen  auf  Wilh.  von 
T.   14. 


GRAVE  RUODOLr\  241 

«wagt  sein  in  den  anfangsworten  des  gedicbtes  eine  remi- 
iscenz  an  diese  Vorgänge  zu  finden. 

Die  Wahrscheinlichkeit  hier  im  vierten  decennium  des 
thrhunderts  den  geschichtlichen  aufenthalt  des  grafen  Rudolf 
n  entdecken  wächst  mir  aber  noch  in  weiterer  hinsieht, 
rie  Ascalon  und  Flandern  treffen  auch  die  griechischen  ein- 
üfse  zu,  nicht  als  wären  sie  später  geringer  gewesen,  aber 
amals  tritt  durch  den  angriff  Kalojohannes  der  Wendepunkt 
in  mit  dem  eine  neue  bedeutung  der  Byzantiner  für  Syrien 
eginnt.  seine  persönliche  tüchtigkeit,  nicht  minder  die  sei- 
es  sohnes  Manuel,  war  den  dortigen  Franken  wohl  bekannt; 
as  unzweideutigste  Zeugnis  darüber  legt  die  politik  der  kö- 
ige  von  Jerusalem  seit  dem  zweiten  kreuzzuge,  legt  ferner 
i  ausdrücklichen  Worten  der  erzbischof  von  Tyrus  über  Ma- 
nel  ab.  wie  umfafsend  waren  nicht  Johannes  asiatische  plane 
s  Vertreter  der  Christenheit  den  islam  in  dem  kerne  seiner 
Acht,  im  chalifate,  zu  vernichten;  dafs  die  erwartungen 
iderer  nicht  zurückblieben  ist  in  jeder  weise  anzunehmen r 
neb  'dann  noch  als  nach  dem  stürze  der  Monkaditen  in  Schai- 
ir  die  eifersuch t  der  Franken  seine  Fortschritte  auf  Klein- 
sien   beschränkte,     für  einen   dichter   der  von  vorn  herein 

• 

iebt  das  detail  der  ereignisse,  sondern  ihren  kern  im  äuge 
atte,  lag  demnach  Stoff  in  hinreichender  weise  vor  um  einen 
onflict  zwischen  dem  kaiser  und  dem  rechten  haupte  des 
dam  zu  schildern ;  was  irgend  ein  emir  errungen  und  er- 
itten  hatte  wurde  auf  Zenki,  den  sanguinus  rex  Alapiae, 
len  könig  Halap,  übertragen,  —  ein  process,  der  sagenpoe- 
»ie  so  geläufig  wie  kein  anderer;  —  mit  einem  worte,  so 
konnte  Halap  selbst  der  unterliegende  in  Schaisar  und  seine 
tochter  nach  Constantinopel  geführt  werden,  denn  von  einem 
ähnlichen  Standpunkte  gehört  die  bemerkung  hierher  dafs  ge- 
nau dieselbe  zeit  es  ist  in  der  die  ersten  geschichtlichen 
Qachrichten  über  liebesverhältnisse  zwischen  Christen  und 
Türkinnen  niedergeschrieben  wurden,  vor  1130  kenne  ich 
:ein  beispiel  davon,  der  fanatismus  von  1097  verdammte  er- 
'berungen  dieser  art  statt  sie  zu  preisen,  jetzt  aber  wird  er; 
'*er  wie  in  anderen  gebieten,  durch  die  gesetze  ritterliches 
L**d  sinnliches  wesens  gebrochen,  es  ist  eine  umwandelung 
Uf  der  bedeutende  theile  der  syrisch  -  fränkischen  geschichte 
Z.  F.  D.  A.    II.  16 


%&  GRAVE  RUüDOLF. 

beruhen,  hier  iu  unserer  frage  ist  es  Orderic  Vi  Ulis  4er  in 
jenem  Zeitpunkte  die  betreffenden  erzählungen  vernahm  und 
aufzeichnete;  man  roufs  die  erfolge  christlicher  rittemhaft 
auf  diesem  felde  in  seiner  farbigen  darstell  ung  nachlesen  an 
sich  au  überzeugen  welch  frische  popularität  damals  diese 
dinge  im  abendlande  gehabt  haben  müTsen«  was  geschicht- 
liche Wahrheit  anlangt,  so  ergeht  es  ihm  dabei  natürlich  nicht 
anders  als  dein  Albert  von  Acben  in  seinen  raystiscbritter- 
licben  neigungen ;  es  ist  einmal  unerläfslicb  die  beiden  mü- 
fsen  auch  weibliche  herzen  und  nicht  blofs  feindliche  Schwer- 
ter besiegen ;  so  erfindet  sich  die  sage  ihr  detail,  wenn  sie 
es  nicht  vorfindet,  gelingt  es  uns  nach  sonstigen  indicieo 
den  grafen  Rudolf  in  einer  geschichtlichen  figur  zu  entdecken, 
so  wird  darin  wenigstens  kein  beweis  gegen  die  idenütat 
liegen  dafs  ein  Verhältnis  der  arl  in  der  erzählaqg  etwa  des 
Wilhelm  von  Tyrus  mangelt. 

Fafsen  wir  alles  zusammen,  die  griechischen  gesebieh- 
ten,  die  liebe  zu  der  heidnischen  königiu  erlauben,  AscaloB» 
könig  Halap,  der  graf  von  Flandern  führen  geradezu  dantf 
hin  den  Stoff  unseres  gedichtes  in  der  regierungszeit  Fulcos 
zu  suchen,  hiernach  wird  jetzt  schon  wer  einige  wifsensekaft 
dieser  periode  zur  hand  hat'  nicht  mehr  zweifeln  von  wel- 
chem ereignis  ich  reden  will ;  es  gibt  nur  eines,  so  viel  tw 
bekannt  ist,  bei  dem  sich  irgend  eine  mögliebkeit  des  ver- 
gleichen zeigt,  und  ob  ich  dies  eine  mit  recht  hierfaerzieke 
möge  der  leser  aus  der  folgenden  erzählung  beurtheileR,  is 
der  ich  die  Vergleichungspunkte  mit  dem  gediente  wörtlich 
nach  Wilhelm  gebe,  im  übrigen  mir  aber  vorbehalte  mehrere 
fehler  und  unVollständigkeiten  des  autors  nachzubefsern. 

Es  ist  allgemein  bekannt  in  welchem  zustand  von  schwä- 
che könig  Philipp  I  die  centralgewalt  Frankreichs  seiaea 
nachfolger  Ludwig  hinterliefs :  eine  menge  sogar  der  kleinen 
barone  stand  in  offener  widersetzlichkeil  und  Ludwig  konnte 
anfangs  nicht  von  Paris  nach  Melun,  nach  Etampes,  oder  tob 
Etampes,  von  Orleans  gelangen  ohne  sich  mit  diesen  castel- 
lanen  herumzuschlagen*,     einer  der  berufensten  war  {Ingo 

die  belege  dazu  finden  sich  beinahe  sämratlich  verzeichnet  bei 
Bauquet  12,  ind.  geograph.  unter  Pusacium.  ich  bin  so  ausführlich 
weil  gerade  hier  Wilhelm  von  T.  14,  15  so  mangelhaft  ist. 


GRAVE  RUODOLF.  243 

Eberhard,  castellan  von  Puiset,  einer  bürg  nicht  weit  von 
Orleans,  der  schöne  aber  der  ruchlose  von  Orderich  bezeich- 
net, der  keinen  kaufmann  des  weges  ziehen  liefs  und  mit 
einer  bände  verzweifelter  gesellen  die  ganze  umgegend  in 
schrecken  hielt,  in  vielfachen  kleinern  und  gröfsern  handeln 
sehen  wir  ihn  schon  unter  Philipps  regierung,  das  bedeu- 
tendste war  dafs  er  im  jähre  1106,  als  Boemund  I  ganz  Eu- 
ropa zum  kriege  gegen  Alexius  aufrief,  seinem  bruder  Gui 
die  Verwaltung  der  chatellenie  übertrug  und  sich  dem  nor- 
mannischen helden  anschlofs.  wir  begegnen  ihm  in  diesem 
kriege  mehrmals  in  ansehnlicher  Stellung,  er  spielt  eine  rolle 
bei  den  friedensverhandlungen,  besucht  nachher  Constantino* 
pelr  pilgert  nach  Jerusalem  *,  und  kehrt  dann  wieder  zu  dem 
alten  treiben  in  die  heimat  zurück,  hier  war  indessen  Lud- 
wig zur  regierung  gekommen,  mit  dem  festen  entsehlufse 
eine  befsere  Ordnung  herzustellen ;  eine  bürg  nach  der  andern 
wurde  gebrochen  und  bald  genug  fand  sich  ein  anlafs  auch 
den  herrn  von  Puiset  zu  beseitigen,  einmal  befreite  ihn  zwar 
graf  Theobald  vonBlois  und  Champagne  (zwischen  1115  und 
1123),  zum  zweiten  mal  aber  erlag  er  der  königlichen 
macht,  er  selbst  wurde  gefangen,  die  bürg  geschleift,  die 
besitzungen  eingezogen,  unter  diesen  umständen  suchte  er 
nun  von  neuem,  durch  mehrere  anläfse  eingeladen,  den 
Orient  auf;  könig  Balduin  II  war  sein  vetter  von  mütterlicher 
seite**,  ein  anderer  verwandter,  Walram  von  Puiset,  hatte 
sich  30  eben  in  glück  und  unglück  neben  dem  könige  aus- 
gezeichnet ***,  genug  Hugo,  seine  gemahlin  Mamilia,  eine  ge- 
borene Roucy,  mit  ihm,  langte  in  Palästina  an  und  erhielt 
sogleich  die  grafsebaft  Joppe  als  erblehn,  starb  aber  bald 
darauf,  und  Mamilia  brachte  Joppe  ihrem  zweiten  gemahle 
Albert,  einem  bruder  des  grafen  von  Namur,  zu.  aber  auch 
diese  beiden  starben  nach  kurzem  besitze,  und  nun  meldete 
siefr  als  nächster  erbe  des  lehns  der  mann  auf  den  es  uns 
endlich  hier  ankommt. 

Mamilia  mufs  wie  1123   so  auch  schon  1106  ihren  ge- 
mahl  auf  seinen  fahrten  begleitet  haben,  wenigstens  läfst  sieh 

*  Anna  Comnena  and  Orderich. 
"  Wilh,  von  T.  14,  16. 
•"  Orderich. 

16* 


2te  GRAVK  RUODOLF. 

nur  so  die  augabe  Wilhelms  retten,  dafs  der  jüngere  Hugo 
in  Apulien  geboren  und  bei  seinem  verwandten  ßoemnnd  er- 
zogen worden  sei.  wann  er  überhaupt  nach  Syrien  gekom- 
men läfst  Wilhelm  unbestimmt,  sicher  ist  er  nur  dafs  er  nach 
dem  tode  seiner  mutier  (etwa  1127?  es  träfe  das  mit  seiner 
Volljährigkeit  nach  französischem  lehnrecht  überein*)  Joppe 
ohne  Schwierigkeit  erhielt  und  mit  könig  Baldnin  stets  in 
gutem  vernehmen  stand,  hier  fährt  nun  Wilhelm  in  folgen- 
der weise  fori,  mit  könig  Fulco  gerieth  der  graf  aas  ver- 
borgenen Ursachen  sehr  bald  in  hader;  nach  einigen  soll 
Fulco  geargwöhnt  haben  Hugo  führe  zu  vertraulichen  ver- 
kehr mit  der  königin  Melisende,  wofür  in  der  that  gar  man- 
ches zu  sprechen  schien,  denn  der  graf  war  jung,  von  statt- 
lichem aussehn  und  zierlichen  formen,  ausgezeichnet  durch 
ritterliche  thaten  und  in  aller  äugen  beliebt,  mit  vollen  blin- 
den schien  die  natur  ihm  alle  Vorzüge  gespendet  zu  haben  $ 
ohne  zweifei  hatte  er  im  königreich  keinen  gleichen  an 
Schönheit  freigebigkeit  uud  kriegerischer  erfahrung ;  dazu  kam 
seine  nahe  Verwandtschaft  mit  der  königin,  der  tochterBal- 
duins  II. —  andere  freilich  widersprachen  jedem  gerächte  (fie- 
ser art  und  behaupteten  das  allein  sei  grund  des  hadere  ge- 
wesen dafs  Hugo,  etwas  hochfahrend  und  anmaßender  als 
billig,  gegen  den  könig  sich  weniger  unterwürfig  zeigte  als 
die  übrigen  Kirsten  und  manchen  befehl  eigensinniger  weise 
vernachläfsigte. 

Hier  bleibe  ich  einen  augenblick  stehen  und  frage  oh 
man  sich  bestimmtere  ähnlichkeit  wünschen  kann  als  zwischen 
diesem  jungen  grafen  Hugo,  dem  schönsten  manne  des  rei- 
ches, der  den  könig  wie  seines  gleichen  behandelt,  dem  man 
die  liebe  der  königin  ebenso  zutraut  wie  die  ritterlichste 
lapferkeit,  und  uuserm  kindischen  helden,  unserm  Rudolf, 
der  den  Gilot  auf  jeden  zwei  fei  hitzig  zur  rede  setzt  und 
die  stolzen  ideen  des  königs  fröhlich  verlacht,  den  die  firauen 
minnen,  an  den  die  liebe  von  arm  und  reich  sich  heftet? 
auch  die  äufsern  Verhältnisse  stimmen:  Hugo  sowohl  als  Ru- 
dolf sind  eben  erst  aus  dem  abendlande  angelangt,  and  in- 
dem ich  mich  der  Verwandtschaft  mit  Balduin,  dem  belgischen 

die  Unsicherheit  des  syrischen  ist  hinsichtlich  dieses  pnnktes  a« 
Wilken  bekannt. 


CfLVVE  RÜODOLF.  245 

grafen,  erinnere,  komme  ich  auf  Grimms  frage  zurück,  ob 
nicht  der  herr  aus  Flandern  oder  sein  söhn  etwa  Rudolf 
selber  sei,  geschichtlicher  weise  also  nicht  Dietrich,  sondern 
die  beiden  Puisets,  vater  und  söhn,  deren  ankunft  der  dich- 
ter hier  nur  zusammenfaßte?  ich  lalse  es  dahingestellt;  es 
ist  gleichgültiger,  da  ja,  wie  wir  sahen,  sich  auch  für  Diet- 
rich geschichtliche  analogien  ergaben :  zunächst  folge  ich  der 
lauf  bahn  des  jüngeren  Hugo  weiter. 

Sein  eigener  Stiefsohn,  der  herr  von  Cäsarea,  wie  man 
sagte  auf  anstiften  Fulcos,  trat  gegen  ihn  auf  mit  der  klage 
auf  bochverrath 5  Hugo  forderte  ein  gericht  der  pairs,  dies 
aber  erkannt«  auf  Zweikampf;  Hugo  blieb  aus  irgend  wel- 
chen gründen  aus  und  wurde  in  contumaciam  verurtheilt.  in 
dieser  noth  ergriff  er  eine  mafsregel  die  allerdings  damals 
ohne  beispiel  war  und  erst  in  den  letzten  Zeiten  des  reiches 
nachahmung  gefunden  hat,  die  Wilhelm  deshalb  mit  recht 
als  eine  unerhörte  bezeichnet,  er  warf  sich  den  Saracenen 
in  die  arme,  segelte  nach  Ascalon  und  bat  die  Ägypter  um 
hilfe  gegen  seinen  lehnsherrn.  der  vertrag  kam  zu  stände, 
Hugo  gieng  nach  Joppe  zurück,  wo  er  sich  befestigte,  die 
von  Ascalon  begannen  den  krieg  und  streiften  bis  Arsuf, 
Fulco  belagerte  den  grafen  in  Joppe ;  darauf  brach  auch  Tadsch 
el  Moluk  von  Damascus  los  und  eroberte  die  wichtige  grenz- 
stadt  Paneas,  deren  inhaber  mit  den  übrigen  baronen  vor 
Joppe  stand*,  die  sache  gewann  gefährliche  bedeutung  für 
das  ganze  reich,  denn  mit  Hugo  verbunden  war  auch  Ro- 
manus von  Puy,  herr  von  St  Abraham  und  besitzer  der 
transjordaniseben  landschaft,  so  dafs  also  fast  die  ganze  süd- 
grenze sich  in  offne  feindschaft  gegen  das  reich  versetzt  hatte. 

Dies  nun  ist  Rudolf  bei  Halap,  der  letztere  stets  als 
repräsentant  der  saracenischen  fürsten  überhaupt  genommen, 
Rudolf  und  Girabobe  in  der  belagerten  bürg  am  meere,  mag 
nun  Ascalon  selbst  oder  Joppe  gemeint  sein,  die  niederlage 

*  dies  geschah  vordem  31  o  oct.  1133,  da  Abulf.  a.  527  davon  be- 
lebtet, da  nun  Fulco  kurz  vorher  erst  aus  Antiochien  zurück  gekom- 
men war,  nach  Wilh.  v.  T.  14,  10  ziemlich  gleichzeitig  mit  dem  tode 
des  patriarchen  Bernhard,  so  fällt  der  streit  mit  Hugo  zwischen  juli 
u*d  november  1133  (nieht  1132,  wie  Wilken  hat).  Bernhard  starb  im 
"6n  jähre  seiner  amtsfdhrung  und  war  im  juli  1098  eingesetzt. 


246  GRAVE  RUODOLF. 

Gilots  gegen  Halap,  der  einnähme  von  Paneaft  durch  die 
Damascener  entsprechend,  wie  man  siebt  sind  alle  einzeln- 
heiten  auf  das  freiste  bearbeitet,  das  gesammtverhältnis  da- 
gegen steht  in  unverändertem  lichte  und  man  kann  sich  leicht 
überzeugen  dafs  alle  abweichungen  dazu  dienen  sein  wesen 
nur  reiner  lebendiger  und  vollständiger  zu  entwickeln. 

In  jener  noth  nahm  sich  darauf  der  patriarch  Wilhelm 
der  sache  an  und  bewog  beide  parteien  zu  der  Übereinkunft, 
Hugo  solle  drei  jähr  lang   freiwillig  das  reich  meiden,  der 
könig  die  grafschaft  so  lange  verwalten,  nach  ablauf  dieser 
frist  aber  alles  vergeben  und  vergefsen  sein,     bis  znr  über* 
fahrt  gieng  darauf  Hugo  nach  Jerusalem  zurück,   und  hier 
trat  ein  Zwischenfall  ein  über  den  ich  wieder  den  erzbischof 
von  Tyrus  wörtlich  reden  lafse.    der  graf  spielte  Würfel  auf 
dem  tische  eines  pelzhändlers  Alfani  vor  dessen  hause  in  der 
kürschnerstrafse,   als   ein  bretonischer  ritter,   den  jener  mit 
dem  spiele  beschäftigt  nicht  weiter  beachtet  hatte,  ihn  plötz- 
lich anfiel  und  vor  den  äugen  alles   volkes   mit  hieben  und 
Stichen  auf  das  gefährlichste  verwundete,    sogleich  entstand 
ein  gewaltiger  auf! auf,   der  ruf  der  nichtswürdige»  tbat  flog 
durch  die  Stadt,  alles  erhob  sich,  und  öffentlich  war  die  rede 
in  jedermanns  munde,   ohne  des  königs  mitwifsen  habe  das 
niemand  wagen  dürfen,  jetzt  sehe  man  des  grafen  hnsehoM 
und  den  hafs  des  königs,  den  er  ohne  grund  trotz  aller  Ver- 
dienste auf  Hugo  geworfen  habe ;  kurz  die  sache  des  grafen 
war  populär  mit  einem  male,  alle  schritte  gegen  ihn  wurden 
reiner  bosheit  zugeschrieben,     nun   entkräftete  Fulco  aller- 
dings die  meisten  dieser  vorwürfe  durch  die  umsiebt  mit  der 
er  die  Untersuchung  und    bestrafung  des  mordversuches  an- 
ordnete; der  graf  blieb  in  Jerusalem  bis  zu  seiner  heilung 
und  verliefs  dann  das  land  in  tiefer  betrübnis,  theils  wegen 
der  zuletzt  erfahrnen  unbilde,  theils  weil  er  gezwungen  war 
seiner  besitzungen  beraubt  in  fremden  landen  hilflos  zu  bet- 
teln,    er  gieng  so  nach  Apulien,   fand  hier  ah  könig  Roger 
einen  beschützer  und  erhielt  von  diesem  die  grafschaft  Gar- 
gana ;  indess  starb  er  eines  frühzeitigen  todes  ohne  Palästina 
wieder  gesehen  zu  haben. 

Zunächst  will  ich  hier  anknüpfen  an  das  aufsehen  wel- 
ches Hugos  Schicksal  in  Jerusalem  gemacht,  den  anlbeil  den 


GRAVE  RUODOLF.  247 

alles  volk  daran  genommen  hat.  Fulco  erscheint  durchaus 
in  gehäfsigem  lichte;  es  war,  wenn  dieser  Standpunkt  dich« 
terisch  geltend  gemacht  und  die  gesinnung  des  königs  in  pla- 
stischen thatsacben  ausgedrückt  wurde,  wahrlich  ein  gerin- 
ger schritt,  zu  dem  mordversuch  das  gefängnis  und  zu  Hugos 
traurigem  scheiden  die  äufseren  bedrängnisse  hinzuzufügen 
in  denen  die  fragmeute  des  gedichtes  uns  den  grafen  Rudolf 
»eigen,  allerdings  steht  historischer  weise  Fulco  etwas  befser 
da .  als  nach  dieser  annähme  Gilot  im  gediente ;  es  kommt 
uns  aber  auch  viel  weniger  darauf  als  auf  die  meinnng  der 
zeitgenofsen  an,  und  hier  läfst  ja  Wilhelms  bericht  die  Sym- 
pathie des  Volkes  für  Hugo  deutlich  genug  erkennen,  man 
nehme  dazu  wie  vieles  in  Fulcos  würklicher  erscheinung  ein 
vorurtheil  dieser  art  begünstigen  musle,  die  schwäche  des 
alters,  die  Planlosigkeit  der  regierung,  der  wunderliche  man- 
gel  alles  gedächtnisses,  endlich  in  Hugos  sache  der  ausgang 
selbst,  wo  es  zu  einer  gerichtlichen  fest  Stellung  des  unrech- 
tes niemals  kam,  —  und  die  entstehung  eines  bildes  wie  es 
in  Gilot  erscheint  wird  nicht  weiter  in  Verwunderung  setzen. 

Eines  noch  will  ich,  da  die  fragmeute  uns  hier  verlafsen, 
nicht  urgieren,  aber  wenigstens  erwähnen,  dieselbe  theil- 
nahme  wie  bei  dem  mordversuche  zeigt  Wilhelm  auch  bei 
dem  abscheiden  Hugos  aus  Palästina;  statt  ihn  einfach  von 
Joppe  nach  Brundusium  überfahren  zu  lafsen  nimmt  er  das 
interesse  für  den  bettler  in  fremden  landen  in  ansprach,  wie 
wenn  das  gedieht  eine  hier  unmittelbar  sich  darbietende  ge- 
dankenreihe verfolgt  und  ausgebildet  hätte?  der  armut  helfen 
zwar  Irmengards  schätze  ab,  aber  die  Verbannung  bleibt; 
ehe  sie  in  die  neue  heimat  gelangen  ziehen  sie  von  land  zu 
land  und  sehen  die  nähe  und  die  fremde  unter  strengerem 
oder  milderem  geschicke.  wenigstens  käme  man  damit  auf 
kein  der  damaligen  literatur  fremdes  gebiet;  man  erinnere 
sich  an  herzog  Ernst  und  den  heiligen  Brandan,  und,  um  eil 
beispiel  unseres  kreifses  anzuführen,  an  die  ritter  Balduins  II 
hei  Orderic,  die  von  Chortbert  nur  durch  das  innerste  Asien 
nach  Antiochien  zurückkehren  können,  es  wäre  ein  motiv 
mehr  für  den  dichter  gewesen  gerade  dieses  Stoffes  sich  zu 
bemächtigen. 

Und  hiermit,  scheint  mir,  kann  ich  schliefsen.  ich  wüste 


248  GRAVE  RUODOLF. 

kein  wesentliches  element  in  dem  gedichte  das  nicht  irgend 
einer  richtung,  einem  Verhältnisse  von  speciellerer  oder  all- 
gemeinerer bedeutung  in  der  angegebenen  zeit  entspräche, 
läfst  sich  dies  aber  bei  einem  historischen  gedichte  nachwei- 
sen, so  mufs  man  trotz  aller  abweichungen  anerkennen,  ein- 
mal dafs  der  dichter  die  richtige  Stellung  zwischen  geschicht- 
licher und  poetischer  Überlieferung  einzuhalten  versteht,  zwei- 
tens dafs  die  freie  ausbildung  des  einzelnen  nicht  mehr  als 
grund  gegen  die  identität  des  Stoffes  benutzt  werden  kann. 
und  hierauf  vor  allem  mufs  es  uns  ankommen :  was  die  ein- 
zelnen geschichtlichen  thatsachen  angeht,  so  ist  nur  das  eine 
erforderlich  dafs  sie  dieser  identität  nicht  geradezu  wider- 
sprechen, das  wesentliche  und  positive  liegt  in  dem  beweise 
dafs  aus  der  historischen  bpgebenheit  als  ganzem  vermöge 
richtiger  ästhetischer  behandlung  die  vorliegende  gestak  des 
gedichtes  entwickelt  werden  konnte. 
BONN.  VON  SYBEL. 


WITEGE  MIT  DEM  SLANGEN. 

Sphragistische  aphorismen,  von  C.  P.  Lepsius.  erstes 
lieft  (aus  den  neuen  mittheilungen  des  Umring,  sächs.  Ver- 
eins besonders  abgedruckt)  mit  drei  steindrucktafeln.  Halle 
1842.  enthalten  schätzbare  beitrage  zu  der  siegelkunde  des 
mittelalters.  auf  der  zweiten  tafel  sind  in  sorgfältigen  nach- 
bildungen  Siegel  der  schmiedezünfte  bekannt  gemacht,  wel- 
che besondere  aufmerksamkeit  verdienen,  das  gewöhnliche 
siegel  dieser  gewerkschaften  enthält  die  natürlichsten  Sym- 
bole ihres  handwerks,  hammer  und  zange.  als  beispiel  ist 
das  siegel  der  schmiede  zu  Stettin,  das  nach  der  form  der 
buchstaben  zu  urtheilen  in  die  mitte  des  14n  (15  ist  ein 
druckfebler)  Jahrhunderts  gehört,  merkwürdiger  sind  drei 
andere  von  den  schmiedezünften  zu  Halle  Mainz  und  Augs- 
burg, die  in  dieselbe  zeit  fallen  mögen ;  das  hallische  ist  einer 
Urkunde  vom  j.  1327  angehängt  und  vielleicht  das  älteste, 
hier  ist  noch  zwischen  hammer  und  zange  jedesmal  eine 
schlänge  gesetzt,  welche  in  dem  mainzischen  und  augsbur- 
gischen  eine  kröne  von  drei  spitzen  trägt,  die  in  jenem  sich 


WITEGE  MIT  DEM  SLANGEN.  249 

1  kugeln,  iii  diesem  in  drei  blumen  oder  kleeblätter  endi- 
en:  in  dem  mainzischen  ist  ferner  ein  gekrönter  adler  ne- 
en  die  schlänge  gestellt,  wie  ich  vermute  der  deutsche 
eichsadler.  statt  der  kröne  steht  in  dem  hall i sehen  ein  seebs- 
ckiger  stern  über  der  schlänge,  unter  derselben  aber  ein 
alber  mond.  diese  abänderung  erklärt  sich  daraus,  dafs  man 
as  .hallische  Stadtwappen,  zu  welchem  diese  beiden  zeichen 
ebören,  noch  anbringen  wollte;  der  stern  verdrängte  die 
rone.  der  verfafser  hat  den  Zusammenhang  des  siegeis  mit 
er  alteu  sage  von  Wieland  und  seinem  söhne  Wittich  rich- 
ig  bemerkt  und  aus  einander  gesetzt,  ich  will  seiner  aus- 
ibrung  einige  nähere  bestimmungen  beifügen. 

Die  Wilkinasage  beschreibt  an  zwei  stellen  (cap.  33. 
56)  Wittichs  rüstung.  sein  schild  war  weifs  und  mit  ham- 
ler  und  zange  von  rother  färbe  bezeichnet,  weil  sein  vater 
in  schmied  war,  und  über  diesen  zeichen  standen  drei  kar- 
unkelsteine,  um  die  königliche  abkunft  seiner  mutier  anzu- 
teuten.  sein  heim  von  dem  härtesten  stahl  war  mit  nageln 
eschlagen,  und  es  war  ein  giftspeiender  lindwurm  von  gold, 
ien  man  schlänge  nennt,  darauf  eingegraben  (thar  vor  ä 
wrkadur  ormur,  sä  er  slangi  heitir  c.  33.  d  Tians  hialmhetti 
r  skrifadur  ormur  afraudi  gulli9  sä  er  slangi  heitir  c.  1 56). 
lieses  zeichen  trug  er  auf  seinem  haupt,  damit  jeder  daran 
seine  tapferkeit  und  seinen  zornmut  erkennen  sollte,  auf 
iattel  waffenrock  und  fahne  war  derselbe  lindwurm  ange- 
>racht. 

Wir  finden  hier  alle  einzelheiten  des  schmiede  siegeis. 
die  kröne  mit  drei  spitzen  und  den  kugeln  darauf,  welche 
dort  die  schlänge  trägt,  ist  ohne  zweifei  aus  den  drei  kar- 
ftmkelsteinen  entstanden,  welche  über  hammer  und  zange  in 
dem  schild  angebracht  waren,  die  schlänge,  da  sie  als  helm- 
zeichen nicht  auf  dem  schild  vorkommt,  scheint  unpassend, 
aber  diese  Verbindung  zeigt  sich  auch  in  einem  mit  den  sie- 
gln ziemlich  gleichzeitigen  gedieht,  in  Dieterichs  drachen- 
L*mpfen  (heldens.  268),  wo  das  zeichen  in  Wittichs  fahne 
beschrieben  wird,  ein  kamer  und  ein  zange  von  golde  rät, 
ln  nater  diu  ist  von  golde  (I.  silber)  wiz.  und  so  konnte 
le  sage  oder  ein  Volkslied  die  schmiedezunft  veranlafsl  ha- 
Cl*  sich 'durch  aufnähme  der  schlänge  in  ihr  siegel,  die  einen 


250  WITEGE  MIT  DEM  SLANGBN. 

der  berühmtesten  helden  mit  ihrem  band  werk  in  verbindnug 
brachte,  zu  verherrlichen,  die  dänischen  kjämpeviser  (1,4. 
18.  80)  unterscheiden  aber  noch  bestimmt  den  schild  mit 
hammer  und  zange  (der  drei  karfunkelsteine  geschieht  hier 
keine  erwähnung)  von  dem  heim. 

In  den  dänischen  liedern,  wie  in  dem  schwedischen  (bei 
Arwidsson  1,  16)  wird  der  heim  Blank  genannt,  seltsam  ist 
diese  Verwendung  des  adj.  für  einen  eigennamen,  aber  sie 
bestärkt  mich  in  der  Vermutung  dafs  er  aus  Slange  entstan- 
den ist,  weil  man  diesen  namen  für  einen  heim  sich  nicht 
zu  erklären  wüste,  es  würde  damit  stimmen  dafs  in  den 
ältesten  Zeugnis,  im  Biterolf  (heldens.  147.  148),  der  heb 
selbst  Limme  heifst,  wenn  ich  dieses  unverständliche  wort 
durch  lindwurm  richtig  erklärt  habe,  die  stelle  im  jüngeren 
Titurel  (heldens.  173),  Witege  mit  dem  slangen  entscheidet 
hier  nichts. 

Freilich  konnte  der  ganze  heim  den  namen  Slange  fäh- 
ren, wenn  eine  schlänge  darauf  eingegraben  war,  aber  eine 
stelle  in  dem  gedieht  von  Ecke  nach  der  bearbeitung  Kaspars 
von  der  Röhn  (heldens.  226)  leitet  mich  auf  eine  weitere 
Vermutung.     Ecke  spricht  hier  zu  Dieterich  von  Bern 

c —  helt,  wiltu  mich  bestdn? 

der  heim  und  den  ich  vffe  hdn> 

den  wirkt  Wielant  mit  sülen. 

in  sant  ein  künec  her  über  mer: 

er  revacht  ein  k'dnecrich  mit  der  wer. 

guldin  ist  er  in  mitten. 

nu  las  dir  von  dem  helme  sagen, 

ob  dich  dar  nach  belange. 
%  er  ist  so  meisterlich  besiegen, 

guldin  sint  im  sin  Spange; 

dar  in  verwirkt  ein  warmes  schal. 

swie  vil  man  swert  drüf  sbüege, 

dd  von  gewint  er  doch  kein  mal* 
diese  Strophe  findet  sich  nicht  in  dem  lafsbergischen  text 
(wiewol  str.  78  von  dem  heim  die  rede  ist),  noch  ift  den) 
slrafsb.  und  augsb.  druck,  allein  Kaspar  von  der  Höhn  W 
sie  ohne  zweifei  in  seiner  quelle  vorgefunden,  zwar  ist  nick* 
von  dem  heim  Wittichs  die  rede,  aber  doch  von  einem 


\' 


WITEGß  MIT  DEM  SLANGBN.  251 

Wietand  geschmiedet  hat  und  der  ganz  gleicher  art  scheint 
gewesen  zu  sein,  nicht  eine  schlänge  war  als  zeichen  dar- 
auf eingegraben,  sondern  die  schuppige  haut  einer  schlänge 
hinein  verarbeitet,  die  dem  stahl  die  übernatürliche  stärke 
Verlieh,  so  dafs  kein  schwert  nur  eine  spur  darauf  zurück- 
lassen konnte :  wie  die  dänischen  lieder  (1 ,  28)  sich  aus- 
drücken, 'viele  Schwerter  waren  darauf  zerbrochen/  mir 
seheint  es  aber  angemefsner  dafs  Wieland,  der  ein  alp  ist 
(beiden s.  388.  389),  dem  heim  übernatürliche  kräfte  verleibt, 
als  ihn  mit  zierrat  schmückt/ 

Kannte  man  überhaupt  in  früherer  zeit  den  helmschmuck? 
er  scheint  mir  erst  im  13n  jh.  aufgekommen  zu  sein,  das 
bild  auf  der  spitze  des  heims  finde  ich  zuerst  bei  Wolfram 
(Parz.  39,  16.  736,  10.  739,  16)  und  bei  Wirnt,  der  es  diu 
zimier  nennt;  üf  keimen  diu  lieht  schinenden  mal  Nib. 
1943,  4  (in  einem  späteren  lied)  scheinen  dasselbe  zu  be- 
zeichnen (vgl.  Andreas  und  Elene  s.  92),  könnten  aber  auch 
auf  zierrat  an  der  seite  gedeutet  werden,  in  den  gedichten 
des  12n  jahrh.  habe  ich  nichts  dabin  bezügliches  gefunden, 
im  Rolandslied,  da  Wo  der  heim  Venerant  beschrieben  wird 
(117,  7 — 16),  wäre  gelegenheit  dazu  gewesen,  auch  in  den 
bildern  zu  der  pfälz.  handschrift  sind  die  belme  ganz  einfach 
und  schmucklos:  nur  kaiser  und  könige  tragen  zugleich  die 
kröne,  die  aber  nicht  auf  der  spitze  des  heims  sitzt,  son- 
dern die  stirne  umgibt.  Waltbarius  334  imposttit  capiti  rubrUs 
cum  casside  cristas  stammt  wohl  aus  Virgil. 

Demnach  wäre  glaublich  dafs  in  den  früheren  sagen  (die 
von  Wieland  gehört  zu  den  ältesten)  der  vater  seinem  söhne 
einen  heim  schmiedete  dessen  kraft  nicht  blofs  in  dem  stahl 
lag  sondern  zumeist  in  der  eingewürkten  schlangenhaut.  es 
wäre  nicht  das  erste  mal  dafs  in  der  späteren  quelle  sich 
das  ursprüngliche  allein  erhalten  hätte. 

Endlich  noch  ein  zeugnis  von  der  Verbindung  des  hand- 
werks  mit  der  sage,  das  älter  ist  als  jenes  Siegel,  in  einer 
Urkunde  vom  jähr  1262  (Lang  reges ta  boic.  3,  181)  steht 
juxta  domum  Welandi  fabri.  möglich  dafs  ein  Schmied  sich, 

*  Vulcanus  ist  gott  der  schmiede,  selbst  schmied,  and  lahm  wie 
Wieland,  dessen  grofs vater  oder  ahaherr  Vilkinus  in  irgend  einem  be- 
zug  stehen  mufs  zu  Vulkan.     JACOB  GRIMM, 


252  WITEGE  MIT  DEM  SLAJNGEN. 

oder  das  volk  ihm,  den  altberübmteu  namen  beigelegt  hätte; 
mein  bruder  glaubt  dafs  nach  herkömmlicher  sitte  an  dem 
haus  ein  bild  von  Wieland  gestanden  habe. 

WILHELM  GRIMM. 


SCHON  MEHR  ÜBER  PHOL. 

Neueutdecktem  pflegt  sich  bald  anzuschließen  was  vor- 
her, weil  alle  bezieh uug  fehlte,  noch  unbeachtet  blieb,  so 
auffallend  der  heidnische  name  Phol  zuerst  erscheinen  moste, 
bietet  er  sich  glücklicherweise  an  andern  stellen  weiter  dar, 
und  alle   zwei  fei  über  seine  mythische  echtheit  sehwinden. 

Das  wichtigste  ist  dafs  die  traditiones  fuldenses  und  pa- 
tavienses  ihn  in  uralten  ortsnamen  gewähren;  glänzendes 
zeichen  für  die  nothwendigkeit  diese  sprachquelle  sorgfältig 
zu  erforschen. 

In  den  fuldischen  Verzeichnissen  begegnet  bei  Schannat 
s.  291  n°  85  die  merkwürdige  stelle  Widerolt  comes  trau- 
dit  saneto  Bonifacio  quiequid  proprietatis  hahuit  in  Pho- 
lesbrwinen  in  provincia  Turingiac*.  Pholesbrunno  ist  das 
heutige  dorf  Pfuhlsborn  unfern  der  Saale,  von  den  Städten 
Apolda  Dornburg  (dem  alten  Doringeburc)  und  Suiza  gleich 
weit,  etwa  anderthalb  stunden  abgelegen  *\  man  wird  aber 
aufserdem  denken  dürfen  an  Falsbrunn,  Falsbronn,  auf  dem 
Steigerwald,  an  der  rauhen  Eberach,  zwischen  Prölsdorf  und 
Theinheim,    auf  würzburgischem  boden,  nicht  fern  von  der 

-  *  meinem  freunde  Dronke,  der  auch  den  codex  verglichen  nad  die 
lesart  genau  so  gefunden  hat,  verdanke  ich  diese  mittheilung. 

"'Staatshandbuch  des  grofsherzogthums  Sachsen-Weimar  1£40  s.  138, 
in  noch  ungedruckten  Urkunden  des  kl  osters  Hausdorf  erwähnt,  eine 
undatierte,  etwa  zwischen  1285  und  1310  ausgestellte  hat  Ludolphus 
de  Phulsbom;  eine  von  1356  dominus  Heinvicus  de  Phulsborn,  eine 
von  1362  Henricus  dictus  Schonehufe  phbanus  in  Pfolczbttrn,  vergib 
Schmidt  die  Lobdaburg  bei  Jena  (Jena  1840)  s.  126.  in  der  ehemali- 
gen vogtei  Dorla  (im  kreifse  Mühlhausen)  kommt  eine  wüstung  Pfuhl- 
rode vor  (Förstemann  neue  mitth.  2,  272)  oder  Fulrode  (Wolf  gesch. 
4es  Eichsfeldes  1,  104).  das  dorf  PfuUendorf  bei  Gotha  (gewöhnlich 
Foliendorf  genannt)  heifst  in  urk.  des  14n  jh.  Phulsdorf.  PfuUendofJ 
und  Pfullingen  in  Schwaben  sind  bekannt. 


PIIOL.  253 

bambefgischen  grenze,  ungefähr  in  der  richturig  zwischen 
Eltmann  am  Main  und  SchlüTselfeld :  zwar  in  einer  spätet 
fcu  Franken  gerechneten  gegend,  doch  früher  konnte  er  wie- 
derum zu  Thüringen  gehören,  das  sich  südöstlich  noch  wei- 
ter, bis  ins  bairische  gebiet,  erstreckte. 

Den  andern  gleich  beziehungsvollen  namen  liefern  mir 
die  traditiones  patavienses  in  einer  zwischen  774  und  788 
fallenden  Urkunde,  Pholesauwa*.  späterhin  wird  Phole$owe9 
Pholisowe  gefunden  **;  und  es  ist  das  jetzt  noch  bestehende 
iorf  Pfalsau  {auch  Pfahlso  geschrieben)  im  niederbairischen 
landgerichte  Griesbach,  pfarrei  Höhenstadt,  etwa  vier  stun- 
den von  Pafsau  liegend. 

.  Schwerlich  ist  der  genitiv  eines  dieser  namen  auf  einen 
menschlichen  eigner  oder  besitzer  zu  deuten,  bei  der  gro- 
Osen  Seltenheit  des  eigennamens  Phol,  den  wie  Wuotan,  Do- 
nar sterbliche  sich  beizulegen  anstand  nahmen,  dürfen  sie  uns 
verschollenen  Pholsdienst  bezeugen,  und  dem  gewicht  der 
einzelnen  Zusammensetzung  wird  durch  das  übereintreffen 
ier  beiden  sichtbar  hinzugefügt. 

Pholesbrunno  wird  also  mythisch  gefafst  werden  müfsen, 
licht  wie  Hrabanes  prunno  (Eccard  Fr.  or.  1 ,  674),  Lul- 
'anbrurma  (Lüntzels  Hildesheim  s.  22),  Botinbrunno,  Seal- 
jhobrunno,  Hapuchoprutmo,  und  solcher  örtlichen  benennun- 
jen  mehr,  des  gottes  Verhältnis  zu  dem  brunnen  verstehen 
n\t  freilich  nicht,  in  der  nordischen  mythologic  kommen 
infser  Balders  brunnen  auch  Mirnisbrunnr  und  Urdarbrunnr 
ror,  der  quell  in  welchen  Odin  dem  weisen  Mimir  sein  äuge 
m  pfand  setzte  und  das  heilige  wafser  der  hörn,  wie  wenn 
*bol  und  Mimir  in  naher  berührung  ständen  ?  der  letztere 
st  dem  nordischen  glauben  wo  kein  gott,  doch  ein  göttliches, 
erhabnes  wesen,  bei  welchem  selbst  Odin  sich  rathes  zu  er- 
tolen  nicht  verschmäht,  ja  es  scheint  dafs  Odin  und  Mimir 
lern  begriffe  nach  einigemal  in  einander  übergehn.  man  bat 
licr  die  benennungen  Vidrmimir,  Vidrir,  Heiddropnir  und 
Hoddropnir  zu  erwägen.     Saem.  195h  werden  Heiddr aupnis 

*  M.  B.  vol.  28  pars  2  n°  23 ;  das  im  reichsarchiv  zu  München 
iegende  diplom  schreibt  pholefauuua. 

-  M.  B.  28,  2  s.  30  n°  33.  29,  2  s.  263;  daselbst  s.  264 
n  einer  tradition  des  12n  jh.  Huck  de  p/iolut. 


254  PHOL. 

haus  und  Mhnishößtd  hinter  einander  genannt,    ein  Pholes- 
houbit  wäre  nur  erst  aufzufinden. 

Auch  die  Zusammensetzung  mit  aue  eignet  sich  ganz  zu 
der  annähme  eines  altheidnischen  cultus.   nicht  nur  auf  ber- 
gen wurden  die  gölter  verehrt,  auch  auf  inseln  oder  von  bä- 
chen  und  flüTsen  eingeschlofsnen  auen,  da  wo  fruchtbare  wie- 
sen trift,  wälder  schatten  gaben,     so  das  castum  nemys  der 
Nerthüs  in  insula  Oceani,  so  Fosetes  land  mit  seinen  weiden 
und  quellen  (mythol.  s.  144).     nach  nordischen  göttern  bei- 
fsen  Odinsey  (Onsöc)  in  Norwegen  (fornmannasögur  12, 33) 
und    Odinsey   (Odensee)   auf  Fühnen,    sonst  auch    OdmwS 
(vS  heiligthum,   geweihter  ort)  benannt;  pörsey  (wäre  ahd. 
Donaresouwa)  fornmannasögur  7,234.  9,  17;  Hfcsay  (Läs- 
söe  im  Kattegat);  vielleicht  Niardey   (f   Niardarey)  forum, 
sog.  2,  6.  3,  593 ;  andere  mehr,  wie  gerichte  und  Zweikämpfe 
häufig  auf  auen  und  inseln  statt  fanden,   scheinen  sich  auch 
die  christlichen  kirchen  gern  solche  platze  auserlesen  zu  ha- 
ben, eine  menge  klosternamen  in  Deutschland  gehn  ans  auf 
-aue9  z.  b.  Reichenau  in  Alemannieu,  Breitenau  in  Hessen, 
ein  hersfeldisches  nonnenkloster  zu  Aue  an  der  Geisa  wurde 
von   abt  Ludolf  uach   Blankenheim    an   die  Fulda    verlegt; 
merkwürdig  wird  in  einem  gedieht  ies  13n  jh.  vom  nonnen- 
kloster Aldenburg  in  der  Wetterau  bei  Wetzlar  der  ausdruci 
gebraucht  in  der  megde  omve  (Diut.  1,  357).     nun  können 
solche  aueu  aufser  nach  göttern  auch  nach  beiden  oder  spä- 
teren eigenthümern  genannt  sein,  wie  z.  b.  im  Norden  Sdm- 
sey,  Vißlsey  nach   Sdmr  und  J^ißll,    oder  jene  Reichenau 
(Augia  dives)   früher  Sintleosesouwa,   nach  einem  gewissen 
Sintleot*,  augiae  insulae  dominus  9  hiefs,  der  seine  besiUimg 


*  schlechtere  formen  Sintluz,  Sitil/ac,  Sindloch,  stehen  Pertx  5» 
147.  Eccard  Fr.  Orient.  I,  348,  das  allein  richtige  Sintleoz  sichert 
Neugart  episc.  Constant.  s.  536  und  cod.  dipl.  Alem.  n°  18H  (a.-  816)- 
diesen  eigen namen  durfte  Graff  4,  1123  nicht  unter  HL  bringen,  !■•• 
gebührt  gleich  den  übrigen  Adallioz,  Rcginleoz,  Wotfleoz,  Mru9dI*o* 
ein  reines  L,  wie  die  vergleich ung  des  bekannten  isländischen  U(fliotr 
z=  Wofflioz  lehrt,  das  altn.  adj.  liotr  turpis,  de  forum  oder  was  es 
eigentlich  bedeutet  habe,  mufs  also  auch  in  einem  ahd.  iioz,  Itxt*  *»f~ 
gestellt  werden,  und  in  einem  goth.  Huts,  wovon  liuta  hypoerita,  ver- 
sutus,  dolosus. 


PHOL.  255 

der  kirche  hingab,  allein  wie  bei  Pholesbrunno  ist  auch  bei 
Pholesouwa  die  anwenduug  auf  den  golt  vorzuziehen. 

Ich  wüste  den   eigennamen  Phol  als  menschlichen  wie- 
der nur  aus   einer  andern  Urkunde  der  trad.   fuld.   (Pistor. 

1,  142)  anzuführen,  wo  Signum  Voles  steht,  Scbannats  ab- 
druck  n°  483  aber  Vuohs  liest,  weder  Wol  noch  Vuol  z=z 
Fußt  erscheinen  sonst,  aber  VqI  =:  Phol  befremdet  nicht, 
Dronkes  fuld.  glossen  liefern  phuoza  pedes  f.  vuoza;  so  wird 
noch  später  gar  oft  z.  b.  phiehe  =  viehe  geschrieben  (weislh. 

2,  290),  Phumberg  neben  Vünemherg  (Böhmers  cod.  fran- 
cof.  n°  61.  74).  deqnoch  mufs  das  beinahe  festgehaltene  PH 
in  Phol  Pholesbrunno  Pholesouwa  bei  künftig  einmal  zu 
versuchender  deutung  des  namens  angeschlagen  werden. 

Darum  sei  noch  eines  andern  eigennamens,  wenn  schon 
unsicher,  gedacht.  Resch  annales  ecclesiae  sabionensis  (He- 
ben, später  Brixen,  in  Tirol)  liefern  3,  672  den  seltsamen 
mannsnamen  Heitphöl,  in  einer  commutatio  inter  Albinum 
episcopum  et  Oudalricum  (aus  dem  lOn  Jh.).  dieanmerkung 
728  zu  dieser  Urkunde  gibt  jedoch  Heitphoc,  wodurch  man, 
wenn'  zweimal  verschrieben  wäre,  auf  die  lesart  Heitpholc 
geräth,  und  in  der  that  enthalten  andere  bairische  Urkunden 
Mtfolcus  (Ried.  n<>  40  a.  848),  Heidfolch  (Ried.  n<>  72 
a,  890),  Heidfolc  (Meichelbeck  n°  634),  Heidfloc  ^Meichelb. 
b°502),  Heitvolc  (Längs  reg.  3,  15  a.  1251).  man  vergleiche 
Sigifolc9  Sigißoc  (Mcichelb.  n<>427.  663).  folc,  obgleich  den 
tagrif  von  agmen,  cohors  ausdrückend,  könnte  doch  wie  das 
entsprechende  slavische  polk,  pluk  in  mannsnamen  vorkom- 
men; das  zeigt  der  berühmte  name  Svatopolk,  Svatopluk, 
wenlepolch,  ja  die  Versetzungen  polk  und  pluk9  Heit/blc, 
Beitßoc9  Sigifolc,  Sigißoc  rechtfertigen  einander,  das  ahd. 
ktü,  ags.  hdd  bedeutet  ordo,  ordo  sacer,  religio,  das  altn. 
htidr  honor,  dignitas,  und  erinnert  man  sich  der  eddischen 
nymphe  Heidr,  der  mythischen  namen  Hetdrün,  Heiddropnir, 
*•  gliche  unser  Heitfolc  dem  slav.  Svatopolc  (d.  i,  agmen 
saerum)  aufs  haar,  aber  selbst  die  form  Heitphol  lafse  ich 
noch  nieht  fahren,  sondern  halte  für  möglich  dafs  phol  und 
pbolc  sich  berührten,  und  hätte  die  versuchte  Zusammenstel- 
lung zwischen  Phol  und  Mimir  irgend  grund,  so  würde  selbst 
Seitphol  gemahnen  an  Heiddropnir. 


256  PHOL. 

Aber  noch  stärker  Pholcsbrunno  an  Balder,  und  die 
gleich  nach  dem  ersten  eindruck  des  gefundnen  derikmals 
behauptete  identität  zwischen  Phol  und  Balder.  denn  von 
jenem  Baldersbrunnen,  mit  dessen  wafser  der  siegreiche  gott 
sein  durstendes  heer  labte,  weifs  ja  Saxo  grammaticus  s.  42, 
noch  heute  führt  Balder sbrönd  zwischen  Kopenhagen  und 
Roskilde  den  namen ;  sollten  nicht  andere  örter  mehr,  auch 
des  innern  Deutschlands,  dafür  zeugen?  Chmels  regesta  Ro- 
perti  n°  1069.  1074.  1836  aus  späten  Urkunden  von  1400; 
1404  haben  ein  Baldebrun,  Baldebum  unweit  Hagenau,  das 
aus  Balde&bnmn,  Balder sbrunn  verderbt  sein  könnte*,  und 

•  [lBaldebrunno  auf  der  Eifel'  erwähnt  Graff  3,  311,  leider  wie 
gewöhnlich  ohne  angäbe  seiner  quelle,  ich  schliefse  hier  eine,  ange- 
drückte urkonde  an  welche  zu  der  deutung   von  Baldebrunn   aus  Bai- 

* 

dersbrunn  ein  ähnliches  beispiel  gibt,     sowie  die  nachfolgenden  bemer- 
kungen  verdanke  ich  sie  der  gütigen  mittheilung  des  hn  hofrath  Gers- 
dorf.   'In  nomine  sanete  et  individue  irinitatis  amen,     not  Eckinhar- 
du*   burggrafius   dominus   de  Starkinberch   omnibtts   Chritti  fideUbui 
hane  literem   visuris   in  perpetuum.      quoniam  ad  modum  aque  de- 
fluentis  mundi  huius  figura  praeter  it  secum  rapiens  in  obliuionem  ™- 
rum  gestarum  memoriam  necesse  utique  est  ut  que  memoria  indigent 
quibus  subsistant  indieiis  mvniantur.     unde  et  presenti  indicio  per- 
kennt   constare   voluimtts  nocioni  quod  quidam  noster  fidelis  Hinkamt 
de  Baldershaln  obtento  super  to  consensu  seniorum  noslrorum  et  no~ 
stro  qvedam  ex  Jus  que   de   iam   dictis  senioribus  nostris  et  a  iwbir 
nomine  feudi  habuerat  duodeeim  videlicet  agros  cum  UgnU  sitos.i* 
campo  iuxta  villam  Hart  inrode  quorum  longitudo  perienditur  a  pn- 
tis   ville    in  Luthwinshain  usque  ad  agros  illorum  in  Hartinrode.  h- 
titudo  vero  a  metis  lignorum  marchionis  rustici  de  Frankenowe  usque 
ad  semitam   qua  itur  de  Lutwinshatn  in  Hartinrode  in  dotem  perpe— 
tuam   ecelesie  Korbüen   vendidit  legitime   etc.     festes  huius  rei  tmt 
nobilis  vir  auuneutus  noster  Heinricus  iunior  aduocatus  de  P/auet  do- 
minus Rewse   auuncit/us  noster  de   Gera   etc.    datum  in  Starkinberdk 
anno  dni  m,  ccc.  xxvti.  vi.  Idus  lunii.  —    Baldershain,  jetzt  Bälden-" 
hain,  ein  zum  herzoglhum  Altenburg  gehöriges  dorf,  liegt  in  einer  sehr 
fruchtbaren  von    laub-  und  nadelholzwaldungen  vielfach  durchschnitte- 
nen gegend   am  anfang  des  sogenannten  Reichstädter  grundes,   andert- 
halb stunden  von  Ronnebnrg,   zwei  stunden  von  Gera,   an  der  ehern*-' 
ligen  strafse  von  Gera  nach  Altenburg.     die  in  der  Urkunde  genannten 
dörfer  sind   sammtlich  nur  ungefähr  eine  halbe  stunde  nach  osten  Süd- 
osten, und   westen    davon    entfernt,     in  alter  zeit   gehörte   Baldershain 
unstreitig  zum   gau   Geraha,    nicht   zum   gau   Plisni.    —     sollte  nicht 
auch     in   der    nähe    des   Thüringer   waldes    oder    in    Oberfranken  ein 


PHOL.  257 

Leitern  sich  hier  blicke,  nicht  nur  auf  die  jüngeren  sagen 
on  Karl  dem  grofsen  (myth.  s.  103.  104),  der  uns  mit  glei- 
bem  fug  Wuotan  wie  Balder  verträte,  sondern  selbst  auf 
üastor  und  Pollux  im  hain  der  Nahanarvalen  bei  Tacitus 
Genn.  43)?  den  Pollux  kürzen  eidschwüre  in  Pol,  dafs  er 
nserm  Phol  ganz  ähnlich  wird,  und  die  römischen  Casto- 
es  erscheinen  am  brunneu   der  Juturna  rosse  tränkend. 

Halten  wir  das  gewissere  fest,  dafs  Phol  nach  Thürin- 
;en  gehörte  bestätigt  nun  Pholesbrunno  einleuchtend,  Pho- 
esouwa  weist  auf  Baiern,  Heitphol  noch  südöstlicher.  Thü- 
ingen  und  Baiern  (oder  alterthümlicher  ausgedrückt,  Her- 
nunduren  und  Markomannen)  verehrten  also  diese  gottheh; 
ob  andere  deutsche  stamme,    ist  uns  noch  verborgen. 

JAG.  GRIMM. 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

Hans  Sachs,  dessen  poesie  am  reinsten  und  eigensten 
a  den  fabeln  und  schwanken  waltet,  deren  Stoff  und  umfang 
einer  Lebenserfahrung  und  ganzen  Sinnesart  am  meisten  ent- 
prach,  hat  einen  lieblichen,  dem  hauptiuhalt  nach  ihm  be- 
fcits  überlieferten  mythus  dreimal  verschiedentlich  behandelt, 
Herst  1553,  23  sept.,  in  dem  spiel,  wie  der  herr  Evae  kin- 
er  segnet  (band  3  theil  1  bl.  243),  dann  1553,  6  nov.  in 
et  comedie  der  uugeleichen  kinder  Eve  (band  1  theil  1  bl.  10 
—  18),  endlich  1558  in  dem  schwank  von  den  ungleichen 
-indem  Eve  (band  2  theil  4  bl.  83),  jedesmal  trefflich  und 
'iisgezeichnet,  doch  wird  man  kaum  anstehen  der  letzten 
indramatischen  erzählung  noch  den  Vorzug  zu  geben,  es  ist 
Latin  alles  abgerundet  und  bis  ins  eiuzelne  vollendet,  der 
lichter  scheint  von  dieser  fabel  gar  nicht  ablafsen  zu  kön- 
nen und  wiederholentlich  band  an  sie  zu  legen  um  ihr  endl- 
ich die  gelungenste  form  zu  verleihen. 

gleichnamiger  ort  sich  finden?  in  meinen  Sammlungen  finde  ich  Jo- 
fonn  Truclistfs  von  Baldersheim  ritter,  den  P.  Jovius  im  chronicon 
^hwarzburgicum  (vergl.  Schbttgen  und  Kreysig  diplomatar.  1,257)  als 
Qöterhändler  der  gräfin  Margareta  von  Schwarzburg  in  Sachen  der 
tarrschaft  Brauneck  in  Franken   im  j.    1403  anfuhrt.'  —     H.] 

Z.  F.  D.  A.     1k  17 


258  DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

Als  Adam  und  Eva  aus  dem   paradies  vertrieben  waren, 
bauten  sie  die  unfruchtbare   erde   und  erzeugten  viel  kinder 
mit  einander,  nach  dem  verlauf  der  zeit  liefs  ihnen  der  all- 
mächtige gott  durch  einen  engel  entbieten  dafs  er  zu  ihnen 
kommen  und  ihren  haushält  schauen  wolle,    da  war  Eva  froh 
der  gnade  gottes,  kehrte  und  schmückte  das  ganze  haus  mit 
gras   und  blumen  und  begann  ihre  schönsten  kinder  zu  ba- 
den strählen  und  flechten,  legte  ihnen  neugewascbne  hemden 
an  und  ermahnte  sie  wie  sie  sich  vor  dem  herrn  höflich  nei- 
gen, ihm  die  hände  bieten  und  züchtig  prangen  sollten,  ihre 
ungestalten  kinder  hingegen  barg  sie  ins  stroh  und  heu  oder 
versteckte  sie  ins  ofenloch,    aus  furcht  der  herr  werde  sein 
misfallen  darüber  äufsern.     als   nun  gott  der   herr  eintrat, 
standen  die   schönen  kinder  in  der  reihe,    empfiengen  ihn, 
neigten  sich,   boten  ihm  die   hände  dar  und  knieten  nieder, 
der  herr  aber  fieng  an  sie  zu  segnen,  legte  seine  hände  auf 
den  ersten  knaben  und  sprach  'du  sollst  ein  gewaltiger  könig 
werden,3  zu  dem  zweiten  cdu  ein  fürst, \  zu  dem  dritten 'du 
ein  graf,'   zu  dem  vierten  cdu  ein   ritter,3    zu  dem  fünften 
'sei  ein  edelmann,3    zu   dem  sechsten  'sei  ein  burger/   zu 
dem  siebenten  esei  ein  kaufmann,3  zu  dem  achten  cdu  werde 
ein  gelehrter  doctor!3    gab  ihnen  also  allen  seinen  reichen 
segen«     Eva  jedoch  dies   mit  ansehend  und  die  milde  des 
herrn  erwägend  gedachte,   ich  will  auch  meine  angestalttn 
kinder  holen  dafs  sich  gott  ihrer  erbarme,  lief  hin  und  langte 
sie  aus  dem  heu,    der  krippe  und  dem  ofenloch  und  fährte 
sie  vor  gott,  eine  unlustige  gestrobelte  grindige  russige  grobe 
schlüchtische  rotte,     da  lächelte  der  herr,  sah  alles  an  und 
sprach  cich  will  sie  auch  segnen,3  legte  dem  ersten  auf  seine 
hände,  fdu  sollst  werden   ein   bauer,'   dem  andern  cdu  ein 
fischer,3  dem  dritten  'sei  ein  schmied,3   dem  vierten  csei  ein 
lederer/  dem  fünften  'ein  weber,3  dem  sechsten  cein  Schuh- 
macher,'  dem  siebenten  'ein  Schneider,3  dem  achten  eein  baf- 
ner,3  dem  neunten  'ein  karrenmann, '   dem  zehnten  'ein  Schü- 
mann,3  dem  eilften  'ein  böte,3   dem  zwölften  edu  sollst  ein 
hausknecht  bleiben,    dieweil   du  lebest!3     wie  Eva  das  alles 
anhörte,  sagte  sie  'herr,  wie  theilst  du  deinen  segen'so  un- 
gleich? hab  ich  doch   alle  kinder  geboren  und  deine  gnade 
sollte  über  alle  gleich  ergehn.3  der  herr  aber  versetzte  'Eva, 


DIE  UNGLEICHEN  RINDER  EVAS.  209 

das  verstehst  du  nicht,  mir  gebührt  und  ist  noth  dafs  ieb 
die  ganze  weit  mit  deinen  kindern  versehe;  wenn  sie  alle 
fursten  und  herrn  wären,  wer  wollte  körn  bauen,  dreschen, 
malen  und  backen,  wer  schmieden,  weben,  zimmern,  bauen, 
graben,  schneiden  und  nähen?  jeder  soll  seinen  stand  ver- 
treten, dafs  einer  den  andern  erhalte  und  alle  ernährt  wer- 
den, wie  im  leib  die  gliedert  da  antwortete  frau  Eva  racb 
herr,  vergib!  ich  war  zu  rasch,  dafs  ich  dir  einredete;  dein 
göttlicher  wille  geschehe  an  meinen  kindern/ 

In  dem  spiel  ist  alles  umständlicher  angelegt  und  aus- 
geführt. Adam,  der  im  schwank  gar  nicht  mithandelt,  ver- 
nimmt des  engeis  botschaft  und  heifst  Eva  die  kinder  putzen 
und  baden ;  sie  bringt  aber  nur  einen  theil  und  versteckt  die 
andern  in  die  streu  und  hinler  den  herd.  als  gott  einge- 
treten ist  und  mit  Adam  und  Eva  geredet  hat,  wendet  er  sich 
auch  zu  den  kindern,  läfst  sie  beten  und  das  Vaterunser  her- 
sagen; dann  segnet  er  sie  durch  händeauflegen  und  macht 
den  ersten  zum  könig,  den  zweiten  zum  ritter,  den  dritten 
zum  Bürgermeister,  den  vierten  zum  kaufmann;  hernach 
nimmt  er  sie  mit,  ihnen  den  lustgarten  zu  weisen,  unter- 
dessen bereut  Eva  ihre  häfslichen  kinder  vor  dem  herrn  ver- 
borgen zu  haben,  Adam  räth  sie  noch  herbei  zu  Schaffen, 
und  als  der  herr  wieder  eintritt  und  scheiden  will,  kommt 
sie  eilends  mit  den  vier  umgestalten  kindern  gelaufen;  sie 
sollen  niederknien  und  beten,  könnens  aber  nicht,  auf  Evas 
bitten  läfst  es  der  herr  die  armen  kinder  nicht  entgelten  und 
legt  ihnen  auch  die  bände  auf;  der  erste  knabe  soll  ein  schu- 
ster,  der  andere  ein  weber,  der  dritte  ein  schäfer,  der  vierte 
ein  bauer  werdeu.  Eva  beschwert  sich  über  die  ungleiche 
austheilung,  wird  aber  zur  ruhe  verwiesen. 

Die  comödie,  nur  wenige  monate  nach  dem  spiel  ge- 
dichtet, scheint  Überarbeitung  desselben,  vermutlich  auf  äu- 
fseren  anlafs,  um  sie  auf  mehr  personen  einzurichten,  un- 
ternommen, viele  worle  und  ganze  sätze  sind  aus  dem  spiel 
eingeschaltet,  die  hauptänderung  besteht  darin  dafs  Abel  und 
Kain  namentlich  auftreten,  Kain  sich  nicht  waschen  nnd 
schmücken  lafsen  will,  auch  hernach  mit  den  übrigen  unge- 
horsamen kindern  verkehrt  betet  und  gottlose  reden  ausstöfst. 
Abels   und  Kains  opfer  und  der  brudermord  kommen  mit  in 

17* 


260  DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

die  handlang,  Satan  und  sein  gefolge  erscheint  persönlich; 
dadurch  wird  die  segnung  der  ungleichen  kinder  und  der 
unterschied  der  stände  zurückgedrängt,  so  dafs  von  manchen 
schönen  ausfuhrungen  abgesehn  der  haupteindruck  der  co- 
mödie  doch  dem  des  spiels  nachsteht,  es  ist  wohlgefälliger 
dafs  die  im  segen  hintangesetzten  kinder  nur  als  ungestalt 
und  vernachläfsigt,    nicht  als  boshaft  dargestellt  werden. 

'  Daraus  leuchtet  recht  des  diehters  liebenswürdige  Be- 
scheidenheit hervor,  dafs  er  jedesmal  seinen  eignen  stand, 
den  des  Schuhmachers,  aus  der  mitte  des  verabsäumten  und 
geringen  geschlechts  entspringen  läfst. 

Hans  Sachs,    der  alles  dichtet  und  docfe  nichts  erdiel- 
tet,   sondern  gern  aus   einer   namentlich  angeführten  quelle 
beglaubigt,    nennt  sie  im  eingang  des  spiels  nicht ;    bei  der 
comedia  aber  läfst  er  den  herold  sagen  dafs  sie 
ursprüngklich  hat  sugericht 
im  latein  Philippus  Melanctkon9 
und  nun  zu  gut  dem  gmeinen  mon 
auch  in  teutsche  sprach  ist  gewendt. 
und  vornen  im  schwank  heifst  es  wiederum 
die  gierten  haben  sugericht 
vor  jaren  ein  lieb/ich  getickt. 
von  Melanthon  ist  aber  unsere  fabel  eben  so  wenig  ursprüng- 
lich ausgegangen,  er  erzählt  sie  dem  comes  Joannes  a  Wedi* 
in  einem  brief  vom  23n  merz  1539**  und  sagt  facere  non  f+ 
tuiy  quin  adjicerem  narratiunculam9   quae   in  quodam  po+ 
mate  extat9  non  illam  quidem  historicam,   sed  venustam  d 
crudite  conßctam9   admonendae  adoleseentiae  causa,  ut  co- 
gitet  et  discrimina  ordinum  divinum  instituta  esse,  et  wd- 

*  Jobann  iv  graf  von  Wied,  ein  freund  und  anhänger  der  reftf- 
niation,  war  durch  Peter  Medinann,  vertrauten  rath  erzbfcchof  Her- 
manns von  Köln  an  Melanthon  empfohlen  worden,  im  mai  1543,  a*f 
der  reise  nach  Bonn,  sprach  Melanthon  bei  dem  grafen  zu  Wied  ei»- 
(J.  St.  Reck  gesch.  von  Isenburg,  Ruiikel,  Wied  s    160). 

"**  epistolae  selectiores  aliquot  Ph.  Melanthonis  editae  a  Casparo 
Piiicero.  Viteb.  »565.  8.  s.  342  —  363,  und  cpistolarum  Ph.  M.  über 
primus  edittts  a  Casparo  Peucero.  Viteb.  1570.  8.  s.  377—397,  *° 
auf  der  letzten  seite  fälschlich  1536  für  1539  gedruckt  steht,  es  gi*1 
auch  einen  einzelnen  druck,  ad  com  item  Joannem  a  JFeda  epistob> 
Frßneoßirti  apud  C.  Egenoiph  1539  auf  zwei  octavbogen. 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  261 

ique  eiabarandum  esse,  ut  vir  täte  suarn  persona/n  tuea- 
"•  das  gedieht  worauf  sich  hier  bezogen  wird  mufs  doch 
15h  lateinisch  abgefalst  gewesen  seiu,  weil  sonst  kaum  eru- 
te  confietam  gesagt  wäre,  was  von  Hans  Sachsens  vor- 
g  abweicht  ist  folgendes,  kein  engel  bringt  die  botschaft 
11  gottes  vorhabendem  besuch,  sondern*  Eva  schaut  zum 
ister  aus  und  sieht  ihn  mit  den  engein  nahen,  sie  hatte 
rade  schon  wegen  eines  bevorstehenden  festtags  die  kin- 
r-  zu  waschen  begonnen,,  war  aber  noch  nicht  mit  allen 
tig  geworden,  die  ungewaschenen  heifst  sie  also  sich  in 
u  und  streh  verstecken,  aber  die  gewaschnen  dem  herrn 
tgegentreten.  mit  ihnen  hält  nun  gott  eine  förmliche  kin- 
liehre.  Abel  sagt  das  credo  weitläufig  her,  nach  ihm  wer- 
n  Seth  und  die  Schwestern  geprüft,  alle  bestehn  aufs  beste, 
nn  aber  befiehlt  der  herr  auch  Cain  und  die  übrigen  her- 
irufen,  deren  abwesenheit  dem  allwifsenden  nicht  entgan- 
)ü  war.  Cain  erscheint  trotzig  mit  Strohhalmen  und  heu- 
sern  im  ungekämmten  haar,  er  kann  das  credo  nur  ver- 
ehrt und  verstümmelt  herausbringen  und  äufsert  sich  frech, 
rauf  läfst  der  hegr  den  Abel  herantreten,  legt  ihm  hände 
tf  und  weiht  ihn  zum  priester,  den  Seth  zum  könig,  den 
urischen  Cain  aber  zum  knecht.  als  Eva  wehklagt,  trö- 
6t  sie  gott,  reicht  den  kindern  beim  abschied  die  Fechte 
id  wird  von  der  mutter  noch  eine  strecke  weit  vom  haus 
gleitet,  bis  er  sie  heimkehren  heifst  und  in  eine  wölke  ge- 
ilt gen  himmel  steigt. 

Von  dieser  anmutigen,  reinlichen  einkleidung  entfernt 
ch,  wie  man  leicht  sieht,  die  comedia  des  Hans  Sachs  in 
elen  stücken,  indem  er  einzelne  züge  ausläfst  oder  hinzu- 
gt,  den  anachronismus  dafs  Abel  und  Seth  zusammen  auf- 
tten  ertragen  beide  Vortragsweisen. 

Es  gibt  von  Erasmus  Alberus  ein  gespräch  zwischen 
°#,  Adam,  Eva,  Abel,  Cain,  von  der  schlangen  verfiih- 
**g  und  gnade  Christi,  Berlin  1541 ,  wiederholt  Erfurt  1544, 
&s  ich  mir  nicht  habe,  zur  einsieht  verschaffen  können,  um 
11  ermitteln  ob  darin  aufser  den  biblischen  Vorgängen  im 
Ladies  auch  noch  die  fabel  von  den  ungleichen  kindern  be- 
irrt wird,  man  darf  es  bezweifeln,  weil  sonst  auf  dem  titel 
ohl  der  Unterscheidung  der  stände  gedacht  wäre* 


262  DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

Wichtiger  aber  ist  ans  eine  stelle  aus  Agiieolas  Sprich- 
wörtern, die  über  die  jähre  1558  1553  1539  hinauf,  bis  zu 
1528  zurückweist,  ich  hebe  darum  die  ganze  erzählung  nach 
dem  plattdeutschen  Magdeburger  druck  aus,  n°  264  bl.  127b. 
Etlike  seggen  yn  schertzes  wise,   de  vörsten,   heren  vnde 
eddellude  hebben  eren  ortsprung  dar  her,  do  Adam  radede 
vnde  Heua  span,  krech  Heua  vele  kinder.  vp  eine  tid  wolde 
vnse  here  godt  tho  Heua  ghan  vnde  beseen,  wo  se  kusheMe, 
nu  hadde  se  euen  all  ere  kinder  vp  einmal  by  einander 
vnde  wusek  se  vnde  smuckede  se.     do  öuerst  Heua  vnsen 
heren  godt  sach  kamen  tho  sich,  hadde  se  sorge,  he  mochte 
er  eere  vnküscheit  vorwiten,   dat  se  so  vele  kinder  hadde, 
vnde  ging  tho  vnde  vorstach  etlike  ynt  stro,  etlike  ynt  how, 
etlike  in  de  auenkulen9  de  alderhöueschten  öuerst  behielt  ee 
by  sich,     vnse  here  godt  sach  de  smuckeden  kinderken  an 
vnde  sprack  tho  einem  also,   du  schalt  ein  köninck  wesen, 
tho  dem  andern,   du  schalt  ein  vörste  syn,  tho  dem  drüd- 
den  sprack  he,  du  schalt  ein  eddelman  syn,  tho  dem  veer- 
den,  du  schalt  ein  börgermeister  syn,  tho  dem  vöjften,  du 
schalt  ein  schulte,   ein  vagdt  edder  amptman  syn.    do  nu 
Heua  sUth,   dat  ere  kinder,   de  hervor  weren,  so  rioilißk 
begauet  weren,  sprack  se,  here9  ick  hebbe  nooh  mer  km- 
4er,  ick  wil  so  ock  hervor  bringen,  do  se  nu  quemm,  we- 
ren se  vngesmucket9  swart  vnde  vngestalt,  dat  har  hengedi 
en  vuU  stroes  vnde  hoüwes,   do  sach  se  vnse  here  godt  & 
vnde  sprack, .  gy  scholt  buren  bauen,  köye  vnde  swyneke* 
den,  ackerlUde,  etlike  van  ium  schollen  in  den  steden  haut- 
werc^e  4n¥m9    bruwen%    backen    vnde   den    ersten  hm* 

Neben  dieser  mehr  zu  dem  schwank  als  zu  den  dfamftfl 
und  Melanthon  stimmenden  darstellung  der  fahpl  sei  nofth 
etati  Spätere,  schlechtere  aus  dem  schlufs  des  16p  jh.  bei- 
g?&WM>  wie  sie  in  Georg  Rudolf  Widmanns  wanhaßigm 
histQlißn  von  den  grewlichen  vnd  abschewlichen  winden,  so 
#•  J^A-  Faustus.  jiat  getrieben.  Hamburg  1599.  4.  1,  237. 
?38  ^getroffen  wird, 

Aufm  war  sonderlich  ein  astronomus,  und  wie  manß- 
kulier t9  so  kßb  er  viel  kinder  gehabt,  als  er  aujf  dem  erz- 
reich und  außer  seinem  vertoiebnen  fand  dem  paradis  seine 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  2Ö3 

ming  vmb  Damasco  hette,  verhiefs  ihm  gott,  er  wolle 
*  ein  zeit  einmahl  kommen  und  sehen  wie  er  lebe,  da 
mm  der  herr  auf  ein  zeit  visitiert,  war  des  Adams  hüt 

behausung  beschlofsen,  der  herr  klopffet  an,  als  aber 
m  und  sein  weib  Heua  durch  ein  loch  den  herrn  ersa- 

erschracken  sie  sehr,  denn  sie  schemten  sich9  das  sie 
liel  kinder  haben  sotten,  der  herr  würde  ihnen  diqfs 
nutzen,  derhalben  sie  behend  etliche  kinder  in  die  win- 
und  andern  örtern  ve?%schoben,  eines  ander  das  hew9 
ander  under  das  dach,  das  dritte  under  die  garben, 
viert  in  ofen,  das  funfft  in  den  keller,  das  sechst  un- 
difi  ki(fen,  item  under  das  weinfq/s,  eins  in  ihren  alten 
;,   in  ihr  bereit  tuch,  damit  sie  hat  die  kinder  bekleU 

woüen,  etliche  under  das  leder  und  so  fortan,  die 
nsten  kinder  aber,  so   schön  von  angesicht  und  haar, 

er  in  der  stuben9  da  nun  der  herr  in  die  behausung 
in  kam,  und  ihnen  den  segen  wünscht,  gab  er  denen 
'ern,  so  er  gesehen  und  umb  ihn  stunden,  die  handt, 
e  zu  den  eitern,   seid  friedlich,   erschreckt  nicht  vor 

wie  ihr  zuvor  gethan  habt,  den  alhie  bleibt  mein  se- 
!  segnet  derhalben  die  kinder  umb  ihn  und  sprach,  ei 
n  kindlein,  wachset  und  mehret  euch,  du  sei  kbnig, 
t,  graff,  Jurist!  und  theilte  also  alle  empter  ai(s.     da 

die  eitern  sahen,  zu  was  hohem  stand  sie  gesegnet 
len,  gedachten  sie  an  die  andern  kinder,  begehrten  ih" 
Wohlfahrt  auch  und  zogen  die  ungeschaffne  kinder  her- 

sagendt,  herr,  hie  sindt  noch  mehr  meine  kinder.  da 
der  herr  mehr  solcher  kinder  sähe,  da  sprach  er  (tuch 
benedicite  über  sie  und  sagte,  sei  du  wechter,  baur, 
*er9  acherman,  kemmichfeger,  gerber,  decher,  keller, 
'er>  bender,  kürfsner,  Schneider,  schustert  daher  nun 
j  weldt  also  begabt  worden* 

3q  unbeholfen  und  verworren  hier  alles  vorgetragen  wird,, 
n  doch  einzelne  abgehende  oder  hinzutretende  umstände 
Iefsep  dafs  Widman  weder  aus  Hans  Sachs  noch  aus 
ipthon  und  Agricola  schöpfte,  sondern  einem  andern 
iftlichen  oder  mündlichen  hericht  folgte,  der  herr  findet 
haus  verschlofsen  und  klopft  an,  Adam  und  Eva  er- 
tuen  ihn  durch  eine  lucke;  auch  bei  Melanthon  schaut 


264  DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

Eva  durch  das  Fenster  und  sieht  gott  von  weitem  kommen, 
während  ihn  bei  Hans  Sachs  eine  botschaft  des  engeis  ver- 
kündigt, den  von  Widmann  und  Agricola  vorgegebnen  Be- 
weggrund, dafs  Eva  wegen  der  menge  ihrer  kinder  verweis 
von  gott  fürchtet  und  einen  theil  davon  zu  bergen  sucht, 
kennen  Melanthon  und  Hans  Sachs  nicht ;  es  ist  viel  müt- 
terlicher dafs  Eva  die  schönen  ausliest,  die  häfslichen  ver- 
steckt; doch  stimmen  darin  Agricolas  und  Melanthons  eräh- 
lungen  dafs  Eva  beim  waschen  der  kinder  für  den  festlag 
von  dem  besuch  überrascht  und  die  ungewaschnen  bei  seite 
zu  bringen  genöthigt  wird,  bei  Hans  Sachs  läfst  erst  nach 
empfangner  botschaft  Adam  den  befehl  zum  scheuern  des  haa- 
ses,  zum  streuen  der  maien  und  schmücken  der  kinder  er- 
gehn.  die  catechisation  mangelt  in  der  letzten  darstelldng 
ganz,  doch  wird  in  ihr  das  verstecken  und  hernach  der  un- 
terschied der  ämter  mehr  im  einzelnen  ausgeführt. 

Alle   solche   abweichungen   machen  eine   lebendige  und 
allgemeinere  Verbreitung  der  sage  von  den  ungleichen  kin- 
dern  Evas  im  ganzen  laufe  des  16n  jh.  wahrscheinlich,  die 
gar  nicht  auf  einen  der  angeführten  erzähler  zurück  geführt 
werden  darf,  vielmehr  schon  früher,    namentlich  im  15n  jh. 
und  länger  bereits   gangbar  gewesen   sein  mufs.     vielleicht 
war  jenes  lateinische  gedieht,  worauf  Melanthon  sich  bezieht, 
noch  im  15n  jh.  abgefafst;   im  16n  werden  die  lateinischen 
dichter   schon  zu   namhaft,   ihre   arbeiten  stellen  sich  durch 
wiederholte  abdrücke  sichrer,     das  ältere  und  fast  volksmä- 
fsige  umgehn  dieser  sage  wird  am  sichersten  dadurch  erwie- 
sen dafs  sie  auch  in   den   kreifs   dramatischer  Vorstellungen 
aufgenommen  war.    schon  zwölf  jähre  vor  Agricolas  Sprich- 
wörtern im  j.  1516  oder  noch  früher,   im  j.  1509,  wurden 
zu  Freiberg  im   erzgebirge  feierliche  spiele  gehalten,  deren 
Joh.  Bocerus  in  seinem  gedieht  Fribergum  in  Misnia  (Lipfr- 
1577.  4.  folio  K.  z.  verso)  und  daraus  Michael  Neander  ht» 
seiner   orbis   terrae    succineta    explicatio    (Lips.    1597.   fc- 
s.  140 — 146)   gedenkt,     eine   im  morgenblatt,  jahrg.  180*^ 
n°  278  mitgetheilte  nachricht   enthält  darüber  folgendes.   Ir* 
pfingstf eiertagen   den  11.  12.  13   mäi  1516   sind  die  lu<f* 
solemnes,   so   man  zu  Freiberg  gehalten,   auf  öffentlicher** 
markte  mit  großer  pracht  und  kosten   agiert  worden,  a*** 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  265 

«Mi  der  herzog  Georg  zu  Sachsen  neben  seiner  gemahlin 
td  ganzer  hofhaltung,  tote  auch  viel  andere  hohe  und  nie- 
•ige  Standespersonen  zugegen  gewesen  und  zugesehn.  hier- 
i  hat  ein  ehrsamer  rath  zum  actore  verordnet  Hans  Hü- 
lfen, den  damaligen  stadtrichter,  und  ihm  Hans  Pfef 
rn,  der  hernach  stadtvoigt  worden,  zugegeben,  sieben 
kr  zuvor  1 509  ist  genanter  Rudolf  gleichfa/s  actor  ge- 
*sen  neben  Nicolaus  Perner,  dem  ßirstlichen  schqfser.  man 
t  aber3  wie  gedacht,  alle  drei  pßngstfeieftage  nach  ein- 
der  agiert,  den  ersten  tag  ist  die  geschickte  gespielt  wor- 
»  von  dem  fall  der  enget,  von  erschaffung  und  fall  der 
mschen,  von  aus  jagung  derselben  aus  dem  paradiese  und 
n  den  ungleichen  hindern  Adams  und  Evas,  wie  sie  gott 
r  herr  angeredet  und  examiniert,  die  personen  dieses  tags 
\d  gewesen  gott  der  himmlische  vater,  Raphael,  Michael, 
tbriel  drei  enget,  Cherub  auch  ein  enget,  hucifer,  Belial, 
tan  drei  teufet,  Adqm,  Eva,  die  schlänge,  Abel,  Setk, 
red,  Henoch,  Methusalem,  Lamech  sechs  gehorsame 
iams  söhne;  Rain,  Dathan,  Achan,  Nabal,  Esau,  Nim- 
i  sechs  ungerathne  kinder,  samt  dem  ehrenholde,  den 
weiten  und  dritten  tag  wurden  Vorstellungen  aus  dem  neuen 
tament  und  die  des  jüngsten  gerichts  gegeben. 

Hieraus  ist  freilich  nicht  genug  über  die  innere  behand- 
ig der  fabel  -  von  den  ungleichen  kindern  zu  entnehmen ; 
aber  in  Hans  Sachsens  comödie  die  sechs  gehorsamen  und 
jhs  ungeraten  siin  Eve  ganz  mit  den  nemlichen  namen  auf- 
;ten,  so  darf  man  voraussetzen,  dafs  der  nürnbergische 
Bister  mit  der  hergebrachten  einrichtung  des  älteren  spiels 
;kannt  gewesen  sei  und  daran  nichts  wesentliches  abgeän- 
Jrt  habe,  solche  spiele  werden  aufser  Nürnberg  und  Frei- 
irg  an  manchen  andern  orten  Deutschlands  aufgeführt  wor- 
in sein,  allem  anschein  nach  schon  während  des  15n  jh.7 
iewohl  sich  unter  den  mir  bekannten  fafsnachtspielen  des 
dz  und  Rosenblüt  das  von  den  ungleichen  kindern  Evas 
At  erwähnt  findet,  noch  weniger  ist  es  mir  gelungen  in 
Q  mhd.  dichtungen  irgend  eine  spur  der  fabel  zu  gewahren. 

Wozu  also  hier  sie  genauer  untersuchen?  ich  traue  ihr 
frnoch  ein  weit  höheres  alter  zu. 

Durch  die  poesie  und  den  Volksglauben  unserer  vergan- 


266  MB  UNGLEICHEN  KINDER  BVAS. 

genheit  ziehen  auch  faden  geistlicher  Stoffe  die-  der  christli- 
chen, biblischen  quelle  unangemefsen  waren,  nicht  die  apo- 
kryphischeu  bücher  sind  damit  gemeint,  welche  in  frühen 
Jahrhunderten  fern  vom  deutschen  boden  entsprungen  mehr 
auf  gelehrtem  wege  allgemeinen  eingang  fanden,  ganz  abge- 
sondert von  diesen  erscheinen  in  kleinen  vereinzelten  sagen 
ziigen  und  selbst  namen  hin  und  wieder  beziehungen  auf 
gestalten  des  alten  oder  neuen  testaments ;  sie  gereichten  zu 
unschuldiger  erheiterung  oder  ausschmückung  des  glauben*, 
die  kirche  liefs  ihnen  weder  billigung  noch  tadel  angedeihen. 
dahin  rechne  ich  aufser  vielen  thier-  und  pfianzennamen,  die 
auf  Maria  oder  den  teufel  angewandt  wurden,  zumal  alle 
Überlieferungen,  in  deren  mittelpunct  sanct  Petrus  und  noch 
einige  andere  heilige  sich  bewegen,  seine  Verleugnung  des 
herrn,  der  hahnkrat,  selbst  das  durch  den  schlüfsel  empfangne 
himmlische  thürhüteramt  benahmen  ihm  gleichsam  an  würde, 
wenn  auch  nicht  an  gewicht,  und  erleichterten  den  anflog 
weltlicher  sagen,  fafst  man  dessen  art  und  weise  näher  ins 
äuge,  so  werden  sich  leicht  uralte,  heidnische  Überbleibsel 
ergeben,  welche  duldsam  und  fast  unveränderlich  färbe  und 
gewand  des  neuen  glaubens  annehmen  durften,  ihr  dasein 
und  Ursprung  wäre  sonst  kaum  zu  begreifen. 

.  Wie  nun  Petrus  bei  jedem  anlafs  gern  aus  der  himm- 
lischen wohnung  in  die  alte  irdische  heimat  zurückkehrt,  wo 
er  sich  mit  seinen  freunden  letzt  oder  mit  Spielern  und 
landsknechten  umtreibt,  so  sind  mir  die  Wanderungen  der 
getter  auf  der  weit  ganz  besonders  ein  zug  unsrer  einhei- 
mischen mythologie,  das  alte  testament  läfst  gott  den  heim 
nur  im  paradies  vor  den  erstgeschaffnen  menschen,  hernach 
noch  vor  Noah  und  Abraham  leiblich  erscheinen  \  später  rich- 
ten engel  seine  befehle  aus»  in  der  griechischen  fabel  wer- 
den Zeus  Hermes  Apollon  Athene  und  andere  himmlische 
dem  sterblichen  geschlecht  häufig  sichtbar  und  nicht  minder 
oft  zeigen  sich  in  der  nordischen  zumal  Odin  Thor  flaenif 
und  Loki.  so  besucht  Thor  seine  freunde  die  Tbellebönder 
zur  brautlauft ;  diese  schöne  norwegische  sage  (bei  Faye  s.4) 
kennt  auch  eine  schweizerische  Überlieferung,  begnügt  sich 
aber  mit  dem  einkehrenden  zwerg  statt  des  gotte$.  vor  allem 
gehört   hierher  das   eddische  lied.  von  Rigr  dem  wanderer, 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  267 

lern  ich  gerade  unsere  sage  von  den  ungleichen  kindern  an 
lie  seile  stellen  möchte,  unter  jenem  namen  zieht  Heimdallr 
ier  gott  zu  den  drei  menschenpaaren  und  gründet  den  unter- 
schied der  drei  geschlechter,  dieser  mythns  von  dem  ein- 
kehrenden, die  stände  festigenden  gott  mag  von  frühe  an  in 
manigfacher  form  bei  den  heidnischen  Deutschen  umgegan- 
gen und  fortgepflanzt  worden  sein,  er  trug  sich  zuletzt  in 
geschickter  anwendung  unvermerkt  auf  Adam  und  Eva  über. 
ius  dem  blofsen  gegensatz  zwischen  Abel  und  Cain,  aus 
}em  über  Cains  nachkommen  gesprochnen  fluch  allein  leitet 
lieh  nicht  die  Umständlichkeit  der  ganzen  erzählung,  der 
lurch  das  fenster  gewahrte  besuch  gottes,  sein  anklopfen, 
lie  festliche  ausschmückung  des  hauses*  und  derkinder,  ihr 
iteilweises  verheimlichen  und  die  genau  ausgedrückte  glie- 
lerung  der  stände  her.  zwar  weicht  ab  dafs  hier  die  kinder 
schon  geboren  sind,  in  der  edda  erst  nach  des  gottes  anwe- 
senheit  geboren  werden,  dafs  hier  alle  von  einem  paar,  dort 
rou  dreien  ausgehn;  doch  diese  Verschiedenheiten  konnten 
ider  musten  auf  den  langen  wegen  der  alten  fabel  leicht 
erwachsen,  im  eingang  der  VöluspA  heifsen  alle  menschen, 
lie  meiri  ok  minni  (gröfsern  und  kleineren),  rnegir  Heim" 
lallar,  des  gottes  söhne,  und  wenn  der  umziehende  Petrus 
schon  in  gediohten  des  zwölften  oder  gar  zehnten  jh.  nach- 
zuweisen ist,  wird  auch  jener  göttliche  besuch  bei  Adam 
ind  Eva,  den  ich  höchstens  bis  zum  jähr  1509  hinauf  brin- 
gen konnte,  viel  ältere  grundlagen  in  der  geschichte  unsrer 
Hiesie  ansprechen  dürfen. 

JAC.  GRIMM. 

*  kam  kann  at  sal,  $udr  kor/du  dyr,    vor  hurd  hnigin,  hrhtgr 
u*r  i  gatti,  gtick  kann  inn  at  pat,  go{f  var  stvdd.    S#m.  103\ 


268 


ÜBER  UMLAUT  UND  BRECHUNG, 

Etwas  iii  meiner  jüngsten  darstellung  der  deutschen  vo- 
callaule  ganz  neues,  die  annähme  von  brechungen,  woran 
auch  altn.  und  ags.  grammatiker  nicht  dachten,  hat  noch 
kein  aufsehu  erregt,  aufser  bei  Adolf  Holtzmann,  der  neulich 
in  den  Heidelberger  jb.  1841  s.  770  —  777  und,  wie  er  pflegt, 
sehr  scharfsinnig  darüber  gesprochen  hat.  er  fafst  die  merk- 
würdige eischcinung  nur  anders  auf.  während  ich  die  hre- 
chung  des  *  und  u  vom  umlaut  des  a  trenne,  bringt  er  die- 
sen damit  zusammen,  und  nimmt  ahd.  umlaut  des  a  durch 
?',  des  i  durch  a9  des  u  durch  a  an,  woraus  e9  e  und  o, 
nach  meiner  bezeichnung,  entspringen,  die  sache  ändert  sich 
nicht,  sie  wird  nur  verschieden  erklärt. 

Es  wäre  hübsch  und  einfacher,  käme  man  mit  den  drei 
umlauten  des  a,  i9  u  ab,  d.  h.  könnte  man  überall  die  e9  e,  o 
abhängig  machen  von  einem  i  und  a  der  nachfolgenden  silhe, 
noch  vollständiger  würden  füuf  altn.  umlaute  erwachsen,  zwei 
für  a  in  e  und  ö9  je  nachdem  i  oder  u  folgt,  zwei  für  u  iü 
o  und  y9  insofern  a  oder  i  folgt,  einer  für  i  in  e  bei  nach- 
folgendem a9  so  dafs  auf  a  durch  die  nachstehenden  vocale 
zweimal  eingewürkt  würde,  ebenso  vielmal  auf  u9  nur  ein- 
mal auf  i.  geborgen  bleibt  der  reine  vocallaut  in  allen  fäl- 
len, wo  jedem  derselbe  vocal  folgt  (a — a9  i — i9  u — u)  und, 
weil  i  lediglich  durch  a  afficiert  wird,  auch  wenn  ihm  ü 
nachtritt  (i — u).  für  den  umlaut  ergeben  sich  die  formein 
e  —  t,  ö — u9  e — a9  o —  a,  y  —  i.  die  Wichtigkeit  der.  regel 
leuchtet  zumal  ein,  wenn  abgefallne  vocale  der  zweiten  oder 
dritten  silbe  aus  beschaffenheit  des  vocals  der  ersten  erra- 
then  werden  sollen. 

Meine  bisherige  darstellung  entzieht  die  formein  e — a, 
o  —  a  dem  umlaut  und  überweist  sie  der  brechung.  gründe 
welche  sonderung  des  gebrochnen  lauts  von  dem  umlaut  an- 
rathen  sind  nachstehende. 

1.  die  brechung  scheint  älter  als  der  umlaut,  von  den» 
der  goth.  dialect  durchaus  noch  nichts  weifs,  der  ahd.  blofs- 


UMLAUT  UND  BRECHUNG.  269 

den  beginn,  nicht  die  Vollendung  aufzeigt,  e  und  o  dagegen 
sind  schon  dem  goth.  ahd.  und  allen  übrigen  dialecten  be- 
kannt, wenn  gleich  in  abweichender  gestalt. 

2.  im   goth.   hängt  die   brechung  blofs  von  den  conso- 
nanten  r  und  h  ab,  in  den  übrigen  sprachen  von  consonan- 
tischen  und  vocalischen  einflüfsen  zusammen,  so  jedoch  dafs 
jenes  r  und  h  überall  hoch,  wiewohl  auf  andere  weise,  sie 
bedingen,  aufserdem  aber  auch  zumal  im  ahd.  nachfolgendes 
«gefordert  wird,  während  nachfolgendes  i  und  u  beide  das 
i  und  u  der  wurzel  schützen,     mir  schien  als  ob  aus  blofs 
consonantischer  brechung  der  Gothen  sich  im  fortschritt  eine 
consonantisch  vocalische  im  ahd.  ägs.  und  altn.  entfaltet  habe, 
späterhin  sogar  ist,  zumal  im  mnd.  mnl.,  die  vocalische  aus- 
gedehnt worden  auf  formen   die   ursprüngliches   i  und  u  in 
der  letzten  silbe  haben,    z.  b.    sege  ahd.   sigu,    vrede  ahd. 
fridu,   scheuen   ahd.  scinun.     auch   die  schwed.  dän.  präte- 
rita  vierter  reihe  nehmen  im  pl.  e  für  i  in  die  wurzel,  und 
sonst  viele  subst.  zeigen  solches  e9  z.  b.  schied,  dän.  sm'ed 
faber,  led  artus,  altn.  smidr,  lidr.  das  nhd.  sommer  schwed. 
sommar   dän.   sommer   nnl.    zomer  zeigen  o,  da  doch  mhd. 
sumer  ahd.   sumar  auf  ein  goth.  sumrus  (wie  widar9  pipar 
auf  viprus,   bibrus,   gramm.  1,  147.  453)  schliefsen  lafsen, 
also  der  brechung  nicht  unterliegen  sollten,    dennoch  schritt 
sie  vor. 

3.  umlaut  durch  i  zeigt  sich  in  den  flexionen  weit  sich- 
rer als  brechung  durch  a.  zwar  in  ahd.  conjugation  erster 
mhJ  zweiter  reihe  gewähren  hilfii  hilfis  hilfit  helfamte 
wl/ht  helfant;  tisii  lisis  lisit  lesamfo  lesat  lesant  (und 
*****  trotamSs  statt  tritu  tretamös  liefse  sich  theoretisch 
re**Wuten)  zureichende  beispiele,  neben  welchen  in  dritter 
e*h«  tragu,  tregis,  tregit,  tragamös  «miaut  weist,  der  nä- 
mlich an  anderer  stelle  vortritt,  auch  in  fünfter  reihe  bie- 
Jt  sich  das  part.  scopan,  logan  dar,  da  doch  in  vierter  nur 
J**fc«/f  tripan  nicht  scenan  trepan  steht  5  erst  jene  späte- 
5**  mundarten  gewähren  würklich  scheuen,  schreven  f.  ahd. 
***<m,  scriban.  dies  i  in  scinan  erklärt  sich  Holtzmann 
as  einem  übergewicht  des  i  und  i  in  vierter  congujatiou, 
0  «iafe  das  einzige  particip  nicht  zum  e  habe  gelangen  kön- 
le?*-    doch  war  ei  in  seein,  treip  (nd.  scMn9  dräf)  dem  e' 


270  UMLAUT  UND  BRECHUNG. 

nahe  genug,  in  der  declination*  erscheint  aber  gar  kein  ge- 
brochner  im  Wechsel  mit  ungebrochnem  vocal ;  man  hätte  ihn 
namentlich  ahd.  in  den  ersten  starken  declinationen  zu  ge- 
warten,  denn  wie  neman  nimu  sollten  perc9  wec9  nest9  got, 
hof  im  instrumental  pirku9  wiku9  nistu9  gutu9  hufu9  vorzüg- 
lich fem.  wie  gepa9  peta9  erda9  giwona  im  dat.  gipu9  pifa, 
irdu9  giwunu  zeigen,  konnte  hier  wiederum  das  i  und  u  in 
der  wurzel  nicht  durchdringen?  oder  sind  die  u  der  flexion 
unorganisch,  wie  das  der  dat.  pl.  auf  um  statt  am  in  den 
ersten  declinationen  ?  weshalb  mit  recht  kein  wikum9  nistum, 
gutum9  pitum9  irdum9  giwunum  erfolgte,  dürfen  wir  aber 
uns  einlafsen  auf  solche  Verdächtigung  der  würksamkeit  ahd. 
flexionsvocale,  so  müsten  wir  auch  dem  u  in  der  prima  sg. 
lisUy  nimu9  hilfii  kraft  abstreiten  die  brechung  zu  hindern, 
weil  goth.  lisa9  nima9  hilpa  gelten,  in  den  zweiten  decli- 
nationen sollte  das  thema  i  wenigstens  im  dat.  sg.  der  bre- 
chung räum  lafsen,  doch  nirgend  begegnen  die  formen  sereta, 
scelta9  vohsa  f.  scrita9  scilta,  vuhsa,  obschon  der  nom,  sg. 
nach  abgelegtem  thema  i  sogar  rückumlaut  gewonnen  hat, 
ast9  gast,  pale,  anst9  arn9  womit  die  umgelauteten  casus 
esti9  gesti9  petgi9  ensti9  erni  tauschen,  man  mufs  in  den 
zweiten  declinationen  Übergänge  aus  erster  und  dritter  an- 
schlagen, und  den  ahd.  dritten  gewährt  das  thema  u  schütz 
vor  brechung.  längst  entsprach  keine  ahd.  flexion  genau 
mehr  dem  goth  du  des  gen.  dat.  sg.  wer  wollte  den  nom. 
masc.  und-neutr.  erster  decl.  nach  abgelegtem  thema  a  der 
flexion  gebrochnes  e9  o  in  der  wurzel  statt  i9  u  zutrauen, 
wo  sich  die  reinen  laute  zumal  vor  doppelconsonanz  bewahr- 
ten? nie  erscheint  fesc  für  ßsc9  so  angemefsen  das  e  io 
lescan,  lisku  scheint,  im  ganzen  folglich  darf  der  mangel 
der  brechungen  in  ahd.  declination,  neben  den  entwickelten 
umlauten,  diesen  ein  lebendigeres,  jüngeres,  jenen  ein  zä- 
heres, älteres  prineip  bezeugen. 

4.  den  umlaut  sehen  wir  fast  ganz  von  vocalische»» 
die  brechung  wesentlich  von  consonantischem  einflufs  ab- 
hängig,   es  ist  doch  bedenklich,  das  goth.  ai  in  bairan,  vmr- 

*  ich  nehme  jetzt  nur  drei  starke  declinationen  mit  dem  thema 
a,  i9  u  an,  wie  ich  anderwärts  (in  einer  academischen  Vorlesung)  ent- 
wickelt habe  und  in  der  grainmatik  umständlich  ausführen  werde. 


UMLAUT  UNO  BRECHUNG.  271 

pun  anders   aufzufafsen  als   das   ahd.   e  in  peran,  werf  an, 
allerdings   macht   grofsen   unterschied  dafs  das  ahd.  e  theils 
aasgedehnter  iheils  eingeschränkter  gilt  als  das  goth.  ai>  es 
findet  sich   auch  in  yneman9   lesan9   kepan  =  goth.   niman, 
tisan,  giban9   und  hört  wieder  auf  in  pirit9   wirfit  =2  goth. 
bairip,    vairpip.     ein   goth.   naiman,   laisan,    gaiban  wäre 
unglaublich,  eher  liefse  sich  denken  dafs  bairip9  vairpip  nahe 
an  birip9  virpip  grenzten,     doch  gerade  wie  h  und  r  goth. 
breohung  veranlagen,    welcher   vocal    auch   nachher  folge, 
hindern  ahd.   m   und  n,    wenn  andere  consonanten  daneben 
stehn,  alle  bjrechung,  wenn  auch  a  folgt,  es  heifst  primman, 
rinnan,   limfan,  pintan,  prinkan,    dinsan   und  im  particip. 
prumman,  rirnnan,   lumfan,  puntan,  prunkan,  dunsan,  nie- 
mals premman  promman,     so  dafs   diese  durch  fährung  des 
t,  u  völlig   der  des  goth.  ai9    aü  in  bairan,   baüran  gleich* 
steht,  und  der  von  vocalen  bedingte  Wechsel  des  reinen  und 
gebrochnen  lauts   nur  in   den  übrigen  ahd.   formen  zuläfsig 
wird,  freilich  in   den   meisten,     den  umlaut  des  a  durch  i9 
sobald  er  einmal  platz  gegriffen  hatte,  scheinen  consonanti- 
sehe  einwürkungen  wenig  zu  kümmern,    es   heifst  spannu 
spennü,    gangu  gengis9    fara  Jerü,    wahsu  wehsis,     die 
in  position  verbundnen  m  und  n  hemmen  aber  die  brechung 
auch  in  Substantiven   erster  decl.   wie  sind,    ivinl,    hrinc9 
munt9  stimna,  stunta,  im  gegensatz  zu  chneht,  wolf9  helfa, 
walla,  herta. 

5,  der  ahd.  mhd.  umlaut  stätigt  noch  andere  unterschiede 
günstig,  wo  im  analogen  fall  die  brechung  unwürksani  scheint, 
dem*  wie  von  den  adj.  lengi,  herti,  Jesti  die  rückumlauten* 
den  adv.  lango9  harto,  fasto  gebildet  werden,  dürfte  nun 
aneh  neben  im,  durri  ein  adv.  erro9  dorro  stattfinden,  wenn 
schon  nicht  der  »position  zugefallen  neben  lindi  ein  advr 
lendo*  die  analogien  lafsen  aber  im  stich,  irran  goth* 
wrayan  hat  ein  darr  an  goth.  paürsjan  zur  seite,  so  schön 
das  transitive  durran  abstechen  würde  von  dem  intransiti- 
ven dorrdn.  nie  erscheint  ahd.  dorah  per,  immer  durah* 
soll  es  erklärt  werden  aus  einem  vorgewicht  von  duruh, 
durih?  goth.  pairh  zeugt  eher  für  -ah.  in  Ordnung  sind 
turi  janua  und  tor  porta,  turili  ostiola,  doch  gleieh  stat  und 
steti  wechseln  tor  und   turi  nicht,   sondern  der  reine   oder 


272  UMLAUT  UND  BRECHUNG. 

gebrochne  laut  haften  im  einzelnen  wort  wie  sie  sich  einmal 
festigten,  warum  behauptete  sich  kein  alts.  hiru  gladius, 
wie  heran  birid,  sondern  heru  =  goth.  hairus?  warum 
alts.  ehu  =  goth.  aihvus?  da  doch  sidu,  tyidu,  sinu  gelten, 
warum  mhd.  mete  mulsum  neben  site  mos  =  goth.  midus 
und  sidus,  wie  zu  vermuten  steht?  ahd.  scheinen  mitu  ul 
metu  zu  schwanken,  warum  schon  bei  Tacitus  Nertkus, 
Hermunduriy  kein  Nirthus,  Hirmunduri?  die  goth.  brechung 
vor  r  und  h  ergibt,  auch  von  dieser  seite,  sich  als  die  äl- 
teste, freilich  heifst  es  ahd.  hiruz  =  goth.  hairtus,  alto. 
hiörtr,  also  für  hiruzu,  während  donar  mehr  zu  goth.  punrs 
als  zu  punrus  berechtigt. 

6.   rathen    es  diese   erscheinungen  zusammengenommen 
an  im  ahd.  und  mhd.  umlaut  und  brechung  abzusondern,  so 
begehren  es  noch  entschiedner  im  ags.  eigenthümliche.  denn 
während   der  umlaut  des  a  in  e,    des   u  in  y  ordentlich  er- 
geht,  weicht   die  brechung  des   i  und  e9    des  u  in  o  öfter 
von  der  ahd.  ab  und  richtet  sich  wieder  nach  consonantein- 
flüfsen.    so  bleibt  namentlich  der  reine  lant  meist  schon  w 
einfachem  m  und  n :  niman  ahd.  neman,  numen  ahd.  noman, 
aber  auch  andere  Wörter  führen  ihn  durch,  z.  b.  gif  an  ahd. 
kepan,  gifen  ahd.  kepan;    ongitan  ahd.  intkezzan,  ongüen 
ahd.   intkezzan.    hingegen   bricht  sonst  die   prima  sg.  präs- 
den  vocal:  ete  ahd.  izzu9    bere  ahd.  piru,   stele  ahd.  säht* 
brece  ahd.  prichu,   wo  man  anzunehmen  hätte,  der  ausgaog 
-e  mufse  ursprünglich  gleich  dem  goth.  -a,  nicht  wie  im  ahd- 
-u  gewesen   sein,  obwohl  jene  niman,  gifan,  ongitan  aneb 
hier  nirne,  gife,  ongite  behaupten,   in  der  zweiten  and  drit- 
ten  person   tritt  freilich   itst,  it;  birst,  bird,-  stilst,  stfö? 
briest,  bried .ein.     was  ferner  u  angeht,   so  haftet  es  ags.  * 
wo  es  nach  ahd.   regel  zu  o  werden  sollte,   z.  b.   in  fuget 
ahd.  fokal ,  punor  ahd.  donar,  vulf  ahd.  wolf;  doch  in  4fr- 
ren,  brocen9  »vollen,  vorpen  stimmt  es  zu  ahd.  poran,  pr9- 
chan,  suollan,  worfan.     von  besonderer  Wichtigkeit  ist  mi** 
weiter  dafs  neben  i  und  e  häufig  eo  stattfindet  und  zwar  mit 
beiden  wechselnd,     nicht  nur  wird  vita  und  veota  procer* 
fridö  und  freodo  geschrieben,   sondern  auch  efor  aper  ud« 
eofor,    gefon  oceanus  und  geofon,  fela  multum  und  feofa 
feder  perina  und  feodor,    setel  thronus  und  seotol;  ja  es 


UMLAUT  UND  BRECHUNG.  273 

:önnen  die  drei  formen  frido9  Jreodo,  Jredo  gelten,  e  uud  t 
erhalten  sich  gar  oft  wie  die  ahd.  z.  b.  in  den  ableitangen 
Wre  abd.  gifidiri,  von  Jeder;  gevidere  tempestas,  ahd.  gi- 
ntiri,  von  veder.     eo   habe  ich  als  ursprüngliche,  der  Ver- 
tagung in  e  vorangehende  brechung  dargestellt,  die  dem  goth. 
rt  noch  näher  steht,  und  das  wird  dadurch  bestärkt  dafs  sie 
viederum  vor  r  haftet,   zumal  wenn  durch  einen  zweiten 
rtnsonant  position    erwächst;   veorpan,   beorgan,    hveorfm 
Reichen  dem  goth.  vairpan,  bairgan,  hvairban  mehr  als  das 
ihd.  werf  an,  pergan,  huerpan;  nur  vor  st,  sc  gilt  e'9  b&r- 
ftan,  perscan  nicht  beorstan,  peorscan.     auch  scheint  für 
ein  höheres  alter  des  eo  zu   sprechen  dafs  ahd.  spuren  von 
ähnlichem  ia  oder  io  vorkommen,  die  bald  verschwinden,  so 
das  neulich   aufgefundene  sioxa    (oben  s.  5)  =  ags.   seotu. 
ohne  zweifei  ist  also  eo  ein  laut  der  uns  das  Verhältnis  zwi- 
schen goth.  ai  und  ahd.  e  vermittelt  und  nicht  gestattet  letz- 
teres lediglich  von  dem  vocalischen  einflufs  des  folgenden  a 
abhängen  zu  lafsen.   dazu  kommen  noch  die  ag$.  ea  und  ä, 
welche  neben  dem  reinen  a  auftreten,  ja  dessen  Übergang  in 
o,  die  ich  sämtlich  lieber  der  brechung  als  dem  umlaut  ver- 
gleiche,    ea  hält  sogar  gleichen   schritt  mit    eo  in   bearh, 
werp,  cearf  von  beorgan,  veorpan,  ceorfan,  entwickelt  sich 
aber  auch  vor  positionalem   /  in  healp,  gealp  von  he'lpan, 
tflpan  und  in  andern  fällen,    weder  dieses  ea  für  a  in  den 
starken  prät.  vearp,  healp,  ahd.  warf,  half,  noch  das  ä  in 
fäf  oder  geaf,  am  wenigsten  das  ä  in  dag,  däges,  scröf, 
scräfes,  ist  aus  folgendem  a  abzuleiten,  weil  dieses  gerade 
tat  reinen  laut  in  da  gas,  daga  herstellt,    wie  es  das  u  in 
fagum,  scrafu  thut.  o  in  gomel,  noma,  svongor  wird  durch 
m  Und  n  gewürkt.    und  die  mnl.  spräche  hat  vor  positiona- 
lem  r  gebrochnen  laut  ae  für  a  (gramm.  1,  279),  da  sie  doch 
för    i  blofs  verengtes  e  zeigt,     ich  geschweige  hier  der  an- 
*ci*ii  mnl.  so  wie   der  friesischen   vocallaute   die  noch   ein- 
jagen. 

7.  aber  die  altn.  spräche  zeigt  uns  jene  ags.  i,  eo  in 
regelmäfsigerem  Wechsel  gewisser  flexionen,  dergestalt  dafs 
tifcr  das  ursprüngliche  i  nur  durch  ein  nachfolgendes  i  der 
ea4ung  gehalten  wird,  hingegen  sobald  a  oder  a  folgen,  die 
Hebung  ia  oder  deren  umlaut  iö  eintreten,  welcher  letztere 
^.  F.  D.  A.    11.  18 


274  UMLAUT  UND  BRECHUNG. 

auch  da  statt  fiudet  wo   u  früher  vorhanden,   später  wegge- 
fallen war.     es   tauschen  demnach   angenehme   formen  wie 
biörn  biarnar  birni,   Niördr  Niardar  Nirdi,   nnd  freilich 
dieser  eiaflufs  des  i  scheint  dem  von  i  herrührenden  umlatte 
des  a  in  den  analogen  formen  lögr  lagar  legi  zu  gleichen, 
ist  aber  kein  umlaut,   da  der  umlautende  vocal  niemals  den- 
selben laut  zeugt,   vielmehr  mute   man  sagen  dafa  in  Um 
die   flexion  i  den   urlaut  schütze,   in    legi  das   a  umlaute. 
HolUmann  will  dies   altn.    ia   für  jünger  halten  als  das  e, 
und  allerdings   fällt  die  abwesenheit  jenes  in   den  starken 
conjugationsformen   auf,  es   heifst   bera,  gefa,  nicht  bhre, 
giafa;  doch  sehe  mau  das  gramm.  452  aufgewiesne  biarga, 
gialda  (wieder  im  positionsfall)  und  erwäge  wie  gangbar  die 
ags.  beorgan,   weorpan  gerade  in   starker  form    sind,    auf 
der  andern   seite   ist  altn.  e  weiter  vorgeschritten»  als  aM. 
und  ags, ;  man  sagt  selbst  brennet,  r'enna  für  brhina,  rhm* 
(gramm.  454)   neben  spinna.    ja  es  nimmt  den  ganzen  ag- 
präs.  ein:  et  etr%  gef  gefi* >  nem  nemr 9  berg  bergr,  väif* 
verpr,    obschon  in  dritter  reihe  umlaut  des  a  in  e  gewfirk* 
wird,   el  elr,   stend  stendr.     ein  nicht  undeutliches  zeiche«» 
dafs   hier  umlaut  und   brechung  auf  andern  gründen  ruhen  - 
in  die  Ursachen  des  wechseis  zwischen  t,  ia  und  e  überaU 
zu  dringen  ist  schwer  genug;  von  den  adj.  iafn  und  duufr** 
die  auf  gleichem  fufse   stehn,    wird  sowohl  efna  als  dbfSr 
geleitet;  ahd.  behaupten  epan  und  epanon  den  selben  laut» 
pidirpi  aber  schwankt  seltsam  über  bald  in  pider pi,  bald  i** 
piderpi  d.  h.  umgelautetes  pidarpi,  und  die  nemliche  Unsi- 
cherheit ist  in  pidirpan  piderpan  pidarpan  piderpan.  offen- 
bar war  hier   die  ausspräche  nicht  mehr  mit  sich  einig,  d* 
sie  doch  in  den  meisten   andern   fällen    die    laute   reinlich 
sonderte. 

Was   endlieh  die  bezeich  nung  der  beiden   e  betrifft,  *° 
ist  sie  mir  gleichgilüg,  sobald  man  sich  darüber  einmal  vor- 

• 

ständigt.  Holtzmann  will  e  für  e  (wie  altn.  o  für  #),  da- 
gen  e  für  e\  welches  e  unleugbar  dem  gebrochnen  o  Mufser- 
lich  gleicher  stände*,  ich  hatte  e  vorgezogen  um  an  das 
ursprüngliche    t    zu    erinnern     und  weil  der  typus  unser» 

'  sekon  Lach  mann    in   seiner   auswahl    hatte   f  =  p,    folglich  eZZ' 
angenommen.  | 


UMLAUT  UND  BRECHUNG.  375 

uckereien  nicht  abgeht,     dies  spricht  auch  für  das  nord. 
dem  man  in  Dänemark  schwerlich  wieder  entsagen  wird, 
fs  in  ahd.  hss.  ae  und  f  für  6%  e  und  e  erscheinen  weifs 
ler. 

JAC.  GRIMM. 


VORANGESTELLTE  GENITIVE. 

Nicht  blofs  wurzeln  formen  rectionen,  sondern  auch 
azeine  Wortstellungen  erhalten  sich  in  der  spräche  lange 
hrhunderte  hindurch,  ich  will  hier  einige  fälle  behandeln 
o  der  geriitiv  dem  Substantiv  das  ihn  regiert  beständig 
»rausgeschickt  wird,  in  eigennamen  und  zusammensetz  un- 
sn  verhärtet  sich  diese  fügung  häufig,  aber  auch  dem  losen 
tnitiv  pflegen  in  gewissen  redensarten  wir  noch  heute  im- 
er  den.  vorrang  zu  lafsen,  z.  b.  wenn  es  heifst  von  rechts 
sgen9  aus  leibes  kräften,  seiner  hände  werk,  so  setzte 
e  alte  spräche  dem  mit  einer  präposition  verbundnen  worte 
wfe,  bedeute  es  nun  das  vorderste  oder  hinterste,  jederzeit 
fcu  gen.  voraus.  Hildibrant  was  4o  folches  at  ente ;  that 
ewurdi  is  aldres  at  endie  Hei.  82,  10;  dryhten  sinne  drio- 
gnefand  ealdres  ät  ende  Beov.  5576;  pd  väs  sund  liden 
tfetes  ät  ende  Beov.  446;  wenn  Andreas  221  mit  vorge- 
gebner präp.  ät  meres  ende  gesagt  ist,  möchte  man  auch 
i  zu  lesen  vorschlagen  meres  ät  ende.  mhd.  belege  sind 
ir  folgende  zu  band,  gie  des  hoves  an  ein  ende  Gudr. 
518,4;  wiset  des  hoves  an  ein  ende  Rab.  197;  triben  be- 
ut des  heres  unx  an  das  ende  altd.  bl.  1,  342;  ich  kum 
'  on  ein  ende  Nib.  791,  3;  umoizzer  dinge  kam  an  ein 
wfe  Greg.  1197;  nu  bin  ich  ze  wäre  diner  meere  an  ein 
*de  körnen  Hahns  Stricker  4,  283;  ich  bin  des  yf  ein  ende 
%(tht  Silv.  5190.  noch  in  späteren  Volksliedern  meine  ich 
diesen  zu  haben  gieng  des  weges  an  ein  ende,  denn  aller- 
es sind  solche  fügungen  eher  episch  als  dafs  die  höfischen 
chter  sich  ihrer  gern  bedienten,  sicher  findet  auch  die 
lr*se  statt  er  kam  sins  libes  an  das  ende,  wie  gestuont 
**  libes  an  der  freide  Gudr.  495,  4;  da*  man  so  mani- 
*n  recken  sehe  sins  libes  in  der  freide  Bit.  11376;    reit 

18* 


276  VORANGESTELLTE  GENITIVE. 

sins  libes  en  freise  Er.  6096 ;  miner  s&le  ze  freise  Haupts 
zeitschr.  1,  318,  und  ähnliches,  die  analogie  bald  der  vor- 
gesetzten genitive  (aldres,  libes) ,  bald  der  von  der  präp. 
abhängenden  Substantive  schlägt  dabei  an,  man  dürfte  auch 
bei  at  orde,  in  der  mitte  gleiche  Stellungen  erwarten,  aas 
der  goth.  spräche  gehört  hierher  das  bekannte  seine  misso, 
entsprechend  dem  altn.  sin  d  milli. 

JAG.   GRIMM. 


BESCHREIBUNG  EINER  IM  JAHRE  1507  Zu 
ZERBST  AUFGEFÜHRTEN  PROCESSION. 

Am  aus  gange  des  15«  und  im  anfange  des  \6n  Jahr- 
hunderts, wahrscheinlich  bis  zum  jähre  1522,  in  welchen 
die  Stadt  Zerbst  ßir  Luther  sich  erklärte,  ward  daselbst 
jährlich  eine  procession9  oder  richtiger  ein  geistliches  stra- 
fsenschauspiel,  aufgeführt. 

Mehrfache  abschriften  von   beschreibungen  dieser  pro- 
cession   in  poetischer- form   sind  im  geheimen  archive  der 
sladt  Zerbst  vorhanden,     ich  habe  dieselben,   die  niemand 
bekannt  sein  konnten,  da  das  archiv  seit  fast  zweihundert 
jahren   unberührt   stand,    bei  anordnung  desselben  aufge- 
funden und  der  vollständigsten,    in  eichenholzschalen  ge- 
bundenen, die  im  jähre  1507  stattgefundene  darstellung  be- 
schreibenden handschrift  nachstehende  mittheilung  entnotn- 
men.   über  den  zweck  der  procession  gibt  am  fäglichsien 
folgende  Urkunde  vom  jähre  1506  auskunft,   durch  welche 
beglaubigte  abgeordnete  des  stadtraths  beitrage  zur  besträ- 
tung  der  processionskosten  nach  dem  grofsen  brande  sam- 
melten welcher  am   30«   april   1506  die  Stadt  zum  vierten 
theile  in  asche  gelegt  hatte. 

ZERBST.  FRIEDRICH  SINTENIS. 

Vor  allenn  Cristgloubigenn  frommenn  szeligenn  leuthenn 
was  wirdenn  Standis  Addir  weszenn  Die  sein  vnnd  wiih 
diesszem  vnuzern  offin  brieffe  in  demnth  zue  der  ehre  gotts 
irsucht  werdin  Bekennenn  wir  Burgermeyster  vnd  Rath- 
manne  Richter  vnnd  Scheppenn  der  Stadt  zcerwisch 


ZERßSTER  PRÖCESSION.  277 

Szo  alsdann  manichenn  fromen  menschin  bwusth,  das 
hier  zue  der  Erbietunge  des  Allmechtigenn  gotts  vnnszers 
szeliehmechirs  Eynn  Erlich  processien  bedeutnnge  der  bit- 
tern ghenge.  die  christus  vnnszir  heill  vmme  erloszunge Al- 
ler menschlicher  gesiecht  zue  seynen  hymmelischenn  vaters 
durch  denn  smelichin  todt  ghanghen  ist,  der  gleich  gottis 
auszerwelten  heillige  phyn  vnnd  martir  zcue  bedenckeqn, 
Alhier  vorordenth  vnnd  auff  gericht  isth,  Jerlichenn  in  dem 
Achten  tage  des  heiligenn  leichnams,  mith  koszperlichenn 
ffiguren  des  Aldenn  vnnd  nawen  testaments  Welche  gherin- 
ge  Erebiethunge  der  Erwirdigiste  In  goth  vater  vnnd  herr 
herr  Raymundus*  Bebstlicher  legat  vnnd  Cardinall  In  kor- 
tzin  Jaren  Alhier  Irschenenn  Dergleichenn  der  hoechwirdi- 
giste  In  goth  vatir  Irleuchtenn  hochgeboren  ffurst  vnnd  herr 
herr  Ernsth  Ertzbischoff  zue  Magdeburg  primat  in  germanien 
Administrator  der  kirchin  zcue  halberstadt  hertzcogk  zue 
Sachsszenn  lanthgraffe  In  doringhenn  vnnd  margkgraff  zue 
meysszenn  vnnszer  Gnedigister  lieber  herr,  Ingleichenn  vnn- 
szir Gnediger  herre  von  Brandinborch**  vnnd  Merszeborgk  *** 
Alles  bewagenn  vnnd  Sulche  processienn  vnd  Erbietunge 
Angesehenn  den  schattzs  der  kristlichen  kirchin  Angegriflin 
vnd  zelien  ablas  dar  zue  gegebin  vnd  Allen  mylden  hanth- 
reichern  dys  zue  Irhalden  Sodhann  Schatzs  nach  vormel- 
dunge  der  brieff  mithgeteilt  wie  wol  Rustunge  vnd  kostunge 
etzwas  gestandin  Isth  doch  leyder  brandis  vnd  feurs  noeth 
vorszeriget  vnd  beschediget  wurden,  wir  bewogenn  ewer 
mylde  hanth  betlichen  zue  irsuchin  Deshalbin  diessze  kegin- 
wertige  vnszer  huszbesesszin  gloubwirdige  bothen  Ahn  ewer 
alle  gunsth  vnd  liebe  geschickt  Wollen  die  Ere  vnnszers 
zelichmechers  betrachtin  ewer  zelen  heil  bedenckenn.  Den- 
selbigenn  vnnszern  bothen  die  mylden  Almuszenn  zue  sul- 
cher  Ehre  obir  die  Irgangenn  schodin  bey  euch  zcuebittenn 

*  der  cardinal  Raymundus  gierig  am  19»  Januar  1503  auf  seiner 
reise  nach  Magdeburg  durch  Zerbst  und  ward  daselbst  aufs  feier- 
lichste empfangen,  vergl.  Beckmann  ehr.  von  Anhalt.  6,  3   *.  13. 

•**  Zerbst  gehörte  zum  bisthume  Brandenburg  und  zwar  unter  das 
archidiaconat  des  prob  st  es  zu  Leitzkau. 

***  fürst  Adolf  zu  Anhalt  war  damals  beim  Merseburger  bischof 
Thilo  v.  Throte  presbyter9  ward  1507  von  ihm  zum  coaajutor  ange- 
genommen  und  sein  nachfolget  1514.  vergl.  Ludw.  Reliq.  4,  p.  461. 


27S  ZERBSTER  PROCESSION. 

vorgonnenn  vnnd  selbst  mittetheilenn  vnd  auff  emhanten 
tagk  hier  Irscheinenn  Die  belonunge  vonn  gote  der  aller 
woltethe  eyn  beloner  isth  zunehemen,  Wollen  wir  ouch  vmk 
eynen  yderen  Bszundern  willich  vnd  gernhe  vordienenn. 
Diesszes  zu  warhafftiger  vrkunde  habin  wir  vnnszir  Stadt 
Secreth  vndenn  Ahn  ghehanghenn  der  gegebenn  isth  nach 
cristi  vnnszers  heim  geborth  Thausentfunffhnndert  vnd  In 
Sechssten  Jare  Sonthages  Vocem  Jocunditatis. 

Aufsere  avfschrift  der  handschrift. 

Eyn  spruch  von  deutung  vnnd  Irklerung  der  ffiguren  dy 
in  der  processien  gehenn  Donnertags  in  der  heiligen  pbin- 
gistwoche  Im  fnnfzcehenhundersten  vnd  Sibenden  Jarn. 

Innere  aufschrift. 

Ordenunge  vnd  bestellunge  der  procession. 

Die  ölsleger. 
Die  scheppung  der  werlt  nach   der  schepfer 

ffigura 
Des  scheppers  hoge  gewalt 
Ist  sichtlich  mannigfalt 
Hymmel  vnd  erde  vnd  was  do  in  ist 
Hat  got  gemacht  allis  auff  eyne  frist 
Aller  wunder  letzt  vnd  ent 
Ist  das  wirdig  sacrament 
Schaw  0  mensche  deyne  speysze 
Dy  iesus  marien  szone  der  weysze 
An  sich  selbem  hat  gegebenn 
Der  seien  trost  vnnd  rechtis  lebenn 
Do  got  den  menschen  macht 
Was  er  Reyn  vnsterblich  geacht 

Die  Bader 
Eynen  Bora  mit  eyner  slangen.    Adam  vnd  Ena  naket 
mit  qnesten  wan  der  rym  geleszen  szo  sol  der  engel  Adam 
vnd  Eua  vszslan 

ffigura 
Alsbalt  aber  vnszir  vater  adam 
Den  verbotten  appel  zcue  sich  nam 


ZBRBSTBR  PROCESSION.  27» 

Erslang  er  den  ewygen  todt 

Des  viel  dy  menscheit  In  borte  nodt 

ffigura 
Der  engel  slug  ohn  aus  dem  paradeysze 
Als  dysse  figur  tliuet  weysze 
Nackent  enelendig  vnnd  bloes 
Darnach  hob  sich  Eyn  boszheit  groes 

Browerknechte 
Cayn  mit  eyner  klauen  Ahell  erlichen  gekleydet 

Alia  figura 
Abraham  eyn  konnigk  Melchisedech  wein  vnd  brot 

ffigura 
Cayn  slet  abel  seynen  bruder  todt 
Der  Im  kein  leyt  gethaen  hodt 
Dy  syntflut  that  gantze  werlt  vortrincken 
Dan  dy  sunde  soll  allwege  vorsinckenn 
Alszo  bleib  der  mensche  in  sunden  sweben 
Abraham  hub  an  in  horszam  zcue  lebenn 

ffigura 
Den  ehrete  konnigk  melchisedech  mit  brot  vnd  weyn 
Das  solt  dyszes  sacrament  bylde  seynn 

Hegenten  * 
Abraham  mit  eynem  geczogen  Swert  ysaac  seinen   Son 

y  der  hani 

ffigura 
Abraham  brachte  seynen  szone  gote  zcue  ehren 
Vnuorschont  seyn  leben  zcue  vorsehrenn 
Des  Andacht  got  angesehnn  hol 
Dy  Irloszung  er  do  Im  bot 
Das  aus  seynn  gesiechte 
Wurde  geborn  der  Irloser  rechte 
Die  Szever  vnd  dressier 
Jona*  in  dem  walfissche 
ffigura 
Jonas  von  dem  walfische  versiungen 
Am  drytten  tage  war  Im  gelungenn 
Domit  ist  wurden  künde 
Der  Irstentnys  die  froliohe  stunde 
*  inhaber  von  altären  und  den  damit  verknüpften  einkünften. 


2ßO  ZERBSTER  PROCESSION. 

Die  lakenmecber 
David  eyn  konnigk  mit  eyner  harpfen  vnd  knechte 

ffigura 
David  Eyn  konnigk  lobesam 
Dornach  eherlich  quam 
Das  kreucz  cristi  in  der  harffe 
Dorauff  gezcogenn  alszo  scharffe 

Die  murmeyster 
Irer  viere  als  geschigkten  zu  wandern  tragen  eyne  wyn- 
truben  vnd  eynen  garten  £ngadi  gehit  vorn 

ffigura 
Engadi  der  lustiger  weyngart 
Dor  Inne  ist  der  balszam  wolverwart 
Auch  vil  ander  schone  blumen 
Domit  wir  dy  newe  ehe  berohmen 
Der  zcyperbom  vnd  trubelen  dor  an  gefunden  seyn 
Reich  vnd  trubar  gaben  sie  weyn 

ffigura 
Yrir  zcwe  Eyne  trubele  swerlich  trügen 
Bedewt  vns  nach  cristlichen  fügenn 
Gottes  irlosung  den  vbirfloes 
Vnd  des  herrn  Jesu  mylde  gnad  so  groes 
Der  verslossener  gart  ist  muttir  vnd  maget 
Dor  Inne  Irgrunet  got  vnd  mensch  vns  betaget  • 
Hir  abe  wir  zue  sagenn  hann 
Vnd  heben  mit  salomon  ahn 

Die  lakenmecher 
Salomon   eyn  konnigk  mit  seyner  mutter  vnd  öre  hofge- 
synde 

ffigura 
Davidis  szon  konnig  salomon 
Sas  in  seynn  konniglichim  tron 
Mit  kostbarir  schöner  zcyrde 
Vnd  kronete  seyne  muttir  wirde 
Alszo  hat  got  seyner  muttir  bewyszen 
Dorvon  er  ist  genyszen 
Daraus  ist  cristus  gespalt 
Nach  vylen  Jaren  wol  gezcalt 
Maria  Eyne  Juncfrawe  reyn 


ZERBSTER  PROCESSION.  281 

Doraus  got  irsprossen  vnd  geborn  alleyn 
Mit  warer  menscheit 

Die  vorstender  vnszer  lieben  frawen 
Ortus  conclusus  mit  seinem  anhange  tragen  die  bruch- 


jsere  * 


Die  besuchunge  marien  zu  Elizabet  vber  das  gebirge 
czwen  engelen  im  rym  leszen  sullen  sie  sich  vmbfangen 
hlich 

ffigura 
Höret  ir  cristen  lewte 
Was  ich  hewte  bedewte 
0  groes  gnade  vnd  barmhertzcigkeit  erczeyget 
Do  sich  got  in  gnaden  zcue  vns  hat  geneyget 
Der  von  hymmel  ist  gekommen 
Vnd  die  menscheit  an  sich  hat  genhomen 
Das  wir  alle  werden  getrost 
Hat  ehr  in  vnszir  nature  erlost 

ffigura 
Höret  merket  vorsteit  dysser  verslosne  garte 
Beczeyget  vns  mariam  dy  eddele  zcarte 
In  dem  sich  got  selber  vorsloes 
Vnnd  sich  mit  allen  gnaden  In  sie  ergoes 

ffigura 
Höret  der  pusch  moysi  brante  von  fewre  vnuorczert 
Also  maria  entpfingk  vnd  gebar  vnuorsert 
Juncfraw  vnd  muttir  gottis  vorwar 
Ahn  allen  wandelt  vnd  mangel  gar 

ffigura 
Mercket  dys  bedewt  dy  rwte  aaron  bluete 
Beczeyget  mariam  dy  do  brachte  dy  blume  allir  gute 
Ir  magetthum  behilt  vnd  ewige  keuscheit  schone 
Gotts  szon  entpfing  von  hymmelischen  trone 

ffigura 
Dysser  thron  bedewt  mariam  zcart 
Dy  do  vor  der  erbsunde  von  gote  wart  bewart 
Mit  vil  tausent  gülden  Schilden 
Bleyb  vnuormagkelt  dy  reyne  vnd  mylde 

*  strafse  einer  vor  Stadt  von  Zerbst. 


232  ZERBSTER  PROCESSION. 

ffigura 
Dysse  güldene  geslosne  port 
Bedewt  das  maria  was  vnd  bleib  eyn  Juacfraw  vor 

vnd  nach  der  gebort 
Vnd  bleibet  vinmer  vnd  ewig  geslossen 
Der  gebort  wir  allezcue  ewigem  heyle  haben  gnossen 

ffigura 
Die  person  bedewt  den  engel  gabriel  gesant 
Do  ehr  die  Juncfrawe  vorslossen  fant 
Brachte  ir  allis  heyles  grossen  groes 
Was  sie  allis  leydes  bloes 

ffigura 
Dys  bylde  bedewt  wie  der  ewige  eynhorn 
Quam  zcue  marien  der  Jancfrawen  auszirkorn 
In  den  keuschen  schoes  der  ewige  heylant 
Von  dem  hymmel  mit  allen  gnaden  sich  swant 

ffigura 
Dysser  vier  hundeleynn  Jaget 
Got  von  Ewigkeit  hat  gesagt 
Frede  vnd  gerechtigkeit 
Warheyt  vnnd  barmherzigkeit 
Habenn  got  alle  vier  vormocht 
Vnnt  mit  ir  iaget  zcue  wege  gebracht 
Das  got  von  hymmel  quam 
Vnnde  die  menscheit  an  sich  nam 

ffigura 
Dysse  figur  thuet  euch  bekant 
Wie  got  seyn  Eygen  szon  hat  gesant 
Vnd  wie  die  Juncfraw  von  dem  heiligen  geyste  wart 

swanger 
Dancketh  das  got  ewig  mit  eynander 

ffigura 
Das  hat  gabriel  bereit 
Der  engel  mit  seynem  grussze 
Macht  er  widder  süsse 
Des  sunder  bitterkeit 
Maria  ist  wurden  bereit 

ffigura 
Alsbalt  sy  iesum  hat  entpfangenn 


ZBRBSTER  PROCBSSION.  ttS 

Ist  sie  in  das  gebirge  gegangen 

Zcue  Elizabet  yrir  frundynne  alt 

Drey  mont  ir  gedynet  mannigfalt 

Darnach  hat  maria  gezcelt  ane  smertze 

Jesum  das  nemet  alle  zcue  hertze 

Die  Wantsnyder 
Die  gebort  christi   mit  dem  husischen  darinnen  maria 
eyn  kindichen  sollen  die  vfczogere*  tragen 

ffigura 

In  eyner  krippe  geleget 

Grosz  armut  gepfleget 

In  eynem  armen  hawsze  zcue  falle 

0  gros  armut  vbir  alle 

Dor  In  gelydenn  vil  iammer  vnd  zcwangk 

Im  ist  gebottenn  lob  vnd  dangk 

Die  Wantsnyder 
Die  heiligen  drie  konnige  wol  gerüst  hilgetom   in  ore 
e  weiszen  vf  die  Sterne  am  husichen 

ffigura 

Vonn  den  heiligenn  konnigenn  drey 

Mit  golde  murra  wiroch  do  bey 

In  lyebe  vnnd  grosser  andacht 

Hann  sie  das  oppher  gebracht 

Sy  filen  nydder  vff  yre  knye 

Wie  wol  sy  ohn  funden  vntir  dem  vyhe 

Nach  irkenten  sy  mensch  vnd  got 

Der  yr  hertze  Machtet  hot 

0  wy  wunderlich  ist  herre  deyne  gebort 
vnszere  lieben  frawen  vorstender 
Joseph  ein  erlich  man  wol  gekleydet  mit  eyner  Haschen 
taschen  Maria  vf  eynem  Esell  mit  eynem  kynde  Joseph 
len  esell  leyden 

ffigura 

Maria  nam  des  nächtig  ire  liebes  kint 

Wie  wol  es  weynte  sere  vnd  swynt 

Vber  berg  vnnd  vbir  thad 

In. armut  ane  zcall 

die    leute,   welche  die   bierfäjser   aus  den  brauheUern  zogen; 
t  versendete  damals  jährlich  zehn  bis  fünfzehn  tausend  fqfs  bier. 


284  ZERBSTER  PROCESSION. 

Zcog  sy  In  egiptenn  laadt 
Dor  was  sy  mit  Joseph  vnbekandt 
Das  macht  herodes  der  vngetrewe 
Dem  taet  es  sere  rewe 
Aus  hessigem  boesenn  raethe 

Die  Becker 
Herodes  eyn  konnigk  mit  eyner  krönen  vf  eynem  pferde 
eyn  czepter  in  seiner  hant 

Item  wolharnischtere  knechte  mit  spysen  kindere  darvff 
steckende 

Item  iiii  frowen  Swartz  gekleydt  demutig  die  hcnde 
wringende  Alszo  das  die  mentell  von  den  schuldern  hengeo 
sollen  sich  stellende  zcu  weynende 

ffigura 
Begingk  er  mort  vnnd  vbillhaet 
An  kinder  vnter  zcwenn  jarnn 

ffigura 
Ahn  dy  muttir  thaet  er  auch  vbilfarenn 
Sehet  wy  Jammerlich  sy  weyne 
Vmme  yre  kint  szo  kleyne 

Die  barbirer 
Johannes  baptista  mit  eynem  lipkleyde  Eyn  lam  im  arme 
mit  czwen  fingeren  dar  vf  wiszend  Ecce  agnus 

ffigura 
Johannes  der  allirheligister  man 
Mit  seym  finger  zceygete  er  ahn 
Dasz  lam  gotts  iesus  crist 
Der  vnszir  yrloszer  ist. 

Die  barbirer 
Jesus  mit  eynem  tufell  der  tufel  in  der  hant  steyne  vnd 
Eyn  rym  Si  filius  dei  es  pp. 

Jesus  eyn  ryme  non  in  solo  pane  pp.  czwe  engel  m*1 
rymen  Et  angeli  pp. 

ffigura 
Nach  der  tawffe  sobalt 
Wirt  iesus  gefurt  in  den  walt 
Abir  vonn  Jesu  do  vorwunnen  wart 
Der  tewffel  eyn  schalgk  von  art 
Jhesus  zcue  vnuszrem  trost  gekomnienn 


ZERBSTER  PROCESSION.  285 

Die  ankunschen* 
Jhcsus  mit  xii  apostcllen  barftis  ihesus  mitten  inn  vnd 
diademata 

ffigura 
•Hat  czue  sich  zcwelff  Janger  genommen 
Mit  den  zcog  er  widder  vnnd  vort 
Vnnd  segete  seynn  heyliges  wort 
Die  czymmerlewte 
figura  herodis  cum  decollatione  Johannis  konniglich  ge- 
det  in  sampt  seine  frowen  vnd  tochter  iiii  wapener  vnd 
unger  Johannis  in  korhemden 

ffigura 
Herodes  rieht  zeue  eyn  grosz  essenn 
Seyns  bruder  weyb  bey  Im  gesessenn 
Sy  harffte  sang  vnd  sprang  wylde 
Darvmme  wart  der  konnig  mylde 
Vorhyesch  ir  allir  bete  vnuorsagt 
Herodiaden  yr  muttir  sy  befragt 
Johannes  howbt  in  eyner  schussel  sy  bat 

ffigura 
Gar  balt  wart  gewbet  dy  thaet 
Im  gefengnisz  verlor  sant  Johan  seyn  leben  tewre 
Das  langest  bey  den  wylden  thyrn  vngehewre 
Sycher  vnnd  lebendig  behilt  vnuorlorn 
Benympt  nach  sundiger  weyber  has  vnd  zcorn 
Nymandes  leyder  nympt  zeue  synne 
Wie  yrbermlich  der  gerechte  kompt  von  hynne 
Johannes  Jungern  ane  vorzeage 
Brengen  Iren  meyster  erlich  zeue  grabe 

Die  lynwefer 
Die  erweckunge  laszari  vsz   dem   grabe  ihesus  mit  ii 
rackten  fingern  lasarus  im  grabe  mit  gefalten  henden 

ffigura 
Grosse  wunderwergk  er  thaet 
Vom  tode  lasarum  Irwecket  haet 


*  der  Ankuhn,  grojse  vorstadt  der  Stadt  Zerbst ,  oder  vielmehr 
eigene  stadl  (wie  die  neustadt  Magdeburg),  unter  forstlicher  ju- 
)tion. 


Jt 


2*>  ZBRBSTBR  PROGESSION. 

Als  sich  irvolgete  die  zceyt 
Dor  an  vnnsir  heil  gantz  leyt  • 

Die  boddeker 
Jhesus  vf  eynem  Eszel  mit  vfgerichten  fingern 
xii  apostel  ii  junge  Juden  vorn  die  tüchere  werfen 
ii  junge  Juden  die  palmen  werfen  vnd  singen  hie  est  pp. 

ffigura 
Am  palmtage  alszo  sehyr 
Satzt  er  sich  auff  eyn  thyr 
Vnnd  reyt  zeue  Jherusalem  in  dy  stat 
Das  volgk  ym  grosse  ehre  that 
Nach  dem  heyligen  abintessenn 
Die  kannengisser 
Jhesus  vnd  Judas  Jhesus  eynen  rym  quid  faeere  de  cre- 
visli  celeriter  perfice  Judas  eynen  Rym  egone  sum  Domioe 

ffigura 
Hat  Judas  ehre  vnnd  trewe  vorgessenn 
Des  Abintes  in  dy  nacht  spaet 
Er  den  herrn  vorrathenn  haet 

Die  ackerlewte 
Den   ölberch   mit  ihesu  vnd  iii   apostellen  als  er  ange- 
richtt  is 

ffigura 
Der  herre  In  eynen  garten  gyngk 
Dor  Inne  vnszir  irlosung  anphingk 
Vor  drey  seyner  Junger  zcyttern  wart 
Zcum  oelberge  karte  er  seyn  vart 
Seyn  augenn  slug  er  auff  zeue  got 
0  welche  angest  vnd  noel 
Er  gelydenn  in  liebes  brunst  szo  heys 
Vergoes  auff  dy  erden  blut  vnnd  sweys 
Mit  willen  sich  vor  vns  begab 
Der  verreter  lies  nicht  ab 
Er  viel  zeue  ym  swynde 
Mit  der  pryster  vnnd  ander  gesynde 
Judas  drang  sich  zeue  ym  Eyn 
Der  herre  sprach  0  frunt  meyn 
Die  Gerwer  vnd  Schuster 
Jhesus  mit  Juda  der  yn  kusszen  sali  hie  sullen  die  v°' 


ZÄRSSTER  PROCESSION.  t&T 

xii  apostell  von  ankun  zu  disser  figuren  komen  vnd 
ige  vor  dem  Sacrament  stehen  bisz  das  Jhesus  gefan- 
irt  die  apos teilen  sollen  wegk  louffen  Judas  sal  haben 
1er  hant  eynen  groszen  Rym  Aue  rabi  in  dem  sollen 
sum  angreifen  Jhesus  mit  iiü  gewapente  Juden  ange- 
gebunden vnd  getrecket 

unas  cum  ihesu  hir  sal  ibesus  gebunden  gehen  vnd 

als  eyn  biscop  vf  der  eynen  sehe  vf  der  andern  seite 

ide  der  die  hant  zum  slan  vfhebet  vnd  eynen  Rym  in 

hant  Sic  traditur  ponlifici  vff  dem  markt  im  rym  sal 

nidderfalien 

ffigura 

Mit  dem  kues  mensch  vnd  got 

Brengestu  bysz  in  den  sweren  tot 

Jhesus  ist  gesucht  mit  fachelen  wapen  holtzern  vnd 

luchten 

Gefangen  gebunden  vnd  gefurt  mit  vnzcuohten*. 

ffigura 

Do  lyeffen  dy  Junger  wegk  in  gemeyne 

Vnd  Hessen  iesum  yren  hern  alleyne 

ffigura 

Vor  Annas  der  herre  irstlioh  stutfdt  • 

Hertlich  geslagenn  an  seyne  wangen  vnd  munt 

t  Die  bruwerknechle 

petrus  mit  eynenn  langen  mantel  eyn  diadem  In  ey- 
nt  eynen  rym  Nescio  quid  dicis  In  der  lincken  hant 
rym  Non  noui  hominem 

u  ichlicher  seilen  Eyne  maget  mit  rymen  die  eyne 
cum  Jhesu  nassareno  eras  Die  andere:  Et  hie  erat 
esu  nazareno 

ffigura 

Petrus  ist  von  fragenn  Eyner  mayt 

Wurden  vorschrockenn  vnnd  vorzeazt 

Das  er  mit  tewren  swerenn 

Vorloychent  iesum  vnnszren  lieben  hern 


idere  lesart  dieser  beiden  Zeilen: 
IrberaUch  wirdt  Jesus  gefauge 
Gefurt  mit  ernstlichem  zwaqge 


288  ZERBSTER   PROCESSION. 

Ehr  der  hane  drey  gekregt 
Grosz  weynen  er  dor  vmme  pfleget 

Eyn  Erbar  Rath 
Cayfas  cam  ihesu  gebunden  gefurt 

ffigura 
Cayphas  der  ander  richter  was 
Vor  dem  aus  neyt  vnd  has 
Falsche  zceugen  seyn  gebracht 
Die  han  vil  logene  vbir  iesum  yrdacht 
Seyn  har  gerauft  am  harte 
Auch  am  howbte  gezcogen  mit  der  swarte 
Vor  zcorn  Cayphas  seyn  kleit  zcueryssen  hat 
Vnschulde  den  hern  besagt  mit  bonsprecher  tat 
Frytags  frühe  mit  dem  tage* 
Must  der  herre  eyn  ketten  am  halsse  trage 

Schuster 
Jhesos  mit  iiii  Juden  Eyne  ketten  am  tialsze  pilatus  vf 
der  rechten   sehen  Eyn  weisz   holtz  in   seiner  haut  vnd  ii 
banner  vor  om 

ffigura 
Vor  pylatus  gefurt  zcue  vorrichtenn 
Dy  Juden  tatenn  vil  klegede  yrtichten 

Eyn  Erbar  Rath 
Herodes  schon  gekleydet  Eyn  krön  vnd  czepter  vor  im 
Jhesus  vor  om  mit  eynem  weiszen  kleyde  vnd  klatzere  daran 
iiii  Juden  die  ihesu  gebunden  leyten  i 

ffigura  \ 

Herodes  der  vierde  richter  was 
Von  dem  zcue  pylatus  gefurt  fürbas 
Vor  eynen  thoren  gewogen  dy  Ewige  weyszhcit 
Bespottet  mit  eynen  langen  wyszen  kleit 
0  wolch  Eyn  Jammer  vor  allen 
Irbermlich  vbir  "dy  blocke  gefallen 
Dy  vnden  am  kleyde  gemacht 
Szo  slym  ist  marienn  kint  voracht 
De  Schuster  vnd  Gerwer 
Jhesus   an  der  sewlen  czwey  die  in  howen  mit  ruten 

*  diese  beiden  zeilen,   die  im  originale  an  dieser  stelle  stehn,   F' 
hören  zu  der  folgenden  figur. 


ZERBSTER  .PR0CESS10N.  289 

•9 

ffigura 

Ahne  sache  lies  pylatus  iesum  an  eyn  sewle  bynden 
Irbermlich  gegeiselt  vorn  vnnd  hyndenn 
Dor  an  liessenn  sich  dy  Juden  nicht  genugenn 
Sy  thaten  forbas  befugenn 

Die  Schuster 
hesus  vf  eynem  stule  ii  die  im  die  kröne  mit  stehen 
ken  Eyn  jude  mit  eynem  Rore  Eyn  rym  Aue  rex  Ju- 
n 

ffigura 
Eyn  dornenn  kröne  mit  smertze 
Honlich  gehalten  geehret  yn  schertze 
Noch  rieffenn  dy  vntrewe  lewte 
Krewczyge  ohn  balde  hüte 

Die  Schepfen 
ilatus  schon  gekleydt  Jhesus  ym  leibkieyde  mit  eynejn 
mantel  Eyn  dornenkron  vff  seinen  houbte 
knechte  Eyner  binden   eyner  für  mit  «ynem  becken 
i  eynen  rym  Ecce  homo 

ffigura 
Pylatus  nam  den  herrn  leyte 
Ahn  Ein  fenster  hoch  vnnd  breite 
Ach  sehet  Jammer  an  den  menschen  vnd  armen 
Lasset  euch  seiner  Irbarmen 
In  grosser  liebe  vnnd  gedult 

Die  Snyder 
esus  mit  eynem  crucz  vf  dem  rücken  Eyn  altman  die 
t  tragen  ii  Schecher  mit  crucen  iiii  Juden  die  in  fuh- 
Juden  die  die  Schecher  füren  ii  kleine  Juden  die  in 
Wur  die  Strassen  weit  sein  sollen  die  Schecher  ne- 
gehen  wur  enge  hinden 

ffigura 
Ist  iesus  gefurt  ane  seyne  schult 
Zcum  tode  seyn  kleit  in  dy  wunden  gebacken 
Eyn  swer  krewcze  auff  seyn  nackenn 
Als  thaten  sy  Jagenn 
Eynenn  altenn  der  must  helffen  tragenn 
D.  A.    II.  19 


•\ 


290  ZBRBSTER   PR0CESSI0N. 

ffigura 

Mit  zcwen  buefenn  in  rechter  vnschult 
Lest  sich  iesus  ftirenn  mit  gedult 

Die  Cramer 
Eyn  wolgeschigkte   frowe  die  dy  feronica  treget  demu- 
tig gekleydet  Eyn  cruce  vfgerichtt 
Tenebre 
Maria  demüttigliken  geschigktt 

Johannes   bey   marien   in   einem   weiszen    mantel  Eyn 
blosz  Swert  zu  marien  gekert 

Darnach  maria  magdalena  mit  eyner  bnxszen 
Maria  kleopfas  swartz  gekleydet  yre  namen  in  yre  hende 
Centurio  ritlichen   zu  pferde  geschigkt  vf  ichlicher  Sei- 
ten ein  knecht  In  seiner  hant  eynen  rym  vere  filius  dei  erat 
isle  Longinus   mit  eynem  yfgerichtem   spere   wol  gekleidet 
Eynen  jungen  der  in  leydet 

ffigura 
Veronica  das  edel  weib  vnd  milt 
Erwarb  des  herren  angesicht  vnd  bilt 
Tenebre   facte  sunt   et  hie  pausätur  fiat  Brevis  pulsns 
in  turri 

ffigura 
Das  kreweze  ist  aufgericht 
Wer  das  hewte  ansieht 
Der  gedencke  an  dy  martir  groes 
Vnnd  seyn  heiliges  bluet  das  do  floes 
Das  tregt  der  prister  in  seyne  hant 
Dancken  wir  iesu  dem  rechten  heylant 

ffigura 
Dem  volgete  maria  mit  trawre 
Dy  vorgoesz  yre  trene  tawre 
Dor  zeue  Johannes  bey  der  muttir  gehet 
Maria  Cleophas  auch  do  bey  stehe! 

ffigura 
Magdalena  steyt  auch  in  rawenn 
Mit  trenen  vnd  gantzenn  trawen 
Dy  cristlich  kirche  was  do  nioht 
Dan  in  marien  das  heylige  licht 


ZERBSTER  PROGESSION.  291 

ffigura 
Centurio  der  ryff  vor  aller  schar 
Dis  ist  gotis  son  vorwar 
Dem  heran  langet  men  Etzigk  her 

ffigura 
Longinus  reichte  das  scharffe  sper 

Vrbanus  richard* 
Die  begrebnisz  vnnszers  lieben  hernn 

ffigura 
Der  herre  nach  seynem  tode  herbe 
Als  er  vor  vns  wolde  sterbe 
Lies  er  sich  legenn  Im,  steinen  grabe 
Dy  drey  marien  wolden  nicht  gehn  darabe 
Warer  got  vnd  Mensch  Im  grabe  gelygenn 
Dy  gotliche  sele  zcuer  hellen  gestygenn 
Mit  selbest  niechtiger  thaet 
Die  altvetere  yrloszet  haet 

Die  Sniede 
Die  vferstentnisz  Jhesu  mit  eyner  fahnen  eyn  liebkleydt 
it  v  wunden  Desz  sal  bey  dem  grabe   sein  ii  wolgern&te 
epener  vnd  ii  engeile  mit  weiszen  tuchern 

Item  ii  greber  darinne  ii  personen  mit  weiszen  mutzen 
id  mit  gefalden  henden 

ffigura 
Am  drytten  tage  irstandenn  ist 
Vnnszir  lieber  herre  ihesu  crist 

ffigura 
Andere  mit  cristo  irstandin  seynn 
Dy  geben  dem  glowbenn  scheynn 

Die  ackerlewte 
S.   Steffan   als  eyn  Ewangelier  ii  Juden  die  Steffanum 
-rffen  Steffanus  sal  ein  rot  in  der  haut  haben 

ffigura 
Stephanus  der  merteler  miidt 
Ist  der  Irst  der  des  leydens  bildt 
An  sich  volbracht  haet 

Die  boddeker 
xii  apostell  ichlicher  sein  marter  czeidien  in  alben ,-a.n- 

*  ein  Zerbster  bürger. 

19* 


292  ZERBSTER  PR0GESS10N. 

geczogen  Dyademata   vf  yren   haubten  Die   nhamen  dar  inn 
geschreiben  vnd  ichlicher  eyn  rym  des  geloubens  eynen  ar- 

tikel  vor  siner  brust 

ffigura 

Hyr  volget  der  heylige  raet 
Der  zcwelff  gotliche  böte 
Petrus  andreas  irwelt  von  gote 
Johau  Jacobus  der  grosse 
Symon  Judas  seyn  genösse 
Bartholomeus  vnnd  matthias 
Mattheus  dorzcue  thomas 
Philippus  Jacobus  der  kleyne 
Das  seyn  sy  in  gemeyne 
Dy  ganze  werlt  han  sy  bekart 
Vnd  den  cristen  gelowbenn  gelart 
Ir  bluet  han  sie  alle  vergossenn 
Eyne  grosze  schar  der  mertelere 

Die  Schütmeyster 
S.  Sebastian  an  eynersewlen  im  libkleydemit  pfeilen  durch- 
macht Eyner  mit  eynem  bogen  eyner  mit  eyner  armburste  ne- 
ben ym 

ffigura 

Sant  Sebastian  der  heyliche  herre 
Mit  pfeilenn  ist  er  durchschossenn 
Sein  bluet  miltlich  geflossenn 

Vorstender  S.  Valentini 
S.  jurgen  vf  eynem  pferde  ritlich  im  harnnisch 
Eyn  juncfrow  mit  eyner  krönen  kostlich  geczirt  die  sal 
den  trachen  leiten 

ffigura 
Sant  Jörg  in  gotts  dynst  hat  thuen  wachen 
Vnd  irstochenn  den  gresenlichenn  trachen 

Vorstender  S.  Bartholomei 
St  Lawrentz  als  eyn   leuite  eyn  diadem  vnd  eyn  rost 
in  der  hant  vnd  eyn  ror 

S.  Ciriacus  mit  eynem  diaken  rocke  Eyn  diadem 
Eyn  tewfelsbilde  bey  im 


ZERBSTER  PROGESSION.  2M 

ffigura 
Saut  lorentz  vnd  Ciliax  zcwene  leuitenn 
Hau  mit  yrem  tode  thun  streitenn 
Vorstender  S.  Nicolai 
S.  lefin  eyn  biscop  huth  vnd  korkappe  Eyn  slapp    Eyn 
sänge  mit  einer  czungen 

S.  nicolaus  als  eyn  bisscoff  mit  eyner  körkappen  vnd 
üte  Eyn  stab  vnd  iii  klosz  gold  in  den  henden  die  hant 
ur  benedictio  vfgerichtt 

ffigura 
Sant  liuinus  hat  ane  zcunge  gesprochen 
Sant  Nicolawes  hat  vil  vnrecht  gerochen 

Die  korszner 
S.  Gregorius  gefiirt  als  eyn  babist  mit  eynem  hüte  vnd 
«€m  crntze 

S.  jeronimus  als  eyn  cardinal  mit  eynem  hüte  vnd  crntze 
S.  ambrosius  als  eyn  biscoff 

S.  augustinus  als  eyn  biscoff  Eyn  crntze  mit  iii  stralen 
Sollen  alle  jre  nhamen  an  yren  hnten  haben 

ffigura 
Vier  lerer  sollen  wir  merckenn 
Die  han  dy  kirchen  thun  sterckenn 
Gregorius  Jheronimus  dorbey 
Ambrosius  Augustinus  von  sunden  frey 
Die    Slechterkoche 
S.  Michell  als  eyn  engel  czirlich  geschigkt  Eyn  crutze 
**  seinem  houbte  Eyn  stola  am  halsze  crutzweisz  vnd  sal 
%en  eynen  tewfel  an  der  kethen 

ffigura 
Sant  michael  den  tewffel  verwann 
Szo  schriebet  in  geheym  sant.Johan 

Die  Szeler 
S.  Cristoff  barfusz  Eyn  kindt  vf  seinem  nacken  Er  vnd 
s  kindt  Diadema  crutze  vf  dem  houbte  das  kint  sal  ii  fin- 
r  vfrichten  vnd  eyn  alt  mennichen  eyne  laterne  vor  sich 
gen 

ffigura 
Cristofferus  am  lybe  groes 
Seyn  bluet  vor  chrislo  vorgoes 


294  ZBRBSTER  PROCESSION. 

Vorstender  S.  Gertrudt  * 
Anna  demutlich  gekleydt  bey  annen  eyne  junckfrow  in 
marien  weysze  Eyn  kindichen  in  ihestis  weyszc  angetzogen 
mit  eynem  diademate 

Eüzabet  in  höflicher  demut  mit  eynem  minister  in  irer 
hant  Die  nhamen  alle  in  ire  hende 

ffigura 
Anna  EUzabet  dy  heyligen  frawen 
Thun  ir  hy  mit  schawen 

Die  Möller 
S.  Mauritz   selb   sybende  Swartz   beramit  vnd   in  bar- 
nissche   mit   einer  syden   fancn  Mauritius  ein  rot  schilt  mit 
eynem  gelen   crutze   glitten  harnissche  alle   crutze  vor  den 
boubten  vnd  sehortze  vber  die  lenden 

ffigura 
Sant  moritz  mit  seyner  heyUgenn  legion 
Han  auch  der  merteler  krön 
Sechstausent  sechshundert  sechs  vnd  sechzcigk  man 
Sollenn  wir  In  Ehrenn  hann 

Vorsteher  der  elenden  ** 
xiiii  nothulfer  mit  diademata  vnd  crutze  vf  ore  houbte 
Jhesus  kindes  weysze  im  mittel 

S.   wendelinus   ein   hirte  mit  eynem  hörn  Sacke    vnd 
tassche 

ffigura 
Vierzcehn  notheUTer  seyn  gezcelt 
Von  gote  sunderlichenn  auszirwelt 
Vorstender  corporis  cristi** 
S.  katherina  schön  eyne  krön  vnd  martir  czeichen 
S.  margareta  eyne  krön  vffs  schönste  geczirt  eynen  tra- 
chen  vff  yrem  arm 

S.  Barbara  mit  eynem  tonn  kelche  vnd  hostia 
S.   dorothea   eyn  knebichen  bey  der   hant  mit  eynem 
roszenkorbe 

Darnach  folgen  junckfrawen  9Zo  viel  der  sein  kan  yrt 
martirczeichen  vnd  nhamen  in  ore  hende 


*  kapeile  zu  Zerbst. 

'*  geistliche  brüderschqften  zu  Zerbst. 


ZfiRBSTER  PROCESSEN.  296 

ffig*ra 
Saat  katheriua  uiargaret  rcyun 

ffigura 
Barbara  dorothea  nicht  allein 

ffigura 
Sundere  Andere  Juncfrawenn  ane  zcall 
Dy  han  gelyden  grosze  martir  vnd  quall 
Dy  nbamen  tragen  sey  in  yre  hent 
Zcum  rechten  vbir  sey  han  gelent 
Die  lakenscherer 
S.  ursula  konniglichen  geezirt  iii  strale  in  ore  haut  vor 
ein  knabe  mit  eynem   czepter  Eyner  der  ir  die  kleider 
icbtreget 

Darnach  sollen  ir  folgen  szo  vil  junckfrawen  als  man 
nmer  darzu  vororden  kan  in  weyszen  kleydern  crutze  vor 
e  houbte  pfeile  strale  vnd  andere  wapen  in  ire  hendt  iiii 
id  iiii  bey  eynander 

ffigura 
Sant  vrsula  mit  yrer  schar 
Han  vorloren  ir  leben  gantz  vnnd  gar 
Vor  cristus  dem  herrn  gute 
Dy  alle  mit  yrem  bluete 
Han  gebawet  dy  cristenheit 
0  mensch  zeue  andacht  dich  bereyt 
Dan  kurtz  ist  deyn  leben 
Got  wirt  nach  den  wereken  das  lohn  geben 
Tisscher  vnd  maier 
Der  todt  im  libfarwen  kleide  mit  eyner  wolgeschickten 
denkappe  Sal  langszam  sleichen  Eyue  senszen  zum  hawe 
seiner  hant  tragen  geleich  vf  der  straszen  bleiben 

ffigura 
Gedencke  der  todt  kompt  gewyslich 
Abir  dy  stunde  ist  gantz  myslich 
Die  knochenhawer 
Das  hymmelriche  Jhesus  forne  daran  mit  eynem  regen- 
)gen  szo  geschigktt  das  man  inn  funff  wunden  gesehn  kan 
■  der  eynen  Seiten  maria  eyne  junckfraw  demuttich  gekley- 
it  vnd  mit  gefalden  henden 

vf  der  andern  seilen   S.  Johannes  mit  eynem  diadema 


296  ZERBSTER  PROC ESSION. 

ouch  mit  eynem  libkleyde  vnd  mit  gefalden  henden  in  dem 
hymmelhausze  lwten  pfiffen  trummel  vnd  allerley:  seitenspill 
szo  vil  man  das  habe 

vor  dem  hymmel  sollen  sein  kinder  weisz  gekley dt  von 
allerley  stenden  Babist  Bisschoff  Cardinal  vnd  pfaffen  Die 
helffle  sal  haben  einen  engell  im  stricke  gehen  zu  der  rech- 
ten hant  mit  frolichem  gemute 

Die  andere  helfte  der  kinder  von  allen  stenden  obin  be- 
rurt  Sal  eynen  teufeil  füren  in  eyner  kethen  Die  kinder  vf- 
recken  ire  hende  wenen  vnd  heulen  als  vorthnmet 

Item  am  regenbogen  zur  rechten  sehten  eyne  lylige 
Eyn  rym  venite  benedicti  patris  mei 
Zur  lincken   seiten  Eyn  Swert  Eyn   rym  Ite  maledicti 
in  ignem  eternum 

Eyn  engel  sal   bey   dem  gerichte  tragen  ein  crutze  mit 
allen  wapen  vnszers  hernn 

ffigura 
Schaw  den  richter  sytze 
Dy  boszen  zcuer  hellen  in  dy  ewige  hytze 
0  welch  vnlust  vnnd  swerir  hon 
Dy  guten  weyst  er  zcue  hymmelstron 
V orstender.  des  hospitals 
x  wolgesmuckte  juncfrawen  v  mit  bernenden  lampen  fro- 
lich  vnd  v  mit  geneyten  lampen  trurich  vnd  weynende 

ffigura 
Bedewtenn  dy  zcehn  Juncfrawenn 
Dy  ir  thuet  schawenn 
Funff  tragen  bernende  lampen  vnuordrossen 
Funff  han  das  oel  vorgossenn 
Eya  wy  ferlich  ist  vnnszir  weszenn 
Wollen  wir  hyr  geneszenn 
Ist  vns  noet  vnd  behuff 
Das  wir  geyssen  vnnszir  gebet  vnd  ruf 
Zcue  Jennigem  am  ent 
Wirt  getragenn  in  des  pristers  hent 
Der  vnszir  trost  vnnd  heil 
Seyne  gnade  ist  das  seyl 
Do  mit  wir  gezcogenn  werdenn 
Sich  got  ist  bey  vns  auff  erdenn 


ZERBSTER  PROC ESSION.  W7 

Des  alleyne  hir  ingedenckenn 
Dorzcue  deyne  andacht  sol  lencken 
Dysze  figuren  thun  iesum  bewyszenn 
Er  wil  vns  mit  seynem  leichnam  speysen 
Gyb  lob  vnd  dang  o  cristenheit 
Ane  spot  habe  Innigkeit 
Eytelcheyt  saltu  hewte  meydenn 
Gedenck  seyn  heyliges  leyden 
Darzcue  wil  man  hyr  in  eyne  sache* 
Billich  gebort  vns  Inen  zcue  lobenn 
Synget  mit  andechtiger  stymme  zcue  gote  Irhoben 
Incipiatis  Crist  du  bist  mild  vnd  guth 

Die  schoknechte 
Öie  helle 


ZUR  LEX  SALICA. 

über  die  ausdrücke  die  in  den  stellen  der  lex  salica, 
eiche  von  gräbern  und  deren  Verletzungen  handeln,  vor- 
»mmen  und  nicht  aus  älterem  Latein  sich  erläutern. 

^ir  begreifen  unter  den  in  der  Überschrift  bezeichneten  stellen 
ejenigen  welche  in  der  von  hn  Laspeyres  besorgten  nicht  ge- 
ig zu  rühmenden  synoptischen  ausgäbe  der  lex  salica,  die  uns 
»erhaupt  bei  unsern  Studien  die  trefflichsten  dienste  geleistet 
t,  s.  46 — 51  unter  den  Überschriften  De  corporibus  eocpo- 
itis  oder  De  eo  qui  mortuum  hominem  expoliaverit  zusam- 
engestellt  sind,  und  bringen  die  erörterung  der  einzelnen 
isdrücke,  wie  sie  in  den  handschriften  und  paragraphen  auf- 
nanderfolgen,  in  registerartiger  weise  zum  vortrage. 

1.  St  quis  hominem  mortuum  (al.  corpus  occisi  homi- 
i)  antequam  in  terram  mittatur,  expoliaverit  (malb.  chreo 

'  in  einer  andern  handschvift  stehen  hier  folgende  Zeiten 
-    Er  gebe  vns  seynen  sege 
Hir  bleibt  in  der  nege 
Es  wirt  hir  Jhesus  vor  vbbirzyhe 
Fallet  alle  auf  Ewer  knye 
Betet  an  seyn  fleis  vnd  Mut 
Danckende  vmb  seyn  bewisenes  gut 


i 


296  ZUR  LEX  SAL1CA.  „,  . ... 

mosdo,  al.  cAeo  tnosido,  al.  ckreomardo,  aL  muther)  u.  s.w. 
der  erste  theil  dieser  malbergischen  glosse  welcher  cfcw 
lautet  (cAeo  ist  Schreibfehler)  ist  genau  das  gälische  crairfA 
d.  i.  der  menschliche  leib,  leichnam;  mosedo,  mu$ido$  mu- 
sedo,  murdo  sind  offenbar  das  gälische  mortadhf  murtadh 
(spr.  murto),  welches  jetzt  mord  bedeutet;  aber  in  ältere» 
zeiten  mag  das  wort  wie  das  entsprechende  deutsche  eine 
allgemeinere  bedeutung  gehabt  und  nicht  sowohl  homicidium 
als  facinus  clandestinum  bedeutet  haben«  der  Wolfenbütt- 
ler  codex  hat  iu  einem  entsprechenden  paragraphea  noch  die 
glosse  norebero;  das  wort  ist  gälisch,  nämlich  nur  schmach- 
voll, und  ein  jverbalsubstantivum  von  beir  nehmen,  weg- 
bringen, welches  jetzt  irregulär  breith  lautet,  aber  regulär 
beireadh  lauten  müste.  norebero  bedeutet  Schmachvolle  weg- 
nähme, schmachvoller  raub. 

2.  St  quis  hominem  mortuum  (al.  corpus  tarn  sepultum) 
exfodierit  et  expoüaverit  (matt,  thurnichalt,  al.  turnt  cale, 
al.  turnecale,  al.  thurnichale)^  wargus  (al.  virgo)  sit  t.  e. 
expeüisset  (al.  expulsus  de  eodem  pagd)  usque  in  ddem  iZ- 
Iwn  quam  ipsa  causa  parentibus  defuncti  faciant  emendare, 
et  ipsi  parentes  rogare  ad  iudicem  debeant,  ut  et  liemtt 
inter  homincs  habitare  u.  s.  w.  das  wort  tumichalt  (so 
scheint  die  richtige  Schreibung)  kommt  überein  mit  gälische« 
torran  das  grab,  und  cailte  oder  caälte  verdorben,  zieht 
man  die  Schreibung  cale  vor,  so  ist  es  cailleadk  das  zu- 
grunderichten,  verderben;  tumichalt  zerstörtes  grab,  tum 
cale  Zerstörung  des  grabes.  dafs  das  wort  toürgus  oder 
virgo  keltisch  und  von  den  Kelten  erst  an  die  deutschen 
Stämme  gekommen  sieht  man  einmal  daraus  dafs  angelsäch- 
sisch vearg  oder  altnordisch  vargr  ohne  wurzel,  vielmehr 
selbst  erst  ausgangspunkt  für  einige  ableitungen  ist,  sodann 
daraus  dafs  vargus  bestimmt  als  keltisches  wort  bezeichnet 
wird :  Sid.  Apoll,  ep.  4,  6  vargorum  nomine  indigenae  Iß- 
trunculos  nuncupant.  offenbar  ist  hier  die  bedeutung  /«- 
trunculus  nur  die  speciellere,  gewissermafsen  conventioneile; 
die  allgemeine  bedeutung  ist  Ausgestofsener,  verfolgter,  eantl, 
die  eigentliche  grundbedeutung  aber  ist  Elender,  denn  es  ist 
die   aspirierte  form  des  gälischen  mairg,   also  mhairg  (spr. 


ZUR  LBX  SALICA.  889 

*H*rg>  oder  wmrgY  d.  i.  jammervoll,  unglücklieb«  —  die  län- 
gere fafsung  de»  paragrapheil  im  Wolfenbütteler  codex  bat 
noeh  et  qui  ei9  antequam  componat  cum  parentibus,  ante 
pene.  aut  tor,  qui  tale  dederit  (oder  nach  anderer  fofsung 
et  quieunque  antea  ei  aut  panem  aut  hospitale  sive  uxor 
swe  praxima  ei  dederit,  und  anderwärts  mit  noch  eini- 
varianten).  ich  halte  die  worte  pene  auttor  für  malber- 
giscb,  entsprechend  dem  gälischen  bean  umgehen  mit  jemand, 
behandeln  jemand  in  einer  weise,  ead*\  negatives  präfix,  und 
devra  der  ausgestofsene,  verbannte,  ein  Verbalsubstantiv 
von  bean  würde  beanadh  lauten  und  behandlung,  Umgang 
bedeuten;  ead-deöra  (ea-deora)  der  nicht  verbannte,  pene 
auttor  bedeutet  Behandlung  als  nichtverbannten,  und  so  über- 
setzen es  auch  der  Pariser  codex  und  die  emendata,  gut  ei 
hospitium  dederit;  das  wort  panem  scheint  aus  misver&taad 
des  malbergischen  pene  erst  hereingekommen. 

3.  St  quis  homtnem  mortuum  super  alterum  in.  naufutn 
(al.  in  qffo9  al.  in  aufa,  al.  in  nachao,  al.  in  naufo,  al. 
in  nofo)  aut  in  petra,  quae  vasa  ex  usu  sarcophagi  dt- 
euntur,  miserit  (mall),  idulgus,  al.  hidulgus)  u.  s.  w.  die 
Verlegenheit  des  sdireibers  ob  er  ff  oder  ch  schreiben  solle 
ist  erklärlich,  da  es  sich  hier  um  einen  laut  handelt  der 
zwischen  f  und  ch  in  der  mitte  liegt,  wie  zuweilen  das  aus-« 
lautende  englische  gh.  dieser  laut,  der  im  auslaut  einsilbi- 
ger stamme  ganz  jenem  englischen  gh  ähnlich,  nur  mit  stär- 
kerem hauche  gesprochen  wird,  wird  gäliscb  gh  geschrie- 
ben, und  offoy  aüfo,  achao  ist  gälisches  uagh  das  grab,  das 
todtenlager.  das  n9  das  in  der  malb.  glosse  bald  davor  steht 
bald  nicht,  gehört  ebenfalls  dem  keltischen  lautsystem  an, 
wo  in  gewissen  lautverbindungen  bei  vocalisch  anlautenden 
Substantiven    ein   n  vor  den  stamm  gesetzt   werden   mufs, 

*  einzelne  dialecle  mochten  auch  das  i  stärker  und  ausschliefsen- 
der  hervorheben,  und  so  die  form  virgo  entstehen,  im  jetzigen  Irlän- 
dischen vertheiien  sich  diese  dreierlei  aussprachen  des  ai  (als  a,  ä\  t) 
an  verschiedene  worte,  z.  b.  tarn  (spr.  takn)  rumour,  aingeal  {%yv. 
ingeiy  angely   air  (spr.  ärr)  lawful. 

**  dem'  malbergischen  au  entspricht  mit  seltenen  ausnahmen  eay 
und  das  aut  der  malbergischen  glossen  ist  fast  stets  ead,  z.  b.  pedero 
aut  freodoy  verschrieben  für  pedero  aut  treodo,  ein  kalb  was  Hiebt 
zur  heYde  gebftrt  (ead-trtudaeh),  was  noeh  mit  der  matter  lauft. 


300  ZUR  LEX  SALIGA. 

idulgus  (mit  dem  h  verhält  es  sich  ganz  gleich  wie  etat 
hinsichtlich  des  n  erwähnt  ward)  ist  gälisch  eiti  furchtbar 
(das  wort  wird  besonders  zu  bezeichnung  des  gespensterhaft 
furchtbaren  gebraucht)  und  olcus  frevel,  idulgus  =  graa- 
senbringender  frevel. 

4.  St  quis  aristatonem  (al.  cheristaduna,  al.  arestätb- 
nem)  super  hominem  mortuum  capulaverit  (malb.  mandoado) 
aut  silave   (al.  selave),   quod  est  ponticulus9  super  hominem 
mortuum  deiecerit,  de  unaquaque  {malb,  chreoburgio)  u.s.w. 
das  wort  aristaton  wird  in  der  emendata  durch  staplum  er- 
klärt,  die  gloss.  Est.  fügen  das   wort  banculas  hinzu;    der 
codex  Estensis  hat  sonst  scaplum9  was  für  staplum  offenbar 
verschrieben    ist.     das  wort    staplum  ist  offenbar  deutsch, 
stapely    der   höhebau  zu  welchem   stufen  fuhren,    auch  der 
thurm.     aristaton  ist  gälisch   a  riastadk  (spr.  a  risto)  die 
einfafsung  und  tuam  das  grab,  —  aristaton  die  grabeinfafsung. 
banculas  halte  ich   für  verlesen  oder  für  verschrieben  für 
banculac;  das  wäre  synonym,  banc  quers trieb,  furche,  ein- 
fafsung, grenze,  und  adhlac  das  begräbnis:    es  hiefse  auch 
grabeinfafsung, —  die  malbergische  glosse  mandoado  erscheint 
in  der  emendata  latinisiert  als  mandualis  mit  dem  beisatze 
quod  est  stnictura;    es  scheint  aus   den  gälischen   wortea 
mam  der  hügel  und  dual  die  einfafsung,  der  rahmen,  zusam- 
mengesetzt,  =    die   grabhügeleinfafsung ;     mandoado  wäre 
dann  für  mandoalo  verschrieben,     silave  oder  selave  (Wol- 
fenbüttler  Codices   haben    auch  salive9  sillabe)    wird  durch 
ponticulus  (porticulus  bei  Herold   scheint  ein  Schreibfehler) 
erklärt,     die  Verschiedenheit  der  Schreibung  erklärt  sich  aus 
den  gälischen  worten  die  zu  gründe  liegen,  sail  die  bewah- 
fung^  und  uaimh  der  grabraum,  das  grab,  wenn  man  schriebe 
seluatw,  so  wäre  die  ausspräche  genauer  ausgedrückt,  aber 
doch  nicht  lautlich  genau,  was  überhaupt  mit  unserm  aipha- 
bet nicht  möglich  ist.     offenbar  war  es   der   überbau,   die 
brücke  über  dem  grabesraum,  über  dem  todtenlager  (off  oder 
aufrz:  uagh;   ave  oder  abe-=.  uaimh) ,   welche  das  einstür- 
zen  des    darüber  errichteten   aristaton  verhinderte  und  die 
leiche  vor  diesem  bedrücktwerden  behütete,     an  dieses  be- 
drücktwerden  der  leiche  scheint  sich  gespensterhaftes  ange- 
knüpft zu  haben,  wie  man  aus  dem  oben  erwähnten  verböte, 


ZUR  LEX  SALIGA.  301 

eine  leiche  auf  die  andere  zu  legen,  schließen  darf., —  zu 
bezeicbnung  aller  dieser  unter  4  erwähnten  grabfrevel  zu- 
sammen hat  nun  die  heroldische  glosse  noch  das  wort  chreo- 
burgio,  wozu  als  anders  und  zugleich  falsch  geschriebenes, 
übrigens  sonst  gleiches  wort  chlebarbio  des  Pariser  codex  ge- 
hören mag*,  auf  jeden  fall  ist  letzteres  in  chrebarbio  zu 
ändern,  die  richtige  lesung  scheint  chreoburdio  oder  vhreo- 
bardio,  von  creadh  der  leichnam  und  buaireadh  die  Störung. 

5.  Si  quis  tombam  (al.  tumbam)  super  mortuum  homi- 
nem  expoliaverit  (malb.  turnichalis  u.  s.  w.  das  wort  tur- 
niehalis  ist  schon  oben  erläutert;  tumba  oder  tomba  ist  gä- 
lisches  tuam  das  grab. 

6.  Si  quis  basilicam  super  hominem  mortuum  expolia- 
verit (malb.  ehre  ottar  sino)  u.  s.  w.  die  glosse  ist  offen- 
bar abzutheilen  chreo  ttarsino  d.  i.  gälisch  creadh  der  leich- 
nam und  darsa  das  haus,  die  wohnung,  das  gebäude. 

Von  diesen  freveln  ward,  wenn  wir  die  bufsen  über- 
blicken, am  härtesten  gebüTst  das  legen  einer  leiche  auf  die 
andere,  über  noch  einmal  so  hoch  als  der  raub  in  einer, 
über  dem  grabe  errichteten  kapeile,  über  viermal  so  hoch 
als  die  meisten  anderen  grabstörungen,  und  nur  das  ausgra- 
ben eines  schon  bestatteten  leichnams  und  die  beraubung 
desselben  hatte  noch  höhere  bufse.  offenbar  aber  hat  das 
gesetz  verschiedenartige  grabeinrichtungen  vor  äugen,  gräber 
mit  einer  kapeile  (basilica)  darüber,  gräber  mit  einem  ein- 
fallenden und  deckenden  auf  bau  (aristaton)^  gräber  mit  einem 
durch  einen  vorbau  umfafsten  erdhügel  (mandualis). 

H.  LEO. 

*  der  heroldische  codex  hat  auch  zu  chreoburgio  am  ran  de  bardio. 


* 


>'  , 


302 


MITTELNIEDERLANDISCHES    OSTERSPIEL. 

Vor  einiger  zeit  erlaubte  mir  herr  bibliothekar  Bottrop 
hieselbst  mit  gewohnter  freundlichkeit  die  durchsieht  der  im 
verflofsnen  sommer  aus  dem  ehemaligen  Slawantenkloster  bei 
Mastrieht  an  die  hiesige  königliche  bibliothek  gekommenen 
handschriften.    ich  fand  darunter  nur  eine  von  Wichtigkeit 
ßir  die  altniederländische   literatur9   und  aus  ihr  sind  die 
nachstehenden  mittheilungen  entnommen,    sie  ist  gegenwär- 
tig bezeichnet  n°  377  und  enthält  247  pergamentUätter  in 
folio*     nach  einem  zwei  blätter  einnehmenden    Inhaltsver- 
zeichnisse folgen  von  bL  3  v.  bis  232  v.  47  predigten,  von 
welchen   ich  wegen  der  seltenkeit  altniederländischer  prosa 
zwei  kürzere  aufs  gerathewohl  herausgegriffen  habe,    bis 
dahin  ( gehl  eine  und  dieselbe  deutliche,  feste,  wahrschein- 
lich dem  ende  des  14«  jahrh.  ungehörige  hand.  mit  bL  232', 
dem  ende  der  20«  läge,  bricht  die  letzte  predigt  plötzlich 
in  der  mitte  eines  wortes  ab,   und  es  folgt  von  bl*  2339. 
bis  247  v.   das  leider  sehr  verstümmelte  osterspiel,  welches 
ich  als  ältesten  Überrest  niederländischer  dramatischer  pot- 
sie  vollständig  wiedergebe,  die  hand  ist  mit  der  vorherge- 
henden ziemlich  gleichzeitig,     ich  glaube  aber  nicht  sehr 
zu  irren,   wenn  ich  die  predigten  sowohl  als  das  osterspiel 
mindestens  ein  halbes  Jahrhundert  älter  achte  als  die  hand- 
schrift.  —  die  Orthographie  habe  ich  unverändert  gelqfsen, 
trotz  ihrer  grofseh  unregelmäfsigkeit,   weil  das  osterspiel, 
wahrscheinlich  auf  der  grenze  entstanden,   im  texte  wie  in 
den  reimen  deutsche  und  niederländische  formen  und  Wör- 
ter mischt,     ich   begnügte  mich  deshalb   aufser  der  inter- 
puncUon   einzelne  kurze  anmerkungen   und  verbefserungen 
am   rande  beizufügen,     einige   parallelstellen  welche  herr 
dr  Jonckbloet  hieselbst  mir  gefälligst  mittheilte  sind  mit  1 
bezeichnet. 

Derselbe  machte  mich  aufmerksam  dafs  das  von  herrn 
von  Karajan  in  dieser  zeitschr.  1,  97  ff.  mitgetkeilte  bruch- 


'■■•■  .1 


MNL.  OSTERSPifiL.  m 


siück  einer  niederländischen  bearbeitung  der  Karlssage  zu 
den  brabantischen  yeesten  des  Jan  d&  Klerc  gehört,  in  der 
ausgäbe  von  Willems  {Brüssel  1839.  4.)  boek  2  v.  2180 
—  2475  s.  146  —  156. 

HAAG  5  april  1842.  JULIUS  ZACHER. 

bl.  233c    Dit  is  begin9  wie  vnse  here  die  werelt  zen  irsten 
begonde  ze  machene  ende  aUet  des  he  begerde,  ende 
sprag  dus  Ego  sum  alfa  et  o. 
Vnse  here  zu  sich  seiner 

Ich  ben  ende  en  aneginne. 
gewor  got  gerechte  miime! 
Hie  macht  vnse  here  dat  irste9   dat  was  himel  ende  erde. 
Nu  wil  ich  dat  gewerde 
himel  ende  erde, 

inde  wille  hauen  schone  5 

engele  in  minen  trone, 
die  minen  lof  sengen 
inde  immer  in  vronden  rengen» 
Hie  sengent  die   engele  gloria  in   ewcelsis  deo.     darna 
besach  sich  Lucifer  in  die  drmdiicheit  inde  sprach  dus 
Ich  sien  in  minen  claren  schin 
dat  is  mich  dünke  werdich  sin  10 

dat  ich  minen  stul  in  oisten 
sezze  ende  gelich  dem  hoisten. 
nu  pruuet  gesellen  alle 
wie  uch  dit  beualle. 
Ein  enget  Satan  vor  si  alle  spricht 

233d     Vns  dunckit  gut  de  selue  wain,  15 

dar  umbe  wir  dich  gestain. 
Hie  wirt  Lucifer  virstosen,  ende  spricht  vnse  here 
Lucifer,  din  ouermuet 
hait  dir  benomcn  al  dat  guet, 
inde  dat  der  himel  beueit, 

8.  rengen.  vergl.  Minnen  Loep,  hs.  der  königl.  hibL  im  Haag, 
bl.  30b  Wye  in  den  eersten  (grael  van  minne)  ringhet  voert,  Daer  rneest 
onsedicheit  in  valt,  Die  sal  hebben  in  syn  behalt  Male,  waer  hi  hene 
gaet.     /. 


304  MNL.  OSTERSPIEL. 

dat  der  zu  vrouden  was  gereit  20 

ende  alle  dinen  gesellen. 

nu  vart  zu  der  hellen 

da  ir  quelit  inne 

van  disen  aneginne 

immer  sunder  ende  25 

in  iemerlich  mes wende. 
Hie  werden  die  engele  duvele  ende  spricht  Beizebub 

Owe  leider  ende  owach! 

dat  uns  die  doirheit  ie  geschach 

die  uns  dus  hait  mishandelt; 

want  uns  schonet  is  vorwandelt  30 

in  eine  arge  vorme. 

na  eime  leitlichen  worme 

sin  wir  nu  alle  geschaffen. 

wir  daden  als  arme  äffen 

dat  wir  uns  des  ane  nomen  35 

des  wir  inmochten  vollekumen. 
Hie  machet  vnse  here  die  werelt. 
Nu  so  wil  ich  machen 
wale  duen  gerachen 
alle  creaturen 
{hier  fehlt  ein  blatt.) 
234*     Vnse  here  quam  in  paradis  ende  spach  zu  Adame     ^ 
Sage  Adam  wo  bes  du?  40 

wat  hais  du  begangen  nu? 
Adam  sprach  zu  vnsen  here 

Here,  ig  han  dine  stimme  gebort, 
van  uorten  so  ben  ig  zestort, 
went  ig  nacht  ben  ende  blois, 
des  is  mine  schemede  grois.  45 

Vnse  here  zu  Adame 

Adam  wijs  dir  geschyt 

dat  du  in  hais  behauden  nyt 

dat  ig  dir  hadde  geboden? 

went  van  miner  genaden 

so  must  du  hauen  w°nne  50 

oner  al  ersehe  kunne. 


MNL.  OSTERSPIEL.  305 

n  zu  unsen  here 

Dat  wyf,  dat  du  mir  geues,  here, 

die  dede  ic,  ende  hör  lere, 

dat  ich  mig  han  uirgessen 

inde  van  dem  appel  gessen.  55 

'  here  zu  vorn  Yven 

Eua,  war  umbe  hais  du  brait 

minen  man  zu  der  gedait, 

dat  he  sig  dus  hait  vergessen 

ende  van  der  vruchte  gessen? 
Yuf  zu  unsen  heren 

Here  in9  dait  is  selue  niet!  60 

dis  slange  hi  steit  mir  dat  riet. 
here  zen  slangen 

Slange,  went  du  dit  hais  gedaen, 
234b     so  in  saut  du  nit  reichte  gaen, 

mer  du  saut  crufen  ende  slenden. 

dig  up  dinen  bugge  wenden;  65 

alle  die  werelt  sal  dig  vlin, 

dich  bespien,  node  ane  syn. 
here  zu  vorn    Yuen 

Wyf,  nu  si  dir  dat  gesait: 

went  du  dit  hais  zu  brait, 

ende  minen  man  bedrQgen,  70 

so  si  dir  dat  zu  plogen 

dat  dir  ende  allen  wiuen 

die  vrut  van  vren  liuen 

sal  kumen  zu  bit  iamergeit 

inde  bit  groisser  arbeit.  75 

here  zu  adame 

Adam,  went  du  den  wiue  diu 

me  gehordes  dan  dat  gebot  min 

her  umbe  ich  dich  vorwise 

vsser  den  paradyse, 

dich  ende  alle  dine  nakumen,  80 

den  si  ewige  vroude  benomen 

l.  ic  ist  corrigiert  aus  mid;   es  muß  wohl  mir  oder  ic  heifsen. 

i.  cruipen,   kriechen,     zu   slenden   vergl.   alyntworm,    lyntwonn 

.243*. 

F.  D.  A.     li.  20 


306  MNL.  OSTERSPIEL. 

immer  eweliche 

van  den  himelriche. 

ende  als  du  kumes  zu  der  erden 

so  muz  dir  sur  werden  85 

in  dinen  sueize  din  broit 

durg  des  bitters  bungers  noit, 

als  du  salt  hacken  ende  roden. 

dat  geschie  dir  zu  vngenaden 

dat  beide,  distele  ende  dorne,  90  ' 

wasse  under  dinen  körne. 
234*     Hie  driuet  Cherubin,   der   engele,   Adame  ende 
Yuen  usser  dem  paradyse  mit  einen  swerde. 

Adam  ende  Yue,  ir  hait  versümt 

vg.  dit  paradis  nu  rinnt 

inde  ilet  ber  vore; 

ich  muz  buden  dise  dore.  M 

Vnse '  here  spricht  die  Intfarmeherthigkeit  ane 

Virnemet  vuer  Gerehtigeit, 

ende  docher,  vor  Intbarmicheit, 

wes  ig  ug  nu  vragen  sal: 

of  einichen  kende  dat  geual 

immer  geschien  muge,  100 


dat  dar  zu  duge 
dat  mit  einichen  sinne 
dat  erue  wider  gewinne 
dat  usser  sines  vader  hant 
ze  voren  erfliche  is  gewant  105 

ende  willentlige  is  gegeuen 
einen  andren  al  sin  leuen? 
Die  Intbarmicheit  spricht 

Ich  was  ie  ende  sal  immer  syh 

din  dohter,  ende  du  der  uader  min. 

intfarmicheit  ben  ig  genant,  1^ 

de  name  is  mir  van  dir  bekant. 

in  woldis  du  dere  nit  infamen 

die  up  dig  scrien  ende  karmen 

wie  wers  du  dan  der  vader  min, 

of  wie  bliue  ig  die  dohter  din,  1^ 

96.  /.  vor  (vrou)         97.  /.  dohter 


\ 


MNL.  OSTERSPIEL.  SOf 

4d    die  ie  einsamen  waren  gader, 

ig  din  dohter  ende  du  min  vader, 

inde  immer  müssen  wesen  ein 

ende  vngesundert  in  vns  zwein. 

vader  dar  vmbe  is  dat  min  rait  120 

dat  du  irlois  dine  hantgedait. 

na  du  vp  dine  gotliche  arme 

ende  vederlicbe  dig  irbarme 

ouer  Adams  ende  Yuen  kent 

die  al  ze  lange  in  noden  sent!  125 

\ei%e  ze  fVairheide 

Dohter,  vor  Gerechtigeit, 

gef  mir  rait  ende  vnderscheit 

wie  ig  bit  retate  ende  bit  rainnen 

wider  muge  gewinnen 

dat  ig  gegeuen  ende  gewant  130 

ban  ertliche  in  eins  ander  hant. 
rairheit  antwürt 

Ig  ben  genant  gerehtigeit, 

de  name  van  diner  gotheit 

an  mir  is  geruet  ende  gegeuen, 

ende  wir  sin  vngesundert  bleuen  135 

iemals,  ende  sullen  immer  sin 

vngesundert.  vader  min, 

dedis  du  infarmicheit, 

wa  bliue  dan  die  gerebticheit? 

her  vmbe  setz  ich  den  rait  an  dir,  140 

want  it  unmugelich  duchte  mir 

dat  einich  kent  sich  vnderwnde 

des  erues,  des  sin  vader  gunde 

sinem  audren  manne  ze  voren 
15*     e  dat  kent  worde  geboren.  145 

in  were,  oft  mugelich  were, 

dat  eine  mait  ein  kent  gebere 

ende  bliue  mait  als  si  was  e\ 

dat  selue  kent,  ende  niman  me, 

mothe  mit  reichen  witzen  150 

dat  selue  erue  besitzen 

.  /.  mobte  —  rehten 


20 


* 


306  MNL.  OSTERSPIEL. 

dat  erflich  was  us  gegeuen    „ 

e  dat  kent  gew°nne  sin  leuen. 
Vnse  here  zu  sich  sprach 

Want  Dauid,  min  prophele,  sprag, 

des  is  leiden  roanich  dag,  155 

gereitheit  ende  vride  hant  sig  gekust. 

intfarmicheide  hait  gelust 

ende  wairheide,  dat  si  in  ein 

sich  han  verdragen  in  hon  zwen. 

nu  willich  dat  irvollet  werde  160 

van  miner  irbarmunge  die  erde. 

her  umbe  ieuellet  mir  ze  dune 

dat  ich  wille  machen  sune 

intuschen  die  gereicticheit 

inde  die  barmheerzicheit,  165 

inde  wille  dun  bit  desen  vride 

als  ich  mit  Abrahame  dede, 

deme  ig  einen  wider  sande 

den  he  vor  sinen  sun  virbrande, 

da  mide  ich  ienen  troiste  170 

inde  leidichte  Ysac  van  den  roiste. 

also  willich  genenden 

ende  sal  Christum  dat  lamp  senden 

der  nie  schuldich  inwart. 
235b     de  muz  up  ertriche  dun  die  vart,  175 

da  he  den  kelter  trede  alleine, 

vp  dat  mine  hantgedait  gemeine 

mit  sine  dode  werde  irloist 

inde  van  ewiger  pinen  gelroist. 
Vnse  here  in  sich  sprach 

Nu  willich  dat  werde  kunt  180 

durg  miner  propheten  munt 

dat  ich  wille  senden 

minen  sun;  de  sal  sich  wenden 

in  einer  meide  lichame 

ane  menschliche  schäme,  185 

inde  mine  goitheit 

bedecke  bit  der  minscheit; 
17*.  genenden,  vergl.  ffuydee.  op  Stoke  2,  328  ff.        187.  7.  bedecken 


MNL.  OSTERSPIEL.  309 

di  pine  ende  maniche  noit 

liden  muz  binz  in  den  doit 

durg  den  minsche,  de  vor  erst  190 

is  zer  hellen  ende  vorderst, 

inde  bait  geweset  lange 

in  des  duuels  bedwange. 

nu  dunckit  mir  nu  wesen  reit 

dat  ig  loise  minen  kneit,  195 

des  ben  ich  uirsunnen. 

ich  wille  dat  werde  vorwuneu 

mitz  Criste  ant  cruce,  de  uorwan 

an  deme  holze  minen  man. 
Ecclesia  sprecht  zu  Balam 

du  uan  irste  Balam,  200 

sage  wat  dir  vore  quam, 
we  sal  der  losere  sin? 
willich  sint  die  reden  din? 
Balam  antwort  Ecclesien 
Van  Jacobs  könne 

heft  sich  eine  w°nne,  205 

ein  schone  leide  sterre, 
de  sal  schinen  verre 
ouer  alle  die  werelt  breit, 
allit  dat  sich  ruret  ende  geit 
sal  ime  wesen  vndertaen.  210 

sine  krait  in  sal  zegaen 
nummerme  nog  nimmerme. 
himel,  erde  ende  se 
sal  weruen  al  an  siner  hant. 
he  sal  alle  die  lant  215 

beduengen  al  geliche. 
dat  wisset  weirliche. 
na  spricht  zu   Ysaiam 
Ysaias,  godis  drut, 
sage  uns  ouer  lut 

van  der  gebort  heirlich  220 

so  gut  ende  so  namentlich. 
s  zu  Ecclesien  (Ecce  virgo . .) 
Got  sal  ein  wonder  geuen ; 


SIO  MNL.  OSTERSPIEL. 

» 

ouer  alle  die  leuen 

sal  gaen  ein  kent  zeuoren, 

dat  werden  sal  geboren  225 

van  der  maget  eine, 

die  sal  wesen  reine 

da  dat  kent  sal  kumen'af 

ane  mans  gemeiscbaf. 
Ecclesia  zu  Virgilis 

Heiden  man  Virgilis,  2S0 

235a     du  saut  uns  ouch  machen  wis 

van  der  heiliger  gebort. 

sage,  wie  sint  dine  wort? 
Virgilis  zu  Ecclesien 

Ho  van  hiemelriche 

sal  kämen  wnderliche  235 

eine  nuwe  gebort, 

die  sal  werden  gevort 

van  aller  hande  creaturen, 

vor  die  nit  en  kan  geduren 

beide,  doit  ende  leuen,  240 

he  sal  si  beide  mugen  geuen. 
Hie  sent  unse  here  Gabriele  zu  Marie  zen  irsten  male. 

Gabriel,  virnem  mig  reithe ! 

van  Dauides  geslete 

han  ich  ein  müder  erkoren, 

manich  zijt  hie  beuoren,  24,5 

di  mich  maget  sal  gebaren 

(dat  sal  der  helich  geist  bewaren) 

ende  na  geburde  sal  maget  Minen, 

reine  vor  allen  wiuen. 

Maria  is  si  genant. 

zu  Galileen  in  dat  lant, 

in  die  stat  van  Nazaret 

da  vindis  du  si  in  ore  gebet. 
Gabriel  spricht  zu  Marien 

(Ne  timeas  Maria  etc.) 

Maria,  wie  gebers  du  so? 

Halt  dig,  reine  maget,  vro,  ^ 

24?.  /.  rehte  243.  L  gesiebt« 


MNL.  OSTERSPIEL.  SU 

du  hais  vonden  genade 
J36*     van  den  bimelichen  gode. 
7  antwort  den  engele 

(Quomodo  fiet  istud.  etc.) 

enget  van  himelriche, 

id  dunckit  mich  wnderliche 

dat  it  immer  me  geschie,  260 

want  ich  man  bekandc  nie. 
el  zu  Marien  spricht 

(Audi  Maria  virgo  fpc  fcs  etc.) 

Maria,  maget  reine, 

in  baf  vortc  engeine ! 

dat  kent,  dat  du  salt  gebaren, 

dat  sal  der  heiligeit  bewaren.  265 

i  zen  engele  spricht 

(Ecce,  ancilla  domini  etc.) 

Such,  die  godis  dirne  ben  ich, 

heilich  engel,  inde  an  mich 

volge  die  susze  boitschaf  din, 

want  der  vrouwet  sich  die  sele  min. 
sia  zu  Marien  spricht 

Aue  !  reinicheide  spigel,  270 

inde  meitlicb  ingesigel, 

rose  aller  wiue, 

so  wale  dinen  liue 

dat  du  ie  wordes  geboren, 

zu  himele  so  bis  du  irkoren.  275 

der  genaden  anegiune 

heil  dir  kunincginne 

von  Dauites  kunne! 

id  sal  eine  w°nne 

van  dinen  liue  kämen  280 

I36b     die  der  werelde  sal  ururaen. 

du  salt  dragen  crone 

in  den  hoisten  trone, 

in  den  himelriche, 

immer  eweliche.  285 

wnet  der  engel  zo  Joseppe  ende  beuilt  ome  Ma- 
ien in  sine  hude.     (Josep  fily  dd\) 


312  MNL.  OSTERSPIEL. 

Josep,  Dauites  kuirae, 

du  salt  vrouden  w°nne 

mit  dinen  ougen  scbouwen 

bi  der  reiner  juncvrouwen. 

keir  vm  mit  vroen  müde,  290 

nem  Marien  in  dine  bude. 

in  la  si  niet,  stant  bore  bi, 

inde  wes  aller  vorten  vri; 

went  der  beliebe  geist 

de  sal  duen  sin  volleist  295 

an  der  beilicher  gebort 

di  die  mait  sal  brengen  vort. 
Hie  deit  der  engel  den  hirden  kunt  dat  Jesus  gebo- 
ren si. 

(Annunctio  uobis  gaudium  magnnm.) 

Ir  hirden  up  den  uelde,  geit, 

heft  up  nr  boft  ende  uirsteit, 

ich  brenge  ug  liue  mere  :  300 

der  werelde  loisere, 

den  die  engele  ban  irkoren. 

de  is  alzehant  geboren. 
Der  hirden  ein  spricht  zu  sirne  gesellen 

Höre  gesellekin,  hoire 

in  des  himels  koire  *  305 

wie  die  engele  sengen, 

die  di  boitschaf  brengen 

dat  dat  kent  geboren  si 

dat  die  werelt  machen  vri 

sal.  bit  groissen  eren  310 

la  uns  da  hiue  keren. 
Der  ander  hirde  sime  gesellen 

Geselle,  wir  willen  ane  vaen 

dat  wir  zu  Betleim  willen  gany 

inde  machen  meren 

dat  bit  groissen  eren  315 

geboren  si  dat  selue  kent 

deme  weder  ende  went, 

himel,  erde  ende  se 

dinen  sulen  immerme, 


MNL.  OSTERSPIEL.  313 

als  uns  der  enget  sathe  320 

de  vns  die  boitschaf  bratbe. 
ste  hirde  zem  andren 

Vrouwe  dich  geselle  sere, 

ich  dich  liue  mere. 

die  boitschaf  die  der  engel  brate 

indc  bit  vrouden  sathe  325 

vns  hint  an  diser  nait, 

dat  is  gescheit  van  godis  crait; 

want  ich  sach  dat  kindolin 

ligen  in  der  kribben  sin. 
mm  ein  bode  ende  sprag  ssen  hirden  das 

(Quem  vidistis  pastores  dicite.  etc.) 

Er  hirden,  wie  gebert  ir  so?  330 

mig  dune  ir  siet  van  herten  vro. 

saget,  wat  hait  ir  uirnomeu, 

of  wat  is  uch  zu  voren  kumen? 


In  der  engel  trone 

soige  wir  also  schone  335 

dat  vile  selich  kindolin 

dat  der  werelde  here  sal  sin. 
iment  die  dri  kuninge  ende  uolgent  deme  sterren 
xde  sukent  dat  kent  -> 

(Hoc  siguum  magni  regis  est.) 

Dit  is  ein  zeigin  sicherlichen 

des  kuningis  van  himelrichen 

dat  he  nu  geboren  si.  340 

volge  wir  hine  alle  dri 

so  wäre  uns  leideit  der  sterre. 

golt,  wirouch  ende  merre 

wil  wir  ime  zu  offere  dragen 

inde  eweliche  lof  sagen.  345 

unten   die  dri  küninche  in  die  stat  ende  vragen 
n be  dat  kent. 

L  nach  ich  fehlt  das  verbum.         326  /.  /.  nacht :  kracht 
oren         nach  333  fehlt  die  Überschrift  zur  antwort  der  hirten, 
in  der  hs.  überhaupt  von  der  fra%e  des  boten  nicht  getrennt  ist. 
>.  /.  saghe  (saghen) 


i 


314  MNL.  OSTERSPIEL. 

(Vbi  est  qui  natus  est  rex  Iudeorum). 

Wo  is  he  nu,  de  is  geboren, 

de  zu  kunincl^e  is  erkoren 

ouer  alle  iuzge  diet? 

einen  sterre  han  wir  gespiet, 

herus  van  da  die  sunne  up  geit,  350 

de  uns  dat  bekant  deit 

dat  geboren  si  dat  kent, 
237*    dat  weder  ere  nog  sent 

so  eidel  nie  geboren  wart, 

dat  suke  wir  up  diser  vart.  355 

Hie  kumpt  der  bode  zu  Herodes 

Here,  uirnem  in  dinen  genaden, 

hie  sint  kumen  nuwe  boden 

ze  Gersleim  in  die  stat; 

vor  woer  sage  ig  dir  dat 

si  weruen  an  din  ere.  360 

.  höre  kunninc  here, 

si  sagen  ongehorche  reden, 

want  si  willen  ane  beiden 

ein  kindolin,  dat  is  geboren, 

dat  die  engele  hant  irkoren^  365 

zu  keisere  ende  zu  heren. 

ouch  willen  si  vonneren 

dat  it  geweldich  sule  werden, 

beide  in  hiemel  ende  in  erden. 
»Herodes  zu  deme  boden 

Sage,  wat  hais  du  vernomen?  370 

we  is,  dat  do  sal  komen, 

de  muge  sin  gelich? 

wie  sal  he  bedwengen  mich 

inde  driuen  u&  minem  trone? 

so  mir  mine  crone !  375 

mich  moithis  uile  lithe 

dat  ijt  ander  ricthe. 
Der  irste  riddere  zu  Herodes 

Des  du  nit,  here  min, 

di  boden,  die  da  kumen  sin, 

376  /.  /.  mich  muotets  vile  lihte  dat  ict  anders  rikte. 


MNL.  OSTERSPIEL.  315 

die  du  houe  kumen,  380 

vnze  da  hais  uirnumen 

wes  si  hauen  gedait; 

so  maich  du  bit  diner  mait 

den  kuninc  vordriuen 

inde  selue  kuninc  bliuen.  385 

)des  zu  den  riddere 

So  gebiden  ich  dir 

dat  du  si  kumen  dus  vor  mir, 

dat  ig  van  on  dat  höre. 

di$  dunckit  mig  ein  dore. 
ridder  zu  den  känicinngen.  primus 

Got  grus  ug  hereu  alle  drij ;  390 

wilt  ir  wissen  wat  id  sij? 

Herodes,  min  here, 

intbudet  uch  mere 

dat  ir  sult  ze  houe  kumen, 

want  gerne  hedde  min  here  vernomen  395 

war  umbe  ir  sijt  kumen  here. 

dat  is  sines  herzen  gere. 
drier  känincke  spricht  ein 

Gerne  kume  wir  ze  houe 

deme  keisere  ze  loue, 

inde  ime  sagen  dat,  400 

wie  ende  umbe  wat 

(of  it  ime  it  mach  vromen) 

dat  wir  ns  sin  kämen. 
kument  die   dri  küninege   vor  Herodes  ende  sen- 
gent  Viue  rex  in  eternum. 
*des  Saluet  (/.  Salutat)*uos  gratia  inea. 
irste  kuninc  sprich  zu  Herodes  dus 

Heil  dir,  kuniue  here ! 

din  lof  ende  din  ere  405 

musze  immer  irmeren  sich. 
)des  antwordet  ze  hant 

Siet  willekume  ir  heren  migi 

mine  genade  si  uch  bi. 

ine  weis  wanne  ure  einich  si 


316  MNL.  OSTERSPIEL. 

oc  wat  ug  vs  hait  geringen.  410 

dal  sali  ir  mig,  ir  beim,  sagen. 

Der  irste  ktininc  zu  Uerodes 

Keiser,  geweldich  here, 

der  hais  vns  gearagei  merc 

we  wir  sin,  ende  wanne  wir  komm. 

dal  saut  du  schire  han  vernomen.  415 

Arabien,  dat  riebe  lant, 

dat  wiraet  al  an  miner  hant, 

ende  wat  da  ridei  one  geh 

dat  is  mir  zu  dinste  gereit. 

Der  ander  ktininc  zu  Herodese 

AI  dat  lant  von  Tarsvs  420 

« 

inde  menieb  bebt  wvs 
sin  mir  vnderdenich, 
der  ben  ich  al  geweldich. 

Der  dirde  ktininc  zu  Herodese 
Kaldewen  al  dat  riche 

han  ich  geweldencüge  425 

in  miner  hant  bedungen, 
beide,  alden  ende  hingen; 
inde  dise  beren  die  hie  staen 
237 d    sint  mir  zu  dinste  underdaen. 

Nu  spricht  he  nog  me 

Nu  weis  du,  keiser,  we  wir  sin.  430 

nu  wille  wir  dig  och  dun  schin 

war  umbe  wir  sin  kumen  vs. 

Ysaias  ende  Virgilius 

inde  andre  propheten  4an  gescreuen 

van  eines  kendis  leuen.  435 

des  wir  sere  ruken 

van  hercen,  ende  gein  suken. 

Herodes  spricht  zen  küninc 

Ir  heren  di  sich  kuninc  nennet, 

sait  wa  ane  ir  dat  irkennet 

dat  dat  kent  nu  si  geboren.  440 

wat  is  ug  kumen  ze  voren, 

441.  /.  oreu 


MNL.  OSTERSPIEL.  31T 

of  wat  (hebt)  ir  uirnomen, 

we  is  dat  da  sal  kumen? 
?  kunincke  zu  Her  ödes,  primus 

(Vidimus  stellam  eius) 

In  Oriente  verre 

sage  wir  einen  sterre.  445 

dar  ane  han  wir  bekant 

dat  nu  geboren  is  in't  lant 

ein  kent  also  herlich 

dat  nie  enwart  des  gelich 

nog  nimmer  en  deit  450 

als  uns  lert  vnse  wisheit. 
*odes  zen  känincgen 

Ir  heren  di  vor  mig  sit  kumen, 

van  deme  dat  ir  hait  vernumen 

vraget  na  deme  kende. 
238"     so  wa  mant  irgen  vende  455 

dat  sult  ir  mich  sagen. 

min  offer  willich  ime  dragen 

ende  na  uren  seden 

wil  ig  it  ane  beden. 


primus: 
Kunincinne  Marie,  460 

edel  ende  vrie, 
wir  brengen  dig  gauen 
dinen  kende  zu  louen, 
deme  wir  sin  underdaen; 

liflich  salt  du  si  entfaen.    secundus.  465 

i'e  anbot  wider  du*: 

So  wale  sal  uch  des  immer  sin 

dat  ir  wodet  geruken  min 

zu  eren  minen  kende 

her  in  dit  eilende 

verre  vsser  vremde  lant  470 

inde  mig  dise  ere  hait  bekant. 

i42.  hebt  fehlt,  nach  459  eine  liicke  von  vier  teilen. 

I.  woudet 


318  MNL.  OSTERSPIEL. 

Hie  varent  die  künincge  inweg.     terciwt 

Vrovwe  zu  dinen  eren 

wille  wir  henne  keren. 
Hie  kumpt  der  enget  ende  sait  dait  si  gein  einen  an- 
dren weck  zu  Marien  ende  Joseph. 

(Audite  verbum  domini  gentes) 

Ir  heren  hört  mich  ende  versteit; 

ich  rade  uch,  dat  ir  nit  engeit  475 

238b     dea  selaen  wech  den  ir  sit  kumen, 

want  ich  ben  uch. zu  vromen 

heir  gesant  virholentliche 

van  den  hoen  hiemelriche. 
Der  bode  zu  Herodesse 

Here  in  dinen  genoden  480 

nu  bis  du  uirraden. 

die  sich  künincge  hant  genant 

die  sint  gekert  in  or  lant 

andren  wech  dan  si  quamen, 

want  si  dat  uirnamen  485 

dat  du  si  vaen  woldes 

inde  uirderuen  soldes. 

nu  müz  he  kuninc  bliuen 

de  dich  wiit  vordriuen. 
Herodes  riddere  spricht  ein  secundus 

Halt  dich  kuninc  bit  genaden.  490 

ich  sul  dich  wale  raden 

dat  du  bit  diner  gewalt 

den  genen  vorderuen  salt 

de  sig  des  virmessen  hait, 

of  du  volbrenges  minen  rait,  "-495 

dat  he  sule  kuninc  bliuen 

ende  dich  bit  ge weide  vordriuen. 
Herodes  spricht  zen  riddere 

Dinen  rait  willich  vollebrengen 

bit  aller  slathen  dengen, 

inde  dich  geen  ze  lone  500 

mine  guldine  cronc. 
De  ander  ridder  zu  Herodese 

Here,  du  dine  riddere  senden 


MNL.  OSTERSPIEL.  Jlft 

widen  in  allen  enden, 

inde  du  alle  die  kindolin 

die  bennen  zwen  iaren  syn  505 

so  wo  si  se  venden  doit  slaen. 

id  in  mach  nimmer  so  irgaen 

dat  kent  in  si  dar  vnder 

do  dise  so  manich  wonder 

lange  aue  hain  gesait.  510 

so  bliues  du  here  in  diner  mait. 
es  sume  riddere  spricht 

Du  hais  mich  wale  geraden. 

vp  riddere  ende  boden! 

duet  doden  alle  di  kindolin 

die  bennen  Zwen  iaren  sin.  515 

>/  kumet  su  Marien  ende  heisit  si  vlien  zu  Egip- 
n  voert. 

(Descende  in  Egyptum.) 
Joseph,  nem  Marien  wäre 

mit  ire  kende,  ende  vlu  al  dare 
da  ir  nimanne  en  syt  bekant, 
dat  is  in  Egypten  lant; 

inde  also  lange  al  da  bes  520 

wint  doit  is  Herodes. 
iment  die  riddere  Herodes   ende  sukent  di  kent. 
ichel  sprichet  dus  su  in 

Wafen!  wat  sal  mir  geschien 
van  den  luden,  die  ich  sien 
so  balde  kumen  herwert? 

wat  sulen  ire  gerothle  swert  5?5- 

inde  ire  vreslich  gebere? 
mich  wondert  uile  sere 
war  umbe  si  herwert  rennen 
of  wes  si  gesennen. 
it  man  doit  die  kent.  —  prhnus 

Gef  her  din  kent,  baude  wyf,  530 

wilt  du  behalden  dinen  lyf; 
want  ig  müsset  doden 
van  des  kunninz  noiden. 
su  den  ridderen 


SSO  MNL.  OSTERSPIEL. 

Here  got  van  hiemelriche, 
du  müsse  dis  iemerliche  535 

doit  vor  dinen  ougen  sin 
van  deme  liuen  kende  min. 
want  haddis  nu  uirscholt. 
nu  willich  mine  ungedolt 

gerne  laissen  bliuen,  540 

went  si  wouden  entliuen 
Jhesum,  dinen  liuen  sun, 
van  deme  der  kuninc  Salomon 
lange  ze  uoren  hait  gesait; 
want  dus  wale  Ionen  mait  545 

minen  kende  ende  mich, 
des  biddich  liue  here  dich. 
Hie  kument  die  riddere  zu   Herodesse  wider.  —  Se- 
cundus 

Höre,  here,  wat  ich  dir  sagen : 
die  kent  haen  wir  irslagen 

in  al  dat  lant  van  Juda.  550 

iomer  worte  wir  alda. 
Der  enget  zu  Joseph 

(Tolle  puerum  et  matrem  eius) 
239 R    Joseph,  liue  bode, 
stant  up  uile  drode, 
nem  Maria  bit  der  haut, 

strich  zu  Juda  in  dat  lant  555 

went  si  doit  sin  ende  gestoruen 
die  no  des  kendes  sele  woruen. 
Hie  uert  Maria  ende  Jhesus  ende  Joseph  zu  Egypten 
(1.  uit  Eg.).  Hie  was  Jhesus  zwelf  iure  alt.   Ma- 
ria zu  iren  sune 

Jhesus,  sun,  horis  du, 
du  hais  wale  dat  auder  nu 

dat  du  wale  bit  uns  mait  gaen  560 

in  den  tempel,  ende  uirstaen 
wat  man  in  den  tempel  deit, 
inde  wi  man  dat  hogezide  begeit. 
Jhesus  zu  siner  müder 

538.  etwa  want  wat  hadd'is  nu  virscholt? 


MNL.  OSTERSPIEL.  321 

Müder,  bit  ug  gaen  ig  gerne. 

des  iusteit  mich  nit  zu  inberne,  565 

geit  uore,  ich  benz  gereit 

vch  ze  uolgene  eade  gemeit. 
ginc  Jhesus  in  den  tempel  vnder  die   luden  ende 
sprach 

Er  iuden,  ig  hume  zu  ug  her, 

dat  is  miues  herzen  ger 

dat  ich  bit  ug  wil  disputiren  570 

inde  offenbare  probiren 

inde  bit  reden  machen  wis 

dat  ir  geleit  syt  up  ein  ijs, 

went  ir  den  ewe  haut  unrethe 

de  uren  geslethe  575 

hie  beuoren  wart  gegeuen 

Moisi  in  einen  stein  gescreuen. 

ouch  weis  du  wale  wat  Daniel  sprag 

hie  beuoren  manichen  dach: 

als  heilich  giste  der  heiligen  wirt  gesant,       580 

jutschaf,  so  uel  us  diner  hant 

die  kunincliche  rüde 

in  eine  vremde  hude. 
fas  su  Jhesus 

Jhesu,  wir  vuirsten  dieh  wale. 

du  spriches   ungehorte  zale.  585 

he  in  is  noch  nit  gesant, 

dat  is  vns  wale  bekaut, 

de  uns  sule  troisten 

inde  kumen  van  den  hoisten. 
•us  su  Cayfdse 

He  is  van  einer  maget  geboren,  590 

as  Ysaias  hie  beuoren 

inde  alle  die  propheten  screuen. 

dat  in  is  nit  achter  bleuen 

nog  in  mag  nit  achter  bliuen. 

himit  wil  ig  dich  wider  driuen  595 

dins  ungelouen  hie  zestunden. 

sage,  wo  wirt  irgen  vunden 

580.  /.  als  der  heilig  geeste  wird  gesant 

,  F.  D.  A.     II.  21 


322  MNL.  OSTERSPIEL. 

ein  kuninc  uuder  uren  kunne, 

deme  got  des  gunne 

dat  he  gesaluet  werde  600 

ze  kunincge  up  die  erde, 

als  got  hie  beuoren  dede? 

begef  dine  lucheliche  rede. 
Cayfas  zu  Jhesusse 

239°    War  umbe  solde  wir  geswigen  des? 

went  he  nog  mit  kumen  in  es,  605 

de  uns  zu  troiste  sal  sin  gesant. 

Mesias  so  is  he  genant 

des  wir  alle  wardende  sin; 

dar  umbe  la  die  rede  din. 
Jhesus  zu  Cayfase 

De  messias,  des  beidet,  610 

mit  deme  wert  ir  uorleidet. 

he  in  sal  nit  kumen  van  gode, 

want  he  is  des  duuels  bode 

mit  deme  dat  he  wirken  sal 

inde  die  werelt  uirleiden  al,  615 

al  binz  an  die  selue  zyt 

dat  die  selue  werelt  syt 

dat  on  Cherubin  irsleit 

inde  siner  valsheit  wider  steit. 
Cayfas  antwrt  Jhesusse 

Jhesu  vns  w°ndert  sere  620 

dat  du  so  sware  lere 

vns  ze  koirnisse  sais 

zu  der  iugede  die  du  hais. 
Jhesus  zu  Cayfase 

An  is  mine  mensgeit  zuels  iar  alt, 

mine  wisheit  is  manichfalt,  625 

die  an  mir  wirt  bekant 

van  ime  de  mig  hait  gesant. 
Hie  kumet  Maria  ende  Joseph  ende  venden  Jhesum  vnder 
den  iuden  in  ire  schale,    dus  spricht  Joseph  zu  Jhesu 

610.  /.  des  ghi  beidet  622.  cornisse,  Versuchung,  vgl.  coringe. 
Felthem  sp.  hist.  3,  22,  64.  Jonckbhet  specimen  e  NH.  neerl.  (WA- 
sp.  h.  b.  3)  *.  100.  127.  624.  i.  AI  is 


MNL.  OSTERSPIEL.  323 

239 d    Wes  silzes  du,  Jhesu,  hie  airborgen? 

wir  han  groissen  sorgen 

dich  gesut,  wale  zwene  dage,  630 

inde  gedriuen  sware  clage, 

waiit  wir  diu  intboren 

ende  dich  wonden  han  uirloren. 
sus  antwort 

Wat  ist  dat  ir  mich  suket 

inde  min  nu  geruket?  635 

in  wist  ir  nit  dat  ich  mus  sin 

in  dinste  des  vader  min, 

den  he  uns  hait  beuolen, 

als  gude  kinder  sulen. 
kumet  Jhesus  zu  sente  Johanne  baptisten  ende  wilt 
van  ime  gedofit  sin 

Johannes,  ich  käme  zu  dir  640 

dat  du  di  doiffe  geuis  mir. 
annes  zu  Jhesu 

Genade,  liue  sceppere! 

mich  wndert  harde  sere 

dat  ich  solde  doiffen  dich. 

ich  bidde  dat  du  heilich  mich.  645 

ms  antwort  Johannesse 

Min  oitmuet  will  ig  dun  schin, 

dat  ig  gedouft  van  dir  wil  sin, 

dat  kirsten  ewe  da  mit  geste 

ende  der  iutzaf  ater  ge. 

dar  umbe  ganc  vort  ende  du  650 

des  ich  dich  han  gesprogen  zu. 
e  stimme  van  den  himele  sprach 
240 a     (Hie  est  filius  meus  dilectus.) 

Dit  is  min  sun  de  mir  beuellet, 

in  deme  ich  mich  han  uirsellet; 

den  gehört  in  allen  stunden 

so  wert  ir  in  den  besten  vonden.  655 

Jhesus  gedoufet  was  du  ginche  in  ein  einnode  up 
einen  stein  sich  beiden,  dit  sack  Lucifer  ende  sprach 

629.  /.  met  groissen  630.  /.  gesoekt  649.  dat  ittedseap, 

ff.  2,  201.  vgl.  Gr.  gr.  2,  521.  /.  achter 

21* 


324  M^L.  OSTERSPIEL. 

Horis  du,  dief  Satban, 

mich  w°iidert  sere,  we  de  man 

si,  de  sitzit  up  deme  steine 

in  sinen  gebeide  alleine, 

sunder  essen  ende  dranc.  660 

nu  uichtet  mig  in  min  gedanc 

da  he  de  selue  minsche  si 

de  uns  kumen  moithe  so  bi 

dat  he  rouuet  uns  die  helle.. 

nu  var,  Sathan,  liue  geselle,  665 

inde  nem  des  wäre 

dat  he  uns  namals  nit  endare. 
Sathan  zu  Lucifere 

Meister,  dat  willich  gerne  düen. 

ine  wille  nimmer  geruen, 

ich  ine  kume  ime  so  bi,  670 

dat  ich  wisse  we  he  si, 

mit  miner  schalcheide, 

e  ich  van  ime  gescheide. 
Hie  kumpt  Sathan  zu  Jhesu. 

Gut  man,  wes  sitz  du  hie  so  eine 

vp  diesen  harten  steine?  675 

240b     hais  du  einis  hungers  noit, 

nem  dise  steine  ende  magge  broit; 

ich  weis  wale  dat  kans  die  list 

of  du  godis  sun  bist 
Jhesus  zu  Sathan 

Niet  in  vrages  du  des,  680 

wistes  du  wat  da  gescreuen  es, 

dat  man  in  brode  alleine 

leuen  moithe  deine 

dan  int  wort  godes 

inde  int  duen  sins  gebodis.  685 

Hie  vurte  der  duuel  Jhesus  vp  den  tempel  ende-  sprach 

Of  du  godis  sun  bist, 

Val  her  nider  bit  diner  list, 

du  weis  wat  da  gescreuen  steit, 

662.  I.  dat  667.  daren,  schaden.  670.  ich  ist  zu  Mg** 

680.  /.  vragdes 


MNL.  OSTERSPIEL.  325 

die  engel  kuwen  dich  ger-eit, 

die  dich  bewaren  inde  würen,  690 

dat  dich  die  steine  ruren 

in  mugen  hende  nog  wusse, 

so  dat  dijt  si  vnsusse. 
*,sus  zen  duuele 

Id  is  gescreuen  du  bes  uirloreu, 

dun  salt  dinen  sceppere  nit  bekoren.  695 

?  viirt  der  duuel  vnsen  here  up  einen  berg  ende  sprag 

Nu  val  nider  hie  ze  steden, 

ende  wolt  du  mich  ane  beden 

so  bist  du  here  al  disser  lant, 

die  geue  ich  dir  an  diner  hant, 

so  wat  du  hie  mait  gesien,  700 

240°     of  du  an  mig  wolt  gien. 
se  here  sprag 

Wat  soude  mig  dine  richeit, 

want  al  da  gescreuen  steit 

dat  aireiste  datz  din  val, 

ende  man  nit  ane  beden  en  sal  705 

dan  got,  dinen  here, 

aller  denge  sceppere. 

Sathanas,  nu  snelle 

dich  wider  in  die  helle. 

na  dinem  werke  dir  geschie,  710 

du  in  hais  numme  ze  dune  hie. 
kumit  unse  here  ende  vindet  Petrus  ende  Andreas 
gande  up   deme   mere  vischende   ende   sprach  zu 
vn  dus 

Peter  ende  Andris,  laisset  staen 

vr  seif,  ir  must  bit  mir  gan. 

ich  sal  uch  uugen  zu  anderen  saggen 

inde  vitschere  der  lüde  machen.  715 

690.  /.  vureo  701.    gien,  mhd.  jenen.     Maerlant  (?)  geestel. 

'nhte  (it.  werk.  d.  maatsch.  v.  lett.  5  deel  %  st,  s.  27).  Zech 
sehe1,  merc  ende  bevie,  Zages  tu  meeren  ronwe  ye  Daß  da  an  mi  he- 
vonden?  Wat  mocht  ic  mere  doen  dor  die  Dan  hangen,  sterven,  proef 
*  ghie,  Mit  aldns  swaren  wonden  ?  ebend.  «.61  Doe  god  die  werelt 
le  wieden  —  Ontflo   Noe  met  zinen  lieden   Entie  aen  ghelove  ghieden 

ie  arke  metten  dieren.    J. 


326 


MNL.  OSTERSPIEL. 


Sente  Peter  sprach 

Meister  ende  here, 
gerne  dun  wir  dine  lere, 
AI  no  dinen  gebode 
inde  no  dines  selues  rode; 
dar  urabe  saut  du  uns  here  säen  720 

wat  lone  dat  wir  sulen  haen 
alle  sachen  achter  loissen 
inde  vns  zu  dinem  dineste  soissen. 
Vnse  here  spricht  zen  aposteV 

Dat  seilt  ir  han  ze  lone, 
240d     ir  sult  sitzen  up  den  trone  725 

mit  mir,  ende  urdeil  geuen 
vuer  die  doit  sin  ende  leuen. 
Vnse  here  zu  sente  Petere 

(Petre,  amas  me?  —  Tu  scis  dne) 
Sage  Peter,  mins  du  mich? 
(Sente  Peter  zu  vnsen  here)* 

Du  weis  wale,  here,  ig  minnen  dig. 
Vnse  here  zu  sente  Petere 

(Pasce  oues  meas)** 

Van  nu  vort  ende  allewegen  730 

salt  du  miner  schafe  plegen 
ende  hauen  sie  in  diner  huden 
inde  bit  den  worden  godis  vuden. 
Sente  Peter  zu  unsen  here 

Meister,  dat  is  mine  begerde 
dat  din  wille  an  mir  gewerde.  735 

Jhesus  spricht 

(Tu  es  Petrus) 

Du  bis  Peter,  up  disen  steine 
so  Stiche  ich  die  kirge  reine, 
inde  beuele  dir  eweliche 
den  sluzel  van  den  himelriche, 
di  da  cloppent  die  la  in,  740 

si  sulen  alle  intfangin  sin. 
Sente  Peter  sprach 

1%%  achter  te  laten  ?  *  fehlt  in  der  hs.  '•  Vn—9  Pmwet] 

diese  beiden  Zeilen  sind  in  der  hs.  umgestellt.        IM.  L  stiebte 


|ik 


MNL.  OSTfiRSPIBL.  «KT 

Here  meister,  du  mir  kuut, 

of  man  sule  sieuen  stunt 

alle  die  sündigen  intfaen 

of  sie  zu  b&ezen  willen  staen.  745 

e  here  sprach  (Di mitte  sep.) 

Ja  Peter,  ze  siuen  ende  siuenzich  stunden, 
24lft     ende  so  decke  als  he  wirt  vonden 

in  sunden  inde  he  die  will  Serien 

Genade  sal  man  ime  uirlien. 
ia  zu  unsen  here 

Here  sun,  willen  gaen,  750 

of  dirt  gut  duncket  gedaen, 

zer  bruloit  Johans,  dins  neuen, 

deme  ein  brut  hait  gegeuen 

de  riebe  wirt  Architriclin, 

da  müdes  du  der  ur°nde  din.  755 

is  zu  siner  müder 

Müder  min,  id  dune  mig  zucht 

dat  wir  zu  der  brulucht 

inde  zu  anderen  unsen  vrunden  gein 

inde  ire  vroude  nit  vors  mein. 
ittriclin 

(es  scheint  etwas  zu  fehlen*) 
\a  zu  iren  sune 

Hie  in  is,  meister,  ingein  win,  760 

dar  umbe  du  dine  geuade  schin, 

dat  ein  zeigen  hie  geschie 

von  dir,  dat  dat  volc  gesie. 
f  (zu*)  siner  müder 

Wijf,  wat  soude  mir  ane  genomen? 

mine  ure  in  is  noch  nit  komen.  765 

duet  wasser  in  die  kragen  gissen, 

vp  dat  sijs  alle  genissen 

di  her  zu  urouden  kumen  sin, 

id  sal  wandelen  sich  in  win, 

inde  drait  si  Architricline,  770 

dat  he  dreneke  van  den  wine. 

r*0.  /.  wij  willen  753.  /.  bruilöft  755.  /.  vriende 

fehlt. 


328  MNL.  OSTERSPIEL. 

Architriclin  spricht 
'  Dis  win  dunckit  mir  der  beste, 

24  lb    went  hene  up  dat  leste 

gehalden  hait  sinen  vrunden, 

inde  wilt  dit  zeigen  bie  uorkunden.  775 

Hie  kämet  Maria  Magdalena. 

Vrout  ug  alle,  iunc  ende  alt, 

went  die  vroude  is  manichfalt 

die  men  syt  nu  ouer  al 

vp  den  berg  inde  den  dal. 

man  hoert  vor  den  walde  780 

dat  uorgangen  is  dat  kalde7 

went  die  blumen  sprengen 

inde  die  uogele  sengen. 

dat  uelt  cirt  sieb  ouer  lut. 

an  der  erden  drengen  vt  785 

manicherhande  blumen 

der  ich  nit  inkan  genuinen. 

der  uogel  sanc  wirt  offenbor, 

inde  die  lucht  wirdet  cloer. 

uorgangen  is  vns  og  dat  sure.  790 

des  vrout  sig  manich  creature; 

der  nog  hait  geweset  bange, 

die  vrouwet  sich  bit  blidem  sänge. 

also  willich  e  it  lanc 

van  vrouden  sengen  nuwen  sanc.  795 

Hie  singet  Magdalena 

Alle  creaturen 

vrouwent  sich  der  liuer  zijt, 

rosen  blumen  hure 

siet  man  springen  wider  strijt. 

si  woren  versunden,  800 

si  hant  or  leit  vorwonden, 

sie  dun  uns  den  sumer  kunt. 
24 1C     susze,  suuerliche, 

werde  ich  vrouden  riche 

dat  deit  mir  diu  roder  mimt!  —  805 

nu  hait  ir  van  der  zijt  gehört 

779.  /.  inde  in        800.  /.  verswunden 


MNL.  0  STEH  SPIEL.  329 

•  beide,  sanc  in  wort. 

nu  mut  ir  vopwert  leren, 

wilt  ir  den  sen  keren 

ze  minen  worden  reichte,  810 

juncvrouwen  ende  knechte, 

went  min  lere  si  is  guet;  * 

ig  han  ir  selue  decke  lesuet 

bit  vrouden  ende  bit  schalle. 

dar  umbe  rade  ich  ug  alle  815 

dat  ir  willet  uolgen  mich. 

ig  sal  ug  machen  vrouden  rieh. 

au  schouwet  alle  gemeine, 

grois  ende  deine, 

wie  ich  schire  minen  HjL  820 

als  ein  w°nnencliche  wijf 

sich  van  reichte  ciren  sal 

an  iren  lijf,  al  ouer  al, 

also  sult  ir  uch  ciren, 

inde  vren  lijf  orniren,  825 

ende  behagel  machen, 

dat  mans  muge  lachen. 

dus  nemet  einen  spigel, 

da  ir  reichte  als  in  ein  sigel 

muget  ur  gedene  beschouwen.  830 

*  beide,  knapen  ende  iuncurouwen, 
ir  sult  an  ure  hende  trecken 
zwene  henszen,  ane  vlecke, 

die  uch  die  hende  wale  bedecken. 
24 ld     ir  sult  ouch  umbe  ur  houet  strecken,  835 

ir  iuncvrouwen,  ein  quac, 
de  uch  ur  hair  al  sunder  lac 
muge  leigen  ende  richten, 
bit  eime  kambe  sult  ir  suchten, 
dit  is  sicher  die  lere  min.  840 

ir  meide,  ir  sult  ug  halden  fin, 
als  ig  duen,  intgeen  die  knechte. 

J07.  in]  /.  inde         808.  leren  ist  leimen.        813.  besäet]  besoect. 
520.  /.  eiere  830.  gedaente,  gestalt.  837.    gebreck,  lack; 

:tus,  macula.  Teuthonista  39°. 


330  MNL.  OSTEKSPIEL. 

beschouwet  min  gedene  rechte, 
ich  wil  ug  sagen  we  ich  si. 
edel  bin  ich  ende  vri,  845 

ouch  ben  ich  wale  bekant, 
Magdalena  ben  ich  genant, 
(ich  in  haus  ingeine  schäme), 
Maria  is  min  reichte  name. 
ich  säen  uch  sunder  waen,  850 

Magdalum  is  mir  vnderdaen, 
eine  burch  herlich  ende  guet, 
dar  vmbe  vrouuet  sig  min  mnet. 
Lazarus  de  is  min  bruder. 
ich  in  haen  vader  nog  müder,  855 

sunder  mine  suster  eine, 
siet,  dit  is  si  die  ich  meine, 
si  steit  enen  dore  gelich, 
des  gehaut  ug  ane  mich. 

went  si  weis  eine  ander  zale  860 

die  mich  "nit  en  beuellet  wale. 
Martha  zu  Marien  spricht 

Maria,  du  sais  dat  min  zale 
dich  nit  beualle  wale. 
242*    weis  du,  war  umbe  dat  dat  is? 

r  ich  wil  dirs  machen  gewis :  865 

went  dich  nit  in  is  bekant 
got,  nog  van  ime  gesant 
troist  ende  mintie, 
dat  hais  du  dine  sinne 

an  der  werelde  nun  gelait.  870 

des  inbes  du  nit  wale  bedait 
dat  du  dine  sinne  dig  leis  drigen. 
die  werelt  inkan  nit  dan  ligen 
inde  bit  sunden  umbe  gaen, 
dar  ane  wilt  du  volstaen.  875 

des  is  din  name  sich  verwandelt 
went  du  dich  dus  hais  gehandelt. 

849.  Magdalum,  castrum  in  littore  maris  Galilaeae,  *c  in  tribu 
Zabuhn,  a  quo  volunt  Mariam,  de  qua  Math.  27,  56,  Msgdalenüm  esse 
nominatam.  s.  03*  des  anhangs  zur  Pttlgata,  Paris,  DemtlHm  1792.  4* 


MNL.  OSTERSPIEL.  331 

Maria  sulde  man  dich  nennen 

so  moichte  man  dich  bekennen. 

der  ewangeliste  hait  uns  gelert  880 

dat  din  name  si  umbe  gekert, 

ende  sis  eine  sunderinne  genant 

wijt  ouer  alle  die  lant. 
rdalenw  zu  Marthen 

War  umbe  is  mir  benomen 

min  name  wat  so  mag  dat  vromen  885 

dat  ig  min  vroude  sule  laizen 

of  miner  vrouden  mig  gemazen? 
tha  zu  Magdalena 

Maria,  ich  wille  dirt  sagen 

went  du  mig  beginnes  vragen. 

dine  vroude  in  is  nit  gut,  890 

want  si  is  ze  umbehut. 

si  is  suntlich  ende  vnreine, 
242 b     si  is  ouch  alze  sere  gemeine. 

want  suntlich  werc  sin  veruuazen 

van  godis  munde;  wolt  du  si  laiszen,  895 

ig  wil  dir  dar  zu  geuen  rait 

wie  si  dir  sulen  dünken  quait. 
ia  zu  Marthen 

Ja,  liue  suster  min, 

rait  mig  up  die  truwe  din 

al  dat  mich  mag  wesen  gäet,  900 

want  mig  dunkit  ig  ben  vnurut. 
%tha  zu  Marien 

Wolt  du  dan  uolgen  miner  lere? 
na  zu  Marthen 

Ja  ich,  nu  ende  immermere. 
tha  zu  Marien 

So  höre' mig  wale  ende  uirstant: 

spigel,  henschen  ende  gewant  905 

salt  du  balde  van  dir  duen. 

dun  salt  og  nimmer  geruen, 

183,/f.  etwa  min  name,  of  wat  mag  dat  vromen  dat  ig  —  gemazen  ? 
\aupt  scheint  die  gante  stelle  v.  874  —  884  mehrfach  verdarben. 


332  MNL.  0 STEHSPIEL. 

dun  sulis  sukea  den  heilaut, 
de  van  himel  is  gesaut 

vus  zu  einen  troiste.  910 

he  was,  de  irloiste 
Israhel  van  Egypten  lange, 
he  was,  de  on  och  sande 
van  den  heimel  dat  suze  broit 
in  der  uuschten,  si  haddens  noit.  915 

nu  es  he  up  ertriche  kämen, 
also  als  wir  baen  uirnumen, 
ende  wilt  zu  ime  bekeren 
den  sundere  bit  siner  leren, 
he  eleit  zechen  manichualt.  920 

an  ime  gelouuet  iünc  ende  alt. 
nu  so  salt  du  up  staen 
inde  uollencliche  da  hine  gaen 
da  du  vendis  disen  here, 

Jhesum,  den  irlosere.  925 

he  sal  dich  machen  sunden  vry 
ende  troisten  och  dar  bi. 
Maria  zu  Marthen 

Marta,  ich  begenne  z'  uulen 

wo  diese  wort  hine  sulen. 

got  deit  mig  sine  genade  schin.  930 

si  vliszen  in  dat  herte  min 

als  ein  riuir  nu  ze'stunt. 

gebenediet  so  si  din  munt. 

ich  wille  min  herte  keren 

na  alle  derre  leren  935 

die  Salomon  der  küninc, 

de  uil  wise  iuncgelinc, 

bit  sinen  munde  gesprochen  hait. 

dat  dunckit  mir  der  beste  rait. 

he  sait  van  der  idelcheit,  940 

da  die  werelt  mit  umbe  geit, 

dat  sy  quait  si  ende  vql  sunden. 

nu  willich  anders  mig  Vormunden. 

ich  wille  us  duen  dit  gewant 

912.  /.  lande        915.  /.  woesten        920.  /.  deit 


MNL.  OSTERSPIEL.  333 

da  ich  mide  ben  gescbant,  945 

inde  wille  di  sunden  vorwert  laiszen. 

nu  var,  dattu  sis  uirwaiszen! 

du  hais  mig  decke  gedaen  leide, 

spigel  der  unreinicheide. 
242d    ich  wille  zen  spigel  gaen  950 

in  deme  die  gedene  staeii 

reichte  volmacht  ende  wale, 

da  man  sich  alzemale 

in  beschouwe  sunder  leit,  — 

dat  is  die  driueldicheit.  955 

Hie  biddet  Symon  der  siehe  Jhesum  zu  essene  mit  ime. 

Here  ende  meister  min, 

ich  bitte  dig,  ouet  muge  syn, 
-    dat  so  la  mich  al  hie  wessen, 

of  du  dar  hem  wls  kämen  essen. 
Jhesus  zu  Symone 

Ja  ich,  Symon,  dine  spise  960 

yorsaen  ich  nit  in  geiner  wise. 
Maria  Magdalena  spricht 

Man  spricht  einer  hande  zale 

die  han  ich  gehauden  wale, 

dat  niman  zu  houe  in  sule  kumen 

(also  as  it  haen  uirnumen)  965 

hene  si  chirst  dar  geladen, 

of  id  mag  ime  wale  schaden. 

des  in  mach  dog  nit  loiszen, 

die  sunden  han  mig  so  uerwazen, 

an  sal  man  wenich  up  mich  ruken,  970 

ig  muz  dar  den  gienen  suken 

den  ig  da  kenne  in  Symons  hus. 

genant  so  is  he  Jhesus.  . 

ich  wille  vallen  an  sin  uüse 

inde  bidden  also  süze  975 

dat  he  wille  mins  intfarmen, 

want  he  is,  de  durg  uns  armen 

wolde  minsche  geboren  werden 

van  Marien  up  der  erden. 

957.   /.  ofet         965.  /.  ict        966.  /.  ze  irst        970.  /.  al  sal 


834  MNL.  OSTERSPIEL. 

zu  sinen  uusen  wil  ich  gain  980 

ende  achen  sinen  ruche  stain, 

waiit  ich  sain  ug  dat  introuwen,  \\p* 

.    in  dar  sin  antlitze  nit  beschowen. 
Hie  kämet  Maria  Magdalena  in  Symons  hus9  inde  gois 
ir  salue  up  Jhesus  houet.     Dit  sach  Synum  ende 
sprach  das 

[ch  sien  mit  den  ougen  min  \}m 

dat  mich  ein  wonder  dünkit  sin  985 

van  ime  den  ir  meister  nennet, 

dat  he  dise  niet  enkennet 

die  an  sine  uusze  lyt. 

he  inkent  si  wale  nyt. 

were  he  prophete  van  gode  gesant,  990 

so  were  si  ime  wale  bekant. 

si  is  eine  sunderinne  gemeine. 

mich  dune  dat  he  is  wisse  deine. 
Jhesus  zu  Symone  spricht 

Symon,  in  wenig  sal  ig  dir  sagen, 

dat  in  sal  dir  nit  mishagen.  995 

Symon  zu  Jhesu 

Nein  id,  here  meister  min, 

sage  mir  den  wille  din. 
Jhesus  zu  Symon 

Zwene  knechte  schuldich  waren 

zu  einen  thiden  hie  beuoren 

einen  manne  eine  deine  guit.  1000 

243b     des  so  waren  si  vnurut 

wa  mide  sit  gelden  moiten 

of  si  zu  der  gülden  doiten. 

der  ein  was  schuldich  den  seluen  bere 

wuf  hundert  penninege,  inde  nit  mere;  1005 

der  ander  nunzich  mit  reichte. 

die  zwene  kneichte 

ime  gegelden  inkünden. 

zu  den  seluen  stunden 

nam  is  der  h'e  gude  gedolt  1010      1 

he  uorlois  in  ire  scholt. 

981.  /.  achter  sinen  rugge 


MNL.  OSTERSPIEL.  SS6 

du  sage  mig,  Simon,  sunder  wanken, 

we  sonde  inie  alremeist  du  danken? 
m  zu  Jhesu 

Here  meister,  dat  sain  ich  dir, 

so  dus  willes  volgen  mir,  1015 

deme  he  uirlies  die  meiste  scbolt, 

alre  meist  was  he  ime  holt. 
s  zu  Symonne 

Symon,  du  hais  wair  gesait, 

inde  dit  vrdeil  reichte  uolbrait. 

dit  wyf  sis  du  Symon  wale.  1020 

ich  quam  zu  dir  al  sunder  zale, 

du  ingeuis  minen  uuszen  niet 

wasser,  als  dit  wyf  hie  liet 

liait  gedaen  bit  iren  trenen. 

ouch  insalt  du  des  nit  wenen,  1025 

si  in  haue  gedruget  bit  iren  hare, 

beide  stille  ende  offenbare. 

og  is  dich  me  uirgeszen 

sent  ig  hire  ben  gesessen 
43°     des  kussens  uan  dinen  munde.  1030 

sug,  al  van  der  seluer  stunde 

dat  si  in  dat  hus  getrat, 

so  hait  si  begangen  dat 

reine  ende  susze, 

inde  gekusset  mine  vüsse.  1035 

du  in  salt  dig  nit  müden  sere, 

ig  wil  dich  vorwisen  mere. 

sent  dat  ich  zu  dir  ben  kämen, 

so  hais  wale  min  wort  vernomen 

van  disen  dat  hire  is  geschiet.  1040 

nu  in  hais  du  Symon  niet 

min  hoit  begossen  bit  der  saluen, 

diese  hait  mig  in  allenthaluen 

mine  uuze  gesaluet  wale, 

dat  sult  ir  wissen  al  ze  male.  1045 

dar  umbe  säen  ich  dir  dat, 

alzehant  up  dieser  stat, 

•13.  du  =  doe.  1031.  süg  st.  sie,  vide.vergl.  266. 


**: 


336  MNL.  OSTERSPIEL. 

dat  si  der  sunden  genade  vint, 

want  si  van  herten  sere  mint. 

Maria  du  saut  up  staen       '  1050 

inde  vort  in  vrcden  gaen. 

din  geloue  hait  dich  gesunt 

gemagt  nu  zu  diser  stunt. 
Jhesus  zu  sinen  apostelen 

Ir  heren,  laist  uns  up  staen, 

dat  dunkit  mich  wale  gedaen,  1055 

inde  laist  uns  gaen  in  dat  lant 

dat  Judea  is  genant. 
Peter  zu  Jhesu  spricht 

Meister,  wat  soude  dig  dat  gedaen? 
243b     du  bes  ze  kune,  als  it  verstain. 

wat  wilt  du  da  mide  meinen?  1060 

die  iuden  wouden  dig  dog  steinen. 
Jhesus  antwort 

Noch  wist  ir  wale,  dat  it  sin 

zwelf  stunden  an  den  dage  schin. 

so  we  bit  den  dage  wandelt, 

he  is  de  sich  wale  handelt.  1065 

wilt  he  euer  in  der  nait 

gain,  dat  si  uch  gesait, 

he  muz  an  den  wege  sneuen 

went  he  dat  lyt  hait  begeuen. 
Maria  Magdalena 

Höre  her  zu  mir,  iungelinc.  1070 

ich  wil  dir  sagen  ein  deine  dinc. 

wolt  du  uns  ein  boitschaf  driuen? 

einen  brif  sule  wir  dir  scriueu 

zu  Jhesum,  unse  here, 

de  ime  sal  clagen  vns  beswere.  1075 

De  bode  zu  Marien 

Ja  ich,  vrouwe,  ich  ben  bereit. 

loen  mir  minre  arbeit. 
Maria  zu  den  bode 


1059.  /.  ict  1066.  aver,  aber.  1068.  sneaven,  dqficere, 

vacillare,  adversa  pati.  KU.         1069.  /.  licht,    vergl.  1184. 


\ 


MNL.  OSTERSPIEL.  337 

Dinen  Ion  wil  ich  dir  geilen 

so  mich  got  behuet  dat  leuen. 
Der  bode  zu  Jhe.su 

Höre,  meister  ende  here,  1080 

ich  säen  dich  eine  nuwe  mere. 

dich  entbident  ende  dun  kunt 

zwa  gesusteren  na  zestunt 

di  dich  han  usser  maissen  lijf, 
244*     si  sendent  dig  disen  brijf,  1035 

inde  entbident  dich  dar  inne 

hören  dinst  ende  höre  minne, 

inde  willen  dat  dir  si  kunt 

dat  ir  bruder  is  ungesunt, 

Lazarus,  der  vrunt  din.  1090 

des  du  ime  dine  helpe  schin. 
Rhesus  zu  den  bode 

Die  suchde  sal  wesen  sunder  noit, 

sine  sal  nit  dragen  zu  der  doit, 

mer  an  ime  sal  sin  gemeert 

godis  name,  ende  ouch  geert.  1095 

hesus  zu  den  apostelen 

Nune  muge  wir  nit  langer  staen, 

wir  müssen  da  hine  gaen 

zu  miner  liuer  urunde  hus. 

alda  slefet  Lazarus. 

den  so  willich,  of  ich  mach,  1100 

intslafen  dun  up  disen  dach. 
ente  Peter  zu  Jhesu 

Here,  wir  venden  dat  geleissen : 

slefet  he  so  is  he  genesen. 
hesus  zen  apostelen 

Ich  wilt  ug  sagen  offenboer 

(want  ig  weist  wal  vorwoer)  1105 

dat  he  doit  is  ende  begrauen. 

dat  wil  ich  uch  nu  sagen, 

inde  wil  mich  vrouwen  sere 

vmbe  uren  wille  immermere, 

vp  dat  ir  gelouuet  des.  1110 

ine  was  da  nit,  des  sijt  gewes. 
Z.  F.  D.  A.    II.  22 


338  MNL.  OSTERSPIEL. 

244b     Sent  Ditmmois  gen  apostelen 

Owie !  got  ende  here, 

dit  is  uns  eine  kranke  mere. 

geit  dane,  gesellen,  loist  uns  weruen 

dat  wir  bit  ime  mögen  steruen.  1115 

des  so  is  uns  groisse  noit. 

decke  reikede  he  uns  sin  broit, 

inde  sine  susteren  beide.  ■  ^ 

des  is  mir  alze  leide. 
Hie  kämet  der  bode  ende  satt  Marthen  dat  her  Jhe- 
sus kume. 

Martha,  du  salt  up  staen  1120    |1,fl 

ende  balde  her  us  gaen. 

nit  en  mache  lange  merre, 

Jhesus  in  es  henne  nit  uerre. 

r 

Martha  loufet  intgein  Jhesu. 

Here,  vns  hait  gewesen  bange, 

dat  du  van  uns  also  lange  1125 

hais  geweset  sunder  noit. 

nu  so  is  uns  bruder  doit. 

wers  du  bi  uns  bleiuen 

behalden,  so  hedde  he  it  leuen. 

idoch  so  wisse  wir  al  gader,  1130 

wat  du  biddes  dinen  vader, 

dat  he  dinen  wille  deit, 

waat  sin  rait  an  dir  nu  steit. 
Jhesus  zu  Marthen 

Halt  dich  des  al  sunder  waen. 

din  bruder,  he  sal  up  erstaen.  1135 

Martha  zu  Jhesu 

Ich  weis  dat^wale,  dat  he  sal 
244 c    vp  erstaen,  hait  heis  geual, 

also  ich  han  virnumen, 

als  got  zen  urdel  wil  kumen. 
Jhesus  zu  Marthen 

Dat  uperstentinisse  ben  ich,  1140 

des  salt  du  gelouuen  mich, 
inde  in  der  wairheide  bekant. 
dat  leuen  ben  ich  og  genant. 


MNL..  OSTERSPIEL.  339 

we  gelouuet  ane  mich, 

were  be  doit,  he  wecket  sich.  1145 

ende  allet,  dat  da  Leuent  es, 

so  id  gelouft  (des  sijt  gewes) 

an  mig,  he  instiruet  niet; 

want  ich  ben  dat  geware  lijt. 

Martha  geloufes  du  des?  1150 

ha  zu  haut 

Here,  ich  bens  gewes 

dat  du  bes  godis  sän  genant, 

de  in  dise  werelt  is  gesant. 
ha  zu  Marien 

Maria,  ich  san  dir  liue  mere, 

dat  unse  meister  ende  unse  here  1155 

is  kumen  zu  unser  sericheide. 

nu  stant  up,  ende  la  uns  beide 

heimeliche  zu  ime  gaen. 

ich  han  lange  bi  ime  gestaen 

inde  ime  geclaget  vnse  noit  1160 

dat  unse  bruder  si  nu  doit. 

stant  up !  he  ruft  dich  alzehant. 

vnse  ruwe  is  ime  wale  bekant. 
Maria  ginc  zu  Jhesus.    dit  sack  ein  iude  inde 
sprach 

Mich  dune  Maria  is  up  gestan. 

zu  den  graue  wilt  si  gaen  1165 

inde  iren  bruder  weinen, 

Lazarum,  den  reinen. 

wir  willen  alle  bit  hoire 

zu  den  graue  gaen  her  uure. 
Maria  unsen  hei%e  sack,    du  vil  si  se  sinen  uussen 
ende  sprach 

(Dne,  si  hie  fuisses,  Lazarus  etc.) 

Vrünt,  here  ende  meister  min,  1170 

wa  hais  du  so  lange  gesin? 

hetz  du  bi  uns  mugen  wesen, 

so  were  uns  bruder  wale  genesen. 

56.  serichede,  trauer,  Unglück,   vergl.  Huydec.  op  Stoke  b.  3  v.  4. 

22* 


340  MNL.  OSTERSPIEL. 

Jhesus  zu  Marien 

Sait  mir,  wa  hait  irne  gelait? 

Maria  zu  haut 

Here,  dat  si  dir  gesait!  1175 

wilt  du  bit  uns  da  hine  gaen, 
wir  dun  dich  kurteliche  verstacn. 

Der  irste  iude 

Vor  wor  si  uch  dat  gesait, 

he  hait  sine  minne  an  ime  gelait. 

des  dunkit  mig,  hen  kans  geloissen,  1180 

he  weinet  inen  usser  moissen. 
Ein  ander  iude 

In  künde  he  dat  nit  gemachen, 

de  bit  als  gemelicher  Sachen 

deme  blenden  wider  gaf  sin  lijt, 

dat  Lazarus  in  sturne  nijt?  1185 

Jhesus  geit  zen  graue 

245*    Tastet  ane,  heft  up  den  stein. 
Martha  ze  hant 

Ey  here,  durg  got  nein! 
{Martha  singet  ende  spricht) 

(Ecce  iam  fetet,  quadriduanus  est) 

Here,  id  is  hude  der  uirde  dach 

dat  ine  her  in  legen  sach. 
Jhesus  zu  Marthen 

Martha,  ich  säen  dir  minen  sen,  1190 

dat  du  niet  en  suis  zuiuelen 

of  du  wolt  sicherliche 

beschouwen  godis  riebe. 
(Hie  bit  Jhesus  sinen  vader) 

Vader  van  himelriche, 

ich  danc  dich  sonderliche  1195 

aller  genaden  der  du  mig  deis, 

want  ich  dat  wale  weis 

dat  ich  van  dich  ben  gehört 

inde  nie  mine  beide  inwart  zestort, 

dun  dedis  minen  wille  1200 

offenboer  ende  stille. 

nu  biddich  dig  als  minen  vader 


MNL.  OSTERSPIEL.  341 

vmbe  diser  wille  alle  gader 
die  hie  umbe  stände  sijn 

dat  dine  gotheit  werde  schin,  1205 

ende  dat  on  allen  werde  bekant 
dat  ich  van  dig  ben  gesant. 
?r  Jkesus) 

(Lazare,  ueni  foras) 

Lazare,  du  salt  up  staeii 

inde  usser  disen  graue  gain. 

loist  ime  af  die  bende  1210 

an  uussen  ende  an  hende. 
sendet  vnse  here  sente  Petere  ende  sente  Johanne 
vmbe  eine  eselinne. 

Peter  ende  Johannes, 

in  di  stat  di  uor  uch  es 

sult  ir  al  beide  gaen, 

da  vent  ir  eine  esselinne  staen  1215 

inde  ire  iunc  gebunden, 

die  brenc  mir  nu  zu  stunden. 

wilt  dat  iman  widersaen, 

sait,  ur  meister  wil  si  haen. 
e  Peter  zu  Jhesu 

Here  dat  si  gerne  gedaen,  1220 

na  den  eissei  wil  wir  gaen. 
bodc  zen  apostelen 

Ir  heren  sait,  wat  sukit  ir  hi? 

war  umbe  inbendit  ir  dit  vie? 
e  Peter  zu  den  bode 

Gut  man,  uns  meister  sal  drup  riden. 

dar  umbe  in  salt  du  it  nit  beniden.  1225 

vor  woer  salt  du  wissen  dat, 

he.  hait  ze  dune  hie  in  der  stat. 
bode  zu  deme  volke 

Hort  ir  heren  eine  mere, 

hie  kumet  Jhesus,  der  lerere, 

her  zu  ug  gereiden,  1230 

einen  eissei  hait  he  beschreden. 

dunkit  ug  allen  gut  gedaen, 

intgegen  ime  wil  wir  gaen. 


342  MNL.  OSTERSPIEL. 

Eyn  phariseus  spricht 

245 c     (Aue  rex  nr  fili  Dauid.) 

Willekume  sijs  du  here, 

der  werelde  scheppere,  1235 

vau  Israhel  kuninc  herlich, 

Dauites  sun  geweldich. 

du  bis  van  dines  vader  haut 

vns  zu  troiste  gesant, 

als  der  propheteu  bugge  han  inne,  1240 

van  der  werelt  aneginne. 

des  sis  du  gebenedijt 

vau  nu  vort  zu  aller  zijt. 
Di  kindere  sungen  gloria  laus. 

(Gloria,  laus  et  honor  tibi  sit) 

Hude  si  dir  lof  ende  ere, 

Crist,  der  werelde  losere,  1245 

in  deme  dat  di  kusche  iuget 

in  dir  sere  wirt  erhuget. 

ebreis  vole  kämt  dir  intgegen 

mit  palmen  ende  blumen  allerwegen 

inde  gert  dat  it  dich  intfange  1250 

beide  bit  loue  ende  bit  sänge. 
Jiie  drei/  her  Jhesus  us  den  temple  die  koflude 

Ir  misdedige,  henne  vlijtl 

in  disen  tempel  insult  ir  nijt 

driuen  meisdait  ende  rouf 

nog  uorweselen  vren  kouf.  1255 

Hie  bleif  her  Jhesu  in  den  tempel,  ende  niman  Ma- 
den zu  essene  sunder  Martha. 

Here,  wilt  du  mit  uns  gaen 
245d    inde  dat  in  guet  uirstaen 

dat  wir  han  invnsen  hus, 

da  is  vnse  bruder  Lazarus. 

da  wil  wir  dir  in  guden  truwen  1260 

deilen  des  uns  is  uirluwen. 
Jhesus  xu  Marthen 

Vor  Martha,  gerne  willich  gaen 
mit  uch  essea,  ende  infant 

1261.  verliehen.         i*63.  /.  ctetftu» 


MNL.  OSTERSPIEL.  348 

des  ir  halt  in  vren  huse$ 

inde  wir  venden  Lazaruse.  1265 

va  Magdalena  kumet  in  Symons  hus,  da  her  Jhe- 
stis  saz,  ende  gois  ime  up  sin  houet  aromata  dat 
gecrude.  Dit  sag  Judas  ende  sprach 

Dit  were  bas  achter  bleuen, 

ymbe  dit  gecrude  were  gegeuen 

zu  lichten  gedinge 

dri  hundert  penninche, 

ze  geuene  den  armen  1270 

der  man  sich  sal  irbarmen, 
"us  antwort  sinen  i$ngeren 

Gedouget  ug,   laist  bestaen ! 

want  si  hait  wale  an  mir  gedan. 

bi  ug  sult  ir  alle  zijt  die  armen 

venden,  der  laist  ucb  irbarmen.  1275 

mich  in  muit  ir  niet  sien 

in  aller  zijt,  dat  mus  geschin. 

dit  is  bekennisse, 

dat  man  hi  ane  wisse 

bedutnisse  van  minen  graue,  1280 

246*    inde  ich  den  doit  ze  lidene  haue.- 
phariseusy  ein  iude9  sprichet  dus 

(Quid  facimus,  quia  hie . . .) 

Ir  heren,  wilt  ir  nemen  rait 

vmbe  dat  sich  hi  erbauen  hait? 

hi  in  disen  lande 

heft  sich  eine  nuwe  schände.  1285 

hie  kumet  des  duuels  bode 

inde  mach  sich  zu  einen  gode. 

vch  allen  is  he  bekant. 

Jhesus  is  he  genant. 

sin  vader  was  eyn  eimmerman.  1290 

ig  weis  dat  wale  dat  hene  wan 

an  eynen  wiue  Marien. 

sins  wille  wir  uirzien. 

sin  koggelspel  dat  is  so  grois 

1278.  betekenisse?  1293.  «ns  willen  wir  rennen,  wir  wollen 

vor  ihm  vorsehn,     venien  prospicere,  cavere,  praeeavere. 


344  MNL.  OSTERSPIEL. 

ine  weis  nirgen  sin  genois.  1295 

nuwens  so  hait  he  gedaen 

dat  ime  eyn  dode  na  gaen. 

dat  is  de  selue  Lazarus 

de  hude  mit  ime  in  sin  hus 

zer  tafelen  hait  gesessen  1300 

inde  hait  gedrfinken  ende  gessen, 

des  nie  inplagen  ander  doden. 

helpe  wir  vns  vs  diser  noiden! 

inde  dencken,  wie  wer  den  rait  gegeuen 

dat  wir  benemen  ime  sine  leuen;  1305 

want  zu  grois  wirt  sine  gewalt. 

ime  volget  jänc  ende  alt. 

virnement  dit  die  Romere 

aldus  gedane  mere, 
246b     si  nement  vns  dat  laut,  1310 

inde  antwordent  in  vremede  haut 

vnse  wijf  ende  vnse  kent. 

here  Cayfas,  nu  vent 

eynen  rait  de  vns  si  gut, 

da  mide  wir  wale  sin  betrat.  1315 

Cayfas  antwort 

(Expedit  nobis) 

Er  heren,  mirkit  alle 

of  ach  min  rait  beualle. 

wir  sien  dat  volc  irre  gaen. 

dan  dunckit  mir  nit  gut  gedaen. 

besser  ist  dat  eyn  man  sterue  1320 

dan  die  werelt  al  vorderue. 
Der  irste  iude  spricht 

Nu  hört  wat  ich  dar  zu  sage: 

niet  an  den  heilichen  dage 

insult  ir  dis  begennen, 

wilt  ir  den  man  vorwennen.  1325 

Hie  kumpt  Judas  zen  rade 

Alleine  inplit  mans  nit  ze  houe, 

ich  muz  dog  mit  vrloue 

mich  zuchen  an  disen  rait. 

ich  weis  wale  wa  it  hine  gait. 


MNL.  OSTERSPIEL.  345 

ist  als  ich  gemirken  kau,  1330 

so  geit  die  reide  Jhesuai  an. 

will  ir  reichte  stan  dar  na, 

ich  wen,  it  ug  andirs  nit  vorva, 

ir  inweruet  mine  minne, 

dat  ine  uch  gewinne.  1335 

ich  were  ug  harde  gut  daran. 
246c     he  is  ein  sere  wis  man. 

he  is  ach  decke  entgangen 

als  irne  umbe  vahgen 

haddet  alle  gemeine,  1340 

inde  up  irne  druget  steine. 

nu  siet  wat  ir  mir  willet  geuen. 

he  wirt  ug  wale,  sal  ich  leuen. 
as  zu  Judase 

Judas,  dine  zale 

behait  mir  sere  wale.  1345 

wilt  du  uns  bit  truwen  weruen 

so  in  mait  du  nit  verderuen. 

vnder  vns  haen  wirs  geual. 

dan  af  in  mache  ingein  geschal. 

wilt  du  ouch  gedinge  machen  1350 

van  aldus  gedaner  Sachen, 

wir  geuen  dir  uil  schone 

drizsich  pennincge  zu  lone. 
p  wider 

Da  in  rede  ich  nit  wider. 

gef  mir  nu  ende  euer  sider.  1355 

berichtet  vre  knechte 

dat  si  mirken  reichte, 

so  wen  ich  küsse  vor  sinen  munt 

den  grifet  ane  zer  seiner  stunt. 

nu  hört  wat  ig  hie  mide  meine  1360 

dat  ich  hie  dus  kume  alleine 
-  inde  ich  ualle  in  vren  rait, 

went  id  is  vmbe  vndait. 

dat  mich  soude  vrumen 

dat  is  mich  benumen.  1365 

16?.  /.  ende  u 


34*  MNL.  GSTERSP1EL. 

246d     Maria  quam  van  vrunde  haluen 

mit  einer  kostlicher  saluen. 

si  were  so  wo  mare  bedde  begert 

drihundert  penninche  wert. 

die  gois  si  in  implit.  1370 

dat  in  behade  mir  nit. 

des  was  ich  ein  kemerere. 

of  si  virkoit  were 

so  were  der  tinde  penninc  min. 

der  penninche  sulden  drissich  sin.  1375 

id  sule  mig  hinderen  oue  vrumen, 

des  schaden  willich  na  kämen. 
Cayjas  zu  Judase 

Judas,  du  reides  reichte. 

we  mich  in  schaden  brechte 

des  wolde  ich  immer  na  kämen,  1380 

id  solde  hinderen  oue  vromen. 

nu  du  vns  dis  Sicherheit, 

dat  wir  dit  venden  al  gereit. 
Hie  sendet  her  Jhesus  sine  apostelen  in  eine  stat. 

Peter  inde  Johan, 

Jacob,  mine  villeiue  man,  1385 

in  die  stat  sult  ir  gaen. 

dat  sult  ir  wissen  sunder  waen. 

dat  sult  ir  venden  hude 

eynen  man  den  ich  ug  dude. 

he  dreit  ein  legeilen  an  der  haut,     .  1390 

vol  wassers,  dat  si  ug  bekant. 

ir  sult  ime  sagen  mere, 

dat  ur  meister  ende  ur  here 

wile  sin  paschen 


(es  fehlen  mehrere  blätter) 
247  ■     of  ich  der  martilien  muge  in  sijn  1395 

voirlaissen,   oft  si  der  wille  dijn. 
niet  na  minen  wille,  vader, 
mer  na  den  dinen  allegader. 

.  .  .     i       :  i      .     . 

1370.  in  ontplit?  unbedachter  weise  ¥  pliet,  cura%  ebservßtie)*  ift/i«"- 


MNt.  OSTERSPIEL.  3*7 

unse*  here  wider  ende  vint  sine  iungere  slajende 
ende  sprach 

on,  dormis?  Non  potuisti  vna  hora  vigilare  me- 
cum,  et  Iudas  non  dormit.  Quomodo  non  dormit, 
sed  festinat  me  tradere  ludeis«) 

Slefes  du  Peter,  liue  kent? 

die  wort  van  mir  gescreuen  sent.  1400 

also  sint  si  volle  brait 

hint,  an  dire  seluer  nait, 

van  einer  enstelicher  Sachen. 

in  moites  du  nit  in  wenich  wachen, 

als  Judas  deit,  de  sich  bereit  1405 

wie  hie  die  Juden  an  mig  geleit, 

inde  begint  dar  streuen 

dat  he  beneme  mir  dat  leuen. 

ir  sult  ur  slafen  laissen  stau, 

inde  rufen  minen  vader  an  1410 

dat  uch  der  duuel  nit  bekore. 

der  geist,  de  is  gereit  doch  zwore, 

ouch  wie  der  licham  si  ungesunt, 

den  doit  zu  lidene  nu  zerstunt. 
geit  uns  here  anderwerf  beden. 

Herteliue  vader  min,  1415 

of  id  nit  anders  in  mach  sijn, 

dat  ich  nit  inmag  intwenken 

ine  musze  van  disen  kelge  drenken, 
247  b     ig  in  wille  die  martilie  nit  entsien, 

din  wille  musze  an  mir  geschien.  1420 

kumet  unse  here,  ende  vindet  sin  iungere  sla- 
fende, ende  geit  sich  dirdewerf  beden  up  den 
berg. 

(Pater,  manifestaui  nomen  tuum  ete.) 

Vader,  ich  han  in  aller  stunt 

dinen  name  gemachet  kunt 

den  luden  die  du  hauis  mich 

gegeuen,  vor  die  bid  ich  dich, 

in  in  wille  nit  rufen  ane  1425 

'  /.   Hie  comt  unse 


348  MNL.  OSTERSPIEL. 

vmbe  die  werelt  dinen  name. 
went  ich  zu  dich  sal  uaren,  vader, 
so  bidde  ich  vmbe  mine  vrunt  algader. 
Hie  kumet  Gabriel  ende  troistet  tmsen  here. 
Here  Jhesu,  durg  dine  gude 
nu  salt  du  dm  vngemude  1430 

loissen  ende  och  dine  clage. 
vorstant  ende  hor  wat  ich  sage : 
dir  inbudet  sicherliche 
din  vader,  got  van  hhnelriche. 
ich  ben  as  van  ime  gesant  1435 

•eyn  bode,  Gabriel  genant, 
de  ze  diner  müder 
Marien  der  guder 

wart  gesant  vm  des  minschen  noit. 
dar  umbe  so  mfiz  du  den  doit  1440 

liden,  de  dich  sal  geschin. 
van  dinen  vader  is  he  vorsien. 
247°     den  mfiz  du  doigen  nu  zestunt. . 

war  umbe  it  is  datz  dir  wale  kunt. 

dar  umbe  la  din  ungedout.    .  1445 

id  is  umbe  die  irste  schont, 

di  da  in  den  paradyse 

sich  irhuef  in  maniche  wise. 

her  umbe  mfist  ze  rade  gaen 

got,  din  vader,  sunder  waen,  1450 

wie  ende  mit  wilcher  Sachen 

den  minsche  wider  vri  moichte  machen. 

he  sig  du  genande, 

Jhesu,  dat  he  dich  sande, 

inde  gaf  dir  dat  ze  dune  1455 

dat  du  suis  machen  sune 

tuschen  dich  ende  dinen  vader 

inde  der  werelt  allegader. 

nu  ist  kämen  an  der  zijt 

dat  zebrochen  wirt  der  strijt,  1460 

want  du  hais  die  sune  vorbrah, 

als  hie  vore  is  gesait. 

nu  troiste  dich  Jhesu,  liue  name, 


MNL.  OSTERSPIEL.  349 

du  salt  lidcn  sunder  schäme 

vmbe  des  minschen  wille  den  doit,  1465 

ende  stürzen  och  din  blut  roit. 

dan  sal  dich  nit  wesen  leit, 

want  van  dir  gescreuen  steit 

dat  du  suis  werden  sunder  noit 

geleit  als  ein  schaif  zer  doit.  1470 

nu  vair  ich  wider  in  dat  lant 

dan  ich  here  ben  gesant. 
ere  zu  den  apostelen 
d     Slafet  kinder,  nemet  raste; 

Judas  de  so  nekit  vns  vaste 

mit  allen  den  viende  min.  1475 

steit  up,  laist  ur  slafen  sin! 

wat  so  sal  die  lange  rue? 

dis  minschin  sun  der  wirt  itzu 

getreckit  in  der  sunder  hant. 

vrunt,  dat  si  uch  bekant:  1480 

we  so  hait  zwene  rocke 

de  so  loufe  uppen  stucke 

virkoufer  einen  ende  gelde  eyn  swert. 

des  is  urber  ende  wirt  begert, 

weme  id  sie  lief  oue  leit.  1485 

went  alse  gescreuen  steit, 

ich  sal  den  schaef  hirde  slaen, 

sin  schaef  sulen  gespredit  gaen. 

inde  als  ich  uperstanden  ben 

vor  gaen  ich  uch  in  Galileen.  1490 

*eter  zu  Jhesu 

Here  zwey  swert  sint  hie. 

wat  wolt  du  dat  der  mit  geschie? 

Peter,  der  is  gnuch  der  mide. 
gedouge  wir  uns  nu  zu  stede. 
u  den  luden  lief. 

Ir  heren,  hört  wat  ich  ug  sage.  1495 

id  is  iezu  vor  deme  dage 
dat  Jhesus  in  gebede 
liet,  na  unsen  sede. 


350  MNL.  OSTERSPIEL. 

wilt  irne  vangen  oue  slaen, 
so  must  ir  balde  bit  mir  gaen.  1500 

Dit  horten  die  luden  ende 


I 

Et    uos    similes    hominibus.    etc. 

bl.  3*  Dese  wort  spreect  onse  here  te  sinen  jongeren  ende 
teen  igeliken  menschen,  ende  spreken  de  wort  aldus  indi- 
schen :  gi  sult  gelic  sin  dien  menschen  die  beiden  hares  he- 
ren, die  geuaren  es  ter  bruloyt,  dassin  gereet  inlaten.  dese 
brüdegoem  es  got,  ende  die  brat  es  sin  menscheit.  die  hef- 
te r  te  himel  geuurt.  ende  in  den  iuncsten  dage  so  wilter 
her  weder  comen.  ende  sprect  onse  here  in  den  ewange- 
lien:  siet  dat  gi  bereet  sijt,  want  gin  wet  nit  wanner  nog 
welges  dags  des  menschen  kint  compt.  dats  dar  bi  want  wi 
alle  tweere  menschen  kinder  sin.  ende  hi  en  es  nit  dan 
enes  menschen  kint  ende  gots.     ende  daer  tue  dwangen  die 

M.  dassich  got  mensch  macde,  ende  die  menschen  te  gode, 
als  dar  vore  steet,  dar  onse  here  sprect,  dat  wi  gode  wer- 
den, dat  macde  allene  die  m.  want  m.  es  so  edel  ende  so 
werdech,  dasse  den  menschen  ane  allen  dengen  gode  gelic 
mact,  in  der  maten  dat  hi  heme  gelic  mag  werden,  nu  sprect 
hi  dat  wi  gelic  sulen  wesen  dien  menschen  die  beiden  hars 
heren,  die  geuaren  es  ter  bruloyt,  als  hi  weder  compt,  das- 
sin gereet  in  laten.  ende  die  dus  hars  heren  beiden,  si  su- 
len drie  denc  hebben,  wille  sis  wale  beiden. 

Dirst  es  dasse  waken  sulen.  ende  sulen  waken  dor  drie 
denc.  dirste  darse  ombe  waken  sulen  dats  dat  hen  nit  ver- 
stohlen werde,  dander  es  dat  hen  tfur  nin  verlessche,  op 
dasse  heme  ligt  eniegen  brengen.  terde  es  dasse  bereet  sin 
den  brüdegoem  in  te  laten.  —  si  sulen  den  irsten  waken 
dat  hen  der  scat  nit  verstoln  en  werde,  dar  af  Sprect  s.  Pau- 
lus:    wat  maech  ons  verstolen  werden  dan  die  sile?    derre 


« 


MNL.  PREDIGTEN.  *  $51 

wacht  der  diuel  lallen  tiden,   datter  ons  die  verstele.    ende 
bidien   steet  ons  vlitelic  te  waken  dat  wi  die  befanden,     wi 

snln  oec  waken  op  dat  tfur  nin  lessche.     dit  für  en  es  an- 

« 

ders  nit,    dan  die  genade  ons   heren.     ende  dir  genaden  sal 
der  mensch  dogenllike  wagten  ende  plegen,  ende  sal  telken 
tiden  dir  genaden  tu  leghen  mit  gnden  werken,     mi  lest  in 
den  anden  wet,  dat  got  geboet  dat  elken  tijd  een  vur  bernde 
in   den  altare,   ende   der  hude   van  den  wette   sult  dat  vur 
maken,   ende   alloes   tu   leghen  dat  nin  verleschde.     geliker 
wis  es  ons  geboden,  dien  de  genade  ons  heren  in  den  her- 
'  ten  bernt.     ende  der  hude  van  den  weite  dat  es  des  men- 
schen bescheidenbeit.     die   sal   dat  vur  der  genaden  stoken 
met  guden  werken,  ende  sal  die  dogde  vffenen  vlitelike,  die 
heme  got  gegeuen  heft,  met  singene,  met  lesene,  met  bedene, 
ende  met  eenre  igeliker  guder  arbeit,  als  vele  als  hi  vermach, 
ende  na  dien  dat  heme  got  genaden  heft  gegeuen  die  sal  hi  heme 
weder  genen.  want  en  wilt  hi  die  genade  nit  vffen  so  menret 
se  in  gode.  alsoe  sprect  s. Paulus:  geft  weder  die  genade  gode, 
gi  verlisse  anders,  onse  here  sprect  oec  in  den  ewl. :  so  wi  die 
genade  verbergt,  dire  van  gode  heft,  ende  nit  en  vffent,  die 
nempt  hi  heme  ende  gifse  een  anderen,  darse  nutter  es.  die 
prophete  sprect :    in  wil  nemmer  rasten  eer  ic  come  in  die 
heilecheit  gots  ende  an  hare  dat  iuneste.   also  sprect  hi  sei- 
ner in  Apoc. :  ego  sum  alpha  et  0,  ic  ben  begen  ende  ende, 
ende  also  sprect  der  prophete  dat  hi  nemmer  en  raste,  hin 
com  ten  begenne  ende  ten  ende  dat  got  es.    hi  sprect  oec 
meer:  memor  fui3  ic  gedagteane  gode,  ende  mi  weder  vu- 
ren   drie   denc.     due   ic   ane  gode  dagte  due  losts  mi,  enjle 
bidien  vffendic  gude  werc,  ende  mi  tevloet  min  gest  van.  dir 
sutecheit  die  ic  in  minre  gedechten  ane  gode  vanL    mi  lest 
van  der  coninginnen  Hester,  du  se  vor  den  coninc  Assuerum 
solde  gaen,  due  erueretse  hare  sere.     want. der  coninc  had 
dien  sede,  wi  vor  heme  quam  ongerupen,   hi  must  den  doet 
liden.  ende  tenen  male  must  die  conioginne  vor  heme  comen 
ongerupen.   ende  due  ciretse  hare  met  edelen  clederen.  ende 
da  se  vor  heme  sulde  gaen,  due  vurtse  eene  jonefrouwe  met 
hare,   die  bare  die  cleder  op  ligde.     ende  du  se  den  coninc 
ane  sacb,  due  dogt  hare  dasse  der  coninc  een  deel  verbolgelic 


352  MNL.  PREDIGTEN. 

ane  sege,  ende  verscoet  alsoe  sere  dasse  al  bleee  wart,  ende 
neigde  sich  op  die  joncfrouwe.  bi  den  coninc  Asswero  es 
betekent  onse  here  Jhesus  Christus,  ende  bi  der  coniginne 
Hester  es  betekent  die  sile.  want  als  die  sile  begint  te  ge- 
denckene  ane  gode  ende  ane  die  schoenheit  des  himels,  so 
en  rast  die  sile  nemmermeer,  eerse  met  hare  gedegten  come 
vor  gots  stul,  ende  stict  dan  har  ogen  in  din  godeliken  spi- 
gel.  ende  alsoe  als  mi  lest  van  der  cög.  dasse  verscoet, 
due  har  dogte  dasse  der  coninc  verbolgelic  ane  sege,  alsoe 
geschiet  der  silen,  alse  met  hären  gedegten  vor  gode  compt, 
ende  sich  got  an  sulker  maten  geft  te  bekenne,  also  dasse 
sin  anschin  bekent,  ende  van  dien  anschine  verschit  die  sile. 
ende  bidien  dat  der  coneginne  dogte  dat  har  der  coninc  een 
deel  verbolgelic  ane  sege,  bi  dir  bolgescap  es  betekent  ene 
wandelinge  dis  anschins.  die  wandelunge  geschiet  als  die 
sile  hare  oegen  stict  in  gode,  ende  sich  got  har  geft  ter- 
kenne.  so  verscit  die  sile,  inde  der  lighame  verlist  al  sine 
cragt,  ende  trect  sich  dbuet  (/.  tbloet)  allet  enwert.  want  therte 
heft  so  grote  beruringe  ontfaen,  dat  der  mensch  bleec  wert, 
ende  neigt  sich  dann  der  geest  op  den  lighame  ont  der  mensch 
wider  te  sich  seluer  compt.  terde,  darse  ombe  waken  sulen, 
dats  dasse  gereet  sin  den  brudegoem  in  te  latene  als  hi^compt 
alsoe  sprect  onse  here:  ic  sta,  ende  cloppe  tes  menschen 
herten.     selech   sinse   die  mi  in  laten.     met  hen  willic  ho- 

getide  h ebben,  hie  sprac  oec  in  der  n.  büke,  dq  mi  op, 
min  liue  suster  ende  tortelduue,  ende  laet  mi  hogetide  hebben. 
Dänder  es,  si  sulen  wale  gesiert  sin  als  danschin  Stem- 
pels., omaverunt  faciem  templi.  mi  lest  in  den  auden  wet 
van  den  temple,  dat  was  gecirt  met  güldenen  cronen  ende 
met  güldenen  scilden,  ende  waren  ane  die  orde  des  tempels 
ombehange  op  geslagen  met  güldenen  vingeren.  gelikerwis 
sal  der  mensche  gecirt  sin.  dat  sprect  s.  Paulus:  onse 
lighame  es  een  tempel  des  leuentgen  gots.  sent  wi  nu  een 
tempel  gots  sin,  so  sulwi  gecirt  sin  met  eenre  guldenre  cro- 
nen. s.  Jo.  sag  ene  vrouwe,  die  hadde  die  sonne  tenen 
cleede  ende  den  mane  tenen  vutscemele,  ende  was  gecroent 
met  xii  ligten  sterren.  hi  sprect  oec:.  ich  sach  een  teken 
an  den  himel,  dat  was  wonder  groet,  ende  was  ene  vrouwe. 


MNL.  PREDIGTEN.  353 

det  möge  wi  beteken  ane  onser  vrouwen.  want  si  hadde 
wale  die  sonne  tenen  clede,  da  se  die  ewege  sonne  onlfine, 
ende  si  ende  got  eren  gemeinen  son  te  gader  hadden.  si 
hadde   oec  den  mane  tenen  Vütscemele.     dal  was  die  böse 

• 

werelt,  die  hadse  versmaet.  si  was  oec  gecroent  ende  es 
noch  gecroent  in  himelrike  mit  xii  sonderliken  eren.  ende 
dat  hi  sprac:  ene  vrouwe  een  wif,  dat  meint  hi  dar  mede, 
dasse  mnder  ende  magt  es.  wi  mögen  oec  dese  betekeninge 
keren  ane  ene  igelic  sile  die  gots  tempel  es.  die  sonne,  dar 
die  sile  mede  es  gecleet,  dats  die  gre,  die  onse  here  den 
goden  menschen  geft  in  den  gebede.  die  mane,  dats  die  böse 
werlt.  die  salder  mensch  versmaden  ende  vlien.  als  S. Pau- 
lus sprect :  mi  es  die  werelt  te  meste  worde  vor  min  oegen. 
regte  als  of  hi  sprake:  ic  hebbe  die  werelt  so  verworpen 
ende  versmaet,  dat  ic  nit  meer  op  hare  en  agte  dan  offe  een 
mest  wäre,  dafna  wert  die  sile  gecroent  met  eenre  cronen, 
die  heil  xii  sterren.  das  sin  xn  gemein  sterren  des  himel- 
rics,  die  een  igelic  mensche  lieft  dire  oc  ni  heft  (?).  hi  ge- 
wint vi  sonderlike  vroude  ende  gecirde  an  din  liue,  ende  vi 
an  dir  seien,  aldus  sal  die  sele  gecronet  sin,  die  gots  tem- 
pel es.  wi  sulen  oec  gecirt  sin  met  güldenen  scilden,  alse 
dat  tempel.  also  sprac  Dauid,  domine  ut  scuto.  oy  here, 
du  best  mi  gecroent  metten  scilde  dins  guden  wüten,  an  den  » 
seilt  sin  drie  orde.  dar  bi  es  ons  dit  betekent.  en  ort  dat 
sin  ons  heren  gebot  ende  sin  leringe.  die  sal  der  mensch 
vlitelike  hauden,  ende  sinen  rade  na  volgen.  dander  ort  es 
ene  igelicke  regele,  terde  es  die  settinge  die  mer  ons  set 
ende  heit.  dat  sal  der  mensce  gullike  ende  vrolike  behau- 
den,  ende  sal  sin  herte  dar  tu  ordeniren,  dat  willeglike  ge- 
horsam sie  sinre  meesterscap  ende  sire  ordenen.  alse  der 
mensce  dese  drie  ort  heft  so  es  hi  wale  gecirt  vore  gode, 
ende  es  een  tempel  des  leuende  gots.  dat  tempel  was  oec 
gecirt  met  inj  ombehangen.  dat  sin  iiij  dogede,  die  der  men- 
sche sal  hebben  die  gots  tempel  es.  der  erste  es  ontfarme- 
cheit,  die  der  mensche  sal  hebben  ouer  enen  igeliken  men- 
sce, alse  uerre  alse  hi  mag.  ende  sal  met  eneu  igeliken  men- 
schen dragen  wat  so  herae  mescomt,  het  si  an  liue,  ogte  an 
seien,  ogte  an  herten,  ende  sal  uor  heme  bidden.  der  ander 
es  gehorsamheit,  die  sal  der  mensce  willeglike  lesten,  met 
Z.  F.  D.  A.  II.  23 


354  MNL.  PREDIGTEN. 

harten  ende  mit  liue.   der  derde  es  geduldecheit.  dermensce 
sal  gednldeglike   sine   ordene   dragen  ont  in  den  doct.    der 
uirde  ombehanc   ende   der  leste,   dats  otmuet.     der  mensce 
sal  oetmudelike  alle  sine  werc  uolbrengen.    ende  sal  ontfar- 
mecheit,   gehorsamheit  ende   geduldecheit  ciren  met  der  oet- 
mndecheide.  met  desen  vier  ombehangen  sal  dal  tempel  goto 
gecirt  sin.    ende  dese  ombehange  sulen  op  geslagen  sin  met 
güldenen  uingeren.     also  sal  der  mensce  alle   sine  dogede 
ophefeu  metter  Mn.,  ende  sal  sine  sele  ende  gode  te  samen 
nechgelen  metter  M\  en  geliker  wis,  alse  een  vingeren  roat 
es  sonder  ende,  also  es  die  Mn.   sonder  ende,     want  alse 
aUe  dogede  tegaen,  so  blift  se  stedeg.    want  sis  eweg.    mi 
leset  van  Moyse,  di  wart  geworpen  in  een  water,  ende  wart 
vonden  op   din  watere,   ende  mi   bragte   dat  kint  der  coni- 
ginne,   ende  si  hilt  drie  dage.     bi  din  es  ons  betekent  een 
igelic  geestelic  mensce.    Moyses  sprect  een  mensche  di  vt 
enen  watere  es  getrect.     dat  sin  geestelike  lide.     di  sin  ut 
yn  watere  getrect  derre  vlitender  werelt.   want  geliker  wis 
alse  dit  water  ulit  ende  onstedeg  es,  also  es  die  werelt  alles 
tid  ongetruwe.     also  sprect  ene  wise  urowe :  wi  uliten  hennc 
alst  dat  water.  also  sprect  die  screft:  een  igelic  dinc  iltdat 
werde,  ende  dat  sins  sec  nit  meer  en  sie.     also  es  die  un- 
.  getruwe  werelt  alse  dat  water.    vt  din  watere  sin  gesteifte 
lide  getogen  in  geesteliken  leucne.     dar  in  sulense  dri  dage 
weiden  gaen  iegen  dat  himelrike.  der  erste  dag  es  gans  ende 
regt  ruwe.     der  ander  dag  es  ganse  ende  regte  bigte  al  der 
sunden.  der  derde  dag  es  stedege  bvte  toten  ende«  mi  leset 
in  den  adden  wet,   dat  onse  here  gebot  dat  mi  een  tempel 
macte,  ende  dat  cirde  met  drin  uarwen.  met  witter  ende  met 
roder  ende  met  himel  varwen.  bi  der  witter  uarwen  es  be- 
tekent die  kuscheit  ene  gestelike  scame.  daraf  sprect  S.  B'.: 
ic  weet  ene  harde  scone  doget,    si   es  geheten  geestelike 
scame.     si  .es  harde  guet  geweten,  si  es  een  heimelic  vrint 
gots.  si  es  een  behutinge  der  kuscheit,  ende  een  stuel  ende 
een  beginsel  der  dogede,   ende   ene  bereidinge  des  hertea, 
ende  ene  ouergulde  alre  dogede  ende  alles  gudes.     bi  der 
roder  uarwen  es  betekent  gedencnisse  ons  heren  marteleo. 
dar  sal  der  mensce  bedinken  al  dis  dat  bi  dor  ons  leden  heft, 
ende  wie  grote  minne  hi  ons  dar  mide  toende.     ende  dar 


MNL>  PREDIGTEN.  S55 

sal  sich  die  sele  uerwen  mettin  Müde  dat  ut  sinen  hertea 
vloet.  also  sprect  S.  Agnete :  ods  heren  bluet  es  mi  ene 
uarwe  an  minen  wangen.  hofsce  urouwen  plegent  sich  te 
verwene  met  witter  varwen  ende  met  roder.  also  sai  sich 
di  sele  verwen  met  kuscheide  ende  met  gedenckenisse  ons 
heren  martelen.  dat  lempel  was  oec  gecirt  met  himeU  var- 
wen. dar  mide  es  betekent  begeringe  ende  M*.,  die  wi  su- 
len  hebben  tin  himelsce  lande,  ende  die  Me.  salt  ons  toenen 
ende  mit  gode  verbinden,  also  sprect  S.  Paulus:  die  Mc.  es 
een  bant  dar  onse  bere  bitter  seien  mide  wilt  gebunden  sin. 
S.  Agnes  sprect  oec:  die  Me.  es  een  sntebant:  sibintgode 
ende  die  sele  sutelike  te  samen.  hi  sprect  oec:  oy  Me.  du 
best  ene  edele  doget,  ende  best  die  nit  en  begers  allene  te 
hebbene.  du  deeist  di  al  den  genen  die  in  der  minnen  sin. 
so  sprect  dan  S.  Paulus :  die  M*.  es  edel,  ric  ende  gewel- 
deg,  ende  stat  also  metter  M\  si  mact  den  riken  arm  ende 
den  armen  rike.  ende  wi  sonder  M\  es,  die  es  arm,  al  wäre 
oec  alle  die  werelt  sin.  ende  wie  oec  die  Me  hefl  di  es  rike. 
aldus  sal  die  sele  gecirt  sin  met  drin  uarwen  alse  dat  tempel. 
Terde  es  wie  degene  dun  sulen,  die  hars  heren  beiden, 
die  ter  brulogt  es  geuaren.  dats  dat  si  sulen  geduldechlike 
beiden,  also  dats  hen  nit  en  verdrite,  of  hi  te  lange  mert. 
si  sulen  geduldechlike  beiden  dor  dri  dinc.  die  geduldecheit 
meret  din  loeii.  so  der  mensche  geduldeger  es  in  sinem  bei- 
den, so  sin  loen  mere  es  vor  gode.  dander  es,  si  hoget 
die  werdecheit.  so  der  mensce  merre  werdecheit  hefl,  so 
hi  hoger  wert  vor  alt  himelsce  her.  terde  es  si  breit  die 
nroude  des  himelrikes.  so  der  mensce  merre  geduldecheit 
heft,  so  sine  uroude  mere  es  vor  gode,  ende  an  heme  seluer 
ende  an  alt  himelsce  her.  also  list  mi  van  S.  Mertene,  die 
was  also  geduldeg  dat  hi  seide:  here  wiltu  ic  leue,  wiltu  ic 
Sterne,  wat  gi  wilt  dat  willic,  v  wille  gewerde  an  mi.  mi 
lest  van  enre  urouwen,  die  hit  Rebecca,  die  drug  twe  kin- 
dere,  ende  die  kint  cregen  in  der  müder  ohder  sig.  bi  dir 
vrouwen  es  betekent  der  gude  sente  Merten.  die  drug  twe 
willen,  die  cregen  onder  sig.  dat  was  doet  ende  leu$n.  wat 
gots  wille  wäre,  dat  dat  oc  sin  wille  were.  were  dat  gots 
wille  dat  hi  leuede,  sowoldehi  leuen,  gode  tedioste.  wolde 
oee  got  dat  hi  storue,  so  wolde  hi  stcruen  gerne,  op  dat  hi 

23* 


356  MNL.  PREDIGTEN. 

ter  himelscer  gelorien  queme.  got  geue  ons  guden  wille, 
ende  din  also  te  haldene  dat  sin  ere  ende  onse  orber  sie. 
Amen. 

XXI 

Dets  wie   sich   got  gelict  eenre  blumen. 

bl.  HO*  Refloruit  caro  mea  etc.  Alsas  sprect  onse  herc 
dor  dd.  mont.  min  vlesch  es  weder  gebloit.  na  saldi  mer- 
cken  dat  sig  onse  here  gehet  eenre  blumen,  ende  die  blane 
heft  ses  bladere.  derre  bladere  sulwi  mercken  drie  ane  sinrc 
mensheit,  ende  drie  ane  sinre  gotheit.  ane  sinre  mensheit 
was  oetmudecheit,  kuscheit  ende  gehorsamheit,  onse  bere 
Jhesus  xpc  was  der  oetmudeehste  mensche  die  ie  geberei 
wart,  hi  was  also  sere  versmaet,  dat  noit  mensche  op  erl- 
rike  so  versmaet  en  wart,  bi  was  oec  der  kuste  mensche 
die  ie  geboren  wart,  ogte  emmer  geboren  sal  werden,  sia 
wort,  sin  werc,  sin  gelaet,  sin  wandelinge  ende  alle  sin  le- 
nen  was  also  reine  ende  also  kusch  alst  van  regte  wesen 
soude.  want  hi  es  een  beginsel  alre  kuscheit.  hi  was  oec 
gehorsam  sinen  vadere  totter  doet.  want  gehorsamheit  ban- 
den ane  een  cruce,  ende  schiet  sine  edele  sele  van  sinen 
lighame,  ende  stunt  an  den  cruce  also  iamerlike,  dat  sinre 
liuer  müder  harte  herte  tebreken  mogte.  ende  due  se  also 
iamerlike  stunt  bi  heme,  ende  also  hertelike  sere  weinie, 
(want  muderlike  herte  es  harde  morwe,  ende  si  sagene  » 
groter  noet),  due  sprac  hi  te  hare:  sech,  liue  müder,  waer 
din  kint  staet!  dat  was  also  vele  gesprokenr  sech,  liue 
müder,  wie  ic  stae  l  mi  sin  min  vute  ant  cruce  genegelt  aet 
also  scarpen  nagelen,  dat  ic  di  niet  ter  herbergen  geleidea 
en  can.  min  hande  sin  mi  genegelt,  ic  encan  di  din  oegen 
niet  gedrogen.  min  bluet  es  mi  ontfloten  van  minen  herteo. 
in  can  gespreken  nog  en  can  di  nit  getroesten.  ende  due 
sprac  hi  te  S.  Jo.  ewl\  die  bi  heme  stunt:  ecce  mater  tua. 
dat  was  als  vele  gesproken:  sech,  Jo.,  ic  benele  di  minre 
liuer  müder;  müder,  ic  beuele  di  Jo.,  minen  liuen  iungere, 
tenen  sone.  dat  was  een  cranc  wessel.  hi  gaf  den  here 
omb  den  knegt.     Owi!  nu  merct  muderlic  herte,  ende  prüft 


MNL.   PREEIGTEN.  357 

wie  herleliken  wee  Marien  sinre  müder  was  due  si  hare  kint 
so  iamerlike  sag  staen  ant  cruce  ende  si  den  iungere  muste 
neraen  vor  den  meester.  siet  of  Jhesus  gehorsam  was. 
want  wat  dreuene  in  sinre  doet  ant  cruce?  —  aldus  hebdi 
gebort  wie  onse  here  Jhesus  xpe  drie  blumen  hadde  an  sinre 
mensheit.  nu  suldi  oec  drie  mercken  an  sinre  hoger  gotheit. 
dats  gewaut,  schoenheit  ende  ewecheit.  sin  grote  gewaut 
mogdi  mercken  ane  menger  creiaturen.  merkt  dat  hi  gewel- 
deg  es  himels  ende  erden,  ende  al  dis  dat  ie  gewart,  ende 
oee  dis  noit  en  wart,  ende  al  dis  dat  emmer  werden  sal. 
sin  gewaut  en  can  niman  vol teilen,  met  enen  worde  macde 
bi  himel  ende  erde,  ende  alle  denc,  ende  alle  creiaturen, 
ende  es  nog  al  in  sinre  gewant  besloten.  dits  die  blume  van 
sinre  gewaut.  nu  merct  die  van  sinre  Schönheit,  van  sinre 
scoenheit  es  bouen  mate  te  sprekene,  ende  es  onseggelike, 
want  sin  Schönheit  es  ongelic  eneger  Schönheit  die  mi  ge- 
uisiren  can.  ende  alle  Schönheit  es  ene  donkelheit  iegen  sin 
Schönheit,  nu  hört  een  gelickenisse  geft  een  wis  man.  hi 
spreet:  die  name  al  dat  ie  wart  ende  emmer  werden  sal, 
beide,  hout  ende  stene,  blumen,  gras,  ende  al  dat  bernen 
mag,  ende  van  al  din  een  vier  maecde,  dat  worde  een  harde 
groet  ligt,  ende  die  dau  ene  kertce  name,  ende  ontfencket 
se,  ende  hiltse  ihegen  dat  groet  vier  —  regte  (sprect  hi) 
alse  die  kertce  wäre  ihegen  dat  vier,  also  ongelic  es  alle  die 
Schönheit  in  himelrike  ende  in  ertrike  ihegen  die  Schönheit 
die  ane  gode  es.  dits  die  blume  sinre  Schönheit,  nu  suldi 
mercken  sin  gotlike  ewecheit.  dat  eweg  es,  dats  sonder  ende, 
also  suldi  weten  dat  die  gotlike  ewecheit  sonder  ende  es. 
ende  oec  sonder  beginsel.  hi  was  altoes,  ende  hi  es  altoes, 
ende  hi  sal  altoes  wesen.  siet,  dits  die  blume  van  sinre 
ewecheit.  ende  aldus  es  got  weder  gebloyt.  nu  sul  wi  heme 
bidden,  dat  hi  ons  bloyende  ende  groiende  make,  ende  ewe- 
like  te  bliuene  met  sinre  ewecheit.     Amen. 


35S 


EIN  MÄRCHEN  AUS  DER   OBERLAUSITZ. 

Eine  nonne  ein  bergmann  and   ein  schmied  wanderten 
mit  einander  durch  die  weit,  einmal  hatten  sie  sich  in  einem 

* 

großen  finstern  walde  verirrt,  so  dafs  -sie  froh  sein  musten 
als  sie  endlich  in  der  ferne  ein  gemäuer  erblickten  in  dem 
sie  dachten  obdach  zu  finden,  sie  giengen  also  darauf  zn 
und  sahen  dafs  es  ein  altes  wüstes  schlofs  war,  schon  ver- 
fallen, aber  dafs  man  doch  zur  noth  noch  darin  wohnen 
konnte,  darum  beschlofsen  sie  darin  zu  bleiben  und  hielten 
rath  wie  sie  sich  einrichten  wollten  und  worden  bald  einig 
dafs  immer  eins  von  ihnen  daheim  bleiben  und  die  Wirtschaft 
bestellen  sollte  während  die  beiden  andern  aus  wären. 

Das  lofs  zu  hause  zu  bleiben  traf  zuerst  die  nonne.  als 
nun  der  bergmann  und  der  schmied  in  den  wald  gegangen 
waren,  besorgte  die  nonne  die  küche,  und  als  ihre  gefahrten 
zur  mittagszeit  nicht  heim  kamen,  verzehrte  sie  ihren  theil 
von  der  malzeit.  da  trat  auf  einmal  ein  graues  männchen 
zur  tnür  herein,  schüttelte  sich  und  sprach  co  wie  friert  mich !' 
die  nonne  antwortete  'setze  dich  zum  ofen  und  wärme  dich.' 
das  männchen  that  wie  sie  es  hiefs,  aber  bald  rief  es  co  wie 
hungert  mich!'  die  nonne  sagte  'auf  dem  ofen  steht  eisen, 
so  ifg.'  da  machte  sich  das  männchen  über  das  efsen  und 
afs  in  geschwindigkeit  alles  auf  was  da  war.  darüber  wurde 
die  nonne  zornig  und  schalt  es  dafs  es  für  ihre  gefahrten 
gar  nichts  übrig  gelafsen  hätte,  da  gerietb  auch  das  männ- 
chen in  einen  grofsen  zorn,  nahm  die  nonne,  schlug  sie  and 
warf  sie  von  einer  wand  zur  andern,  darauf  liefs  es  sie 
liegen  und  gieng  seines  wegs.  am  abend  kamen  die  beiden 
gefahrten  der  nonne  nach  hause,  und  als  sie  hungrig  ihr 
efsen*  verlangten  und  nichts  da  war,  machten  sie  der  nonne 
grofse  vorwürfe  und  wollten  ihr  nicht  glauben  als  sie  ihnen 
erzählte  was  ihr  widerfahren  wäre. 

Den  folgenden  tag  erbot  sich  der  bergmann  das  haus  zu 
hüten   und   versprach   schon   dafür  zu   sorgen  dafs  niemand 


EIN  MÄRCHEN.  339 

hungrig  zu  bette  geben  dürfte,  so  giengen  die  beiden  an- 
dern in  den  wald  und  der  bergmann  besorgte  das '  efsen, 
verzehrte  seinen  theil  und  setzte  dann  das  übrige  auf  den 
ofen.  da  trat  das  männeben  herein,  aber  wie  ersehrack  der 
bergmann,  als  er  sah  dafs  es  zwei  köpfe  hatte,  es  schüt- 
telte sieh  und  sprach  co  wie  friert  mich ! '  ganz  voller  furcht 
verwies  es  der  bergmann  zum  ofen.  bald  darauf  fieng  es  an 
xn  klagen  co  wie  hungert  mich/  cauf  dem  ofen  steht  efsen, 
so  ifs ! '  antwortete  der  bergmann.  da  fiel  das  männehen  mit 
seinen  beiden  köpfen  über  das  efsen  her  und  bald  war  alles 
aufgezehrt,  als  der  bergmann  es  deswegen  ausschalt,  ergieng 
es  ihm  wie  der  nonne :  das  männeben  schlug  ihn,  warf  ihn 
von  einer  wand  zur  andern,  liefs  ihn  dann  liegen  und  gieng 
davon,  als  nun  am  abend  der  schmied  mit  der  nonne  heim- 
kam und  nichts  für  seinen  hunger  fand,  gerieth  er  mit  dem 
bergmann  in  streit  und  vermafs  sich  hoch  und  theuer,  morgen 
sei  an  ihm  die  reihe  das  haus  zu  hüten  und  da  solle  es 
keinem  an  efsen  fehlen. 

Als  am  andern  tage  das  efsen  fertig  war,  kam  das  männ- 
ehen wieder,  und  dies  mal  hatte  es  drei  köpfe,  es  klagte 
über  frost  und  der  sebmied  biefs  es  sich  an  den  ofen  setzen, 
als  es  darauf  über  hunger  klagte,  theilte  der  schmied  von 
dem  efsen  etwas  ab  und  setzte  es  ihm  hin.  damit  war  das 
männehen  geschwind  fertig;  es  sah  sich  mit  seinen  sechs 
angen  begierig  um  und  verlangte  mehr,  und  als  der  schmied 
sich  weigerte  ihm  mehr  zu  reichen,  wollte  es  ihm  mitspie- 
len wie  der  nonue  und  dem  bergmann.  der  schmied  aber 
war  nicht  faul,  nahm  seinen  grofsen  Schmiedehammer,  gieng 
auf  das  männeben  los  und  schlug  ihm  zwei  von  seinen  kö- 
pfen ab,  30  dafs  es  eilig  die  flucht  ergriff,  der  sebmied  lief 
ihm  durch  viele  gänge  nach,  bis  es  bei  einer  eisernen  thür 
plötzlich  vor  ihm  verschwand,  nun  muste  der  schmied  es  auf- 
geben das  männehen  weiter  zu  verfolgen,  nahm  sich  aber 
vor  nicht  eher  zu  ruhen  als  bis  er  mit  seinen  beiden  gefähr* 
ten  alles  glücklich  bestanden  hätte,  indessen  waren  der  berg- 
mann und  die  nonne  nach  hause  gekommen,  der  schmied 
brachte  ihnen,  wie  er  versprochen  hatte,  ihr  efsen  und  er- 
zählte ihnen  sein  abenteuer  und  zeigte  ihnen  die  beiden  ab- 
gehauenen köpfe,   die   sie  mit  verdrehten  äugen  anstarrten. 


360  EIN  MÄRCHEN. 

darauf  beschlofsen  alle  drei  sich  von  dem  grauen  männchen, 
wenn  es  möglich  wäre,  ganz  zu  befreien,  und  gleich  am  fol- 
genden tage  giengen  sie  ans  werk,  sie  musten  lange  suchen 
ehe   sie  die   eiserne  tbür  fanden  bei  der  das  männchen  ge- 
stern verschwunden  war  und  es  kostete  grofse  mühe  ehe  sie 
sie  aufsprengten,  da  that  sich  ein  weites  gewölbe  vor  ihnen 
auf:  darin  safs  ein  schönes  junges  mädchen  an  einem  tische 
und  arbeitete,  sie  sprang  auf  und  fiel  ihnen  zu  fufsen,  indem 
sie  ihnen  für  ihre  befreiung  dankte  und  erzählte  sie  sei  eine 
königstochter  und  von  einem  mächtigen  zauberer  hierher  ge- 
bannt worden;   gestern  mittag  habe  sie  auf  einmal  empfan- 
den dafs  der  zauber  gelöst  sei  und  seitdem  habe  sie  jede 
stunde  auf  ihre  befreiung  gehofft,     aber  aufser  ihr  sei  noch 
eine  königstochter  in  dieses  schlofs  gebannt,   darauf  giengen 
sie  und  suchten  auch  diese  auf  und  befreiten  sie.  in  grofsen 
freuden  dankte  sie  ihnen  und  sagte  dafs  auch  sie  gestern  zu 
mittag  es  gefühlt  habe  wie  ihre  Verzauberung  gelöst  sei.  nun t 
erzählten   die  beiden   königstochter  ihren  befreiern,  in  ver- 
borgenen kellern  des  schlofses  sei  ein  grofser  schätz  den  ein 
schrecklicher  hund  bewache,     sie  giengen  nun  danach  und 
fanden  endlich  den  hund,  und  der  schmied  erschlug  ihn  mit 
seinem  schweren  hammer,  wie  sehr  er  sich  auch  zur  wehre 
setzen  mochte,    der  schätz  aber  war  goltf  und  silber,  ganze 
pfannen  voll,  und  dabei  safs  als  hüter  ein  schöner  jüngling. 
der  gieng  ihnen  entgegen  und  dankte  ihnen  dafs  sie  ihn  er- 
löst hätten,     er  sei  der  söhn  eines  königs,   aber  von  einem 
zauberer  in  dieses  schlofs   gebannt  und  in  das   dreiköpfige 
männchen  verwandelt  worden,    als  er  zwei  von  seinen  köp- 
fen verloren,    da  sei  die   Verzauberung  der  beiden  königs« 
töchter  gehoben  worden,  und  als  der  schmied  den  gräfslichen 
hund  erschlagen,   da  sei  auch  er  erlöst  gewesen,  dafür  soll- 
ten  sie  nun  den   ganzen   schätz   zum  lohne  haben,     darauf 
ward  der  schätz  getheilt  und  ehe   sie  damit  fertig  wurden 
hatten  sie  lange  zu  thun ;  die  beiden  königstochter  aber  hei- 
rateten aus  dankbarkeit  für  ihre  erlösung  die  eine  den  schmied 
und   die   andere  den  bergmann,  und   der   schöne  königssohn 
heiratete  die  nonne.  so  lebten  sie  in  frieden  und  freude  bei- 
sammen bis  an  ihren  tod.  4 


361 


LAUBACHER   BARLAAM. 

Berichtigung  zu  s.  126  des  In  bandes. 

Die  angäbe  dafs  von  der  Laubacher  handschrift  des  Bar- 
laam  Diefenbach  zuerst  nachricht  gegeben  babe  ist  unrichtig, 
schon  im  j.  1820  hat  Benecke  in  seiner  beurtheilung  von 
Köpkes  ausgäbe  des  rudolfischen  Barlaam  (Gott.  gel.  anz. 
st.  34)  sie  mit  wenigen  Worten  beschrieben,  deren  Wieder- 
abdruck nicht  überflüTsig  sein  dürfte. 

'Die  geschiente  des  Barlaam  und  Josaphat,  die  eben  so 
gut  eine  empfeblung  des  eremitenlebens  als  des  christenthums 
beifsen  kann,  mufs  vor  Zeiten  ein  sehr  beliebtes  buch  gewe- 
sen sein,  nicht  nur  Rudolf  brachte  es  in  deutsche,  reime, 
der  verfafser  dieser  anzeige  hatte  vor  einigen  jähren  aus  der 
zu  Laubach  befindlichen  bibliothek  des  grafen  Solms  eine 
handschrift  in  bänden  die  im  j.  1392  geschrieben  wurde  und 
eine  von  Rudolfs  gediebte  ganz  verschiedene,  im  ganzen  aber 
schlechtere  bearbeitung  desselben  Stoffes  enthält,  als  verfafser 
derselben  wird  am  schlufse  ein  bischof  Otto  genannt,  der 
reimzeilen  mögen  vielleicht  ein  paar  tausend  mehr  sein  als 
bei  Rudolf,  auch  schliefst  sich  der  bischof  genauer  an  das 
lateinische  an  als  Rudolf,  so  heifst  es  zum  beispiel  gleich 
im  anfange  im  lateinischen  Rebus  igitur  bene  se  habentibus 
et  aureis  (ut  ita  dicam)  pennis  multis  in  coelum  volantibus 
surrexit  quidam  rex  Avennir  nomine,  dies  übersetzt  Rudolf 
in  drei  Zeilen  ohne  etwas  von  den  aureis  pennis  zu  erwäh- 
nen; Otto  hingegen,  dem  gerade  dieses  bild  sehr  gefallen 
mochte, 

er  gülden  gefedere 

da»  druog  sy  hen  wedere 

zuo  den  hy meischen  koren. 

nu  moget  er  gehören 

was  die  veder  duten 

an  den  guden  luten: 

wachen  fasten 

und  darzuo  lulzel  rasten, 


362  LAUßACHER  BARLAAM. 

und  arbeiten  sere 

aldurch  die  godes  cre, 

das  Jbret  en  die  sele 

zuo  sante  Mychele. 

in  den  selben  stunden, 

do  die  lade  begunden 

als us  ze  gode  streben, 

do  begunde  ein  konig  leben  u.  s.  w. 
als  fingerzeig  für  denjenigen  der  etwa  eine  zweite  hs.  die- 
ser arbeit  Ottos  auffindet  mag  diese  probe  genügen;  eine 
weitere  vergleichung  mit  Rudolfs  gedieht  gehört  nicht  hier- 
her, nur  dies  verdient  hier  noch  bemerkt  zu  werden,  dafs 
die  im  zehnten  kapitel  des  lat.  buch  es  erzählte  fabel  von  dem 
Vogelsteller  (Bon.  fab.  92,  vergl.  Ellis  rom.  1,  139)  von  Otto 
übersetzt  ist,  bei  Rudolf  aber,  man  begreift  nicht  warum, 
fehlt/  — 

Stuttgart,  10  merz  1842.  FRANZ  PFEIFFER. 


•• 


BURIDAN  UND   DIE   KONIGIN  VON 

FRANKREICH. 

De  Buridano    et  Noverra  historia  Johannis  Jencz 

ineipit  feliciter. 

Buridanus,  nacione  Picardus,  perspicacis  vir  ingenii,  dum 
in  alma  universitate  Parisiensi  degeret  in  collegio  Na- 
verre,  quod  omnium  collegiorum  ibidem  est  maximom, 
quamvis  varios  libros  composuerat  ceteraque  preclara  fa- 
5  cinora  sequentibus  posterisque  ad  sui  sempiternam  memo- 
riam  statuendam  reliquit,  tunc  aliis  suis  preclaris  factis 
dimissis  solum  unum  memorie  tradere  visum  est,  qnaliter 
nephandam  mulieris  libidinis  cedem  stultorumque  adoles- 
centum  ac  amatorum  miserandam  cladem  et  oppressionem 
10  mira  calliditate  prohibuerit.  nam  quodam  tempore  ad  Buri- 
dani  aures  loquax  fama  rumorque  pervenit  de  regina  Fran- 
cie  Navarra  nomine,  qualiter  plerosque  adolescentes  Pa- 
risiensis  universitatis  studentes  suecessive  ad  se  iusserat 

2.  pariensi  regeret         4.   /.  composuerit         5.  ad  suis  sempiter- 
nam       6.  /.  reliquerit        /.  tarnen  //.        8.  vielleicht  mnliebris 


BURIDAN  UND  DIE  KONIGIN  VON  FRANKREICH.    363 

accersiri,  quorum  nullus  ab  ea  rcverti  Visus  est.  Buri- 
danus  vero  erat  vir  magna  prcdilus  solertia.  ex  regine 
palatii  situ,  quod  super  aquam  Secanam  iacet,  studentum 
perdicionis  causam  apud  se  recte  rimatus  est.  ut  ergo 
5  ulteriorem  miserorum  amancium  submersionem  impedire 
posset,  ad  hoc  opportuno  vestimentornm  ornatu  regine 
curiam  lusum  ingreditur.  dum  autem  scopbi  lado  pluribus 
secum  vario  cursu  laborantibus  certaret,  ipse  cunctis  ce- 
lerior  cunctisque  agilior  el  in  corporis  multiplici  flexibi- 

10  litate  cunctis  expeditior  visus.  regina  vero  Navarra  de 
pallacio  versus  eandem  curiam  ad  ambitum  egressa  Buri- 
dani  celeritatem  miratur,  totiusque  ludi  iocunda  celebri- 
tas  non  tantum  quantum  solius  Buridani  gracile  corpus 
eiusque  veloces  sallus  reginam  delectare  videbantur.  nul- 

15  lum  autem  maius  solacium  Navarra  in  regis  mariti  sui 
absencia  posse  habere  credidit  ut  quanto  citius  velocis  sal- 
tatoris  potiretur  amplexibus.  nam  qui  coreä  veloces  sunt, 
eciam  in  amoreis  amasiis  expediciores  esse  creduntur. 
nee  fit  mora.   misso  nunecio  Buridanus  vocatur  ad  regine 

20  pallacium.  quo  veniente,  stratis  per  euneta  sedilia  tapeti- 
bus  atque  celatis  vasis  multo  auro  argentoque  fulgentibus 
per  mense  ambitum  pro  cena  ducenda  ordine  locatis,  opta- 
tus  amator  gaudenter  suseipitur.  cena  vero  vario  eibi  po- 
tusque  apparatu,  multiplici  sermone,  diverso  ioco  citharis 

25  resonantibus  in  multam  noctem  splendide  ae  solenniter 
deducilur.  dum  vero  longe  dulcis  Bachi  indulti  blanda  Ve- 
nus utriusque  amantis  corpore  surripere  visa  estf  innu- 
meris  osculis  ultro  citroque  datis  sei*cia  sacra  ingredi 
moliuntur.  sed  ubi  Naverra  talibus  gaudiis  tri  um  dierum 

SO  atque  noctium  spacio  perusa  fuisset  atque  libidinis  ardore 
minuto  et  communis  insanie  crescente,  ne  eius  scelere 
patefacto  publicum  sibi  scandalum  atque  dedecus  oriretur, 
feraineo  fraudis  vero  expers  Buridano,  ut  plerisque  dudum 
coosueverat,  necis  boram   hiis  verbis  nunciavit,  'non  te 

16.  /.  quam  ut  18.  vielleicht  in  amore  ceteris  amasiis  H. 

20.  tapedibus  .         21.  selatis  26.  27.  /.  indultu  —  corpori  surre- 

pere  H.        28.  utro      vielleicht  e'icie  d.  i,  Eryciaae  L.  secreüora?  H. 

29.  molliuntur  31.  /.  et  communi  insania  decrescente 

%%.  f«plic«m        33.  /.  feminee 


364    BURIDAN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH. 

conturbet,  mi  amator,  quod  post  lalia  gaudia  ultimum  spi- 
ritum  reddere  debeas.  nam  tu  non  solus  haue  viam  iturus 
es.  sunt  etenim  nonaginta  novem  iuniores  te  adolescen- 
tes,  qui  post  meos  amplexus  Secane  fluetus  non  potuerunt 
5  evadere.  non  igitur  te  conturbet,  si  post  dulcia  experieris 
amara.'  Buridanus  vero  huiusce  malicie  non  iguarus  iam 
dudum  per  suos  diseipulos  navim  foeno  onustam  dispo- 
suerat,  que  geometrica  altitudine  ad  foramen  illud,  quo 
Buridanus   de  regine  pallacio   ad  Secanam  preeipitandus 

10  esset,  poterat  attingere.  tali  itaque  auxilio  fretus  ad  regine 
minas  lete  ac  hilariter  hiis  verbis  respondisse,  co  sere- 
nissima  domina,  o  mea  flamma,  o  mens  amor,  tuus  ro- 
seus  aspectus,  tuus  dulcissimus  amplexus,  luum  tenerum 
corpus  meum  animum  tarn  ardenti  cupiditate,  tarn  firmis- 

15  simis  katbenis  sibi  ad  perpetuam  dilectionem  colligavitut 
nulla  mors  tarn  aspera  tamque  dura  esse  possit  quin  eam 
tui  amoris  causa  libentissime  subire  paratus  sim.  ymmo 
si  vivus  a  te  separari  debeam,  nullam  futuram  vitam  scio 
michi  amplius  fore  ioeundam.  ut  ergo  in  tuo  amore  gaa- 

20  denter  mori  valeam,  de  triplici  prece,  inclitissima  domina, 
me  securum  digneris  efficere:  pro  quibus  tuis  preclaris 
benefieiis  in  altero  seculo  incessabilem  amorem  eternis 
obsequiis  velim  rependere.'  regina  autem,  quam  vis  cru- 
delem  sibi  cepisset  animum,  Buridani  tum  verbis  mitigata 

25  ita  respondit,  co  dulcissime  amator,  ex  mille  ämatorum 
numero  nullus  unquam  tarn  amasium  tamque  fidele  cor 
michi  habere  visus,  nullus  unquam  tibi  similis  repertus 
est.  ea  de  causa  quiequid  postulabis  vita  excepta  impe- 
trabis,   si  saltem  michi   quoquo  modo  possibile  fuerit  re- 

30  tribuere.'  ad  hec  Buridanus,  co  clementissima  domina,  ut 
meum  corpus,  ymmo  non  meum  sed  tuum,  quo  tu  perusa 
es,  si  unquam  in  ripis  Secane  repertum  fuerit,  honorifice 
sepulture  constitui  possit  vigiliarum  atque  missarum  cele- 
bracionibus  pro  anima  tuo  amore  sauciata  consequentibus, 

35  quatenus  peeuniam  ad  hec  necessariam  sub  braebio  michi 
alligare  velis  primam  oracionem  offero  devotissime/  ad 
hanc  peticionem  regina  magnum  auri  saeculum  eius  ca- 
misie  assuisse  asserilur.    seeundo  petit  ut  auream  cathe- 

5.  expererii     10.  vielleicht  fretus  fertur   16.  süm  24.  tum]  /.  tarnen  & 


BURIDAN  UND  DIE  KONIGIN  VON  FRANKREICH.    365 

nam  qaam  regina  in  collo  gestabat  sne  cervici  velit  ponere, 
ut  lorqaes  ipsa  in  ftituro  seculo  Buridani  anime  appensa 

-  vclnt  memoriale  quoddam  ipsum  in  pristinos  Naverre  am- 
plexus  posset  reducere.    qua  impetrata   nee  terliam  sibi 

5  regina  peticionem  recnsare  potuit,  dum  orai  ut  ante  omnia 
dextram  manum  liberam  habere  posset.  qua  per  foramen 
ineünatus  aque  Secane  benedixit,  ne  quis  sibi  malignus 
Spiritus  nocendi  vim  quousque  modo  habeat.  dum  sie  terna 
vive  expressa  medioere  voce  aquam  benedixit  in  nomine 

0  patris  et  filii  et  spiritus  saneti,  sui  diseipuli  navim  pre- 
dietam  foramini  appropinquanti  eius  dextram  firmiter  atri- 
puerunt.  dum  regina  ipsa  tradit,  ipsi  trabunt  atque  ingens 
saxum  aquam  iniciunt,  itaque  magnus  sonus  in  aqua  au- 
ditus  regine  satis  faceret  aflectibus.  hoc  cum  non  contenta 

5  adhuc  majorem  desuper  lapidem  misit  proiieere,  ut,  si 
Teilet  surgere  Buridanus,  non  posset.  sed  fideles  diseipuli 
ioeunda  magistri  liberacione  vigilantissime  potili  dulei  quieti 
eorum  trabunt  corpora.  postera  vero  die  Buridanus  in  sum- 
ma secretorum  suorum  e  gratitudine  diseipulorum  non  le- 

0  vium  personarum  more  scelus  regine  revelare,  sed  subtili 
quadam  versucia  patefacere  in  dubiam  suspicionem  ponere 
curavit.  nam  emptis  ferme  omnibus  aviculis  que  in  pon- 
tibus  Pariseus  haberentur,  scripsit  hec  verba,  crcginam 
Naverram  interficere   nolite  timere   quia  bonum   si  quis 

5  consenserit  ego  non  contradico*  hiis  verbis  rotulis  inscri- 
ptis  et  collo  avium  assutis  et  alligatis  omnes  volare  di~ 
misit.  quas  iterum  aueeps  una  cum  rotulis  cepissent  atque 
doctoribusmagistris  ceterisque  universitatis  suppositis  verba 
rotularum  ostendissent,  quisque  legencium  se  dubitare  as- 

0  serebat  utrum  dieta  verba  reginam  inlerimendam  an  inter- 
fectionem  eius  metuendam  affirmarent.  cum  dubia  de  ro- 
tulis avium  fama  vago  rumore  vario  per  omnem  non  modo 
Universitäten),  sed  et  civitatem  Parisiensem  volutaret,  il- 
lud  quod  diu  erat  in  dubio  factum  est  in  ore  omnium  fere 

1.  /.  imponere  H.        11.  /.  appropinquantes        13.  /.  in  aquam 
aque]  ita  ut  H.  14.  hoc  autem  non  contenta?  H.  18.  /.  tra- 

un t  H.         19.  /.  suorum  congratulatione  H.        21.  /.  patefacere  et 
%2.  empli        23.  /.  Parisiis         27.  /.  quas  cum  iterum  aueupes 
3.  /.  voliUret 


366    BURIDAN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH. 

populo,  quod  Buridanus  debeat  ille  faisse  qui  predicta 
scripserat.  de  quorum  verborum  intellectu  et  construccione 
interrogatus  dicitur  respondisse  'lucide  scriptum  est,  ut 
qnisque  acciperet  prout  suo  liberet  arbitrio.' 
5  Hec  Burida ni  solercia  ex  communi  fama  cepi  Pariscus 
et  presertini  a  quodam  centenario  qui  senio  confectas  ad- 
huc  vivebat  anno  domini  1460.  is  dicebat  se  dum  tdbuc 
adolescens  esset  Buridannm  matura  etate  iam  vidisse.  in 
ecclesia  vero,   ubi  sepultus  est  Buridanus,    ut  fecerunt 

10  Picardi  studentes,  de  predicta  pecunia  usque  in  bodier« 
num  diem  perpetuum  ccnsura  fecisse  narratur  pauperibus. 
itaque  omni  die  Veneris  unus  albus  francigenus,  qui  qua- 
tuor  valet  denarios,  cuilibet  venienti  pauperi  pro  eins 
anima  in  elemosinam  datur.  regine  vero  Francie  Naverre 

15  meretricis  silencio  populi  obliteratus  nicbil  reliquit  aliud 
unquam  in  collegio  Naverre  pro  predicto  scelere  perpe- 
tuus  census  quibusdam  studentibus  regina  institueret,  qui 
horas  canonicas  pro  ea  in  evum  decantare  astricti  sunt, 
hec  et  tanta  de  Buridano  ad  postulacionem   eommendabi« 

20  lis  bonarum  arcium  sectatoris  magistri  Petri  de  Gotingcn 
ex  vago  rumore  in  unum  colligere  conatuS  sum  alma  in 
universitate  Lipczensi  anno  domini  m°4c7°  quorum  Bari- 
dani  et  regine  anime  requiescant  in  pace.    amen. 

1.   populo]   propalam?  5.    /.  Parisiis  13.    qnilibet 

15.  in  der  hs.  met*c(>.  man  könnte  das  ganze  ungefähr  so  to- 
sen,  regine  vero  Francie  Naverre  memoria  silencio  populi  obliteraU 
nicbil  reliquit  aliud  quam  quod  in  collegio  Naverre  pro  predicto  sce- 
lere perpetuos  census  quibusdam  studentibus  regina  institueret  u.  s.  v>. 

Die  obige  in  einem  gemisch  von  classischem  und  mit- 
telalterlichem  latein  abgefafste  erzählung  des  NicoL  Jentsch 
habe  ich  aus  einem  noch  nicht  consignierten  papiercodex  der 
Leipziger  Universitätsbibliothek,  in  quart,  der  von  einer 
nachlässigen  hand  gegen  ende  des  15»  jh.  geschrieben  ist 
wider  vermuten  fand  ich,  als  ich  in  Bayles  dictionnaire  hist. 
et  crit.  (Amst.  1740)  den  artikel  Buridan  nachschlug,  daß 
nach  note  a  höchst  wahrscheinlich  dieselbe  erzählung  noch 
anderwärts,  nämlich  in  einer  hs.  des  klosters  Seitenstetten 
in  Ob  er  Ostreich  vorhanden  ist.  in  der  note  hei/st  es  ,rce  feit 
etoit  d'une  notoriete  bien  publique,    du  moins  dans  les  pais 


BURIDAN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH.    367 

ätrangers,  puis  qae  dans  la  Saxe  —  un  maitre  ez  arts  de 
l'universite  de  Leipsic  composa  en  1471  uu  petit  ouvrage 
sous  le  titre  de  commentariolus  historicus  de  adolescenlulis 
per  Biridanum  natione  Piccardum  ab  illicilis  cuiusdam  reginae 
Franciae  amoribus  retractis.  M.  Krause  qui  pag.  186  de  son 
Journal  literaire  aleman  imprime  in  8°  a  Leipsic  en  1715 
parle  de  cette  pi&ce  comme  etant  un  manuscrit  de  la  biblio- 
th&que  du  monastöre  de  Seilenstadl  dans  la  baute  Autriche, 
devroit  bien,  soit  dit  en  passant,  en  procurer  l'impression.' 
bei  der  berufung  auf  J.  G.  Krause  mnfs  eine  irrung  vor- 
gefallen sein,  denn  trotz  allen  nachsuchungen  habe  ich  we- 
der in  den  von  ihm  redigierten  neuen  Zeitungen  von  gelehr- 
ten sacken  noch  in  seinem  büchersale  das  citat  auffinden 
können. 

Nicol.  Jentsch   nennt  in  seiner  erzählung  die  königm 
schlechthin  Naverra;   aus  andern  nachrichten  erfahren  wir 
dafs    die    sage  damit  die  königin  Johanna   von    Navarra 
(f  1304).,  die  gemahlin  königs  Philipp  des  An  meinte,    das 
älteste  zeugnis   dafür  scheint  das  des  Robertus  Gaguinus 
(f  1501)  zu  sein,  der  in  seinem  Compendium  super  Franco- 
ram  gestis,  Paris  150b  fol.  im  In  buche  bl.  70  *b  sagt,  Fue- 
runt  quoque  insignibus  feminis  sua  fala,  nam  uxores  filiorum 
Philippi  tres  addulterii  insimulatae  sunt,  und  bald  darauf  ob 
banc   impudicitiam  insignium   mulierum   natam  fabulam  reor, 
quae  de  Joanna  Philippi  pulchri  uxore  a  rerum  imperilis  me- 
morari  solet,    eam  videlicet  aliquot  scholasticorum  coneubitu 
usam  eosque   ne  pateret   scelus,   protenus   exlinxisse  et  in 
Sequanam  amnem  de  cubiculi  sui  fenestra  abiecisse ;  sed  unum 
tantum  Buridanuin   eo  periculo  forte  liberatum  et  propterea 
sophisma  ab  eo  editum  esse  crcginam  interficere  nolite  timere 
bonum  est.'   fuit  siquidem  Buridanus  Joanna  posterior  u.  s.  w. 
Gaguinus  selbst  hält  demnach  das  gerächt  nicht  für  wahr; 
nach  seiner  Vermutung  wäre  zu  dessen  entstehung  der  um- 
stand veranlafsung  gewesen  dafs  die  drei  gemahlinnen  der 
söhne  Philipps  des  An,   Margaretha   Johanna  und  Bianca, 
des  ehebruchs  angeklagt  und  die  erste  und  dritte  als  schul- 
dig befunden  von  ihren  männern  verstofsen  wurden  (vergl. 
E*  A.  Schmidt  gesch.  v.  Frankreich,  Hamb.  1835,  1,723). 
es  haben  auch  andere,  wie  J.  Launoy  in  seiner  Regii  Na- 


368    BURIDAN  UND  DIB  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH 

varrae  gymnasii  historia,  Paris  1677.  1,  14.  15,  die  gehalt- 
losigkeit  dieses  gerüchts  zu  zeigen  versucht,  indem  sie  der* 
zuthun  sich  bemühten  dqfs  Buridanus  viel  zu  spät  nach  der 
k'önigin  Johanna  gelebt  habe,  allein  sie  bringen  kein  ent- 
scheidendes zevgnis  bei.  nach  dem  verfafser  des  artikth 
Buridati  in  der  biographie  universelle  (Noel)  soll  Buridan 
im  j.  1358  sein  nach  ihm  benanntes  haus  der  picdrdischen 
nation  vermacht  haben  und  man  schliefst  daraus  dqfs  Bu- 
ridan vielleicht  auch  in  demselben  jähre  gestorben  sei.  dem- 
zufolge kfinnte  Buridan  wohl  ein  zeitgenqfse  der  Johanna 
gewesen  sein,  glauben  wir  mehr  der  relation  des  Nicol. 
Jentsch,  nach  welcher  der  hundertjährige  greis,  der  ihm 
1460  in  Paris  die  geschickte  erzählte,  den  Buridan  in  sei- 
ner jugend  noch  gekannt  haben  will,  so  mttfs  dann  Buridan 
noch  über  das  jähr  1370  hinaus  gelebt  haben,  dies  erhält 
dadurch  einige  Wahrscheinlichkeit  dafs  ihn  Marsilius  ab 
Inghen  (f  1396)  in  seiner  Oratio  dictiones  clausulas  et  ele* 
gantias  oratorias  complectens,  Heidelb.  1499.  4.  ah  zeitge- 
nofsen  von  sich  auffährt,  wie  dem  auch  sei,  so  ist  gewiss 
die  k'önigin  Johanna  bei  dieser  geschickte  ganz  unbethei- 
ligt;  es  bestand,  ivie  wir  gleich  sehen  werden ,  eine  ältere 
an  der  Universität  Paris  haftende  sage,  die  sich  später  an 
Johanna  von  Navarra  aus  keinem  andern  als  dem  gründe 
anlehnte  weil  diese  kurz  vor  ihrem  tode  im  j.  1 304  das  col- 
legium  von  Navarra  stiftete  (vergl.  darüber  Launoy  a.  a.  o.). 
Nicolaus  Jentsch  hat  zugleich  mit  der  sage  noch  einiges 
von  dieser  Stiftung,  aber  in  grofser  entstellung,  erfahren. 
Die  sage  ist,  wie  ich  bemerkte,  älter,  wir  haben  ein  von 
Martin  Schlecht  oder  Schleich  in  des  Späten  ton  verfertig- 
tes gedickt,  welches  die  herausgeber  des  wunderhorns  2,  237 
vielfach  verändert  zuerst  bekannt  machten,  in  echterer  ge* 
statt  findet  es  sich  in  Görres  meisterliedem  s.  195  und  nach 
einem  fliegenden  blatte  aus  dem  anfang  des  16n  jh.  in  Ph. 
Max  Körners  histor.  Volksliedern,  Stuttg.  1840.  8.  s.  201, 
womit  der  text  in  dem  Frankfurter  grofsen.  liederbuche 
(v.j.  1599.  8.),  #°226,  im  ganzen  übereinstimmt,  dieses 
gedickt  hat  ganz  dieselbe  sage  zum  gegenstände;  in  ihm 
tritt  aber  Albertus  Magnus  an  die  stelle  des  späteren  Bu- 
ridanus.    aufserdem   dafs  in  diesem  gedickte  die  sage  sich 


BÜRIDAJ*  UND  DIB  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH.    369 

■  einfacherer  gestalt  erhalten  hat  (die  zahl  der  von. der 
inigin  umgebrachten  ist  z.  b.  nicht  99,  sondern  nur  9) 
ird  auch  nur  einer  königin  von  Frankreich*  nicht .  von 
marra  gedacht,  die9  nachdem  es  ihr  mit  Albertus  M. 
isslungeny  auf  seine  ermahnungen  in  ein  klostet  geht*  ** 
im  sie  noch  18  jähre  in  reue  und  leid  zubringt.  Albertus 
F.  (geb.  1205)  befand  sich  um  das  j.  1230  in  Paris;  nach 
m  alten  Hede  mäste  es  dann  Bianca  von  Castilien  (f  f  252), 
Uwe  Ludwigs  des  8«,  sein  mit  welcher  er  verbotenen  um 
tngs  pflog,  dafs  die  ältere  sage  diese  Bianca,  auch  meinte 
>,ht  aus  einem  späteren  Zeugnisse  hervor,  der  dichter  Jo 
innes  Secundus  machte  im  jähre  1532  eine  reise  nach  Frank- 
ich;  in  Paris  sah  er  das  an  der  Seine  gelegene  schlofs 
n  welchem  herab  nach  der  sage  die  königin  Alba  ihre 
tbhaber  durchs  fenster  in  den  flu/s  gestürzt  haben  sollte; 
hat  darauf  das  folgende  gedieht  gemacht  (ppp.  LB, 
151.   12.  s.  119  und  s.276). 

In  arcem  reginae  Albae  Parisiis. 
Cernite  flaventes  ubi  volvit  Sequana  lymphas 
Semirutam,  fertur  quam  coluisse  prius  . 
Effera  funestae  regina  libidinis,  arcem. 

Nunc  ultorc  mali  üt  tempore  sola  iacet 
Et  quassata  undis  ventis  habitatur  et  imbri, 
Multa  ubi  ferales  nocte  querantür  aves, 
Cypris  ubi  mitis  flammas  exosa  cruentas 

Chaonias  sedem  ponere  nolit  aves, 
Qua  strix,  qua  Furiae  volitent  et  plurima  fatam 

Exululet  raucis  questibus  umbra  suum. 
Sic  domus  aeternum  numerosae  conscia  caedis 

Impia  lalscivae  facta  luit  dominae. 
Labuntur  lentis  et  condemnata  ruinis 

Implorant  hominum  pendula  saxa  manus. 
Implorant  frustra:   stant  haec  rata  lege  severa, 

Instauratricem  ne  ferat  ullus  opem, 
Aut  subeat  gladios  pretium  pietatis  iniquae 

Et  quis  adbuc  ausit  facta  nefanda  sequi. 
En  etiam  saxis  mortem  censura  minatur 

Longaque  post  cineres  stant  monimenta  mali. 
m  sieht  wohl  leicht  dafs  Alba  der  latinisierte  name  ist  für. 
Z.  F.  D.  A.    II.  24 


370    BURIDAN  UND  DK  KÖNIGIN  VOty  FRANKREICH 

Bianca,  wenn  die  geschickte  auch  nichts  erwähnt  was  im- 
serer  sage  historische  Wahrscheinlichkeit  verleihen  könnte, 
so  hat  sie  doch  mehreres  über  Bianca  von  Castüien  über* 
liefert  was  die  keuschheit  dieser  königin  stark  verdächtigt 
(vergl.  Bayle  dict.  u.  d.  artikel  C&sl'iWe  und  Schmidt  a.a.O. 
s.  487). 

Der  alte  französische  dichter  Francvis  Corheml  iit 
Villon  gedenkt  der  sage  in  seiner  bailade  des  dames  da 
temps  jadis  (Recueil  des  plus  heiles  pidces  des  poMes  Fran- 
cois  —  par  Barbazan.  Paris  1692.  12.  1,  11)  mit  folgen* 
den  Worten  9 

Semblablement  oü  esl  la  reyne, 
Qui  commende  que  Buridan 
Fast  jette  en  ung  sac  en  Seine? 
und9  wahrscheinlich  nach  dem  deutschen  äede9  Eyering,  pro- 
veriiorum  copia  1,4, 

Dann  als  der  Albertus  Magnus 
Nicht  (wie  andre)  so  tröstlich  was, 
Verricht  er  doch  der  königin  mort 
Aus  Franekreich  durch  die  vöglein  zart, 
Den  er  die  zettelin  in  mund 
Dergestalt  in  jhr  schneblin  bund, 
Das  wo  sie  sich  salzten  zu  essen  ; 
Der  zettelin  im  mund  vergessen 
Sie  fallen  liessen  zu  der  fahrt, 
Dardurch  jhr  mort  verrahten  ward, 
Vnd  in  jhrn  reich  vnd  garitzen  iandt 
Ein  mörderin  alldo  genandt, 
Die  neun  Studenten  bracht  Utahs  leben, 
Gott  wol  jhr  solche  sünd  vergehen. 
Der  durch  den  abschreiber  sehr  verunstaltete  toset  der 
erzählung  von  NicoL  Jentsch  bedarf  noch  der  verbefserung, 
die  sich  mit  hilfe  einer  zweiten  hs.  leicht  ergeben  würde; 
durchfreundliche  beihilfe  des  Herausgebers  dieser  Zeitschrift, 
dem  ich  das  ms.  vorher  mittheilte,  sind  indessen  mehrere  stel- 
len lesbar  gemacht  worden  deren  Herstellung  mir  nicht  hatte 
gelingen  wollen.  —  scophiludus  s.  303,  7  ist  balispiel ;  Du- 
cange  gibt  wohl  unrichtig  scopha  pila,  QalHce,  pale,  fir 
scophus.  HERM»  LEYSEft. 


371 


ZU  SILVESTER. 

>&•  156.  daz  (er)  dicke  und  ofte  dö 

vrömder  geste  vil  gewaa.    Haupt. 

2.  tugentlöse  wiht. 

0.  dtsiu]  diu.  mir  scheint  disiu  in  der  Senkung  und  mit 
verschliffenem  anstaut  zu  hart  für  Konrad.  H.  —  ich 
habe  dieselbe  Vermutung  gehabt,  aber  wieder  gestri- 
chen weil  Konrad,  wenigstens  im  Silvester,  jenes  de- 
monstr.  liebt,  vergl.  197.  2256,  2306.  3857.  4414. 
5039.  5160. 

2.   verswein. 

27.   ab  ich?  H. 

25.  beide  setzen  die  abschreiben  so  willkürlich  dqfs  ich  es 
auch  hier  lieber  ihnen  zutraue  als  dem  dichter  gegen 
die  regel  (Lachmann  z.  Nib.  .646,  1).  4874  /.  und. 
im  Silvester  Schemen  mir  die  zweisilbigen  miftakte 
leicht  hinweg  zu  räumen.  12.  104.  1730.  1812.  2133. 
2310.  2395.  2847.  4622.  5171  und.  588.  633.  1126. 
2627.  2643  dann  oder  dan.  749  iur.  1054  eim. 
1215  wir  sin  [ber]  üf  dise  erden.  1892  leit  {vergl. 
2026).  1903  über  aircemisch  riebe.  2165  prüef.  2228 
müez.  2542  geläzen  ohne  oueb  oder  oueb  läzen.  2673 
umb  oder  um.  2877  uf.  2895.  4755  als.  3073  würd. 
3080  selb.  3291.  4098.  5158  und.  3332  so  bedarf. 
3427  weil.  3498  reht.  3501  muost.  3797  wenn  aber 
oder  wenae  ab.  3867  wolt.  3981  swig.  4453  müg. 
4632  swenn.  4643  an.  4736  von  prime.  4823  runt. 
4843  und  bnoben.  5022  ezn  müge.  H.  —  ich  bemerke 
dagegen  folgendes,  beide  findet  sich  gold.  schm.  844 
in  ganz  gleicher  Stellung  und  wird  durch  das  Zeugnis 
von  zehn  handschriften  geschützt,  freilich  läfst  der 
zweisilbige  auftakt  in  den  meisten  fällen  sich  mit  leich- 
Ugkeit  wegschaffen,,  und  ich  kann  noch  weitere  ver- 
befserungen  dieser  art  vorschlagen.  927  umbe  ge- 
aist.    1111  waer.    1353  wann.   1904.3086.  3506  als. 

24* 


372  ZU  SILVESTER. 

2297  keiner.    3097  irdisch.    3453  od.    3454  sprach  er 
ist  zu  löschen,    ferner  gold.  sehn.  847  ders.  troj.  kr. 
1687  uz.    2593  ich  wil  statt  du  wil  ich.    24651  daz  ist 
zu  streichen.   5383  iu  weiz.    15932  oug  über  ouge  zal- 
ler.  24651  daz  fällt  weg.    es  fragt  sich  aber  zunächst 
ob  die  herbei  geführten  kürzungen  auch  alle  für  Kon- 
rad zuläfsig  sind:    von  einigen,  z.  b.  von  iur,   od, 
möchte  ich  es  noch  nicht  behaupten,  dann  aber  bleiben 
noch  andere  fälle  zurück  wo   sich   der  zweisilbige 
auftakt  nicht  wohl  entfernen  läfsty  z.  b.  Silvester  937 
man   bevalch   diu  reinen  kindelin.     2948  einen  men- 
schen suln  wir  machen,  2959  einen  menschen  sul  wir 
bilden,  die  kärzung  ein  oder  einen  hat Konrad schwer- 
lich gebraucht.     1209   wir   sin  Pöter  unde   Paulus. 
3450  weder  was  daz  erlriche.   gold.  schm.  1999  von 
der   engel   süezem   schalle,     unter  diesen  umständen 
scheint  es  mir  angemefsener  die  regel  noch  nicht  fest 
zu  setzen  sondern  das  zeugnis  der  handschriften  zu 
erhalten,  erlaubt  halte  ich  mir  im  Silvester  nnd  für 
unde,  vergl.  zu  113,  auch  4720  drin,  weil  es  durch 
gold.   schm.  5  gesichert  war.     2877  uffe   hatte  ich 
selbst  schon  bezweifelt,  s.  vorr.  xi.  -r-  [937  könnte  rei- 
nen, 3450  weder  entbehrt  werden.     1209  würde  ich 
an  P&tr  und  Paulus  nicht  viel  größeren  anstqfs  neh- 
men als  an  sein  209.    aber  1263  die  getauften  gotes 
knebte  weifs  ich  nicht  mit  Wahrscheinlichkeit  zu  än- 
dern, da  man  gotes  nicht  wohl  streichen  darf:  viel- 
leicht getaufte  gotes  knehte?  leichter  läfst  sieh  3754 
ändern,   die  geburt  entslöz  uns  [Jesus]  Crist.     auch 
die  zweisilbigen  auftakle  der  goldenen  schmiede  la 
fsen  sich  fast  alle  durch  genauere  Orthographie  hin 
weg  schaffen.  146  swenn.  623  dürr.,  641  künn.  670 
1817  würd.  688.  930.  970.  1374  vrow  (wie  74. 1874) 
1007.  1322  schön.  1172  müg.    1255  z  ei  ib.  1269  denn 
1279  verr.    1370  het.    1851  grüen.  1881  schier.  1987 
manc.    847  würde  ich  lieber  leit  als  ders  schreiben, 
es  bleiben,  außer  jenem  beide  844,  nur  drei  beispiele 
übrig.    14  oder:  die  hss.  schwanken  und  deuten  da- 
durch gerade,  auf  od.  1384  der  geschepfde  sin  ze  löne: 


ZU  SILVESTER,  873 

■to   lesen  nur  acg,   die  pergamenthandschriften  wei- 
chen ab;  doch,  glaube  ich,  liegt  in  jenem  das  wahre 
der  geschäpfde  ze  ldne,   denn  sin   ist  im  gegensatze 
su  dem  folgenden  der  schepfer  sich  ervrischete  ganz 
entbehrlich.     1999  das  oben  erwähnte  von  der  engel 
sü'ezem  schalle :  hier  möchte  ich  sü'ezem  streichen.  //.] 
395.    guote  war.  Konrad  liebt  die  silben  zu  zählen,  warum 
sollte  er  hier  die  Senkung  fehlen  lafsen,   wo  guote 
war  doch  die  gewöhnliche  redensart  wäre?    H.  — 
wir  sind  nicht  gewiss,  da  die  ßexion  wegfallen  kann, 
vergl.  gramm.  4,  482.  freilich  steht  auch  troj.  kr. 
158*  keine  war,    aber  das  entscheidet  noch   nicht, 
denn  gleichformigkeit  ist  nicht  nöthig,   auch  nicht 
natürlich,    die   letzte  Senkung  fehlt  in  dem  gedieht 
nicht  selten,  z.  b.  862.  879. 1030.  1744.  2213.  2987. 
3478.  —  [in  diesen  beispielen,  mit  ausnähme  des  letz- 
ten, fehlt  die  Senkung  mitten  in  einem  worte,  prisant, 
ungeloubhaft  (vergl.  geloubhaft  1420,  dagegen  gelou- 
behaft  2812),  härschaft  (aufser  1030  noch  1110.2553), 
andäht.  (außer  17 44  noch  4435.  4521.  5189),    äkust 
(aufser  2213  noch  3726),  Silvester  (aufser  2$87  noch 
111.  169.  242.  419.  868.   1225.   1284.    1458.  1464. 
1686.  2786.  2987.  3084.  3380.    3389.   3924.    4089. 
4549.   4590.    Silvestrd  423.    724.  853.  1505.  1864. 
2974.  5131.    Silvestrum  293).    ich  fuge  die  übrigen 
beispiele  hinzu,     urdrutz  5.   bischaft  19.  3875.  3892. 
4135.4263.4281.  Liutolt 80.  Justä  105.  Cyrimisll6? 
Thyraotäus  166.  198.   Thymot&nm  294.    biscfaof  246. 
Paulo  279.     Paulus  1408.  1429.  1488.    unreht  339. 
gesuntheit  493.  hantgift534.  zwelfhote  582.   ursprinc 
654.  5032.     freislich  728.    gotheit  751.  2818.  2940. 
3701.  3712.  4095.  4119.    Petrus  774.  805.    Hdnörä- 
tus781.   serpant  796.   palas  951.  1086.   1748.  4601. 
palastl834.    sieebeit  1004.2541.  meiatät  1019.  tump- 
lich   1067.      gewonheit  1091.     billich    1095.      4316. 
siechtagen  1222.  1679.  1849.    pfafheit  1229.   Seraptin 
1283.  götlich  1427.   buochstaben  1482.  4725.  gewaer- 
haft  1605.    Jonas  1653.  1664.    samztages  1695.    Sau- 
los  1801.  vriheit  1877.  demuot  1977.  menscheit2165. 


374  ZU  SILVESTER. 

2784.  3724.  4207.  4374.  urloup  2197.  wistuom  2211. 

2458.   abgote  2301 .    wärheit  2455.  2643»  2744.  3243. 

3941.4531.4946.  diensthaft 2480. 5186.  volkist 2506. 

Botschaft 2567.  J6as2749.  Gdddlias  2750.  Annan 2752. 

Kusi  2755.  3467.     Davit  2900.  3012.     trehttn  2946. 

3008.  3462.  3532.  3878.  5138.   wonhaft  3057.   dürnin 

3069.  3184.  4464.   Ysäiä  3091.    Ysäiaä  3398.    wis- 

s«*ge  3101.  3151.  3225.    wissagen  3277.  3301.  3333. 

4321.  gewissaget3359.  Zachanas 3122.  wisheit3137. 

Jddas  3161 .  J&remias  3187. 3213.  dannoch  3475. 3485. 

antwurt  3573.  3603.  4002.  4577.  4679.   arbeit  3641. 

4120.  4140.  4756.   välant  3838.  4902:    hovart  3839. 

3860.  vräzheit  3879.  3897.  unkast  3977.  4424.  4541. 

Jobal  3989.  4083.   Tharä  4223.   smächeit  4329.  urhap 

4403.     als6  4483.    Zambri  4642.  4658.  4741.    unlob- 

same  4674.    freissam  4912.  5040.     freissamen  5066. 

urteil  4927.     einige  dieser  beispiele  würden  an  sich 

nichts  beweisen,  da  mit  vollerer  form  der  Wörter  sich 
die  fehlende  Senkung  gewinnen  liefse,  goteheit  ge« 
woneheit  götelieh  dienesthaft  (wie  20  steht)  boteschalt 
arebeit  unlobesame;   es  bleiben  genug  übrig  denen 
man  nichts  anhaben  kann,  die  goldene  schmiede  bie- 
tet folgende  belege,    richtuom  55.   trotfrit  97.    Fraa- 
ciscus  155.  brfitstuol  307.  urhap  357.  forest  467.  got- 
heit  581.  784.  1633.  1651.     güetlich  589.    Affer  811. 
.    Cuonrät890.   menscheit  961.  1733.   arbeit  1067.  vol- 
leist!138.   ursprinc  1141.    wirouch  1404.  sidin  1417. 
gewis saget  1722.   zwivalt  1750.    trehtin  1939.   wissa- 
gen 1967.     viel  seltener  als  mitten  in  einem  wort» 
läfst  Konrad  die  letzte  Senkung  des  stumpfen  verses 
nach  einem  Worte  fehlen.     Silvester  1246  wird  viel* 
leicht  statt  dri  stunt  bejser  geschrieben  dristunt,  wie 
gold.  schm.  507.  unsicher  ist  dri  tage  762.  1545,  da 
drie  tage  wohl  so  gut  als  in  Hartmanns  Gregor  1540 
stehen  dürfte,  und  bereit  was  1749,   da  bereite  gar 
zu  nahe  liegt,   muot  was  950,  iatin  wol  2711  werden 
des  herausgebers  wahrscheinlichen  Vermutungen  wei- 
chen missen.  4198  vermutet  er  dise  nÄt  für  die  not; 
ml  demselben  fechte  wird  man  2053  ditze  heil  für 


ZU  SILVESTER.  375 

I 

Akz  heil  vorschlagen  dürfen.  1544  (nü  iuo>  mit  wil- 
len daz  ich  dir  sage  würde  al  vor  daz  vertrugen,  es 
bleibt  übrig  drizic  jÄr  alt  458.  zwei  jir  841.  iant  sin 
(«u>  ifecA  der  Herausgeber  rieht  sin  vorschlagt)  928. 
sprach  er  2988.  bröt  az  3154.   dorn  nie  3478.  in  den 
zweitausend  zeilen  der  goldenen  schmiede  fehlt,-  wenn 
ich  nichts  übersehen  habe,    die  letzte  Senkung  nur 
zweimal  anders  als  mitten  in  einem  werte.  1986  diu 
saane  erlasch  und  wart  sal,  873  diu  doch  die  reinen 
bluot  birt.  allein  die  zweite  stelle  ist  unsicher,  denn 
ein  tkeü  der  hss.  bietet  diu  doch  den  schämen  bluo- 
mem  birt,  aus  dieser  Zusammenstellung,   bei  der  ich 
mich  absichtlich  auf  den  Silvester  und  die  goldene 
schmiede  beschränke,  ergibt  sich  die  Möglichkeit  dq/s 
1395  guot  war  richtig  ist,  aber  zugleich  die  unwahr- 
schcuüickkeit ;  denn  einfallen  muste  dem  dichter  das 
üblichere  guote  war.  HJ\ 
18-    gewaltic.  denn  kein  and&r  gewaltic  ist  scheint  mir  ge- 
schmeidiger. H.  —  aber  Konrad  legt  selten  die  he- 
bung  auf  ein  tonloses  e,  zumal  bei  zweisilbigen  Wör- 
tern,   vielleicht  bewähren  sich  nicht  einmal  die  bei- 
spiele  die  Hahn  zu   Otto   158   a/{/iihrt9    wenigstens 
ist  gold.  schm.  378  zu  streichen,   und  warum  sollen 
wir  den  dichter  noch  geschmeidiger  machen  als  er 
schon  ist?  —  [dq/s  ich  mit  unrecht  lein  ander  ge- 
waltic ist  vermutet  habe  mufs  ich  einräumen,  ebenso 
dafs  ich  3725  mit  unrecht  die  lesart  der  handschri/i 
in  schütz  genommen  habe,  aber  an  kein  Ander  gwal- 
tic  ist  nehme  ich  immer  noch  anstofs.   denn  was  ich 
von  der  letzten  Senkung  bemerkt  habe  (zu  1395), 
dafs  Konrad  sie  mitten  in  einem  worte  häufig  feh- 
len läfst,  nach  einem  worte  sehr  selten^  das  gilt  auch 
in  hinsieht  jeder  andern  stelle  des  verses.  im  Silvester 
fallen  vielleicht  einige  beispiele  durch  andere,    dem 
dichter  nicht  ungemäfse,  betommg  hinweg,  1958  und 
lie  vliezen  tougen.     2978  daz  sun  vater  unde  geist. 
4483  bok  gegen  bökke  also,     einige  stellen  erledigen 
sich  wenn  man  genauer  schreibt,   229   hiez   er  que- 
len  unde  skhn,  346  ich  wil  dich  quelen  harter.  4724  an 


376  ZU  SILVESTER. 

die  schalen  silberm.    4899  der  stier  verloren  hat  sin 
leben,    hierher  gehört  auch  2439  mit  guoter  schritte 
vollekomen  (schrifte  wie  2771).  vom  herausgeber  sind 
verbefsert  665  und  guot  geniste  (Jur  guote  genist)  haßte 
und  3279  daz  anrehte  (Jur  nnreht)  waenest  du.  unver- 
ständlich und  verderbt  ist  3426  der  uns  wart  noch  ge- 
d4ht.   bei  1039  den  wagen  nf  dem  er  saz  wird  man  fra- 
gen können  ob  nicht  hier  das  2897  verworfene  (s.  zu 
1325)  äffe  stehen  darf,  wodurch  der  vers  alle  Senkun- 
gen erhält  wie  1642.    leicht  zu  ändern  ist  4981  den 
pbarren  daz    er    geniset   in    disen   pharren    daz    er 
gniset.  von  den  beiden  seilen  4952/1  daz  er  tot  unde 
leben  Beide  mac  vil  wol  geben,   die  hinter  einander 
Ronrad  gewiss  nicht  so  geschrieben  hat,  ist  die  zweite 
sicher  durch  gegeben  zu  verbefsem,   vergL   4961/ 
daz  du  wider  mäht  gegeben  Dem  ohsen  ein  gesundez 
leben:    die  erste  zeile  weifs  ich  mit  Wahrscheinlich- 
keit nicht  zu  ändern,   endlich  gehören  nach  der  ge- 
wöhnlichen betonung  hierher  338  und  wärt  sin  zöro 
alse  groz,  4612  ich  weiz  einen  gotes  nämen.   in  der 
goldenen  schmiede  steht  695  wazzer  fiur  erde  luft, 
aber  Ronrad  kann  die  unorganische  aber  nicht  seltene 
form  fiwer  gebraucht  haben.  1310  kann  man  vielleicht 
lesen  din  heil  sime  glücke.  432  f.  würde  ich  maudel- 
kerne  vorziehen,  denn  Ronrad  kann  neben  der  star- 
ken form  auch  die  schwache  gebraucht  haben,   und 
er  zog  sie  vor,  wenn  die  folgende  ansieht  richtig  ist. 
Senkungen,  aufser  der  letzten,   läfst  Ronrad  mitten 
in  einem  worte  im  Silvester  mehr  als   achzig  mal, 
in  der  goldenen  schmiede  ungefähr  dreifsig  mal  feh- 
len,  unter  so  vielen  beispie ten  ist  beinahe  kein  ein- 
ziges völlig  sicheres  von  fohlender  Senkung  nach  er- 
ster den  vers  beginnender  hebung.    denn  Silo.  2515/ 
sit  du  von  den  touben  Abgöten  bist  getreten  beweist 
nichts  ehe  man  nicht  darthut  da/s  Ronrad  nicht  abe- 
göten  sagen  konnte,   welche  form  hier  und  da  er- 
scheint.   380  heifst  es  man  sol  dich  underwisen  Daz 
Thymot&us  niht  enwas  Meintaetic,  wand  er  las  In  sins 
edeln  herzen  muot.     hier  hat  Grimm  bereits  bemerkt 


ZU  SILVESTER.  377 

dafs  in  (Christum),  fehlt,  ich  möchte  aber  dieses  in 
nicht  zu  anfange  des  letzten  verses  einschalten,  son- 
dern so  schreiben,  Meintaetic,  wände  er  in  las  In  sines 
u.s.  w.  so  ist  mit  dem  anstoße  des  sinnes  hinweg- 
geräumt was  mir  bei  Konrad  ein  metrischer  anstofs 
scheint,  es  bleiben  drei  verse  übrig  (2759. 3922..  3963) 
in  denen  die  erste  Senkung  des  verses  nach  der  er- 
sten silbe  des  namens  Archöl  oder  Ark&l  fehlt,  da 
aber,  wie  in  der  anmerkung  zu  2759  angegeben  wird, 
die  kaiserchronik  die  legenda  aurea  und  das  passio- 
hal  einstimmig  Aroel  haben,  so  scheint  mir  bei  Kon- 
rad Arob&l  die  richtige  Schreibung;  daraus  ward 
zuerst  Archel,  dann  Arkel.  wenn  also,  wie  es  scheint, 
Konrad  an  dieser  stelle  des  verses  die  Senkung  selbst 
mitten  im  worte  nicht  leicht  hat  fehlen  lafsen,  so  dünkt 
es  mich  unwahrscheinlich  dafs  er  sich  dies  nach  einem 
worte  eher  erlaubt  haben  sollte,  ich  hatte  also  4750 
meine  Vermutung  frechen  unde  geilen  für  sicher,  denn 
ein  dichter  wie  Konrad  gebraucht  zwar  manches  äel* 
tene  des  verses  wegen,  schwerlich  aber  gegen  seine 
metrische  gewohnheit  ungewöhnliches  wo  das  gewöhn- 
liche ihr  vollkommen  entspräche.  4049./I  wo  die  hs. 
Davide  und  zide  gibt,  möchte  ich  nicht  lesen  ouch 
sprach  zuo  hern  Davit  Göt  in  der  alten  zit :  sollte  der 
dichter  nicht  geschrieben  haben  ouch  sprach  zuo  hern 
Dävite  Got  in  der  alten  zite  ?  freilich  Davites  in  den 
ahd.  Wiener  fragmenten  (n,  18.  vm,  21.23)  beweist 
dafür  nichts.  1104/1  heifst  es  ich,  der  mit  miner  hant 
Han  überwunden  elliu  lant:  hier  will  ich  mich  aller 
Vermutungen  enthalten  und  glauben  dafs  durch  die 
fehlende  Senkung  der  nachdruck  des  ich  erhöht  wer- 
den soll,  aber  1418  ist,  glaube  ich,  zu  schreiben  kein 
■ander  got  gewaltic  ist  Wan  der  vil  reine  süeze  Crist : 
jvor  dem  folgenden  worte  konnte  got  leicht  autfallen, 
und  der  Zusammenhang  fordert  beinahe  dieses  wort,, 
denn  vorher  geht  des  kaisers  meirvung  dafs  Petrus 
und  Paulus  mügen —  vil  üz  erweite  göte  wesen.  H.~\ 
»38.  und  gerne  leisten  d.  g.,  abhängig  von  niht.  ich  gebe 
zu .  dafs  ungern  möglich  ist,  aber  auch  der  ausdruck 


378  ZU  SILVESTER. 

dünkt  mich,  bei  verbindendem  und,  passender  wem 
und  gerne  geschrieben  wird.  H. 
1897.   drftne  Benecke  (Gott.  anz.  1841  s.  728).  es  mäste  wohl 
des  ftne  heifsen;  aber  das  erlaubt  das  versmq/s  nicht. 
vergL  Walth.  31  >  10  sich  dran  Uzen. 
2156.   müezent.  denn  Uzen  2672  ist  wohl  1*  phtr.  praes. 
conj.  H.  —    Hahn  hat  schon  vorr.  zu  Otto  s.  9  anm. 
die  2a  plur.  praes.  auf  -en  bei  Konrad  nachgewiesen; 
dazu  Jüge  ich  troj.  kr.  21266  ir  versehen  im  reim  auf 
speben.  in  einem  spätem  gedieht  (aitd.  wälder  2, 142, 
240.  Hätzlerin  129b)  ir  erkalten :   spalten. 
2550.   du]  ich  glaube  dnn  (=  du  in),  gerade  wegen  2280. 
2320.  vergl.  noch  2880.  4880.  H.  —  ich  hatte  es  auf 
D&vides  riche  bezogen,  aber  allerdings  wird  es  befser 
mit  der  jiiden  got  2545  in  Verbindung  gebracht. 
2674.   swederz,  vergl.  2681^.  H.  —  sweiders  hat  die  Hand- 
schrift, und  teil  keifst  hier  partei,  wie  2838  der  Ju- 
den teil. 
2765.   der  eilift.  H. 

2779.   siner  B.  und  H.  —  ich  glaube  auch,  siner  ist  rich- 
tiger, aber  ich  bin  nickt  ganz  gewiss,    vergl.  Grajf 
präpos.  .82.  Iwein  3273. 
2782.  einen  (druck/.). 
2876.  wellent  daz. 
3437/*.  vielleicht 

und  an  der  schritt;  gelesen  ie 

daz  got  den  Ersten  menschen  hie  (—den  ersten  men- 
schen der  hier  war).  H. 
3451.   Adam. 

3725.  mit  der  handschrift  s6  wsere  Ad&m&s  verinst  (oder 
'Adämes.  H.  —   3471.  3498.  3510.  3528.  3688.  3730. 
3763  Adam,   3451.  3503  Adam,  3587  Adame,    3512. 
3520.  3683  Adamen  sind  sicher,  aber  Ad&m&s,'Adäm&s 
hier  ohne  beispiel  und  fUr  Konrad  bedenklich. 
3837.   der  wiss&ge  Davit,  denn  da  wider  «f  nur  ein  schreib- 
fehler  den  der  Schreiber,    als  er  das  richtige  Davit 
gleich  selbst  setzte,  auszustreichen  vergq/s.  H. 
$.141.  unten  in  der  anmerkung  l.  4351  statt  4356. 
4307.   ze  den]  ze  rede  ?  H . 


ZU  SILVESTER. 

•  <*r  wohl  am  besten  hinter  bok.  H. 

•  iueh.  H.    steht  mich  in  der  Aandschri/t. 

'.  frechen,  grammatisch  mag  sich  frech  verteidigen  la- 
fsen,  aber  es  ist  unwahrscheinlich  dafs  Konrad  ohne 
noth  die  seltene  ausdrucksweise  gebraucht  und  damit 
gegen  seine  gewohnheit  die  Senkung  aufgegeben  haben 
sollte.  H. —  bei  blqfser  Wahrscheinlichkeit  gestatte  ich 
noch  keine  änderung  der  handschrift,  und  hier  kann 
ich  nur  eine  Vermutung  sehen*   eine  Senkung,  sogar 
zwei  in  derselben  zeile,  läfst  Konrad  nicht  allzu  selten 
fehlen.—  [s.  zu  1418.  H.] 
I.   triuget  B.  —  ich  stimme  vollkommen  bei.   die  hand- 
schrtft  hat  trüget,  demnach  ist  auch  die  bemerkung  in 
dervorr.  Vii  und  vm  zu  streichen. 
>.  triuwen  (druck/.). 

Ich  habe  im  Silvester  allzeit  (218.840.3327. 33dl.  3474. 
.  3766.  4442.  4474.  4520.  4965.  5026.  5063  offenbar 
hrieben ,  nicht  offenbar ,  weit  ich ,  Schmellers  ansieht 
rff  1,  163)  beistimmend,  jenes  fiir  das  richtigere  halte, 
weil  Konrad,  wenn  auch  nur  in  einzelnen  füllen,  a  :  ä 
et  und  anderwärts  bei  ihn  {Engelhard  bog.  Q  11)  offen* 
gar  vorkommt,  wie  bei  Friedrich  dem  knechtMS.  2, 116% 
re  schwanken.  Neidhard,  dem  a  und  k  im  reim  kaum  ei* 
unterschied  zumachen  scheinen,  gebraucht  offenbar  (Be- 
e  s.  340.  358.  439)  ebenso  oft  als  offenbar  (Benecke 
£4.  Wackemagel  lesebuch  1,  513,  29).  der  Meisner 
ngb.27h)  reimt  das  wort  mit  jär  und  schar,  der  dichter 
ifrieds  von  Braunschweig  mit  gevar  (Uannöv.  hs.  bl.  149d) 
jär  (206*).  allein  da  Konrad  das  wort  vorzugsweise  auf 
reimt  {im  Silvester,  und  Otto  391.  troj.  kr.  4995«  5063. 
J.7391. 10505. 12933.16313.18890.19181.21642.21835) 
andere,  welche  a :  ä  zulafsen,  wieFreidank  23, 17.  42*  5, 
itenstein Fronend.  27, 16,  blofs  offenbar  zeigen,  so*  glaube 
jetzt*  geht  man  sicherer  wenn  man,  wenigstens  JUr.  diese 
ter,  ein  unorganisches  offenbar  als  adj.  und  adv.  annimmt, 
ist  auch  Haupts  meinung.  dazu  kommt  dq/ß  Gottfried,  der, 
iel  ich  wei/s,  kein  a :  ä  gestattet,  freilich  nur  einmal  (in 
lobgesang,  bei  Wackemagel  leseb.  1,431,27),  offenbar 
war  reimt :     er  gebraucht  daneben  das  adj\   offenbare 


380  ZU  SILVESTER« 

(Trist  10997.  17716.  lobgesang  str.  56  Hagen,  auch 
andern,  z.  b.  in  Rudolfs  Barlaam  322,  40  und  in  dem  un- 
echten Hede  Konrads  MSH.  3,  340*)  und  das  adv.  offenbare 
(Trist.  15069,  vergl.  Waliher  7,20.  Stricker  ged.  3,33. 
Biterolf  13286).  dieses  adj.  mag  den  langen  vocal  veranlaßt 
haben,  der  in  dem  ahd.  offanpar  und  offanparo  nicht  darf 
vorausgesetzt  werden;  ein  niederdeutsches  uffinb&re  kommt 
aber  im  reim  auf  h&le  schon  im  zwölften  Jahrhundert  vor 
(Hoffmann  Jundgr.  2,  136,  15). 

ZUR    GOLDENEN    SCHMIEDE. 

lies     xxm,  3.  4.  aus  der  kaiserchronik  sind  einige  büß- 
sehe  gleichnisse  von  der  Jungfräulichkeit  anzuführen. 
xlix,  5.  Dävides.  142.  lebermer.  284.  brat. 

1085.  ir         1285.  ähte  Lachmann.         1466.  kuochen. 

WILHELM  GRIMM. 

WATE. 

Jacob  Grimm  hat  (oben  s.  5)  aus  dem  reime  Waten :  ge- 
raten im  Alexander  und  aus  der  ags.  Schreibung  Vada  der- 
gethan  da/s  man  Wate  schreiben  mvfs  und  nicht  W&te.  du* 
bestätigt  die  Gudrun. 

232,  2  (928)  da  man  Waten  den  alten  |  bi  sinen  beiden  vant. 
357,  1  (1427)  der  fürste  Hagene  fragte  |  Waten  und  sine  man. 
507,  1  (2027)  dö  kam  der  degen  Fruote  |  and  Wate  mit  si- 

ner  schar. 
509,  4  (2038)  zeHagenen  dem  wilden  |  hiezen  si  Waten  den 

alten  dringen. 
514,  1  (2055)  dö  gieng  üf  Waten  den  alten  |  der  ktraic  mit 

gr6zen  siegen. 
520,  3  (2081)  er  künde  [da]  Waten  den  alten  |  niht  von  im 

bringen. 
522,  2  (2088)  er  kam  ze  Waten  dem  alten  |  daz  was  dem 

helde  leit. 
687,  4  (2750)  und  wil  nach  Waten  dem  alten  |  unde  nach 

den  andern  . . .  senden. 
889,  1  (3555)  swä  man  Waten  den  küenen  |  in  stürmen  ie 

vemam. 


WATE.     ZUR  GUDRUN.  381 

•25',  I  (8699)  dd  sprach  Wate  von  Stürmen  |  cieh  mag  iuch 
niht  verdagen. 

1185,  4  (4544)  Wate  mit  sime  gesinde  |  was  dem  magn&ten 
komen  al  ze  n4hen. 

1897,  4  (5592)  si  vorhten  Waten  den  alten  |  alse  einen  grim- 
men lewen  wilden. 

1457,  2  (5830)  Waten  und  sine  man. 

1465,  3  (5868)  ich  muoz  ze  Waten  dem  alten :  |  swie  mir  da 
gelinge. 

1466,  3  (5867)  dobestuont  er  Waten  den  grimmen.  |  daz  was 
dem  beide  ein  6re. 

1468,  I  (5873)  Wate  vil  zorniclichen  |  lief  Hartmnoten  an. 
1470,  3.  4  (5883/.)  ez  was  ein  michel  wunder  |  daz  dd  Hart- 

mnot 
von  Waten  niht  muoste  sterben :  |  vil  grimme  was  der 

recke  gemnot. 
480,  3  (5923)  nü  st&t  der  recke  Hartmnot  |  vor  Waten  in 

gr6zer  freise. 
ille  diese  seilen  können  nicht  richtig  gelesen  werden  wenn 
Ron  nicht  Wate  oder  Waten  zu  einer  silbe  verschleift. 

Einige  zeilen  lafscn  sich  nun,  da  wir  die  richtige  form 
fcf  namens  kennen,  leicht  aus  ihrer  Verderbnis  herstellen  und 
dienen  so  zur  bestätigung. 
►29,  4  (1318)  die  frowen  erbiten  küme  |  unz  si  die  site  an 

Waten  dem  alten  erfunden,    die  hs.  hat  an  dem  alten 

Waten. 
*40,  1  (1359)  D6  hiez  man  Waten  den  alten  |  zuo  der  meide 

gän.  die  hs.  den  alten  Waten. 
455,  1  (5821;  Üf  Waten  und  sine  helde  |  so  grimme  man  dd 

schöz.  die  hs.  wiederholt  zutnach  und. 
508,  3  (6035)  nü  ner  uns  küniginne  |  vor  Waten  und  sinen 

mannen,  die  hs.  wiederholt  vor  nach  und. 
Ich  übergehe  die  stellen  die  metrisch  nichts  gegen  Wate 
etveisen,  wie  759,  2,  wo  zwar  kein  verständiger  unde  Wätn 
em  alten  billigen  wirdy  aber  und  Waten  dem  alten  an  sich 
nanstöfsig  wäre,  wenn  nicht  die  ermittelte  form  des  namens 
ihrte  daß  es  heifsen  mufs  unde  Waten  dem  alten. 
In  den  wenigen  zeilen  also  in  denen  dieser  Harne  mit  kur- 


384  ZUR  GUDRUN. 

meine  Veränderung  dieser  stelle,  wie  die  der  folgenden, 
habe  ich  schon  an  einem  andern  orte  mitgetheill,  ich 
wiederhole  sie  hier,  weil  sie  von  dem  neuesten  Herausge- 
ber übersehen  worden  ist. 

322,  4  (1290)  lies  daz  stüende  uns  allen  schentliche.  die  hs. 
schedlich,  was  hier  keinen  sinn  gibt. 

456,  4  (1826)  lies  swie  si  des  niht  gedachten,  ja  gewunnensi 
der  arbeit  m&re.  die  hs.  wann  sy  des  icht  gedachten. 

538,  4  (2154)  lies  ich  kan  des  niht  geläzen,  ich  engrüeze  hieb 
willicliche.  die  hs.  han  und  ich  gruesse.  auch  1369,  2 
(5478)  muß  kan  ßir  han  gesetzt  werden,  daz  sint  vil 
(kiiene)  degene,  als  ich  gesehen  kan,  vergL  1374,  2 
(5498)  als  ich  mich  kan  versehen. 

646,  1 .  2  (2583/!)  lies  D6  si  heten  gerne  die  porten  zao  ge- 
tan, dö  muosten  si  daz  lernen  durch  schumpfentiure  Ver- 
lan, die  hs.  d.  m.  s.  das  lernen  das  schimpfen  tewre  ward 
Verlan,  auf  schumpfentiure  scheint  auch  Ettmüller  (s.  66) 
gekommen  zu  sein,  obwohl  ich  seine  meinung  nicht  recht 
verstehe. 

662,  2  (2648)  lies  du  hast  mit  dieneste  hiute  hie  versolt  daz 
u.  s.  w.  die  hs.  mir  dienst. 

669,  2  (2676)  lies  ez  waen  den  niht  geviele  die  erz  wizzen 
liez.  die  hs.  ettwan. 

686,  3.  4  (2745/!)  lies  henden:  —  ja  kan  ez  niemen  anders 
s6  wol  genden  (=geenden).  die  hs.  handen  und  geanden. 

693,  1  — 3  (2771  ff.)  lies  Der  wirt  wol  tüsent  helden  gap  ros 
unde  wat :  diu  zugens  üz  den  seiden,  so  si  der  ofte  Mt 
der  vehten  wolte  riten  zuo  langen  str&zen.  die  hs.  rbfs 
vnd  gewant  —  so  sy  die  ofift  hant  —  ze  — . 

707,  1 — 4  (2%27ff.)  lies  Dö  si  zesamen  wären,  von  den  ich 
hän  geseit,  komen  mit  ir  kreften,  äne  freude  leit  heten 
zallen  ziten  die  recken  unde  sorgen,  waz  in  die  naht  ge- 
schähe, si  dähten  wie  leben  wir  den  morgen?'  diehs. 
an  freunde  lait  und  die  recken  vnd  wegsorgen. 

H. 


385 


DIE  GÜTE   FRAU. 

GEDICHT  DES  DREIZEHNTEN  JAHRHUNDERTS. 

Die  einzige  Handschrift  in  der  dieses  gedickt  erhalten 
ist  befindet  sich  in  der  k.  k.  bibliothek  zu  Wien  {cod. 
2795,  früher  philo/.  42,  Ambr.  435,  papier,  45  blätter 
kleinfolio,  vergl.  Hoffmanns  Verzeichnis  s.  55  wid  von  der 
Hagen  im  altd.  museum  1,  550,  der  zugleich  angibt  dafs 
die  handschrift  aus  der  Handbibliothek  kaiser  Maximilians 
stammt),  sie  fährt  den  titel  Anonymi  poema  de  Caroli  M. 
origine  et  geuealogia.  bekannt  war  das  gedieht  bisher  nur 
seinem  inhalte  nach  durch  Ferd.  Wolfs  schrift  über  die 
neuesten  leistungen  der  Franzosen  für  die  herausgäbe  ihrer 
national -Heldengedichte  s.  73 —  97.  ich  entnehme  es  einer 
abschrift  die  Schottky  im  j.  1817  für  die  Berliner  könig- 
liche bibliothek  {ms.  germ.  quart  12)  besorgt  hat. 

Der  verfafser,  über  den  wir  nichts  erfahren  als  dafs 
er  das  gedieht  auf  den  wünsch  eines  markgrafen  geschrie- 
ben hat,  war  ein  mäfsiges  talent  und  hatte  noch  wenig 
Übung  gehabt;  sein  werk  scheint  ein  erster  jugendlicher 
versuch  und  wenn  er  sich  durch  den  erfolg  desselben  nicht 
zu  weiteren  arbeiten  ermuntert  gefühlt  hat,  so  darf  die 
Literatur  geschickte  dies  nicht  zu  sehr  beklagen,  seine  weise 
ist  die  allgemeine  epische  des  13#  jahrh.,  die  durch  Hart'* 
mann  vertreten  wird,  denn  Wolfram  und  Gottfried  zeichnen 
sich  durch  eine  zu  scharf  ausgeprägte  individualität  aus 
als  dafs  sie  für  den  gesammtausdruck  ihrer  zeit  gelten 
könnten,  aber  auch  dieser  stehende  typus  der  epischen  poe- 
sie  erscheint  hier  ziemlich  dürftig,  die  darstellungsweise* 
ist  arm  und  eintönig,  dies,  zeigt  sich  besonders  bei  den 
übergangen  der  erzählung,  deren  das  an  Stoff  äußerst  rei- 
che gedieht  sehr  viele  bedurfte,  selbst  mittelmäfsige  dichten- 
des 13»  jh.  haben  es  den  meistern  abgelernt  wie  man  durch 
feine,  vorzüglich  durch  naive  Wendungen  des  lesers  aufmerk- 
samkeit  auf  das  folgende  neue  spannt;  hier  werden  wir  fast 
Z.  F.  D.  A.    IL  25 


386  DIE  GUTE  FRAU. 

immer  mit  einem  dürren  nu  oder  dd  weitergeführt,  am 
dem  wechselvollen  Schicksal  der  heldin  erwuchs  die  schönste 
gelegenheit  zu  genauen  ausführlichen  Schilderungen  und 
scharfen  gegensälzen  ;  doch  der  dichter  benutzt  dieselbe  nie. 
dafs  er  keine  psychologische  entwickelung,  zu  der  ihn  der 
stoff  aufforderte,  gibt  machen  wir  ihm  nicht  zum  Vorwurf; 
diese  findet  sich  selbst  bei  den  besten  dichtem  dieser  zeit  nur 
unvollkommen,  allein  die  herkömmliche  ironie  der  mhd. 
poesie  selbst,  mit  welcher  andre  dichter,  die  durchaus  nicht 
originell  sind,  manche  artige  wendung  erhaschen,  steht  ihm 
nur  in  geringem  mqfse  zu  geböte,  neben  dieser  armut  ist 
seine  erzählungsweise  nicht  selten  geradezu  nachläfsig  und 
dadurch  unklar,  besonders  bei  Unordnung  der  personen  {vgl 
z.  b.  862^.,  ^21  ff.  wo  ich  923  durch  Verwandlung  von  er 
in  der  nachzuhelfen  gesucht  habe,  1256  ff.),  dieselben  ge- 
danken,  ganze  verse  werden  höchst  matt  bald  wörtlich  bald 
mit  geringer  änderung  wiederholt  (man  vergL  43,/*.  und 
685/  =  1445/  2231/  2779 /,  364  und  428,  813/ 
955/  und  2725/,  912  und  1152,  913  und  1063,  1541/ 
und  2451  f.,  1791/  und  2917  /,  1837/  und  2935/, 
1847—52  und  2937— 42,  1957/  und  1975 /.  vergl.  1251/, 
2013/  und  2427  f.,  2301  und  2705,  2421/  und  2737/ 
u.  a.),  ja  es  scheint  dafs  der  dichter  sogar  den  grunige- 
danken  seiner  fabel  nicht  verstanden  hat.  dieser  war  ohne 
zweifei  der  ethische,  theologisch  mystische,  dafs  gott 
mächtig  genug  sei  um  die  welche  seinethalb  sich  der  ir- 
dischen guter  begeben  nicht  nur  durch  seinen  himmel 
sondern  durch  noch  gröfseres  irdisches  glück  zu  belohnen 
und  vor  jeder  entehrung  zu  bewahren,  dieser  mystische 
charakter  geht  bereits  aus  dem  ganzen  gange  der  sage  her- 
vor;  wenigstens  wäre  ohne  die  annähme  eines  fortdauern- 
den unmittelbaren  eingreifens  der  gottheit,  welches  auch 
dort  thätig  zu  denken  ist  wo  der  dichter  davon  schweigt, 
dieses  zutreffen  so  höchst  verschiedenartiger  und  zum-  theil 
sehr  ungewöhnlicher  ereignisse,  die  dem  dichter  stets  in  die 
hand  wachsen  wie  er  sie  eben  braucht,  vollkommen  abge- 
schmackt, unser  poet  dagegen  stellt  am  schlufse  des  ge- 
dicktes das  glück  der  heldin  als  lohn  ihrer  ehelichen  treue 
dar;   aber  hierbei  wird  zunächst  nicht  begriffen  weshalb 


DIE  GÜTE  FRAU,  387 

auch  der  mann  glücklich  wird,  man  müste  ihn  denn  etwa 
nur  für  ein  mittel  zur  begründung  und  erhaltung  des  glückes 
der  frau  ansehen;  ferner  geht  diese  ansieht  so  wenig  aus 
der  anläge  des  gedicktes  hervor  dafs  die  frau  alsdann  viel- 
mehr sterben,  sich  selbst  tödten  müste  als  eines  zweiten  und 
selbst  des  dritten  mannes  bett  besteigen,  zumal  da  sie  selbst 
gar  nichts  dazu  beiträgt  dafs  sie  rein  bleibt,  ja  nicht  hof- 
fen darf  es  zu  bleiben,  sondern  nur  wider  erwarten,  das 
erste  mal  durch  gottes  unmittelbaren  schütz  (2019 — 2026), 
das  zweite  mal  durch  ein  glückliches  zusammentreffen  der 
umstände  {den  hafs  der  königin  von  Frankreich  die,  nach- 
dem sie  dem  gemahl  entflohen,  ihn  durch  Zauberei  der  lie- 
besfreude  beraubt  2433 — 2444),  gerettet  wird.* 

Dafs  die  fabel  ursprünglich  von  der  karlssage  unab- 
hängig gewesen  und  nicht  früher  mit  ihr  vereinigt  worden 
sei  als  der  kerlingische  und  bretonische  sagenkreifs  so  all- 
gemein gefallen  hatten  dafs  die  dichter  jeden  beliebigen 
stoff  durch  anlehnung  an  einen  von  beiden  anziehender  zu 
machen  hofften,  haben  bereits  von  der  Hagen  und  Wolf 
bemerkt,  dafs  der  dichter  einen  zug  seines  Stoffes  benutzt 
um  Pippins  kleinheit  zu  motivieren  (3025 — 3030)  klingt  auch 
in  seinem  munde  fast  nur  scherzhaft,  die  veranlafsung  zur 
anlehnung  an  die  karlssage  aber  war  ohne  zweifei,  wie 
ebenfalls  schon  JVolf  bemerkt,  die  ähnlichkeit  welche  das 
Schicksal  unserer  heldin  mit  dem  der  Berta  (denn  mit,  ihr 
wäre  sie  identisch)  hat,  wie  dieses  im  roman  de  Berte  au 
grand  pii  erscheint,  dafs  die  wenigen  hinweisungen  auf 
bekannte  historische  punkte  {dafs  Karls  vater  Karlmann  ge- 
hezfsen,  dafs  Pippin  Karls  bruder  gewesen,  dafs  Karls  va- 
ter nach  dem  tode  des  früheren  konigs  durch  einen  volks- 
beschlufs  auf  den  thron  erhoben  sei  u.  s.  w.)  falsch  sind 
bedarf  keiner  erwähnung.  ob  die  übrigen  ereignisse  die 
der  dichter  als  historische  gibt  (z.  b.  der  krieg  des  königs 
von  Spanien  und  des  herzogs  von  Bretagne  mit  dem  grafen 

*  auch  hier  würde  ein  dichter  der  wie  Wolfram  bewustvoll  sei- 
nen stoff  ordnet  das  erste  motiv,  gottes  schütz,  als  das  gewichtigere 
zuletzt  gebraucht  haben ;  doch  unser  verfafser  schlofs  sich  ohne  Zwei- 
fel hierin  der  wälschen  quelle  an,    die   überhaupt  an  der  dürftigkeit 
des  deutschen  gedicktes  grofsentheils  mit  schuld  sein  mag. 

25* 


388  DIE  GUTE  FRAU. 

von  Poitou,    die  kämpfe   des  grafen  Guido  von  Auvcrgne, 
der  raub  der  französischen  k'önigin  durch  den  könig  von 
Portugal)  ganz  ode?%  zum  theil  begründet  sind,    dies  zu 
untersuchen  hielt  ich  für  zwecklos,  zumal  so  lange  die  fran- 
zösische quelle  nicht  bekannt  ist.     das  gedickt  ist  weder 
der  anläge   noch    der  ausfuhrung    nach    so    ausgezeichnet 
dqfs  wir  hoffen  könnten  bei  einer  solchen  Untersuchung  den 
geist  der  mittelalterlichen  poesie  zu  belauschen  wie  er  die 
geschickte  nach  des  dickters  zwecken  umgestaltete  und  den 
gestalten   der  sage   ein  flocht,     im  allgemeinen  verweise  ich 
auf  die  Vermutungen  die  Wolf  in  den  sorgfältigen  anmer- 
hingen  zu  seiner  inhaltsangabe  aufstellt  und  fuge  nur  die 
berichtigung  hinzu,  die  ich  hcrrn  prof  Leo  verdanke,  da/s 
Barria,  die  heimat  unsrer  heldin,  nicht  Bar  sondern  Berry 
ist,   wozu  es  vollkommen  pafst  dqfs  der  ritter  auf  seiner 
ersten  fahrt  in  das  benachbarte  Poitou  zieht,  dqfs  die  gute 
ß*au  von  dem  ebenfalls  benachbarten  grafen  von  ^iuvergnt 
angegriffen   wird  und  dqfs   die  schlackt  am  Allier  (Aller 
1080)  •  statt  findet,     als  besonders  auffallend  hebe  ich  nur 
den  offnen  Widerspruch  gegen  das  salische  gesetz  (2149^.) 
und  die  erw ähnung  der  12  fursten  {auf  jeden  fall  derpam 
Karls)  hervor,  deren  macht  so  grofs  ist  dqfs  sie  den  könig, 
wenn  er  ihnen  nicht  zu  willen  ist,   absetzen  (2537 — 68).* 
Die  zeit  der  abfqfsung  des  gedichts   lafst  sich  nicht 
genauer  begrenzen   als  durch   die  jähre  1212   und  1280. 
der  ganze  ton  zeigt,    dqfs   es  erst  nach  der  Umgestaltung 
welche  die  deutsche  poesie  am  ende  des  I2n  und  im  ersten 
jahrzehend  des  13/a  jh.  erfahren  hat  geschrieben  ist;    daß 
es  aber  nicht  ganz  an  das  ende  des  13» /A.  zu  rücken  ist,  da- 
für bürgt  eine  gewisse  einfachheit  und  natürlichkeit  die  das 
gedieht  bei  aller  sonstigen   armut  zeigt;   wäre   es  aus  so 
ganz  später  zeit,    so  würde  es  sicher  an  Übertreibungen, 

eben  so  wenig  lafsen  sich  von  Untersuchungen  über  den  Ursprung 
und  die  fortentwickelung  der  sage  sonderliche  resultate  erwarten,  sie 
hat  ähnlichkeit  mit  der  legende  vom  heiligen  Eustaehius  (*.  der  Riemer 
tat  herausgegeben  von  Keller  s.  Iföff.),  auch,  wie  schon  bemerkt, 
mit  der  sage  von  Berta  mit  dem  plattfuß;  vieles  in  ihr  ist  nur  all- 
gemein hergebrachtes  zur  phrase  herabgesunkenes  sagen-  und  mär- 
c  hene  lernen  t. 


DIE  GUTE  FRAU.  389 

gesuchtem  prunk,  Spielereien  und  anderen  auswüchsen  lei- 
den, auch  würde  die  spräche  schwerlich  so  rein  sein,  nach 
der  ganzen  Haltung  würde  ich  es,  ohne  diese  bestimmung 
durch  äufsere  gründe  stützen  zu  können,  in  die  jähre 
1230 —  40  setzen. 

Wenn  ich  oben  gesagt  habe  da/s  Hartmann  als  repräsen- 
tant  des  mhd.  epos  dasteht,  so  ist  dies  bekanntlich  nicht  so 
zu  verstehen  als  ob  die  übrigen  dichter  in  denen  sich  die- 
selbe weise  findet  ihn  speciell  nachgeahmt  hätten,  wie 
JVolfram  und  Gottfried  eine  ganze  reihe  von  dichtem  ängst- 
lich gefolgt  ist;  wenige  dichter  wie  Wirnt  ausgenommen 
war  diese  Übereinstimmung  mehr  eine  unwillkürliche.  Hart- 
mann hat  die  demente  seiner  poesie  nicht  geschaffen,  wie 
jene  beiden  allerdings  vollkommen  neues,  bis  dahin  noch 
nicht  gekanntes  aus  sich  erzeugt  haben,  sondern  nur  das 
was  er  vereinzelt  bereits  vorfand  zusammengefafst  und  hö- 
her entwickelt,  unser  dichter  dagegen  scheint  freilich  Hart- 
manns werke  vorzüglich  gelesen  zu  haben,  und  er  hat  sie 
in  einem  mir  in  der  mhd.  poesie  sonst  nicht  bekannten 
grade  ausgeschrieben,  man  halte  folgende  stellen  zusam- 
men die  mehr  oder  minder  wörtlich  übereinstimmen:  23 f. 
=  Erec  3687 f,  248  =  Erec  4642  {mit  Hinzusetzung  eines 
durch  vor  luter  auch  =  Gottfr.  Tr.  11730),  263  =  Greg. 
325,  372  =  Jw.  7864,  416  =  Greg.  1215,  424— 26  =  Erec 
132  —  34,  605—10  =  Greg.  1807  —  12,  883— 85  =  Greg. 
1983  —  85,  (925/.  =  Iw.  3073/.)  1199  — 1202  =  Greg. 
1921  —  1924,  1204  =  Erec  1520  und  Iw.  4766,  1450 
=  Greg.  323,  1474  —  76=  arm.  Heinr.  58  —  60,  2421/ 
(=  2737  /.)  =  Iw.  365  /  und  Erec  8361  /.,  2425  / 
=  Erec  7078  und  6351/.,  2859/  =  Iw.  2533/  wenige 
dieser  stellen  sind  so  allgemein  daß  man  glauben  könnte 
de?'  dichter  habe  sie  ohne  vorbild  zufällig  auch  gefunden, 
einen  einfiufs  Gottfrieds  könnte  man  sehen  in  den  versen 
103  —  106,  167  —  174,  301  —  312,  1341—1359,  vielleicht 
auch  in  dem  gedanken  der  2189 — 98  ausgesprochen  wird, 
so  wie  in  dem  häufigen  spiele  mit  liep  und  leit,  das  sich 
zwar  bei  allen  mhd.  dichtem,  doch  bei  Gottfried  besonders 
häufig  findet;  dagegen  braucht  der  dichter  gegen  Gott- 
frieds art  in  Übereinstimmung  mit  Hartmann  auffallend  we- 


390  DIE  GUTE  FRAU. 

nig  französische  Wörter,  turnier  219,  hashart  1094,  Amis 
1344,  schappel  1947,  malätes  2631,  coadwieren  2677  (zwar 
confectur,  doch  unzweifelhafte),  pante  2803,  la  bonc  dame 
3022.  aus  den  anfangs zeilen  des  gedicktes  konnte  man  schlie- 
fsen  dafs  der  dichter  nicht  nach  einer  schriftlichen  quelle 
sondern  wie  Wirnt  nach  mündlicher  erz'dhlung  des  kaplans 
oder  des  markgrafen  gearbeitet;  doch  scheint  diese  folge- 
rung  bei  so  toenig  bestimmten  ausdrücken  voreilig  und  las 
(6)  seite  (9)  saget  (575)  können  sich  auch  auf  das  vorlesen 
beziehen. 

In  sprachlicher  hinsieht  sind  nur  folgende  durch  den 
reim  verbürgte  formen  zu  bemerken,   gesät  (:  stat  704. 1552, 
:  bat  957)    das  auch   Hartmann   und  besonders  Riid.  von 
Ems  haben,  niet  (:  schiet  533.  2601.2616.2772,  :diet2998), 
genaogen  (für  genüegen  1370)  diu  kalte  (628,  \i  scheint  den 
einßufs  des  i  gestört  zu  haben9  vergl.  die  conj.  prät.  der 
schio.   verba  sande,  künde,   funde  und  die  gehemmte  kraft 
des  a  in  bindan),  diu  griiebe  2024.  von  formen  die  verschie- 
dene dichter  verschieden  brauchen  finden  wir  folgende  im 
reim:   sie   (:  ie  246,    gie414,  lie  1992),  prät.  ind.  von  hin, 
häte  (121.  542.  656   und  oft)  harte  (55)  het  (:  Tdiet  2433), 
sint  (für  Sit,   das  auch  im'  reim  vorkommt,   1928.  2958), 
drin  (tribus,  1120),  wir  sin  ind.  (1910)  und  wir  sin  (3034. 
504,   in   der  letzten   stelle  könnte  es  allenfalls  c&njmcti* 
sein  und  vielleicht  ist  1910  wir  bin  zu  schreiben),  tete(348. 
962)  und  tet  (243  und  sonst),  dieselben  formen  brauchen  Rud. 
Wirnt  und  der  Stricket*  neben  einander,  vgl.  gramm.  1, 965; 
feminina  auf  in  (2050.  2173.  2216  und  oft)  inne  (302.  1326. 
13.33.  1954.  2202.  2229.  2515.  2553)  und  in   (2869  und  m 
reim  auf  dar  in  2847,   da  dies  wort  sonst  im  reime  nicht 
vorkommt  habe  ich  diese  gewöhnlichere  form  vorgezogen)^ 
adv.  auf  liehe   (43.  128.  688  und  oß)   liehen   (889.  2124) 
liehe  (867)   liehen  (897),    harre  (:  mferre  93.  230.  855,  das 
auf  kein  anderes  wort  reimt),     hu  und  du  stehen  nicht  im 
reim. 

Das  tnetrum  wird  oft  eintönig  und  ungefüge,  die  bei- 
den zusammengehörigen  reimzeilen  werden  selten  durch  den 
sinn  geschieden ;  doch  fehlt  die  Senkung  sehr  oft  und  dies 
spricht  für  eine  frühe  abfafsung  des  gedieh  ts.     klingend 


DIE  GÜTE  FRAU.  391 

reimende  verse  zu  vier  Hebungen  erlaubt  sich  der  dichter 
wie  aufser  Göttfried  und  Konrad  von  Würzburg  toohl  alle 
dichter  des  13»  jk.  das  tonlose  e  wird  im  in-  und  auslaut 
innerhalb  des  verses  wie  im  reim  {hier  sogar  in  formen  wie 
kint  dat.  29.  349),  so  oft  es  dem  dichter  unbequem  ist,  ab- 
gewoffen. 

Im  reime  zeigt  er  ferner  folgende  freiheiten.  er  bin- 
det n:m  auffallend  oft  und  zwar  an  :  am  (47.  51.  323  und 
noch  20  mal)  am :  arm  (gevarn :  arm  2179)  an :  am  (getan :  räm 
2795)  ein :  eim  (zwein  :  oeheim  591)  un  :  um  (Britün :  rum  843) 
uon :  uom  (tuon  :ruom  1563)  iens :  iems  (Urliens :  Riems  1807); 
aufserdem  naht  :  gemacht  2395,  bilde  :  milde  2383  wo  der 
schreibet*  mit  richtigem  gefühl  mute  setzt,  komen  :  vromen 
2097  (vergl.  gramm.  1,  205.  Ze  ausg.).  dafs  er  ursprüng- 
lich geschlofsnes  e  mit  offnem  in  weste  :  beste  57,  weste: 
veste  1201,  gerne  :erne  581  bindet  wird  nicht  als  freiheit  an- 
zusehen sein,  sondern  in  seiner  gegend  wurde  das  geschlofsene 
e  einiger  wörter  in  der  that  als  offnes  gesprochen  wie  auch 
Hartmann  das  e  in  weste  als  offenes  behandelt. 

Was  endlich  die  beschaffenheit  der  handschrift  betrifft, 
so  geht  dieselbe,  besonders  die  höchst  verderbte  Orthogra- 
phie, aus  den  auszügen  bei  Wolf  Hoffmann  und  Hagen 
hinlänglich  hervor;  ich  habe  daher  in  den  bemerkungen 
nur  die  wörter  der  handschrift  aufgeführt  in  denen  ich  würk- 
lich  abgewichen  bin  oder  die  ihrer  form  wegen  in  irgend 
einer  hinsieht  bemerkenswerth  schienen  und  führe  hier  nur 
nach  an  dafs  ei  für  i,  schw  schl  sehn  sehr  und  die  ausL 
media  dort  wo  sie  im  inl.  hervortritt  bereits  fast  ganz 
durchgedrungen  ist;  dafs  das  poss.  ir  bereits  als  adj.  fle- 
ctiert  wird;  dafs  sich  die  adj.  flexion  iu  nie  findet,  ebenso 
wenig  ein  swer,  swaz  u.  s.  w.,  zwei  oder  drei  fälle  ausge- 
nommen in  denen  zw  geschrieben  ist,  sondern  stets  wer 
steht;  ferner  sind  fast  durchgehend  on  für  äne,  nit,  nun, 
zwingen,  zwahen,  färbe,  jemand,  niemand,  verlor,  häufig 
ich  sagen  und  ähnliche  {gramm.  1,  958);  nirgend  ein  dirre, 
und  es  wird  nur  vn  vnd  vndd,  nie  unt  oder  unde  geschrieben. 
die  handschrift  stammt  aus  dem  15«,  vielleicht,  wie  Graff 
Diut.  3,  349  will 9  aus  dem  16» /A.  ,•  es  liegt  ivenig  daran 
dies  genauer  zu  untersuchen,     neun  verse  fehlen,  nur  bei 


392  DIE  GUTE  FRAU. 

v.  2404.  2856.  2890   bemerkt  Schottin/  die  lacken;  mögen 
Wiener  freunde  der  altdeutschen  poesie,   wenn  sie  das  ge- 
dieht dessen  werth  halten,   und  ich  hoffe  da/s  es   bei  al- 
ler   mangelhqftigkeit    doch    gelesen    zu    werden    verdient, 
nachsehen  ob  sich  auch  die  übrigen  lücken  in  der  hs.  fin- 
den,   geschrieben   ist  die  hs.  wahrscheinlich  in  Schwaben,     I 
wenigstens   zeigt    sie  folgende    vorzugsweise    schwäbische 
eigenthümlichkeiten,  au  für  ä,  ent  für  et  in  der  2.  fers. 
pl.,  doch  nie  im  reim,  dagegen  blofses  t  einige  mal;  volle 
formen  wie  lebolen,   begegnot,   seltan;   kilche   (2107,  doch 
1649  kirche)  und  den   abfall  des   c  am  ende  der  Wörter, 
vergL  Beneckes  vorrede  zum  Wig.  s.  töf     da  sich  nicht 
annehmen  läfst  dafs  das  gedieht  eine  grofse  Verbreitung 
gefunden,  so  darf  man  hieraus,  so  wie  aus  des  dichters  ge- 
nauer bekanntschaft  mit  Hartmann,  wohl  schlief sen  dafs  auch 
er  ein   Schwabe  gewesen,     tadeln   wird  man  es  nicht  dafs 
ich  bei  einer  so  gänzlich  unverlafsbaren  hs.   manches  ge- 
regelt habe   was  auch  in   den   besten  hss.   schwankt,  dafs 
ich  z.  b.  die  form  vrouwe  bis  auf  die  stellen  in  denen  der 
vers  vrowc  fordert  durchgesetzt  habe,  während  die  hs.  stets 
auch  im  reim  frow  schreibt,   bei  gleichgiltigem  schwanken 
wie  ode  oder  aide  alder  bin  ich  der  hs.  gefolgt. 

Schliefslich  habe  ich  herrn  prof.  Lachmann  meinen  er- 
gebensten dank  zu  sagen  für  die  grofse  liebe  mit  welcher 
er  mich,  wie  bei  meinen  Studien  überhaupt,  auch  bei  diesem 
kritischen  versuche  unterstützt  hat.  die  eitelkeit  dafs  ick 
mir  bei  diesem  probestück  gei*n  den  geringen  schein  eines 
eigenen  Verdienstes  bewahren  möchte  macht  es  mir  unmög- 
lich alles  aufzuführen  was  ihm  im  einzelnen  an  dieser  arbeit 
gehört,  möge  ich  künftig  im  stände  sein  ihm  gröfseres  und 
befseres  vorzulegen,  dafs  er  zeit  und  mühe  nicht  als  ver- 
loren beklagen  mufs. 

BERLIN  15  Juli  1842.  Da  EMIL  SOMMEH. 

Ein  buoch  lit  ze  Arie 

daz  der  künec  Karle 

hie  vor  vrumte  geschriben, 

2.  Was  der  küng  (küng  nach  Schottky,  kinig  nach  Wo{f  steh) 

3.  friimbt 


DIE  GÜTE  FRAU.  393 

wie  sin  geslahte  waere  becliben 

und  wie  ez  dar  komen  was.  5 

der  ditze  baoch  las, 

der  was  von  Munferrän 

des  margräven  cappelän: 

der  seit  im  diu  msere, 

wie  .ez  komen  waere  10 

und  wiez  von  ßrste  huop  sich. 

dö  bat  der  margräve  mich 

daz  ich  diu  msere  rihte 

ze  tiutschem  getihte. 

nu  hän  ich  es  begunnen:  15 

die  ez  verneinen  kunnen, 

unde  wellen  die  gedagen, 

sä  wil  ich  in  vil  rehte  sagen 

von  der  besten  vrouwen 

die  man  dö  mohte  schouwen.  20 

Ez  saz  ze  Frankriche 
hie  vor  gewaltecliche 
ein  hfirre  biderbe  unde  guot, 
an  sinen  triuwen  wol  behuot. 

4.  plibfi  und  5.  wyt/ür  wie  ez.  beliben  könnte  höchstens  he\fsen  Wie 
sein  geschlecht  lange  gewährt,  sich  erhalten  habe,  so  dafs  es  dasselbe 
wäre  wie  wite  dar  (bis  auf  Karl  den  grqjsen)  komen.  ich  zweifle 
aber  zunächst  ob  sich  dieser  sinn  in  beliben  hinein  erklären  läfst,  so- 
dann erhielten  wir  gleich  am  anfang  eine  matte  Wiederholung,  und 
vorzüglich  hat  sich  Karls  geschlecht  nach  unserm  gedichte  durchaus 
nicht  weither  (und  kann  wite  dies  überhaupt  heifsenY),  durch  viele 
glieder,  fort  erhalten,  da  Karl  selbst  erst  das  zweite  oder,  wenn  man 
die  altern  der  heldin  mitrechnet,  das  dritte  glied  ist;  deshalb  beson- 
ders habe  ich  auch  wite  geändert,  auch  schien  mir  das  gefühl  des 
Users  zu  fordern  daß  das  subjeet  (ez)  wiederholt  werde ;  und  die  ver- 
befserung  wird  bereits  durch  den  titel  der  hs.  angedeutet,  de  Caroli 
origine  (becliben)  et  genealogia  (dar  komen),  der  wahrscheinlich  in  der 
älteren  hs»  die  der  unsern  zu  gründe  liegt  übergeschrieben  und  aus 
den  anfangs zeilen  entnommen  war.  —  über  den  Wechsel  der  modi 
(waere,  was)   vergl.  Lachmann  zu  Walth,  29,  34.  6.  dis 

7.  Nunffevran  Nunffeoran  Nunffeman  Ilagen,  Nunffecran  Schottky, 
Nunfferran  Wolf,  Nümfetran  Graff  (Diut.  3,  349),  Numffetran  Hoff- 
mann.  15.  begännen  16.  verniemen  (vergl.  361.  725.  1228) 

künnen  17.  wollen  die  still  gelagn  21.  gewallencliche 


» 


4 


394  DIE  GÜTE  FKAU. 

er  was  Ruopreht  genant,  25 

Barriä  biez  sin  lant. 
er  was  staete  und  manhaft 
and  het  an  guote  wol  die  kraft 
daz  man  in  mit  gewalle 

wol  zeinem  graven  zalte.  30 

an  gewalt  und  an  &ren 
er  künde  wol  bckären 
siniu  dinc  nach  sinem  muole. 
dö  der  hörrc  guote 

bi  sinem  wibe  gesaz  35 

zwei  jär  alder  baz, 
dö  gewan  se  ein  kindelin, 
daz  schoeneste  töhterlin 
daz  mannes  ouge  ie  gesacb. 
diu  diet  im  alle  samet  jacb,  40 

do  ez  wahsen  begunde, 
dö  jähen  im  zestunde 
alle  gelicbe, 
beide  arm  und  riche, 

ez  künde  so  wol  gebären,  45 

kaeme  ez  ze  sinen  jären, 
da  wüehse  ein  saelec  wip  an. 
si  jähen  als  ez  sit  kan. 
Bi  im  was  gesezzen 
ein  hferre  vermezzen:  50 

der  was  disse  grävcn  mau 
und  im  doch  genözsan, 
d&r  in  nihtes  dorfte  vlöhen 
niuwan  umbe  daz  lohen 

daz  er  von  im  haete.  55 

er  was  al  siner  raete 
der  höchste  und  ouch  der  beste: 
swaz  der  eine  weste, 
daz  was  ouch  dem  andern  kunt: 

25.  es  w.  Rupp recht  genampt  33.  siniu]  Dise  37.  sy 

42.  Do  Jachent  Jm  sa  zerst.  46.  Rem  47.  wuchs  48.  Do 

sprachend  als  er  sich  kan         51.  dicz        53.  Dar  Jon  aichtz  bedwfft 
54.  Namen        55.  hete        56.  an  seinen  Fetten 


DIE  GÜTE  FRAU.  395 

f 

si  waren  sament  zaller  stunt,  60 

sameat  hie,  sament  dort: 

ez  waire  wise  oder  wort, 

daz  was  unbescheiden 

zwischen  den  harren  beiden. 

getriuwem  vriunde  ist  nütze  bi,  65 

swie  unwert  triuwe  uü  si, 

si  muoz  doch  ioier  möre 

ein  houptschar  sin  der  öre. 

Der  hßrre,  disse  gräven  mau, 
ouch  ein  kindelin  gewan :  70 

daz  was  ein  sun  wol  getan, 
nu  mac  et  niemen  niht  hAn 
wan  als  im  got  wil  gunnen: 
het  er  noch  zwei  gewunnen, 
diu  wacren  waeriiche  75 

beide  worden  riche. 
diu  zw&ue  heten  zwei  ensam, 
die  wurden  so  liebcsam 
daz  man  noch  wunder  seit  dar  abe. 
diu  juncvrouwe  und  der  knabe  80 

wären  sament  zallcn  stunden, 
daz  si  gedenken  künden 
wie  holt  se  einander  wseren. 
an  spräche  und  an  gebseren 
minten  si  sich  sunder.  85 

da  hoeret  michel  wunder, 
si  wuohsen  in  der  minne, 
ob  ich  rehte  mich  versinne, 

60.  zesament  65.  Ain  getreu wii  fräod.     die  form  nütze  (nücz  in 

der  hs.),  statt  des  gewöhnlichen  nuz  nutzes  m.9  habe  ich  gestützt  auf 
das  ahd.  nuzzi/.    (GraffH,  1123)  bewahrt.  68.  hepptschar,  vergl. 

1339.  69.  dis  72.  et  icbt  niemät  n.  h.  73.  günnen 

74.  gewinnen  77 f.    Die  zwen  herren  hett  zwene  Die  wurdent  so 

lieb  seine,  ich  weißt  ensam  blofs  durch  die  analogie  von  bisam  mit- 
sam  zesam  zu  stützen;  aber  andere  Verbesserungen  (etwa  die  zwene 
[herren]  heten  zwei  kint  diu  wurden  s6  geliebe  sint  (sint  im  reime 
1928  und  2958)  schienen  mir  zu  gewagt.  81.  zesamemt 

82.  daz,  seit  der  zeit  da/s.  83.  sy  ainandren  waren  84.  spra- 

chen u,  a.  gebaren        85.  besonder        87.  wüchstend 


396  DIE  GUTE  FR  Ali. 

daz  ir  ietwederem  waere 

des  anderen  swaere  90 

leider  dan  diu  sine. 

dö  starp  dem  mägetjine 

ir  vater,  der  edel  hArre. 

dö  wart  diu  rede  vil  m&rre 

zwischen  den  kinden  beiden  95 

daz  si  vorhten  sin  gescheiden 

dann  umb  in  der  da  tot  gelac. 

si  wänden,  soltens  einen  tac 

von  einander  sin  gewesen, 

daz  si  iemer  möhten  genesen.  100 

ja  h&rre,  waz  ist  minne? 

man  vindet  wunder  d rinne. 

ez  wirt  von  ir  gewalte 

der  junge  als  oucb  der  alle, 

der  alle  als  ouch  der  junge.  105 

si  heizet  wandelunge 

baz  danne  minne. 

si  verköret  rehte  sinne 

ze  wunderlichen  dingen. 

den  niemen  möhte  bringen  1 10 

üf  deheiner  slahte  arbeit, 

dem  git  si  liep  nnde  leil 

und  machet  in  vil  dräte 

an  werken  unde  an  rate 

als  er  ein  minnsere  1 15 

ie  gewesen  waere. 

Nu  lac  der  alte  harre  tot, 
als  got  von  himele  gebot, 
von  dem  ich  6  hän  gesagt, 
dö  wart  sin  husfrowe  und  diu  magt  120 

die  er  ze  tohter  häte 
mit  ir  vriunde  rate 
bevolhen  harte  söre 
dem  andern  an  sin  öre, 

94.  der  red  uil  mer  98.  soltends  eiu  99.    aio  aodreu 

101.  Da  hörend  HO.  Die  niemät  moch  pr.  118.   bicmel 

119.  der        121.  hetle        122.  fründe  vnd  ratte 


DIE  GÜTE  FRAD;  897 

daz  er  ir  pflegen  solde,  125 

als.  er  bil liehe  wolde. 

dßswär  daz  tet  der  riche 

vil  getriuweliche. 

er  nams  in  sine  huote 

mit  libe  und  mit  guote  130 

uud  schuof  alle  ir  saefae 

ze  ßren  und  ze  gemache 

als  die  sine  oder  baz. 

dö  diu  vrouwe  gesaz 

zwei  jar  nach  ir  manne,  135 

dö  starp  ouch  sie  danne 

dö  der  edel  weise 

von  des  tödes  vreise 

verlos  sin  muotr  und  sinen  vatcr, 

manege  riche  man  bäter  140 

durch  ir  bürge  und  durch  ir  lant. 

in  was  allen  wol  bekant, 

swelhen  si  ze  staete 

zeinem  man  genomen  haete, 

dem  waer  als  wol  geschehen  daran  145 

als  dem  der  si  sit  gewan. 

Nu  schuof  ouch  mit  gewalte 
der  tot  daz  der  alle 
bcheudcclichen  tot  gelac 

der  der  junevrouwen  pflac.  150 

dö  starp  ir  vriunt  und  ir  rät. 
dö  tet  si  als  der  beide  hat 
sselde  unde  wisbeit: 
si  was  dem  armen  vil  bereit, 
dem  riehen  h&rrn  ze  vuoge.  155 

ir  jähen  des  genuoge 
daz  wibes  name  ie  würde 

r.  wyse  140.  batt  er.  sie  lud  die  fürst en  zu  sich  zum  empfange 
•  lehen,  vergl.  vür  sich  biten  (*.  b.  Parz.  344,  22)  und  unser  bit- 
,  einladen,  142.  welchen  145.  also  146.  genam 

U  zwang,     so  viel  ich  we\Js  steht  twingen  mhd.   so  wenig  als  un- 
zwingen   ohne  obfect;    doch  weifs  ich  nichts  befseres  als  das  un~ 
hrscheinliche  schuof  an  seine  stelle  zu  setzen,         149.  Beschaiden- 
len        157.  wurde 


398  OK  GUTE  FRAU. 

so  fri  vor  valsches  bürde 

an  allem  ir  gemüete. 

si  schuof  mit  mancher  güete  160 

daz  si  über  allez  daz  lant 

diu  guote  vrouwe  wart  genant. 

soltich  iu  von  ir  dingen 

gar  zeinem  ende  bringen, 

wie  rehte  guot  si  wsere,  165 

daz  würde  ein  langez  maere, 

an  ir  was  vür  säze 

guot  und  elliu  mäze, 

mäze  junc,  mäze  alt, 

mäze  bluc,  mäze  balt,  170 

mäze  diemuot,  mäze  höre: 

an  ir  gebrast  niht  mäze  m&re, 

wan  si  was  äne  mäze  guot, 

da  mäze  niuwan  schaden  tuot. 

disiu  reiue  junge  175 

diu  saz  in  zwivelunge 

wie  si  ir  leben  slizzc 

daz  man  ir  niht  verwizze. 

si  gedähte  cich  wil  mich  Ane  man 

begän,   ob  ich  iemer  kan:  180 

mir  ist  sus  sanfte  undc  wol. 

swaz  ein  vrouwe  haben  sol 

von  bürgen  und  von  lande, 

von  pferden  und  von  g wände, 

von  rittern  und  von  vrouwen,  185 

daz  mac  ich  allez  schouwen 

in  minem  hove,  swenn  ich  wil : 

darzuo  maneger  hande  spil, 

beizen,  birsen,  unde  jagen, 

videlen,  singen,  unde  sagen,  190 

des  hän  ich  alles  gewalt. 

158.  valscher  Barde  162-  genamt         167.  satze  (:  masse).     vergl. 

Walth.  8,24.  MS.  2,  21 5a  (min  wort  min  doene  getraten  nie  uz  rebter 
sinne  sazen)  und  2,  224b.  in  ihr  war  als  in  seiner  behausung,  in  ihr 
hatte  sich  eingemietet.  168.    an  alle  173.  wan/eA/f. 

174.  Die  masz  nicinät  180.  iemer  fehlt.  181.  193.  sunst 


DIE  GUTE  FRAU.  399 

wie  möhte  ich  scnfter  werden  alt? 

mir  ist  sus  michel  baz 

dann  ich  iemen  über  daz 

minnte  vür  mm  selbes  lip.  195 

ich  hdrte  sagen,  s6  diu  wip 

roannes  minne  hindergö, 

daz  in  danne  wirs  si  dan  6. 

Mir  ist  niht  kunt  umbe  man : 
als  aber  ich  mich  verdenken  kan,  200 

an  in  sint  zwei  dinc  leider, 
der  ich  ervürhte  beider, 
ob  ich  einen  mau  haete, 
dem  waere  ich  also  staete 

daz  ich  nim&r'verlieze  205 

.   swaz  ich  in  tuon  hieze. 
baete  ich  danne  daz  er  sich 
enzuete  eteswes  durch  mich 
daz  er  lihte  niht  verbaere, 
daz  würde  ein  sölhiu  s waere  210 

diu  mich  vil  s6re  müete. 
so  hete  ich  miner  güete 
engolten  harte  s6re. 
dannoch  vürhte  ich  m&re, 

swenne  er  uz  waere  215 

durch  ritterlichiu  maerc 
in  turniern  unde  in  striten, 
so  müest  ich  zallen  ziten 
da  heime  gr6zen  angest  hän, 
wie  ez  im  dort  solt  ergdn.  220 

s6  het  ich  jugent  unde  leben 
gar  einem  manne  gegeben, 
lebte  er  mir  niht  danne, 
so  waere  ich  ze  manne 

al  ze  vrüeje  geriten.  225 

ez  ist  bezzer  wol  gebilen 
dann  übele  gegähet. 

20 1 .  zwai  laid        202.  Die  i.  c.  baid         203.  etwas,    et  könnte  auch 
etewa  heißen.        210.  Da        211.  multe  212.  gute         219.  hai- 

men  grossen        222.  man  gebii         225.  früg.  wohl  sprichwörtlich. 


440  DIE  GUTE  FRAU. 

swer  also  sich  selben  vähet, 

der  ist  betalle  äne  sin. 

ich  wil  eht  leben  als  ich  bin/  230 

Nu  wart  der  junge  harre 
balder  unde  mftrre 
danne  in  dem  riche 
keiner  sin  geliche 

der  bi  der  vrouwen  was  gezogen.  235 

si  tälenz  alle  ungelogen 
die  in  ie  an  gesähen, 
ob  si  im  gruozes  jähen, 
schiere  kam  er  üf  die  vart 
daz  er  loplichen  wart  240 

ze  ritler  als  ein  edel  man. 
dar  nach  er  dienen  began 
siner  vrouwen  als  er  6  tet. 
daz  was  ir  wille  und  ir  gebet, 
wände  si  in  minnet  ie.  245 

also  tet  er  ouch  sie. 
ich  sage  iu  wie  ir  minne  was: 
luter  als  ein  Spiegelglas, 
an  aller  slahte  gevaerc 

mit  Worten  unde  gebsere.  250 

si  gedähte  cich  sol  im  holt  sin. 
sin  vater  underwant  sich  min 
also  schiere,  dö  min  vater  slarp. 
daz  ich  dö  niht  gar  verdarp, 
daz  schuof  sin  hilfe  und  sin  rät.  255 

daz  er  zuo  mir  getan  hat, 
des  het  ich  iemer  schände, 
bevünde  ieman  im  lande 
ald  in  mime  gesinde, 

ine  waer  ouch  sinem  kinde  260 

holt  an  sines  vater  stat. 

228.  selbs  vacht       231.  wuchs,  was  ich  mit  dem  adj'ectivt  sehen  merre 
zu  verbinden  anstehe.         232.  mer        233.  ich         236.  betten  all 
237.  gruez  verjachen  245.  Wann  sy  mint  247.   sagen  wie 

(ia  fehlt)  249.  genar  250.  gebar  259.  mine 

260.  ine]  Ich 


DIE  GUTE  FRAU.  401 

ich  weiz  vil  wol  wes  er  mich  bat, 

do  er  an  siaem  ende  lac 

und  nimer  anderthalben  tae 

nÄch  dirre  rede  werte.  265 

d6  bat  er  unde  gerte 

an  mich  vil  sfere 

daz  mir  an  mine  öre 

sin  kint  bevolhen  w«re. 

vergaeze  ich  sölher  maere,  270 

so  waere  ez  vil  gar  verlorn 

swaz  triuwen  an  uns  ist  geborn. 

D6  was  aller  sin  gedanc 
als  in  diu  gröze  liebe  twanc. 
er  gedähte  in  sinem  muote  275 

cji  hferre  got  der  guote, 
nu  geruoche  mir  geben 
die  saelde  und  daz  lange  leben 
daz  ich  gediene  sÄre 

die  manecvalten  6re  280 

die  mir  diu  vrouwe  hat  getan, 
ich  muoz  anders  iemer  hAn 
der  liute  spot  unde  ir  haz, 
ine  getuo  eteswaz 

daz  man  spreche  und  schouwe,  285 

swaz  disiu  guote  vrouwe 
disem  manne  liebe  tuot, 
daz  enist  niht  ein  verloren  guot.' 

Dö  gedachtes  alle  tage 
da  wider  als  ich  iu  sage.  290 

'min  vater  nie  gewan 
getriuwern  mäc  noch  man 
dan  sinen  vater,  dem  er  mich  lie. 
solher  triuwe  pfligens  ie, 

daz  sit  unz  an  ir  ende  schein.  295 

die  liezen  si  uns  zwein : 

$9.  wz        971.  ez  vil]  ich         973.  seiner        974.  nv  zwtngk 
(77.  nu  fehlt.         984.  Jnen  getüg        989.  sy  altag       999.  getriirer 
nagt  993.    sein  994.   pfitg  sy  ie  995.  an  vncz  Jr  end 

chin        996.  Do  liessent  sy  vncz  zwain.   wir  haben  die  treue  ererbt. 
Z.  F.  D.  A.  IL  26 


402  DIB  GÜTE  FRAU. 

nü  sols  ouch  s  trete  beliben. 

man  vünde  noch  an  wiben 

triuwe  unde  starte, 

der  in  ouch  rehte  taete.  300 

Do  erzeigte  in  diu  Minne 
daz  si  ein  vüegaerinne 
ist  über  allez  daz  ie  wart, 
unde  ir  .slüzzel  h&t  verspart 
swaz  iemer  man  von  minnen  305 

möhte  gewinnen, 
die  slüzzel  treit  si  beide 
ze  liebe  und  ze  leide, 
sie  sliuzet  unde  entsliuzet, 
ir  engiltet  und  geniuzet  310 

manger  zaller  stunde, 
nu  beeret  wie  si  begunde 
michel  wunder  stellen 
under  disen  zwein  gesellen, 
die  minne,  diu  undr  in  was  315 

noch  vester  danne  ein  adamas, 
die  schriet  si  mit  kraft  enzwei, 
daz  si  sich  kloup  als  ein  ei. 
er  nam  sin  teil  in  sine  hant, 
diu  Minne  in  überwant,  320 

dfer  sine  vrouwen  muoste  l&n 
und  wart  der  Minne  under tän. 

Als  er  in  ir  gewalt  kan, 
dö  wart  er  ein  trurec  man, 
ob  er  die  solte  hän  verlorn  325 

die  sin  herze  het  erkorn 
vor  alle  die  er  gesach. 
diu  Minne  wider  in  sprach 
cw6  du  vil  armer  tumbe, 

du  enweist  niht  darumbe.  330 

swic  unde  warte  mir. 
ich  löne  eines  tages  dir, 

297.  sota  298.  an  den  299.  Jn  anders  och         318.  klob 

321.  dAr]  Var  oder  Nar,  undeutlich  in  der  hs.  329.  Turne 

331.  wie  v.  wart        332.  Ionen 


DIE  GÜTE  FRAU.  403 

daz  du  mit  saelden  mäht  leben.  • 

ich  wil  dir  ein  wip  geben, 

daz  dir  niemer  mfere  335 

guotes  noch  6re 

hinnän  vür  gebresten  kan/ 

d6  sprach  der  kindesche  man 

"vrouwe,  ich  leiste  al  iwer  gebot 

und  wil  iuch  biten  durch  got,  340 

weit  ir  mir  genaedec  sin, 

so  gebt  mir  eht  die  vrouwen  min, 

ob  ir  der  gewaltec  sit> 

bi  der  ich  alle  mine  zit 

uf  gnäde  her  gewesen  bin/  345 

dö  sprach  diu  Minne  wider  in 

cgaebe  ich  dir  nach  diner  bete, 

daz  ich  nie  manne  tete, 

künege  noch  küneges  kint, 

die  mir  undertaenec  sint.  350 

so  hat  mich  min  wisheit 

durch  dich  vil  nidere  geleit. 

ich  wil  dir  sagen  min  wesen: 

swer  mit  mir  wil  genesen, 

swaz  der  Ungemaches  lide,  355 

so  muoz  er  als  ein  side 

ze  aller  stunt  gewaschen  sin, 

ald  ich  geloese  mich  sin. 

mines  hoves  geselle 

ist  der  himel  und  diu  helle:  360 

wan  niemen  nimts  deheine  war, 

wan  als  er  hat  gedienet  dar. 

von  diu  scheiden  wir  uns,  daz  ist.guot. 

du  hast  deheiner  slahte  muot 

der  von  schänden  vliehe  365 

336.  Gücz  339.  ein  absatz  in  der  hs.  341.  Vnd  wölt 

347.  geb  — -  gebett  348.  niemät  tätt  357.  gewaschen,  ich  kann 
diesen  sprichwörtlichen  ausdruck  sonst  nicht  nachweisen,  sehe  aber  zu 
änderungen  (gewsehe,  gevüege)  kein  recht.  358.  glos  359.  meu 
nem  hofe  gleich.  361.   Wa  niemant  man  niemetz  kain  w. 

363.  diu]  dir        365.  von  scheiden 

26* 


404  DIB  GUTE  FRAU. 

aide  z&ren  sich  ziehe. 

var  hin  swä  du  6  waere 

diner  vrowen  almuosenaere. 

da  wil  ich  dich  lAzen  sin : 

gebiutet  ez  diu  vrouwe  din,  370 

so  wil  ich  dich  da  bi  ir  län. 

du  enhäst  gedinge  noch  wän 

daz  dir  an  si  üf  der  erde 

immer  gelönet  werde.' 

Dö  sprach  daz  kint  wol  gebor n  375 

'vrouwe,  senflet  iuwern  zorn. 
wiset  mich,  wie  ich  werbe : 
&  daz  ich  gar  verderbe, 
so  volg  ich  iuwern  fcren.' 

si  sprach  'ich  wil  dichz  l&ren.  380 

boesiu  wip  mide, 
und  mit  den  besten  lide 
swaz  dir  ze  liden  geschiht. 
swelher  man  da  valscheit  giht, 
der  enhabe  keinen  wän.  385 

wellest  du  die  guotcn  willec  hän, 
wis  getriuwe  und  manhaft, 
vliz  dich  üf  ritterschaft : 
da  mit  soltu  gewinnen 

daz  dich  die  besten  minnen.'  390 

er  sprach  cvrowe,  daz  tuon  ich : 
got  entoete  danne  mich, 
s6  tuon  ich  durch  sie  eteswaz, 
daz  man  mich  lobet  dester  baz. 
diu  mir  äue  valschen  list  395 

lieber  was  und  lieber  ist, 
dann  in  der  werlde  ie  wurd  ein  wip, 
durch  die  wil  ich  minen  lip 
arbeiten  unde  twingen. 
ze  etelichen  dingen,  400 

366.  zerren        368.  almüsnere,  bettler?        370.  min  372.  nach 

379.  euvch  gerne        380.    es  lernen        385.  en  fehlt.  387.    Bis 

392.  ertött             395.  valscher               397.  weit  stets,  doch  nicht  im 
reim. 


DIE  GÜTE  FRAU.  405 

ez  si  min  schade  oder  min  vrume, 
daz  ez  ir  ze  dienste  kume.' 
Er  bereite  sich  vil  dr&te 
nach  der  Minne  rate 

und  beriet  sich  zehant  405 

daz  er  wolte  rümen  daz  lant 
und  daz  er  uz  ein  jär  belibe, 
und  ob  er  daz  also  tribe 
daz  manz  vür  guot  haete 

daz  ers  noch  m£re  taete.  410 

als  er  sich  bereite, 
niht  lenger  er  enbcite, 
vür  sine  vrouwen  er  dd  gie, 
also  sprach  er  wider  sie. 

möhte  ich  iu  und  künde  415 

genäden  mit  dem  munde 
als  mirz  daz  herze  meinet! 
vrouwe,  ir  hat  bescheinet 
an  mir  vil  ganze  triuwe: 

des  ich  vil  gröze  riuwe  420 

hän,  wie  ichz  vergelte, 
daz  man  mich  niht  enschelte. 
gebiet  mir,  vrouwe,  ich  wil  varu. 
der  himelkeiser  ruoche  bewarn 
iwer  werdeclichen  £re :  425 

ir  gesehet  mich  niemer  märe, 
in  getuo  durch  iuch  eteswaz 
daz  man  mich  lobe  dester  baz. 
daz  ist  wol  min  wille.3 

dö  sprach  diu  vrouwe  stille  430 

'guotcr,  wes  hästu  ged&ht 
ode  wer  hat  dich  ane  bräht 
disen  willn  und  disen  muot? 
der  was  din  vriunt  niht  guot, 
der  dich  wil  von  mir  kßren.  435 

408.  ain  Jar  tribe        412.  lang         413.  Von  seiner        415.  iu]  na 

416.  Gnad        423.  Gebiut.  noch  ihrzen  sich  die  beiden,  die  hs.  macht 
hier  einen  ab t atz.         425.  werdenl.  427.  Ich  getan        428.  mich 

fehlt        431.  Gutt        432.  Ad 


406  DIE  GUTE  FRAU. 

du  mäht  mit  grözen  6ren 
mir  hie  dienen,  daz  ist  reht, 
als  wol  ritter,  als  kneht.' 

eDaz  ist  war,  vrouwe  min : 
ja  wil  ich  in  iuwern  dienste  sin  440 

swä  in  allen  landen 
ich  schaffe  mit  den  handen 
unde  mit  der  zungen.' 
diu  lant  sint  betwungen: 

wiltu  mir  dienen,  daz  tuo  hie  445 

in  dem  daz  mir  min  vater  lie : 
d&  mac  ich  wol  gedienen  dir. 
wiltu  nu  scheiden  von  mir, 
wem  wiltu  denne  läzen  mich? 
si  sint  gedigen  an  dich,  450 

die  mir  guot  solten  sin : 
der  vater  und  die  muoter  min 
diu  sint  leider  beidiu  tot. 
dannoch  haete  ich  mine  not 

mit  dinem  vater  überkomen,  455 

haete  in  der  tot  mir  niht  genomen : 
nu  hat  ir  got  beroubet  mich, 
von  diu  soltu  wol  bedenken  dich 
6  du  scheidest  von  mir/ 

er  sprach  cmin  wille  und  ouch  min  gir  460 

stät  gar  in  unkundiu  lant. 
ich  bin  leider  unbekant 
in  vremden  landen,  dßs  niht  guot. 
ich  slize  jugent  unde  muot 
anders  danne  ich  solte,  465 

ob  ich  gedenken  wolte 
waz  miner  jugent  gezeeme 
und  dem  alter  rehte  kaeme. 

440.  iuwer  dienest?  442.  landen  zweimal.  441.  Wo 

442.  ich  schaffe  fehlt  und  mit  steht  zweimal,  eine  genügende  ver- 
befserung  habe  ich  umsonst  gesucht.  444.  sy  sprach  betwungen 
verstehe  ich  nicht,  vielleicht  bedrangen,  die  angrenzenden  länder  sind 
mit  krieg  überzogen.  445.  tu  453.  Die  456.  mir  schon  nach 
Hett  458.  diu]  dir  460.  och  begir  461.  vnkunden 

463.  dz  nit        465.  Änderst 


DIE  GÜTE  FRAU.  407 

swer  sich  verlit  in  siner  jagent, 

daz  schadet  dem  alter  sfere  an  tugent:  470 

er  wirt  vil  dicke  schamrot. 

dise  vorhte  und  dise  not, 

mac  ich,  die  wil.  ich  bewarn. 

lät  mich  mit  iuwern  hulden  varn. 

swar  ich  kume,  ich  bin  ouch  hie,  475 

min  herze  daz  geschiet  sich  nie 

von  iu,  noch  niemer  getuot. 

wizzet  rehte  minen  muot: 

swä  ir  weit,  da  muoz  ich  sin 

mit  triwen  und  mit  dem  herzen  min  480 

imer  unz  an  minen  tot/ 

hie  von  wart  si  schamrot 

und  was  iedoch  der  maere  vro. 

si  bat  in  unde  sprach  also, 

Viltu  bi  mir  beliben,  485 

diniu  jär  mit  mir  vertriben, 

des  gel6ne  ich  dir  harte  wol.' 

er  sprach  cichn  mac  noch  ensol 

beliben  niht  m6re.' 

daz  muot  die  vrouwen  sftre,  490 

daz  si  in  wolte  erwenden 

und  ez  niht  mohte  geenden. 

dö  muoste  si  in  varen  lan. 

si  sprach  cwilt  du  iht  des  ich  hän, 

silber  oder  cleider?'  495 

cvrowe,  der  hän  ich  beider 

ze  eime  järe  genuoc/ 

einen  köpf  man  dar  truoc, 

der  was  von  golde  durohslagen: 

5.  koui  479.  went.  etwa  wont?  487.!J£elonen  488.  ich 

mag  491.  wenden  492.  er         494.  ichtz        499.  voll  gold. 

iht  recht  deutlich  ist  mir  durehslagen.  es  steht  %ugleich  mit  durch- 
rht  in  Heinrichs  Tristan  4481,  wo  von  einem  mit  gold  verzierten 
mtel  die  rede  ist.  hecher  heifsen  ebenda  4805  (fapcnlegt  mit  edelen 
inen,  roseng.  740  werden  helme  mit  gesteine  wol  durehslagen.  - 
ir  ist  daß  die  steine  in  das  gold  gefaßt  wurden ;  doch  fragt  es 
h  ob  sie  durch  giengen,  so  dafs  der  becher  an  den  einzelnen  steh- 
i  durchsichtig  wurde,  oder  ob  sie   bloß  außen  angefügt  wurden 


406  DIB  GUTE  FRAU. 

da  möht  man  wunder  von  sagen  500 

wie  der  geworht  waere: 
so  lengert  ez  daz  maere. 

Sie  sprach  chie  bi  gedenke  min 
die  wile  wir  gescheiden  sin. 
nu  sage  mir  war  diu  wille  si:  505 

.  ist  er  verre  aide  bi?' 
'ich  sag  iuz  gerne,  vrouwe. 
ich  wil  gfen  Poitouwe 
da  hat  der  künec  von  Hispanje 
und  der  herzöge  von  Britanje  510 

den  gräven  bestanden, 
gfen  disen  zwein  landen 
ist  im  n6t  guoter  wer, 
wan  si  haut  im  überher. 

dem  wil  ich  helfen,  obe  ich  mac.  515 

gelebe  ich  iemer  den  tac, 
ich  hebe  mich  uf  die  sträze.' 
daz  muote  &ne  mäze 
die  vrouwen  unde  was  ir  leit: 
daz  meinte  ir  einvaltekeit  520 

daz  ez  si  so  sere  muote. 
iedoch  sprach  diu  guote 
'got  gesegen  dich,  nu  var.' 
si  enwiste  aber  niht  waz  im  war. 
in  twanc  minne  unde  ir  bant,  525 

da  von  ouch  wilent  Tristant 
gr6ze  n6t  und  arebeit 
durch  sine  vrowen  Isalde  leit. 
so  was  ouch  er  gebunden 

vil  sfere  zallen  stunden  530 

mit  siner  lieben  vrouwen. 
dö  moht  man  wunder  schouwen, 
des  sine  mohte  wizzen  niet, 
dö  in  ir  minne  von  ir  schiet. 

Sinem  knaben  er  dö  sagete  535 

und  die  innere  wand  des  bechers  ganz  von  golde  war.  501.  ge- 

würckt        508.  pettowe,  vergl.  116?.  1178.  1424.         514.  sein  hand 
•17.  disc         524.  nit  wo  od'  war         528.  ysald        533.  Das  sein 


DIB  GUTE  FRAU.  409 

des  morgens  dö  ez  tagete 

daz  man  im  diu  ros  bereite. 

niht  lenger  er  enbeite. 

dö  vuor  mit  dem  kinde 

gar  ein  wönigez  gesinde,  540 

aht  knaben  wol  beraten 

als  si  des  State  häten. 

daz  was  ein  rotte  cleine. 

er  vuor  gesellen  eine: 

daz  muote  in  dicke  sfere.  545 

dö  kam  vrou  Sselde  und  Ere: 

die  wurden  sine  geverten 

die  in  sit  dicke  ernerten 

von  aller  slahte  swaere. 

des  hoert  ein  schoene  maere.  550 

Er  kam  ze  Poitouwe  in  daz  lant, 
den  gräven  er  da  heime  vant 
mit  unstaten  ze  wer  bereit, 
daz  schuof  sin  gröziu  vrümekeit 
dör  sich  so  lsmge  werte,  555 

50  söre  man  in  herte. 
sines  landes  daz  beste, 
diu  dörfer  und  die  veste, 
was  allez  samt  verbrant. 

so  jämmerliche  stuont  daz  lant  560 

daz  ez  z erbarme nne  was. 
der  armen  lützel  da  genas: 
si  warn  wol  halbe  hungers  tot. 
wer  möht  ouch  leben  äne  bröt? 
fragt  nu  ieman  der  maere,  565 

wä  von  der  gräve  waere 
zerstoeret  unde  sin  lant, 
den  berihte  ich  ez  zehant. 
der  kiinec  da  von  Spangen  jach, 
daz  da  vor  nie  geschach,  570 

er  solt  sin  lant  von  im  hän. 

542.  statt        544.  gesell         550.  Da        557.  der  best        558.  rest 
561.  zerbarmen  563.  halb  banger         564.  mocht  o.  lang  l. 

569.  spängen        571.  sölt 


410  DIB  GUTE  FRAU. 

d6  wolt  er  sich  vertriben  tan 

6  daz  iem&r  geschehe 

daz  ers  von  im  jache. 

des  wart  urliuge  so  gröz  575 

daz  es  vil  manegen  verdröz. 

man  saget  uns  vür  war, 

ez  werte  wol  driuzehen  jär 

daz  nie  dehein  jär  wart, 

si  ksemn  mit  niuwer  hervart.  580 

nu  was  ez  vor  dem  erne, 

so  diu  liute  gerne 

ir  vienden  schaden  tuont. 

daz  körn  üf  dem  velde  stuont: 

daz  wolten  si  in  hän  genomen,  585 

darumbe  wärens  dar  komen 

mit  harte  grözem  gezoge. 

der  britänische  herzöge 

der  was  betallecliche  ein  helt 

ze  allen  uoeten  üz  erweit.  590 

der  künec  was  sin  oehein. 

der  gräve  werte  sich  in  zwein 

daz  er  niht  m&re  mohte. 

sin  wer  im  lützel  tohte. 

Nu  erschrac  der  gast  msere,  595 

swie  er  doch  komen  waere 
durch  ritterschaft  in  daz  lant. 
daz  machete,  im  was  bekant 
an  ritterschaft  wan  der  name. 
als  aber  er  verliez  die  schäme,  600 

dö  wart  vil  schiere  ouch  er 
beidiu  mit  Schilde  unde  sper 
so  behende  und  ouch  so  wise 
daz  ez  in  br&ht  ze  prise. 

575.  wards  vrlog        580.  kern  in.    des  verses  wegen  möchte  ich  in  für 
mit  setzen,  581.  ernde  589*  betallecliohen.     ich  kann  diese 

form  nicht  nachweisen;  doch  sah  ich  keinen  grund  sie  zu  tilgen,  das 
versmafs  würde  dem  einfachen  betalle  nicht  entgegen  sein.        592.  te 
zw.       594.  im]  nu      597.  maebt  in  vast  unbektnt        601.  vil  schiere 
fehlt. 


\ 

* 


DIB  GUTE  FRAU.  411 

swä  si  an  die  vinde  kämen,  605 

swelhen  schaden  si  da  nämen, 

so  vergie  in  selten  daz, 

er  engetsete  ie  eteswaz 

da  von  er  wart  ze  schalle 

und  ze  prise  vür  si  alle.  610 

im  enschatte  ouch  niht  sfere 

daz  vrou  Saelde  und  vrou  Ere 

sich  sin  underwunden, 

dö  sin  uf  der  sträze  vunden. 

vrou  Saelde  löste  im  diu  pfant:  615 

dar  nAch  versatzte  si  zehant 

vrou  Ere  aber  vürbaz. 

den  strit  den  liez  er  &ne  haz. 

daz  was  sin  wille  und  ouch  sin  muot : 

swenn  im  der  grÄve  bot  guot,  620 

des  werte  er  sich  schöne, 

und  ern  wolde  niht  ze  löne 

wan  siner  vrouwen  minne: 

got  gebe  dfer  die  gewinne. 

der  künec  eines  sites  pflac,  625 

daz  er  die  sumerzit  lac 

im  lande  mit  gewalte 

unz  in  vertreip  diu  kalte. 

die  wile  wuoste  er  daz  lant. 

swa  er  den  gräven  guot  van  l  630 

aide  sine  helfaere, 

daz  was  im  allez  maere. 

er  fuorte  sine  antwerc 

beidiu  an  tal  unde  berc, 

ebenhoehe  und  mangen.  635 

swaz  er  moht  erlangen, 

daz  was  allez  samet  verlorn. 

ez  wart  der  gräve  wol  geborn 

komen  606.  nomen  607.  So  wolt  ie  doch  seltem 

engettet        ich  habe  diese  stelle  nach  Hartmanns  Greg.  1807 — 12 
ndert;  doch  seheint  607  eine  andere  lesart  verborgen  %u  sein. 
entschat        614.  sy  in         616.  sy  si        620.  Wann        622.  ze- 
624.  der]  dir        625.  sittens        628.  der  k.      635.  Eben  hoch 


412  DIE  GUTE  FRAU. 

nie  überladen  so  vaste 

von  urliuges  laste.  640 

Der  küncc  fuor  mit  gewalte, 
manege  burc  er  valte, 
ir  müre  nider  in  den  graben, 
der  gräve  mohte  niht  behaben  : 
er  verlos  an  der  vart  645 

Cäwirz  unde  Musbart, 
die  im  dicke  dienten  söre, 
und  behabte  niht  mfere 
wan  siner  stete  viere : 

diu  nenne  ich  iu  schiere.  650 

Linöde  unde  Rodel, 
die  behuop  der  helt  snel, 
und  Poitiers,  daz  waren  dri, 
daz  vierde  daz  was  Lenseni. 
der  gräve  nam  ze  rate  655 

alle  die  er  häte, 
er  sprach  rnu  ratet,   ez  ist  zit 
(min  Iant  mir  allez  wuoste  lit), 
wie  ir  wellet  daz  ich  werbe 
6  daz  ich  verderbe.  660 

ob  wir  süln  mit  in  vehten 
(got  lät  geniezen  uns  des  rehten, 
wan  si  tuont  mir  äne  schulde), 
ald  ob  ich  des  küneges  hulde   . 
gewinne,  der  uns  hat  getan.  665 

wil  ich  min  lant  von  im  hän, 
so  hat  der  kriec  ein  ende. 
&  aber  ich  sehende 
mich  selben  und  min  erben,« 
ich  läz  mich  6  verderben.  670 

swem  ez  danne  nach  mir  werde, 
der  wer  als  ich  sin  erde 
oder  tuo  swie  im  gevalle/ 

640.  Vrlougs  648.  behabtn  654.  daz  vierde,    vergl.  ho.  9%. 

Wolfr.  Wh.  45,  20.        661.   oh  fehlt.        sollent  mit  Jm        662.  *■* 
vor  geniezen        665.  uns]  es         666.  ich]  ouch  669.  selbs 

673.  tüg 


DIE  GÜTE  FRAU.  413 

dar  nach  rietens  alle 

'bezzer  ist  mit  fern  verstriben  675 

dan  mit  schänden  hie  beliben.' 
den  selben  willen  hän  onch  ich. 
vertribent  dise  herren  mich, 
daz  enist  niht  ein  wunder, 
doch  stirbet  manec  gesunder  680 

ö  ich  min  lant  rume. 
si  vertribent  mich  vil  käme 
die  wil  mir  helfe  gestät 
diu  mir  unz  her  geholfen  hat.1 
si  sprächen  alle  geliche  685 

beide  arme  und  riche 
rh£rre  min,   nu  ist  guot 
daz  ir  wisliche  tuot, 
swelh  not  iuch  an  gfe. 

ir  wäret  doch  bescheiden  &:  690 

daz  selbe  lat  nu  werden  schin. 
ir  sult  von  uns  gewis  sin, 
wir  helfen  unde  raten 
als  wir  noch  ie  getäten, 

weit  ir  unsern  rät  begän.  695 

die  selben  stete  die  wir  hän 
die  sult  ir  schiere  bewarn 
und  sult  selbe  in  eine  varn 
diu  iu  diu  liebes te  si. 

dennoch  haben  wir  nu  dri:  700 

dar  in  varen  aber  wir. 
harre,  dar  nach  schaffet  ir 
daz  werde  iegelicher  slat 
ein  sölich  houbetman  gesät 
under  den  die  andern  swern  705 

daz  si  sich  hüeten  unde  nern 
rehle  als  er  si  heize, 
daz  schaffet  ageleize.3 
Si  rietn  im  alle  vaste 

rillend  sy        687.  min  fehlt.        692.  sond        694.  noch]  iuch 
698.  sond  704.  hopptman  gesatzl  708.  angelaisz 

riettend 


414  DIE  GUTE  FRAU. 

daz  er  sinem  gaste  710 

muote  unde  baete 

daz  erz  durch  in  taete 

und  ze  Linöde  fiiere, 

und  im  daz  volc  d&  swüere 

daz  si  im  wseren  undertän.  715 

si  woltenz  alle  da  vür  hän 

daz  undr  in  niemen  waere 

ze  not  so  trdstbaere. 

der  gräve  gienc  sä  zehant 

da  er  sinen  gast  vant.  720 

er  nam  in  von  den  liuten  dan, 

er  sprach   mir  rätent  mine  man 

daz  ich  iu  des  muote 

daz  ir  in  iuwer  huote 

miner  stete  eine  ruochet  nemen.  725 

wil  iuch  des  durch  mich  gezemen, 

daz  gediene  ich  imer  mg  benamen.' 

do  begunde  sich  der  gast  schämen 

dör  an  in  wolte  kören 

die  arbeit  mit  feren.  730 

er  sprach  cdes  sult  ir  mich  erlän. 

si  hänt  dar  an  niht  wol  getan 

die  iu  an  mich  rieten. 

got  sol  in  gebieten 

daz  si  iu  r&tn  an  einen  man  735 

der  iu  baz  gedienen  kan. 

da  hoeret  kraft  zuo  unde  sin. 

so  wizzet  ir  wol  daz  ich  bin 

in  iuwern  diensten  also 

daz  ich  von  herzen  waere  vrö,  740 

swaz  ich  gedienen  möhte 

daz  iu  ze  dienste  töhte/ 

der  gräve  vlöhete  unde  bat 

unz  er  gelobete  die  stat 

ze  behüeten  und  bewarn  745 

710.  seinen  gast        713.   zelinode  fiere         714.  schwiere        717.  du 
fehlt.         725.  niemen         726.  zimen         727.  ymer  by  namen 
729.  der]  daz        735.  si  fehlt.        737.  hört 


DIE  GUTE  FRAU.  415 

und  durch  in  dar  in  varn. 
er  reit  des  morgens  vruo. 
man  schuof  im«  hundert  ritter  zuo. 
da  fuor  er  und  die  sine 

in  daz  lant  ze  Linddine.  750 

als  er  ze  Linödine  kan, 
dö  was  da  dehein  man 
si  swiieren  alle  in  sin  gebot 
unde  bäten  des  daz  got 

im  sselde  und  6re  -günde,  755 

sit  er  sichs  underwünde. 
nu  was  er  unlange  da, 
er  enschüefe  ouch  eteswä 
d&r  über  allez  daz  lant 

zem  besten  ritter  wart  genant.  760 

ich  sage  iu  rehte  wes  er  pflac. 
er  geruowte  selten  keinen  tac 
von  grözer  arebeite. 
läge  unde  reite 

kund  er  wol  gesteilen.  765 

im  hülfen  sine  gesellen 
mit  manheit  und  mit  rate 
daz  er  geschuof  dräte 
daz  in  daz  her  vorhte. 

vil  dicke  er  si  entworhte  770 

mit  vüeterunge. 
der  volkomene  junge 
schuof  in  michel  ungemach: 
ir  guolen  market  er  in  brach 
daz  in  diu  spise  tiure  wart.  775 

der  künec  hete  an  der  vart 
dem  gräven  sin  lant  gar  genomen, 
wser  er  im  niht  ze  hilfe  komen. 
Der  künec  zürnen  began, 

norges        749.  sinen        753.  schwuren        754.  daz]  darumb 
5ed  y.  e.  gunde  (im  fehlt)        756.   sich  hett  vnde*  wunden 
mtschuff        759.  der]  Dar        762.  seltan  kain         768.  geschafft 
[rate  fehlt)         771.  wohl  Durch  das  ausstehen  nach  speise. 
rolkoment        774.  markt 


416  DIE  GÜTE  FRAU. 

er  sprach  rdaz  uns  der  einec  man  780 

in  disem  witen  lande 
besitzet,  dfest  ein  schände, 
der  tiuvel  brähte  in  hiure  her. 
taete  mir  ieman  als  er 

sinem  hferren  tegeliche  tuot,  785 

dem  waere  hilfe  unde  guot 
von  mir  iemer  anversagt, 
na  müeze  ez  gote  sin  geklagt 
daz  ich  nieman  enhän 

*  der  in  getürre  bestän.'  790 

dö  sprach  der  herzöge  hfere 
cherre,  ir  sult  niht  mfere 
reden  von  disen  dingen, 
ich  wil  in  schiere  bringen 
eintweder  gevangen  oder  tot.'  795 

ein  triuwe  er  im  des  dar  bot. 
niht  lenger  er  entweite, 
üz  den  sinen  er  dö  weite 
daz  ir  drin  hundert  wären, 
die  begunden  sin  da  vären.  800 

si  vuoren  uz  alle  tage, 
ir  knehte  riten  nach  bejage 
als  si  ouch  fe  täten, 
also  wart  er  verraten. 

daz  wart  dem  beide  unverzaget  805 

dar  nach  schiere  gesaget 
von  einem  garzdne 
daz  sin  die  BritAne 
lägeten  aller  tegelich. 

dö  sprach  er  cdaz  ist  billicb  810 

daz  man  den  vinden  schaden  tuo 
beidiu  späte  unde  vriio/ 
do  ergienc  ez  vil  bereite 
als  er  uf  leite. 

782.  besitzt  das  ist          783.  hür,  vergl.  625  #.  797.  entwalte 
798.  walte         801.  allen  tac         803.  tetten  808.  sin]  in.    viel- 
leicht ist  der  dativ  zu  bewahren,  vet*gl.  844.  811.    tilg 
812.  früg        813.  Do  gieng  er  all 


DIE  GÜTE  FRAU.  417 

dö  diu  ros  daz  vuoter  gäzen,  815 

zehant  si  drüf  säzen. 

sus  reit  der  helt  balde 

sä  gegen  eime  walde 

des  selben  nahtes  späte, 

den  er  erkoren  häte  820 

zer  aller  besten  huote. 

dö  bat  si  der  guote 

daz  si  stille  laegen 

und  deheines  Schalles  pflaegen. 

er  sprach  cswie  wönec  unser  si,  825 

uns  lft  ein  michel  her  hie  bi/ 

als  lägen  si  mit  sorgen. 

dö  in  erschein  der  morgen, 

dö  sprach  er  cich  wil  riten: 

nu  sult  ir  min  hie  biten  830 

hinder  disem  rise. 

nu  tuot  als  ich  iuch  wise. 

iu  si  daz  allen  vorgesaget, 

swer  mich  da  her  zuo  iu  jaget, 

dem  hänt  wir  wol  geliehen  strit.  835 

als  ichz  erhebe,  so  komet  enzit. 

wirt  aber  der  jegere  ze  vil, 

so  sage  Tu  wie  ich  tuon  wil: 

ich  vliuhe  ein  ander  sträzen, 

so  sult  ir  mich  läzen  840 

vliehen  und  verliget  ir, 

und  ritet  danne  nach  mir, 

so  iu  werde  der  run. 

unser  läget  der  Britün 

mit  siner  geselleschefle  845 

die  hänt  uns  überkrefte. 

von  diu  pflegt  gewarheit 


17.  Sunst         821.  Ze         826.  gott*  das  recht*         835.  Denn 
38.  ich  üoeh         839.  So  fliueh  ich  e.  a.  strassze         840.  mich]  nit 
41.  Fliechent  843.  run  844.  Vnns  lagent  die  pritun 

45.  gesellschaffte        846.  überkraffte         847.  die  pfligt  warheit 
48.  Ain  nüw  wirt  widerrait,   woraus  ich  nichts  zu  machen  weift. 
Z.  F.  D.  A.    IL  27 


418  DIE  GÜTE  FRAU. 

Nu  tüten  si  als  er  in  riet, 
vrocliche  er  von  in  schiet  850 

selbe  vierzehende. 
dö  reit  er  umbe  spehende 
bi  den  vinden  üf  der  warte, 
dö  kam  sä  vil  harte 

der  Britune  hörre:  855 

des  schar  was  diu  mßrre. 
als  er  si  bäte  gesehen, 
er  sprach    uns  mac  niht  geschehen 
wan  daz  uns  geschehen  sol. 
daz  gevüeget  sich  ouch  wol.  860 

wir  suln  in  striten  üf  reht.' 
dö  enbeit  der  guote  kneht 
unz  si  si  wol  besahen, 
dö  sin  befunden  nähen, 

zuo  zim  der  da  habie  865 

gezogenliche  er  drabte 
vor  in  werliche. 
siege  unde  Stiche 
die  wären  da  wol  veile: 

der  wart  im  vil  ze  teile.  870 

man  stach  unde  sluoc  in 
über  ein  wit  velt  hin. 
ich  sage  iu  rehte  wes  er  gnas: 
daz  er  ein  ziere  ritter  was 
unde  manhaft  genuoc.  875 

viinf  ros  er  in  sluoc 
unz  hin  zem  holze  vorne, 
dö  warf  der  wol  gebbrne* 
sin  ros  hinwider  diu  ougen. 
die  da  lägen  tougen  SSO 

verborgen  in  dem  walde, 
die  körnen  sä  vil  balde. 
dö  wart  der  schoeneste  strit 

£49.  tettend  853.  der]  einer  854.  kam  so.  vielleicht  ist  gahte 
zu  schreiben,  wegen  harte.  855.  pritun  here  861.  söllent  mit  h 
862.  embaicst  864.  Do  beg.  Jncn  866.  Gezoglich  873.  io 

fehlt.        877.  verne 


DIE  GÜTE  FRAU.  419 

der  vor  des  aide  sit 

von  so  vil  liuten  ie  geschach.  885 

diu  minder  schar  durch  brach 

durch  die  m&rren  vil  ges  winde. 

der  gast  und  sin  gesinde 

vähten  manlichen. 

des-  muosten  in  entwichen  890 

des  herzogen  ritterschaft. 

si  bestuonden  si  mit  sölher  kraft 

daz  sis  ze  vlühte  twungen. 

do  begegente  dem  jungen 

der  herzöge  in  dem  strite.  895 

in  harte  kurzer  zite 

twanc  er  in  manlichen, 

wan  im  warn  entwichen 

die  im  helfen  solten  d&. 

dö  vienc  in  der  helt  sä  900 

und  twanc  in  mit  gewalte. 

den  pris  man  im  dö  zalte. 

swen  nu  der  rede  wundert 

daz  hundert  driu  hundert 

viengen  unde  ersluogen,  905 

daz  geschehe  oueh  hiute  genuogen, 

swä  ungewarnte  liute  riten 

und  ir  gewarnete  biten 

verholen  in  einer  läge, 

daz  man  von  sinem  mäge  910 

vlühe  6  er  bevünde 

aide  wol  gemerken  künde 

welaht  jener  waere. 

also  vuocten  sich  diu  maere. 

si  sluogen  unde  viengen  915 

swaz  so  si  ir  begiengen 

(84.  dez  aller  zilt  893.  sis]  sy  894.  De  begegnot 

)06.  geschach  —  gnuge  908.  Je.  der  dichter  hat  sieh  entweder  die 

^ottfriedische  Unregelmäßigkeit  erlaubt  (und  ir  gewarnete  biten,  vergL 
iu  Iw.  6575,  denn  unde  ir  gewarnte  biten  wäre  zu  hart)  oder  gewar- 
nte gesagt.  911.  Flucht  er  befunde  913.  vetgl.  1063.  da  die 
form  welacht  zweimal  vorkommt,  wage  ich  nicht  zu  ändern. 
)15.  schlug 

27* 


420  DIE  GUTE  FRAU. 

und  riten  vroeliche  hein. 
d6  maost  der  künec  sinn  oehein 
büezen  ande  gelten. 

dem  gr&ven  dem  was  selten  920 

da  vor  so  wol  gelungen, 
nu  danke te  er  dem  jungen, 
als  der  ze  Linöde  kan, 
dö  sante  er  sinen  boten  dan 
und  enböt  dem  gr&ven  insere,  925 

wie  im  gelungen  waere, 
und  dfer  im  kunt  taste 
daz  er  gevangen  haete 
den  von  Britanje  lant. 

dö  daz  der  gräve  bevanl,  930 

.d6  schiet  in  daz  maere 
von  aller  siner  swaere. 
er  kam  ouch  zallem  guote. 
im  wart  nach  sinem  muote 
vergolten  iesä  zehant  935 

beide  roup  unde  brant. 

Dö  der  gräve  und  sin  lant 
mit  grözen  6ren  überwant 
sinen  kumbr  und  sine  not, 

sinem  gaste  er  dö  bot  940 

sin  tohter  ze  wibe 
und  nach  sinem  libe 
daz  lant  zc  Poitouwe. 
des  erwande  in  sin  vrouwe. 
er  sprach  cdes  erlät  mich:  945 

ez  waere  unvuogelich. 
ich  wart  der  feren  nie  wert, 
der  herzöge  iuwer  tohter  gert, 
den  ir  da  gevangen  hat: 

dem  gebet  si,  daz  ist  min  rät:  950 

ich  rätez  uf  die  triuwe  min. 

018.  sein  920.  seltan  923.  der]  er.  unser  ritter  ist  gemeint. 
925.  embotten  den  gr.  mere  927.  dar  Jnn  929«  den  herezogea 
939.  knmer         943.  pettowe  945.  des]  der  948.  begert 

951.  ratts 


DIE  GUTE  FRAU.  421 

so  mac  iuwer  suone  sin 

staete  unde  veste. 

daz  danket  mich  daz  beste/ 

daz  ergie  vil  bereite  955 

als  er  üf  leite. 

dö  diu  suone  wart  gesät, 

zehant  er  urloubes  bat 

ze  riten  heim  ze  lande. 

der  gräve  in  des  erwande  960 

harte  käme  und  doch  mit  bete, 

daz  er  ungerne  tete. 

nu  möhte  niemen  wizzen 

wie  si  sich  alle  vlizzen 

ze  tuonne  swaz  er  wolte.  965 

swenn  er  ze  hove  solte 

ald  zer  herberge  riten. 

so  dolte  er  zallen  ziten 

von  gedrange  michel  ungemach. 

swer  in  zuo  einem  male  gesach,  970 

der  wände  sin  vür  war 

deste  sseliger  ein  jär. 

in  dirre  wirdekeite 

vant  in  ein  böte  bereite, 

der  sagete  im  leidiu  msere,  975 

daz  siner  vrouwen  waere 

ir  lant  wol  halbez  genomen. 

dö  sprach  er  cwie  ist  daz  komen? 

aide  wer  hat  daz  getan?3 

'daz  l&ze  ich  schiere  iuch  verstän..  980 

der  gräve  Wide  von  Averne 

haete  si  ze  wibe  gerne. 

d6  enwolt  ab  si  sin  niht. 

da  von  ir  daz  leit  geschiht. 

er  reit  mit  her  in  ir  lant:  985 

52.  sun      957.  sann      960.  in  des]  nit      961.  kom     962.  er,  der  ritter. 
J3.  mocht        965.  zetun        972*  sin  vor  ein        974.  in  ein]  min 
11.  halb  980.  b  es  tan.  dies  soll  nach  Ziemann  MS.  1,  70b  in  der 

ideutung  von  verstan  vorkommen,  ist  aber  dort  so  gebraucht  wie  in 
iesem  gedickte  1315. 


I 


422  DIE  GUTE  FÄAU. 

daz  hat  er  allez  verbrant 

und  liget  noch  mit  gewalte  da/ 

vür  sinen  hßrren  vuor  er  sä. 

an  sinen  vuoz  er  sich  bot, 

er  sprach    nu  ist  mir  ßrste  not,  990 

weit  ir  mir  iemer  rät  geben. 

al  die  wile  ich  hän  daz  leben 

so  muoz  ich  vertriben  sin, 

vertribet  man  die  vrouwen  min 

diu  mich  von  kinde  hat  gezogen.  995 

ode  mir  hat  ir  böte  gelogen, 

si  urliuget  sgre 

und  hat  hilfe  lützel  mßrc. 

nu  hat  si  her  an  mich  gesant.' 

Dö  sprach  der  gräve  zehant  1000 

des  wil  ich  iemer  got  loben 
und  den  guoten  sant  Jacoben 
daz  ez  ir  solte  widervarn. 
nu  wil  ich  niemer  gesparn 

weder  lip  noch  daz  guot.  1005 

swer  dem  andern  wol  tuot,* 
tuot  er  im  da  wider  leit, 
daz  ist  ein  grdziu  bösheit. 
ir  hat  vil  wol  an  mir  getan, 
daz  ich  min  lant  hiute  hän,  1010 

des  hülfet  ir  mir  eine 
und  anders  iemen  deine, 
ich  hilfe  iuch  da  widere 
ald  ich  gelige  darnidere/ 

der  gräve  boten  sante:  1015 

nach  den  boten  er  selbe  rante. 
er  sprach  mäge  unde  man, 
unz  er  vünf  hundert  ritter  gwan 
den  eines  ringes  niht  enbrast. 
die  riten  alle  durch  den  gast  1020 

harte  willecliche. 

998.  verluget  999.  in  der  hs.  schon  hier  ab  satt.  .  1005.  daz 

fehlt.         1013.  ouch         1016.  ist  boten  %u  streichen*         selb  da 
1021;  wülencl. 


EHE  GUTE  FRAU.  423 

sus  vuor  der  tugentriche 

wider  heim  ze  lande. 

mit  ören  äne  schände. 

<lö  der  böte  siner  vrouweii  kam  1025 

und  daz  si  rehte  vernani 

sin  wirdeclichen  ßre, 

dö  vreute  si  sich  s£re 

und  gedähte  in  ir  maote 

rja  herre  got  der  güote,  1030 

diner  gnaden  der  ist  m& 

dan  der  vische  ime  s&. 

noch  wirt  min  alse  guot  rät 

als  der  diu  einen  man  hat. 

ich  weiz  wol  daz  da  her  vert  1035 

ein  man  der  min  lant  wert 

so  er  alter  beste  kan/ 

ilö  daz  her  diu  maere  vernan 

daz  da  ksem  ein  ander  her, 

g&n  dem  schuofen  si  ir  wer.  1040 

dö  si  komen  in  daz  lant, 

der  6  gast  was  genant; 

4er  wart  nu  wirt,  si  geste. 

in  schuof  der  muotveste 

gemach  als  er  wol  künde,  1045 

wan  er  in  guotes  gunde. 

dar  an  enwas  dehein  zil: 

rosse  und  Hute  heten  si  vil. 

nu  enböt  er  siner  vrouwen, 

si  solt  ir  balde  zouwen  1050 

im  senden  swen  si  möhte  hän. 

daz  wart  vil  schiere  getan: 

si  sante  im  in  einer  schar 

vünf  hundert  biderber  ritter  dar 

und  tüsent  serjande,  1055 

die  besten  von  ir  lande. 

die  wären  willec  uf  die  vart 

1022.  Sunst  für        1027.  wirdencl.        1028.  frowt        1039.  k«m  ein] 
kain  1042.  genamt  1043.  vn  sy  1046.  wol  g&tz 

1048.  hatten        1050.  sölt  —  schowen        1057.  villicht 


424  ÖIE  GÜTE  FRAU. 

und  liezn  ir  hiuser  wol  bewart* 

Dö  si  zeinander  kämen 
und  die  geste  vernämen  1060 

von  den  vome  lande, 
dö  was  in  harte  ande, 
welafat  jener  wsere. 
sich  huop  urliuges  maere. 

dö  hugetens  alle  uf  einen  strit.  1065 

des  wurden  si  gewert  sit : 
wan  im  was  strites  gedäht, 
der  si  dar  hete  bräht. 
der  reit  des  morgens  zehant 
da  er  die  viende  vant  1070 

und  kam  in  also  nähen 
daz  si  einander  sähen, 
er  schuof  sim  her  durch  gemach 
ir  herberge  an  einen  bach 

der  zwischen  in  nider  vlöz.  1075 

daz  wazzer  was  also  gröz 
daz  ez  ze  den  selben  ziten 
da  niemen  inoht  erriten, 
so  rehte  tief  was  der  sant. 
ez  ist  noch  Aller  genant.  1080 

der  gräve  Wide  von  Averne 
dem  tohte  ouch  niht  zemberne, 
erne  schliefe  under  in 
beidiu  wer  unde  sin: 

wan  er  hete  dri  starke  schar  1085 

die  im  gevolget  beten  dar. 
des  siges  des  versach  er  sich 
und  was  ouch  gnuoc  werlich: 
des  was  er  innerlichen  vrö. 
da- wider  gedähte  er  aber  dö  1090 

1058.    liessz  1059.    zu  ain.  komen  1060.    v'nomen 

1061.  vome]  von  dem  1064.  vrlougs  1065.   hngetes 

1066.  gewar  1069.    der]    do  morges  1073.    sein 

1078.  erriten  in  dieser  bedeutung  kenne  ich  nur  aus  Notk.  ps.  67,  25. 
1080.  gedannt  1082.  Den  dogt  1083.  Er  schüff         1089.  innc- 

clichen?         1090.  selb 


DIE  GÜTE  FRAU.  425 

ich  hän  ez  dicke  gesehen 

und  ist  mir  selben  geschehen, 

swä  ein  spil  geteilet  wart 

uf  breite  ald  an  hashart, 

swer  da  daz  waeger  kös,  1095 

daz  er  dicke  verlos. 

also  ist  mir  geteilt  ein  spil 

dar  an  ich  gewinnen  wil, 

ob  ich  saelec  wart  geborn: 

wirt  aber  min  teil  verlorn,  1100 

so  enruoche  ich  wer  diu  pfant  hat, 

wan  so  wirt  min  nimer  rät.' 

hie  von  het  er  beide 

liebe  unde  leide. 

Mit  rede  ich  iuch  betiute,  1105 

von  welher  h^nde  Hute 
er  dri  schar  bäte: 
die  nenne  ich  iu  dräte. 
der  gräve  von  Murlän, 

dem  was  Gascön  undertän,  1110 

der  kam  durch  sinen  willen  dar. 
dö  bräht  die  anderen  schar 
ein  gräve,  der  hiez  Lufer, 
von  Provenze  was  der. 

diu  dritte  schar  sin  selbes  was.  1115 

üz  den  drin  scharn  er  dö  las 
die  besten  alle  die  naht 
mit  den  er  smorgens  vruo  vaht. 
dö  schuofen  jene  under  in 

zwo  schar  g6n  den  drin.  1120 

der  guote  kneht  sich  underwant 
der  die  er  brähte  in  daz  lant: 
die  teten  gern  swaz  er  si  hiez.  : 

>94.  vergl.  Jacob  Grimm  in  der  zeit  sehr,  f.  d.  alt*  1,  576.  dort  wird 
n   hasehart  üf  einem  bret  erwähnt ;    hier  scheinen  uf  brette  und  an 
ishart  verschiedene  spiele  zu   sein,     diese   stelle  ist  ohne  zweifei  die 
'teste  in  der  dies  wort  bisher  gefunden  ist.*         1095.  da  fehlt, 
m.  ob]  das         1110.  Gason        1112.  ander         1118.  dez  m.  vor 
\%%.  ev  fehlt.        1123.  gern  zu  streichen? 


426  DIE  GÜTE  FRAU. 

dem  gräven  er  die  sinen  liez 

und  bat  in  nächhuote :  1125 

daz  lobete  im  der  guote. 

morne,  dö  ez  tac  wart, 

si  körnen  beidenthalp  geschart 

mitten  üf  ein  ouwe. 

dö  vrumt  diu  guote  vrouwe  1130 

des  selben  tages  sä  zestunt 

vil  manegen  töten  unde  wunt. 

daz  was  doch  an  ir  schulde  gar. 

zesamene  körnen  dise  schar 

mitten  ime  vurte,  1135 

da  man  manegen  nider  hurte 

der  niemer  möre  üf  gesaz. 

si  wurden  müede  unde  naz. 

swelher  da  nider  kan, 

den  generte  nie  man,  1140 

er  muoste  da  beliben  tot. 

daz  lüter  wazzer  wart  röt 

vil  schiere  von  dem  bluote 

da  die  beide  guote 

striten  in  dem  wäge.  1145 

nieman  bedarf  der  vräge 

wie  ez  der  helt  strete 

des  selben  tages  trete. 

er  werte  mit  siner  hant 

sine  vrouwen  unde  ir  lant  1150 

des  tages  mit  gewalte. 

den  pris  man  im  zalte. 

er  dranc  unde  er  hurte, 

unz  er  üz  dem  vurte 

getete  sunder  twäle  1155 

mit  gwalt  die  Provinzäle. 

als  er  daz  lant  dö  gewan, 

sin  hörre  mit  den  vanen  kan. 

dö  wart  gevärwet  daz  gras 

1127.  Mornen         1135.  in  ain  fate         1140.  nieman         1144.  huldeo 
1155.  sonder  wal  1156.  den  prouiczal  1158.  ranen.     %u  b£rre 

vergl.  997.  1177.         1159.  grün  grasz 


DIE  GÜTE  FRAU.  427 

rAt,  daz  fe  grüene  was.  1160 

der  gräve  und  die  sine, 

die  stolzen  Poitewine, 

drungen  sament  durch  die  schar 

als  ez  waere  ein  rör  gar. 

do  bestuont  der  gräve  Wide  1165 

mit  harte  grözem  nide 

die  harren  vorne  lande. 

vil  verre  mann  erkande: 

sin  wäfenroc  was  riebe, 

er  erschein  gar  werliche  1170 

von  im  als  ein  Sterne. 

der  gräve  von  Averne 

der  was  ein  helt  ze  aller  zit 

doch  kund  er  niht  genern  sit 

den  gräven  von  Murlän.  1175 

daz  het  er  gerne  getan: 

do  enliez  in  des  gräven  man 

der  von  Poitouwe  kan. 

waz  sol  ich  iu  nu  mßre  sagen? 

da  wart  gevangen  unde  erslagen  1180 

meistec  ailez  daz  da  was. 

der  aber  entran  und  genas, 

der  verlos  ganzliche. 

jene  wurden  also  riche 

daz  si  ez  fuorten  küme.  1185 

si  vuoren  hin  zem  pflüme 

und  herbergeten  zehant. 

dise  vrouwen  unde  ir  lant 

erlöste  ir  geselle. 

nu  löne  im  so  si  welle!  1190 

ouch  wart  er  an  der  selben  stunt 

in  eine  hant  so  s&re  wunt 

daz  er  einen  krumben  vinger  gwan 

der  im  sit  ze  grözen  sta'ten  kan. 

dö  disiu  rede  also  ergie  1195 

.160.  e]  es  116?.  Do  stoltzten  boitwinen  1168.  man  in 

169.  waffen  rot        117?.  wid  v.  A.        1174.  doch — sit]  als  man  von 
fm  seit         1185.  füre  komen         1189.  Er  erlosst  ir  Jr  gesellen 


428  DIE  GÜTE  FRAU. 

und  sich  daz  her  nider  gelie 

und  daz  diu  vrouwe  vernam, 

zehant  si  geriten  kam 

harte  schöne  über  daz  velt 

vür  des  gräven  gezelt  1200 

da  si  in  inne  weste. 

do  enpfienc  der  muotveste 

die  vrouwen  schöne  unde  wol, 

als  man  lieben  vriunt  sol. 

ouch  enpfienc  in  diu  riebe  1205 

gar  güetliche: 

si  hiez  in  willekomen  sin 

und  sprach  cvil  lieber  hörre  min, 

ir  hat  vil  wol  an  mir  getan. 

mich  wolte  der  h£rre  hän  1210 

mit  gewalte  äne  reht, 

als  ir  selbe  wol  seht 

wie  er  min  lant  verwüestet  hat.   , 

daz  ez  nu  vrideliche  stät, 

des  hat  ir  mir  geholfen  wol.  1215 

nune  weiz  ich  wie  ich  dienen  sol 

dise  manecvalten  &re, 

wan  daz  ich  iemer  m&re 

in  iuwerm  dienste  schine 

mit  triuwen  und  die  mine.'  1220 

[er  sprach]  'vrouwe,  ir  müezt  die  rede  län. 

swaz  ich  iu  gedienet  hän, 

daz  tete  ich  gerne  an  iuwer  bete. 

danket  ir  es  dem  durch  den  ichz  tete. 

mir  half  ein  iuwer  lantman,  1225 

daz  ich  ez  niemer  enkan 

gedienen  als  ich  solte, 

ob  er  dienest  nemen  wolte. 

mir  half  sin  manheit  und  sin  sin 

daz  ich  ein  richer  hferre  bin,  1230 

und  was,  dö  er  ze  mir  kan, 

betalle  ein  vertriben  man.     . 

1199.  daz]  ends        1217.  menigualt         1223.  gebett         1225.  ainer 
1228.  niemen 


DIE  GÜTE  FRAU.  429 

den  selben  sult  ir  willec  hän, 

so  kan  ez  iu  niht  missegänV 

dannoch  enweste  der  hell  balt  1235 

wiez  undr  in  zwein  was  gestalt. 

Diu  milte  und  diu  riebe 
enpfienc  vil  werdecliche 
ir  gesellen  den  degen. 

da  wart  ir  nach  vil  manec  segen,  1240 

d6  diu  vrouwe  gemeit 
wider  hin  ze  huse  reit, 
solt  ich  iu  sagen  wie  si  reit 
und  wie  si  waere  becleit, 

und  ir  junevrowen  besunder,  1245 

daz  diuhte  iueh  ein  wunder. 
•  si  hetes  an  guote  wol  gewalt 
und  was  ouch  dar  zuo  gestalt 
alse  wol  ze  wäre 

an  übe  und  an  häre  1250 

daz  ir  alle  die  jähen 
die  si  des  tages  gesähen, 
si  gessßhen  nie  so  schoene  maget. 
swaz  in  von  ir  was  gesaget, 
des  jähen  si  ir  alle  mö.  1255 

Wol  dri  tage  unde  m6 
reit  er  hin  wider  mit  in. 
dö  teilten  si  ir  gewin 
und  riten  vroeliche  hein. 

dö  sach  man  under  in  zwein  1260 

manege  triuwe  ein  ander  geben, 
die  wil  si  möhten  geleben 
daz  iemer  waere  mit  kraft 
staete  ir  geselleschaft. 

daz  kint  schiet  trürende  dan.  1265 

daz  machete,  im  lac  allez  an 
sin  herze  in  eime  stricke 
und  ermante  in  vil  dicke 

233.  sond        1^35.  wisst  nicht  d.         123a.  werdenl.         1240.  vnor? 
1243.  Sölt  1247.  hett  es  1256.  in  der  hs.  kein  abtatz*  . 

262.  mochten      1265.  trurig      1266.  lang  allsan      1268.  Jn  ermaat  ml 


430  DIE  GUTE  FRAU. 

däz  er  nach  liebe  hete  leit. 

dö  was  diu  Minne  vil  gereit:  1270 

si  riet  im,  als  siin  fe  riet, 

dö  er  von  siner  vrouwen  schiet, 

daz  er  guotiu  wip  orte 

und  von  den  boesen  körte 

und  dar  an  statte  belibe,  1275 

und  swie  lang  er  daz  tribe 

und  swie  wönec  ers  genüzze, 

daz  ez  in  niht  verdrüzze. 

daz  treip  er  also  manegen  tac 

daz  ich  vür  war  wol  sprechen  mac  1280 

daz  man  in  wälscher  zungen 

so  wol  gelobeten  jungen 

in  allen  enden  niender  vant, 

wan  er  siner  vrouwen  het  ir  lant 

erlöst  albetalle:  1285 

des  jähen  si  im  alle. 

nu  erbarmte  die  Minne, 

daz  er  lip  und  sinne 

an  ir  genäde  häte  ergeben 

und  ein  so  jaemerlichez  leben  1290 

von  ir  schulde  haet  erkorn. 

si  twanc  die  maget  wol  geborn 

daz  si  ouch  wehsein  began 

ir  minne  wider  den  man. 

ir  wart  nach  im  als  w£  1295 

als  im  nach  ir  was  gwesen  e. 

als  si  von  der  Minnen 

also  wären  überwunden, 

swaz  si  da  vor  künden  1300 

trinken  oder  ezzen, 

des  wart  gar  vergezzen, 

lachen  unde  singen 

1269.  liebin  1271.  sim]  Jm  1283.  nienert  1286.  Das 

1291.  von]  Vnd  1293.  si  fehlt.  1298.  etwa  an  libe  unde  an  sin- 
nen, oder,  da  die  lücke  nicht  bezeichnet  ist,  um  1296  zu  glätten,  als 
im  was  gewesen  e  nach  ir  in  sinen  sinnen.         1300.  dauon 


DIE  GÜTE  FRAU.  431 

daz  wart  ze  andern  dingen 

harte  verkferet.  1305 

swen  minne  leben  lftret, 

dem  widervert  dicke 

liebe  und  herzen  schricke. 

swie  gröz  diu  liebe  si, 

so  wese  ge warnet  da  bi  1310 

mit  liebe  und  mit  leide, 

wie  si  die  gescheide 

die  mit  vröuden  selten  werden  alt. 

hßrre,  wer  gap  ir  den  gewalt 

(ern  bestät  si  ze  nihte)  1315 

daz  si  scheidet  äne  gerihte 

daz  gerne  samet  waerc? 

der  selbe  scheidsere, 

der  heizet  missewende 

und  liep  ze  leid  ende.  1320 

Babilonje  diu  stuont  6, 

die  wile  disiu  werlt  gestß 

so  gewinnet  niemer  mßre 

dehein  stat  so  michel  gre. 

da  was  gesezzen  inne  1325 

ein  richiu  küneginne.    . 

ez  enwart  nie  küneges  gewalt 

zuo  der  vrouwen  gezalt 

noch  enmöhte  niemer  werden. 

si  was  uf  al  der  erden  1330 

gewaltec  rehte  als  in  ir  hant: 

si  vuor  mit  her  in  elliu  lant. 

diu  selbe  küneginne 

pflac  wunderlicher  minne. 

si  was  vil  selten  äne  man:  1335 

1304.  Dez  1309.  die  liebn  ist  sy  1310.  wese]  bis  1311.  liebi 
1315.  er  embestat  1318  und  1319.  Die,  was  ich  nicht  wage  stehen 
zu  lafsen.  1320.  liep  ze  leid  ende  ist  wie  ein  wort  zu  betrachten, 

vielleicht  ist  jedoch  liebe  leidez  ende  zu  schreiben  oder  mit  größe- 
rer kuhnheit  1316  scheide  zu  lesen,  1318  und  1319  in  klammern  zu 
schließen,  und  zu  verbinden  den  gewalt  daz  si  scheide  und  —  ende. 
1323.  niemät        1325.  da]  Das        1330.  aller  der        1335.  sei  tan 


432  DIE  GUTE  FRAU. 

s weihen  si  des  nahtes  gwan, 

er  Uete  ir  liep  oder  leit, 

dem  was  des  morgens  bereit 

daz  man  imz  houbet  abe  sluoc: 

si  verdarbte  liute  genuoc.  1340 

also  git  Minne  beide 

liebe  unde  leide. 

si  lönet  ze  gelicher  wis 

als  diu  künegin  ir  ämis. 

diu  gap  ie  den  lön  den  tot:  1345 

als  lönet  si  mit  seneder  not. 

nu  ist  iedoch  Vrou  Minne 

meister  aller  sinne, 

si  einec  ist  betalle 

honec  unde  galle,  1350 

alt  unde  niuwe, 

vreude  unde  riuwe, 

weich  unde  herte, 

sieht  und  ungeverte, 

grusen  unde  v£hen,  1355 

dröuwen  unde  vlöhen, 

släfen  unde  erwecken, 

zarten  unde  erschrecken : 

des  hat  si  alles  gewalt. 

ir  gevalt  ist  manecvalt  1360 

daz  ir  hiht  des  widerstAt 

daz  herze  unde  sinne  hat. 

Swer  nu  an  disen  kinden 
wil  ze  rehte  vinden 

waz  si  leben  äne  minne,  1365 

der  enhät  deheine  sinne, 
swem  rehte  kunt  wäre 
ir  manecvaltiu  swaere 
die  si  nach  ein  ander  truogen, 
den  möhte  ez  wol  genuogen.  1370 

ich  sage  iu  sinen  kumber: 

1336.  die  nachtz  1337.  tett         1338.  morges         1339.  heppt 

1340.  verderbt         1349.  all  betalle  1361.  nichtz  w,  1363.  ta 

fehlt.        1368.  mäi.igüältige        1371.  kamer    . 


DIE  GUTE  FRAU.  433 

er  gedähte  cich  vil  tumber, 

waz  solte  mir  der  tumbe  wän? 

von  der  ich  liebe  wände  hän, 

diu  ist  ein  vrouwe  riebe:  1375 

sd  lebe  ich  ärmliche. 

si  wirt  mir  also  schiere 

als  Metze,  alse  Triere. 

dö  was  der  vrouwen  guote 

anders  ze  muote,  1380 

vil  reht  als  in  sagen  wil. 

und  merket  iemen  uns  daz  spil, 

sd  si  sin  gröziu  vrümekeit 

gein  mime  guote  geleit: 

sd  mac  ez  wol  geliche  «in.  1385 

rätent  ez  die  vriunde  min, 

ich  nime  in  gerne  zeinem  man. 

ob  ichs  niht  an  in  vinden  kan, 

ich  minne  in  an  ir  aller  rät. 

der  rehte  wisse  wiez  nu  stät,  1390 

der  hülfe  mirs  bezite. 

swaz  ich  vürbaz  bite, 

daz  ist  wider  minen  danc' 

diu  Minne  si  zesamme  twanc: 

diu  kundes  wol  gevellen  1395 

ensamt  ze  einem  wellen. 

si  sante  nach  ir  mannen 

und  nach  ir  vriundeu  dannen 

und  dähte,  swie  si  den  geliige 

und  si  mit  listen  betrüge,  1400 

daz  ez  doch  guot  waere. 

si  sprach  cmir  wart  ein  maere 

gesaget  nähten  späte, 

daz  man  aber  rate 

an  min  guot  und  an  min  &re.  1405 

1379.  Turner  1378.  Also  metz  also  Trier  1389.  Vnd  merk  mff 

dz  sp.,  und  tadelt  en  jemand.         1384.  Gen  Jn  min  g.  1385.  ez] 

Ir  1389.  Ich  ich  min  (nun?)  Jn  on  aller  Jrer  r.  1390.  rechten 

wicx        1391.  gar  zitte         1395.  kund  sy         1396.  One  sant  ze  sine 
wollen,    ohne  zwetfel  ist  wellen  noch  verderbt.         1403.  nacht 

Z.  F.  D.  A.  II.  28 


434  DIE  GUTE  FRAU. 

n u  vürhte  ich  mir  vil  s&re: 

ich  bin  ein  maget  Ane  sin/ 

dö  sprach  einer  under  in 

'vrouwe,  ir  sultz  vür  guot  hAn, 

disiu  vorhte  und  dirre  wAn  1/itO 

ist  uns  bereit  ze  aller  zit. 

die  wile  ir  Ane  man  sit, 

so  sint  wir  alle  verlorn, 

irn  kieset  cinn  man  wol  geborn 

der  uns  wer  und  iuwer  lant.'  1415 

dö  sprach  diu  vrouwe  zehant 

ich  enwil  noch  enmac 

hinnen  vür  deheinen  tac 

üz  iuwerm  rate  geleben. 

weit  ir  mir  einen  man  geben,  1420 

den  kieset  als  es  iuch  gezeme 

daz  ich  in  durch  iuwern  willen  neme. 

si  sprächen  alle  Vrouwe, 

der  dem  gräven  von  Poitouwe 

sin  lant  widere  gewan,  1425 

wser  iu  der  liep  ze  einem  man, 

der  hete  iuch  billiche. 

der  wert  ouch  iuwer  riche 

manlichen  als  ein  hclt.' 

diu  vrouwe  sprach  csit  ir  in  weit,  1430 

ich  nime  in  gern  durch  iuwern  rät, 

sit  daz  ir  mirz  geraten  hat/ 

dö  wert  in  vrouwe  Minne 

an  libe  unde  an  sinne 

vil  reht  nach  sinem  muote  1435 

an  wibe  unde  an  guote 

als  sim  geheizen  hAte. 

swer  nach  ir  rAte 

1409.  sölt  es  Uli.  ist  fehlt.  1414.  Jr  kiesset  Jr  ainen 

1415.  wer  fehlt.         1421.  geziin         1422.  daz]  sit        neme]  nim 
1424.  Der  den  gr.         1425.  poitowe         1428.  wirt        1429.  Manlich 
1430  —  32.   vielleicht  ist  die  dreimalige  erw  ähnung  des  rathes  wenig- 
stens einmal  dadurch  tu  vermeiden  dafs  man   1431  ze  hir&t  schreibt. 
1438.  War 


DIE  GUTE  FRAU.  4S5 

wirbet,  derst  behalten, 

und  wil  er  sinne  walten.  1440 

Dö  ditze  maere  üz  kan, 
daz  diu  vrouwe  hete  disen  man, 
daz  wart  über  al  daz  lant 
ze  grözen  6ren  bewant. 

si  sprächen  alle  geliche,  1445 

beidiu  arme  und  riebe, 
er  solt  si  billicbe  hän. 
ouch  het  si  wol  an  im  getan, 
er  was  vrö  und  si  was  vrö: 
ir  vreude  schuof  sich  also  1450 

alle  stunde  und  alle  vart 
daz  in  ande  niene  wart, 
daz  bekumberte  lant 
den  aller  besten  vride  vant 
der  da  vor  ie  d rinne  wart.  1455 

ir  ungendde  was  verspart, 
dem  harren  liebte  sin  wip 
beidiu  leben  unde  lip. 
er  lebete  als  er  wol  künde, 
hebeche  unde  ouch  hunde,  1460 

valken  unde  winde 
het  er  in  sime  gesinde 
ze  allen  ziten  harte  vil. 
hunde  unde  vederspil 

was  sin  kurz  wil  allen  tac,  1465 

swenn  er  da  heime  müezec  lac. 
doch  verlac  er  selten  durch  gemach, 
swä.  ime  lande  iht  geschach 
daz  iht  traf  ze  ritterschaft. 
er  und  sine  geselleschaft  1470 

wären  wol  da  vorne. 

139.  der  ist        1441.  kein  ab s atz.         1443.  alle*        1446.  ßaiden 

452.  Das  Jm  das  ander  Je  wart,    ich  habe  die  unwahrscheinliche  und 
\atte  wendung  nur  um  keine  lücke  zu  laßen  in  den  text  gesetzt. 

453.  bekümbrot         1460.  Häbk  1464.  Hund         1467.  seltan 
469.  Das  zer  ritterschaft  icht  trafft.    dafs  der  dichter  reime  wie  rit- 
rochaft:  geselleschaft  nicht  mied  zeigt  1255/.  die  alte  form  gesel- 
»chaf  ist  schwerlich  anzunehmen,        1471.  vornen 

28* 


436  DIE  GUTE  FKAU. 

der  mute  üz  erkorne 

was  ein  zil  der  ßren: 

die  künde  er  wol  gemären 

mit  aller  hande  tagende.  1475 

er  was  ein  bluome  der  jagende. 

Nu  kam  es  zeinen  ziten 
daz  der  helt  wolte  riten 
mit  sinen  hebechen  an  einn  baeh 
d&  er  sich  vögele  versach.  1480 

er  reit  daz  wazzer  ze  tal: 
dö  vant  er  vögele  äne  zal. 
viir  eine  miilen  gie  sin  pfat: 
dar  an  giengen  driu  rat 

diu  harte  söre  liefen.  1485 

vor  der  mülen  da  sliefen 
zwelf  vil  arme  dürftigen, 
die  sach  er  d&  vor  ligen, 
halze  unde  blinden, 

die  niender  künden  vinden  1490 

vor  ir  ungemache  rehte  wege. 
dö  vrägete  er,  in  wes  pflege 
daz  gotes  her  d&  waere. 
dd  sprach  der  mülnaere 

'h&rre,  mir  hat  si  gesant  1495 

diu  guote  der  ditze  lant 
ist  (der  ist  ouch  disia  müle), 
daz  ich  si  hie  behalten  süle 
und  ich  also  mit  in  werbe, 
swenn  ir  einez  sterbe,  1500 

e*  ich  daz  iemer  begrabe, 
daz  ich  zehant  ein  anderz  habe. 

Dd  sweic  er  und  reit  vür  sich 
und  dähte  cdiz  ist  wunderlich, 
daz  ich  sündiger  man  1505 

gote  niht  gedanken  kan 
der  manecvalten  &re. 

1472.  usserkoren  1476.  der]  in  seiner  1477.  kein  abtat*. 

1478.  wol  r.        1479.  hebechn  an  einen?  oder  sinen  zu  streichen* 
1483.  1486.  mülin        1490.  nienert        1497.    mul 


DIE  (JUTE  FRAU.  437 

bete  er  mir  niht  möre 

gegeben  wan  min  sadee  wip, 

so  enkunde  min  lip  1510 

gedienen  niemer  möre 

die  manecvalten  öre 

die  er  mir  hat  getan. 

sit  ich  nu  ganzlichen  hau 

swaz  ein  man  haben  sol,  1515 

so  stüend  ouch  da  bi  harte  wol, 

[daz]  ich  gedachte  wannen  ez  kau 

und  wiez  einn  tfrhap  gewan.' 

dö  sin  beizen  ergienc 

und  er  der  vogel  s6  vil  gevienc  1520 

daz  er  ir  gennoc  h&te, 

dö  reit  er  wider  dräte 

alles  in  dem  muote, 

er  gedähte  egot  der  guote, 

gip  mir  sinne  unde  mäht  .    1525 

daz  ich  wol  geswü'ere 

daz  ich  mit  gwalte  vüere, 

wolt  ich,  in  din  riche. 

au  bekenne  ich  sicherlicbe  1530 

daz  niht  so  grözen  schaden  tuot 

als  öre  unde  guot. 

daz  ist  ein  mortgalle 

zem  ewigen  valle.' 

den  gedanc  den  verliez  er  nie  1535 

unz  er  ze  naht  ze  bette  gie. 

dö  lac  diu  vrouwe  riebe 

bi  ir  manne  güetliche. 

diu  liebe  ergazte  in  der  clage. 

si  sliefen  beide  unz  ze  tage.  1540 

dö  der  tac  durch  daz  tach 

beide  luhte  unde  brach, 

dö  er  den  morgen  erkös, 

Mir  geben  wan         1513.  mänigualt  1518.  ain  vrhab  gewän. 

mäht  ohne  zusatz  fällt  auf.    vielleicht  fehlt  mehr  als  ein  vers. 
Dan  alz  er    1536.  bet    1538.  Jrem    1541/.=2451/.     1549.  lacht 


438  DIE  GÜTE  FRAU. 

daz  er  des  äbents  verlos 

d6  er  sich  nider  leite,  1545 

daz  vant  er  vil  bereite 

in  sinem  herzen  stecken : 

riuwe  begunde  in  wecken. 

er  lac  an  sinem  bette, 

wider  sich  selben  er  dö  rette,  1550 

'mich  hat  an  eines  wolves  stat 

got  üf  die  erde  gesät, 

dem  man  die  gans  vür  leit: 

so  er  die  vroeliche  treit, 

so  ist  dar  an  gehenket  1555 

daz  im  diu  bein  ab  swenket. 

als  trage  ich  zaller  stunde 

die  gans  in  minem  munde: 

dar  zuo  versneit  mich  s&re 

guot  und  werltlich  ere.  1560 

ez  ensol,  ob  got  wil,  niht  sin, 

vind  ich  ez  an  der  vrouwen  min, 

daz  ich  werltliche  tuon. 

so  suln  wir  6re  unde  ruon 

durch  got  vil  schiere  üf  geben  1565 

und  ditze  unstete  leben 

läzen  unde  erwerben, 

so  wir  an  dem  libe  verderben, 

daz  die  s&le  sin  erstanden 

vor  grözen  hellebanden.  1570 

Do  erwachete  diu  reine 
und  erhörte  an  siner  meine 
da  ouch  ir  wille  stuont  zuo. 
si  sprach  ewaz  redestu  so  vruo?' 
rdaz  sage  ich  dir,  guote.  1575 

wsere  dir  ze  muote 
als  mir  ze  muote  ist, 
so  wolt  ich  in  vil  kurzer  vrist 
die  werlt  läzen  durch  got/ 

1546.  Da         1550.  selber,  vielleicht  zu  streichen.  1557.   also 

1559.  uil  aere        1561.  ob]  es         1564.  sollen  — -  ruom         1569.  se- 
ien sind         1570.  helbanden         157».  seine         1575.  sage  fehlt. 


DIE  GUTE  FRAU.  439 

si  sprach  cöwfc,  ez  ist  dm  spot.  1580 

warumbe  hilstu  daz  mich? 

yk  weista  wol,  Ost  billich 

daz  ich  läze  unde  tuo 

swA  dm  wille  stände  zuo.' 

si  berieten  sich  zehant  1585 

daz  si  bürge  unde  lant 

liezen  ganzliche  ligen 

und  sich  alles  des  verzigen 

<laz  in  nütze  waere. 

durch  ir  schepfsere  1590 

si  hielten  an  daz  wort  sich 

daz  got  sprichet,  cswer  sich  durch  mich 

uideret  uf  der  erde, 

der  kumt  ze  hohem  werde: 

in  mines  vater  tröne  1595 

treit  er  iemer  kröne/ 

nach  dem  tröste  was  in  gÄch. 

iesä  schiere  dar  nach, 

dö  diu  Hute  sl&fen  kirnen, 

dürftige  gwant  si  an  sich  nämen.  1600 

dö  die  Hute  sliefen, 

si  strichen  unde  liefen 

in  ein  unkünde. 

£  daz  ieman  bevünde, 

dö  warens  in  dem  lande  1605 

da  si  nieman  erkande. 

dö  sich  verwandelte  ir  gewanl, 

verwandelt  sich  ouch  zehant 

ir  här  und  onch  ir  varwe: 

1610 
gestellet  ze  wäre 
innen  einem  j&re, 
swer  si  da  vor  hete  gesehen, 

581.  de«        1582.  es  ist      1583.  tüg       1584.  stand      1587.  gaset 
592.  swer]  wen      1599.  kome      1600.  nome      1603.  vnknnde     1604.  E 
as.es  Jenen  bestünde         1605.  waren  sy  von  d.  1.        1606.  Do 
610.  es  fehlt  etwa  si  wurden  so  begmrwe       1612 (=1955)  innen]  In- 
wendig Jn 


410  DIB  GUTE  FRAU. 

der  enhete  niemer  gejehen, 

würdens  hundert  jär  alt,.  1615 

daz  si  iemer  würden  so  gestalt. 

gemaches  wart  in  schiere  buoz. 

vil  manegen  nngüetlichen  gruoz 

si  vil  dicke  empfiengen: 

so  si  nach  der  spise  giengen,  1620 

dö  sprächen  de  alten  und  diu  kint 

'swä  so  starke  liute  sint, 

die  solten  dienen  nmbe  bröt: 

wir  heten  mit  den  michel  not 

die  es  niht  gedienen  künden.  1625 

ja  waen  ich,  si  Sünden, 

swer  so  starken  Hüten  git.' 

des  vreuten  si  sich  zaller  zit: 

si  dulten  gerne  disen  haz. 

man  gap  in  ie  doch  eteswaz,  1630 

ez  waere  dort  oder  hie. 

swä  der  wint  her  gie, 

da  wart  ir  roc  hin  gewant. 

ir  vesten  bürge  unde  lant 

wurden  den  diez  haben  solten,  1635 

dö  sis  niht  m&r  enwolten 

disiu  vrouwe  gienc  mit  ir  man 

unz  si  zwei  sünelin  gewan* 

daz  wären  arbeite  genuoc, 

dö  si  der  kinde  ietwederez  truoc.  1640 

daz  si  zer  grözen  arbeit 

deheiner  slahte  gewarheit 

mohte  hän,  wä  si  belibe,^ 

sd  si  ir  not  dar  zuo  tribe. 

so  gevuocte  sich  ie  ir  gemach  1645 

daz  si  gewan  daz  obedach. 

der  man  ir  danne  da  pflac 

1614.  ninner        1615.  Wären  sy  worden         1621.  sprachent  die  altn 
vnd  d.k.  1624.  bettend  1625.  kunnen  1626.  jk  fehlt 

Wenn  1628.  frowtn  sich  1634.  festin  1636.  sy  es 

1637.  diu?  .1639.  Daz  maren  arbait  g.  1640.  do]  Daz 

1642.  scbläcbt  warbait        1646.  obertach        1647.  da]  dar 


DIB  GUTE  FRAU.  441 

die  wile  daz  si  d&  lac. 

swenne  si  ze  kirchen  gienc, 

zwo  Amehte  si  enpfienc.  1650 

daz  was  ein  swaere  werc, 

und  daz  si  tal  unde  berc 

der  kinde  einez  muoste  tragen, 

wä  si  durch  got  iht  möhte  bejagen. 

Dö  wart  ir  eines  tages  wo,  1655 

daz  si  enmohte  niht  mö 
der  kinde  gesougen  noch  tragen, 
dö  wart  der  man  ir  zweier  wagen, 
er  wart  wagen  unde  rint, 

unz  er  die  muoter  und  daz  kint  1660 

brähte  sunder  tw&le 
zuo  einem  spitäle 
in  eine  harte  schoene  stat. 
der  man  ir  dar  inne  bat 

swaz  er  ir  erwerben  künde.  1665 

si  lac  d&  so  lange  stunde 
unz  ir  elter  kint  wart  so  gröz 
daz  ez  siner  krefte  genöz 
und  daz  ez  mit  dem  vater  lief, 
so  er  umbez  bröt  rief.  1670 

daz  ander  daz  was  deine: 
daz  sougte  diu  vil  reine 
mit  milch  uz  einem  hörne, 
ez  zöch  diu  wol  geborne 

unz  ez  der  milch  wol  enbar  1675 

und  im  daz  ezzen  niht  enwar. 
dö  wartez  in  einem  j&re 
wol  sd  tiure  ze  wäre 
daz  ein  man  az  mit  gewalt 
ein  bröt  daz  einen  schiUinc  galt.  1680 

dö  betelete  der  guote 
unz  ez  die  liute  muote. 

.648.  daz]  da         1649.  Wenn  sy  k.  g.,  et  fehlt  ze.     vielleicht  d6  si 
;e  k.  g.  1650.  zwo  schwäre  amächt         1654.  Wo  sy  durcht  icbt 

nocht  b.  1662.  seinem  1670.  vmb  Az  1677.  aine 

1680.  ain  seh. 


442  DIE  GÜTE  FRAU. 

dö  ez  die  liute  verdröz, 

dö  kam  vil  dicke  sia  schöz 

zer  herberge  laere  1685 

swie  not  in  spise  waere. 

daz  was  ein  jaemerlichiu  clage. 

si  wären  dicke  zwöne  tage 

daz  si  brötes  nie  enbizzen. 

nu  enmöhte  niemen  wizzen  1690 

wie  den  vil  getriuwen   . 

wip  und  kint  begunde  riuweu. 

dö  sprach  die  vronwe  cna  ist  zit, 

sit  daz  uns  niemen  niht  git, 

daz  wir  sehen  wie  wir  werben  1695 

ö  daz  wir  gar  verderben. 

ganc  warte  ob  iener  hie  bi 

in  der  stat  ein  vrouwe  si 

diu  dir  umbe  mich  iht  gebe: 

der  diene  ich  die  wile  ich  lebe.  1700 

sage  ir,  daz  si  mich  hol: 

ja  gediene  ich  harte  wol, 

genise  ich,  mine  spise. 

ich  bin  von  werke  wise: 

mit  drihen  und  mit  Spelten  1705 

kan  ich  ez  wol  vergelten, 

ob  si  min  eine  wile  enbirt, 

unz  mir  der  lip  wider  wirt. 

ob  ich  daz  niht  vinden  kan, 

so  bistu  noch  ein  junger  man:  1710 

ganc  ner  dich  und  diu  kindelin : 

wir  sterben,  suln  wir  sament  sin. 

und  lä  daz  varn,  sterbe  ich, 

daz  ist  bezzer,  danne  ir  driu  durch  mich 

verdürbet  unde  ich  laege  tot/ 

daz  was  ein  angestlichiu  not, 

1690.  enmocht  niemet  1694.  niemet  nücz  git  1705.  Mit  scbio:  dnhe, 
ein  werkseug  zum  tvürken,  besondert  von  borten,  zusammen  mit  «pdte 
troffr.  Tit.  91,  4.  Gott/r.  Trist.  6559,  allein  Wolfr.  Tit.  137,  % 
über  spclte  *.  Wh.  Grimm  zur  gold.  schm.  350.  1711.  viid  im 

kind  (:  sio)        1712.  sölln  wir  same  s.         1715.  leg 


DIE  GUTE  FRAU.  443 

diu  got  erbarmen  solte, 
ob  in  iht  erbarmen  wolte. 

DA  sprach  der  trinwen  riebe 
cdu  redest  hertecliche,  1720 

und  solde  ich  dich  danne  14  n, 
ob  ich  enwec  wolte  gän. 
ich  wil  benamen  hie  besehen 
waz  uns  sament  süle  geschehen/ 
dö  sprach  die  vrouwe  wider  in  1725 

edu  bist  betalle  äne  sin. 
du  mäht  mit  dirre  schulde 
Verliesen  gotes  hulde 
an  mir  und  an  den  kinden, 
wiltu  niht  erwinden.  1730 

der  hunger  tuot  uns  vil  not, 
diu  kint  sint  nach  vor  zadele  tot, 
wan  si  weinent  ie  genöte 
vil  lute  nach  dem  bröte/ 

dise  rede  treip  si  ie  1735 

unz  daz  er  sinen  wec  gie. 
er  gie  so  lange  unz  er  vant 
eine  vrouwen,  diu  zehant 
mit  im  gie  da  si  lac 

kindes  unde  unrätes  pflac.  1740 

dö  si  ir  schoenen  lip  ersach, 
do  erbarmtez  si,  unde  sprach 
ez  was  ein  suberlichez  wip. 
git  ir  got  wider  den  lip, 

daz  er  vil  lihte  niht  entuot,  1745 

si  wirt  mir  nütze  unde  guot/ 
dö  sprach  si  zuo  ir  manne 
guot  man,  weit  ir  mir  danne 
daz  guote  wip  ze  koufen  geben, 
daz  si  mir  allez  ir  leben  1750 

diene,  obe  si  genese, 
und  iemer  mör  min  eigen  wese, 

1720.  hertenciich  1723.  hie  fehlt.  1724.  soll  1727.  dirre] 

der        1734.  lütt        1737.  lange]  lauer       1739.  do        1742«  erbarmt 
sy        1745.  villicht  en  tut,  ohne  niht        1750.  alz         1751.  Dienen 


444  DIE  GUTE  FRAU. 

darumbe  gib  ich  iu  zwei  pfant.* 

do  ged&ht  diu  sieche  zestunt 

'hfcrre,  wan  waer  daz  geschehen!'  1755 

dö  moht  man  grözen  jämer  sehen, 

dd  der  gnaden  bestroufte 

sin  wip  durch  not  verkoufte. 

er  gap  si  als  er  mohte, 

1760 
der  spise  zemberne: 
siniu  kint  diu  äzen  gerne, 
dö  wart  michel  schrien, 
dd.  er  die  edelen  vrien 

der  vrouwen  vür  eigen  gap.  1765 

der  man  der  suochte  sinen  stap, 
da  mit  er  ref  unde  wagen 
samet  häte  getragen, 
sin  leit  begund  er  gote  clagen. 
diu  vrouwe  hiez  si  hin  tragen  1770 

heim  in  ir  gewalt 
als  schiere  dö  si  im  vergalt, 
dö  er  die  pfenninge  eupfie, 
diu  vrouwe  stricte  sim  hie 
in  einen  zendäl,  der  was  röt:  1775 

ir  manne  si  den  dar  bot. 
mit  jämer  und  mit  leide 
schieden  si  sich  beide. 
.   er  bat  ir  got  vil  dicke  pflegen, 
ouch  bevalch  si  in  in  gotes  segen.  1780 

siniu  kint  truoc  er  enwec 
und  kam  gegangn  an  einen  stec. 
daz  wazzer  wuohs  unde  döz 
daz  ez  üz  an  daz  lant  vlöz. 
er  sazt  der  kinde  einez  nider  17S5 

und  woltez  hän  geholt  wider 

1755.  wenn       1757.  bestraffte      1758.  verko'ffte      1760.  es  fehlt  wohl 
wand  in  lenger  niht  entohte         1764.    d6  er]  Da        1765.    Der  frown 
sich  für         1767.  repp  :  über  ref  s.  Graff  4,  1154.   Schneller  3,  61. 
1774.  diu]  sin?        1775.  zendat        1776.  ir  mä  sy  dar  b.,  ohne  den 
1781.  kint  fehlt.      hin  weg      178?.  ain       1783.  dosst       1786.  wol« 


DIE  GUTE  FRAU.  445 

und  nam  daz  ander  uf  den  rügge 

uu  de  truoc  ez  über  die  brügge. 

d6  erz  brähte  an  daz  laut, 

dö  sazte  erz  nider  &k  zehant  1790 

und  wolte  jenez  geholt  hän 

da  er  ez  hüte  verlän. 

dö  der  genädenlöse  man 

enmitten  uf  die  brügge  kan, 

dö  truoc  daz  wazzer  enwec  1795 

beidiu  man  unde  stec. 

vil  kume  gehienc  er  dar  au. 

dö  vlöz  der  stec  und  der  man 

in  einer  kurzen  wile 

mör  danne  ein  halbe  mile.  1800 

dö  treip  inz  wazzer  ze  Stade. 

er  geruote  wönec  nach  dem  bade : 

er  gähte  wider  zen  kinden 

und  wände  si  Ab  vinden 

da  er  si  haete  verlän.  1805 

do  verlos  er  arbeit  unde  wän. 

Nu  het  der  bischof  von  Riems 
und  der  gräve  von  Urliens 
ein  gespreche  geleit 

da  man  über  die  brügge  reit.  1810 

dö  diu  brügge  was  zerbrochen  . 
dö  enwart  da  niht  gesprochen, 
wan  gruoz  gegen  gruoze: 
daz  machete  ir  unmuoze. 

ir  ietweder  nam  zehant  1815 

daz  kindelin  daz  er  vant. 
daz  wazzer  hiez  diu  Seine, 
hin  über  ruoft  der  eine 
'ich  hän  ein  kint  vunden  hie/ 
der  ander  in  da  wizzen  lie  1820 

daz  er  einez  ouch  het  vunden. 

t.  Rnggn         1788.  brügge,  ebenso  1794.  1810.  1811.         1797.  ge- 
?t       .  1801.  in  dz         1803.  Er  gedacht  w.  zun  k.  1813.  grus 

Tus  1814.  ir]  Ja  1817.  hie  der  sein :  vergl.  2957. 

).  ain  schön  kind        1821  —  1830  stehen  mit  geringer  dbweichung 


440  DIE  GUTE  FRAU. 

si  riten  dan  ze  stunden. 

diu  gotes  gn&de  dA  erschein 

an  disen  erbelösen  zwein, 

daz  got  ietwederem  bescherte  1825 

den  der  ez  zöch  unde  nerte. 

dö  der  gnädelöse  man 

hin  wider  zuo  der  briigge  kan, 

daz  wazzer  harte  verre  gie 

da  vür  da  er  diu  kint  lie.  1830 

dö  däht  er  cez  hat  si  genomen : 

war  waerens  anders  komen?' 

zuo  einem  boume  er  gesaz 

müede  unde  harte  naz. 

er  zöch  ab  siniu  cleider  1835 

(diu  wären  boese  leider) 

und  hanctes  an  die  este. 

sin  jämer  der  was  veste. 

üf  huop  der  eilende 

g&n  gote  sine  hende,  1840 

Mu  gaebe  mir  ein  schoene  wip, 

dar  zuo  kint  und  gesunden  lip: 

der  haste  ouch  &ne  mich  getan. 

sit  ich  nu  noch  den  lip  hAn, 

der  büeze  dir  die  wil  er  wer.  1845 

deheiner  vreude  ich  m&r  beger.' 

unsern  harren  er  an  rief, 

unz  er  in  den  sorgen  entslief. 

üf  den  boum  kom  ein  ar: 

der  wart  dort  nidene  gewar  1850 

w&  siner  pfenninge  sac 

röt  neben  im  lac. 

der  hunger  in  des  betwanc 

daz  er  sich  schiere  dar  swanc 

zweimal  hinter  einander.         1822.  dan]  sa  beide  mal.  1826.  Dem 

beide  mal  1828.  zu  der  brug  das  erste  mal,  zu  bürg  das  andere. 

1829.  verr  gic  das  erste  mal,   vergie  das  andere.  1830.   Davor 

beide  mal.  1832.  warent  1841.  Er  sprach  her*   du  gäbt 

1843.  hastu        1845.  Der  büfs  dir  die  weit  erwer        1850.  dort 
1853.  des  fehlt. 


DIE  GÜTE  FRAU.  447 

* 

und  zuctez,  wan  im  was  gäch.  1855 

der  man  spranc  öf  und  lief  im  nach, 

[er  sprach]  eh£rre  vater  unde  geist 

und  du,  heiliger  sun,  wol  weist 

min  grdze  widermüele. 

nu  tuoz  durch  dine  güete,  (860 

getroest  mich  dirre  leide, 

so  ich  von  der  werlde  scheide.' 

an  zöch  er  sin  gewant, 

mit  jämer  rumete  er  daz  lant. 

dö  die  vögele  wurden  gwar  1865 

daz  geladen  vuor  der  ar, 

do  begunden  in  an  schrien 

kreien  unde  wien. 

si  triben  in  umbe  als  ein  rat 

unz  hin  gegen  der  selben  stat  1870 

da  disiu  sieche  vrouwe  was. 

durch  bäc  si  her  üz  kras. 

si  sach  die  vögele  mit  dem  arn 

harte  sfere  umbe  varn. 

in  stiez  ein  vogel  an  den  nac,  1875 

daz  im  pfenninge  unde  sac 

enpfielen.  dö  siz  ane  sach, 

dö  huop  siz  Af  unde  sprach 

cöwß  vil  armer  müedinc, 

war  sint  nu  komen  diniu  dinc?  1880 

ich  waen  du  bist  von  hunger  tot. 

daz  dich  die  vögele  durch  ir  not 

gsezen  und  zertrüegen, 

wie  mohte  sich  daz  vüegen? 

ich  wsen  ez  sich  gevüeget  hat  1885 

daz  min  niemer  wirt  rät. 

nu  müezen  vasten  miniu  kint, 

I.  widermutt  1860.  tun  es  d.  din  gut  1861.  difz  laide 

..  gewar  1868.   kräyen :  vergL  Graff  4,  587.  1872.    balck 

raifz.  kresen,  repere,  vergl.  2812.  Graff  4,  615.         1874.  vmbfarfi 
.  stiez]  schier  dem  nag  1876.    Dar  Jnn  pfening 

.  1878.  sy  es  1879.   6w6]  0  1880.  Wo  — kind 

.  Gassen  vnd  zertrügn        1884.  möcht        1887.  müssend 


448  DIE  GUTE  FRAU. 

diu  noch  in  den  jären  sint 

daz  ich  si  solte  bewarn. 

wie  h&n  ich  arme  so  gevarn?  1890 

waeren  wir  doch  sament  beliben, 

het  ich  si  niht  von  mir  vertriben, 

stürben  si  doch  danne, 

so  enwaere  ich  niht  ze  banne/ 

D6  si  geweinete  genuoc  1895 

und  sich  zen  brüsten  vil  gesluoc 
mit  j&mer  und  mit  riuwen, 
do  enhalf  si  niht  ir  büuwen 
wan  daz  ir  deste  wirs  was. 
daz  disiu  vrouwe  genas,  1900 

daz  was  gröz  wunder, 
si  ged&hte  hier  under 
nu  weiz  ich  doch  wol  daz  wir  h&n 
an  got  vil  verre  uns  verlän. 
den  erkenne  ich  wol  s6  riebe  1905 

daz  ich  billiche 
dirre  clage  enbaere : 
der  si  ouch  schirmaere 
über  mich  und  über  in. 

er  weiz  wol  wes  wir  dürftec  sin:  1910 

des  welle  er  uns  beraten.' 
in  eine  kerne  näten, 
diu  ir  sunder  was  verlän, 
da  sir  gemach  solt  inne  h&n, 
gienc  diu  vrouwe  zehant.  1915 

ir  wart  von  gote  ein  tröst  gesant, 
daz  si  deheiner  sorgen  pflac. 
si  nam  pfenninge  unde  sac 
und  leite  si  gehalten. 

si  sprach  rgot  müeze  walten  1920 

mins  mannes  zuo  den  kindetf. 
der  Simeön  dem  blinden 
siniu  ougen  wider  gap 

1888.  dem  Jar  1894.  ze  banne,  in  botmqfsigkeit.  1896.  zu  dei 
1902.  herunder  1907.  Der  cl.  1914.  Jnn  solt  han  19W.  Sy- 
meone  den  plindea 


DIE  GUTE  FRAU.  449 

und  der  die  vrouwen  RAap 

getröste  ze  Jericho,  1925 

der  getroeste  uns  also/ 

disiu  vrouwe  unde  ir  kint, 

diu  häten  gemach  sint: 

ir  saeliger  man  leit 

kumber  unde  arbeit.  1930 

daz  künde  nieman  bewarn, 

er  muose  tuon  unde  varn 

als  ein  genädel6ser. 

ze  winter  ervröser, 

ze  sumer  verbran  im  diu  hut.  1935 

schiere  wart  der  gotes  trflt 

gestalt  uz  ungeraete, 

ob  in  sin  wip  haete 

vor  ir  hin  gesehen  gän, 

sine  möht  es  niht  erkennet  hän.  1940 

dö  wart  ab  ir  vil  wol  gepflegen. 

dö  si  ir  suht  het  uz  gelegen, 

do  gediente  si  vil  wol  ir  solt. 

man  koufte  ir  silber  unde  golt. 

da  mite  worhtes  an  der  ram  1945 

borten  und  dar  nach  alsam 

gürtel  unde  schappel 

breit  unde  sinewel, 

daz  man  nie  spseher  werc  gesach. 

ir  vrouwen  lieber  nie  geschach  1950 

dan  daz  si  si  brähte  hein. 

si  gap  si  ir  tohtern.zwein 

ze  einer  meisterinne. 

die  brähte  si  ze  sinne 

innen  einem  järe  1955 

also  wol  ze  wäre 

daz  in  alle  die  jähen 

4.  rab        1930.  Komer        1936.  gotes]  grofz         1937.  Gestelt 

T  1938.  wis  1939.  ir]  in  1940.  möchlz  nit 

1.  aber  1943.  Jren  1945.  worcht  sy  an  d..  kam 

9.  schmeeh'         1950.  Der  frown        1951.  haim        1955.  Jnwendig 

6.  wol  zweimal.        1957/.  =  1975/.  vergL  1*51/ 

Z.  F.  D.  A.    II.  29 


4*0  DIB  GUTE  FRAU. 

die  si  ie  gesähen, 

ir  leben  waer  ein  wänne, 

üz  allem  ir  kiinne.  1960 

also  wären  si  volkomen, 

si  möht  ein  keiser  hän  genomen. 

Diu  vrouwe  ouch  des  wol  gendz 
daz  si  ir  lfere  niht  verdrdz. 
ez  muosen  ie  geliche  sin  1965 

ir  mentel  unde  ir  rockelin. 
dd  si  ir  ungemach  verlie 
nnd  wider  ze  gemache  vie, 
dö  wart  si  schoene,  reht  als  £, 
und  er  wart  niawan  wunt  ie  m£.  1970 

schiere  kam  ez  uf  die  vart 
daz  nie  in  dem  lande  wart 
kein  vrouwe  als  wite  maere 
als  disiu  vrouwe  örbaere : 

wan  ir  alle  die  jähen  1975 

die  si  ie  gesähen, 
swannen  si  kaeme  in  daz  lant, 
zir  waer  ein  riche  wol  bewant. 
disiu  stat  hiez  Treis 

und  was  des  gräven  von  Bleis.  1980 

dö  der  diu  msere  vernan, 
dd  sante  er  nAch  dem  konfman 
und  vrAgcte  in  der  maere, 
ob  ez  also  waere 

als  im  waere  geseit.  1985 

do  verjach  er  im  der  wärheit. 
er  sprach  'so  soltu  mir  si  geben, 
all  die  wil  ich  hän  daz  leben 
so  wis  miner  stiure  vri, 

swie  not  mir  pfenningG  bV  *  1990 

dö  er  im  die  stiure  lie, 

1900.  Jueiu  1962.  si]  Jedetwed  ere  1964.  D«  sy  in  ir  lcr 

1965.  Es  mute  iegliche  s.  1970.   nit  wunder  e  me.    die  verbqfte- 

rung  ist  zweifelhaft.  1973.  merc  1974.  erbere  1977.  Wanaa 
sy  kern  1978.  Jr  1979.  Die  statt  19«.  der  1983.  fra&tir 
1986.  der]  die        1987.  ai  fehlt.        1989.  bis 


DIE  GUTE  FRAU.  451 

zehant  gap  er  im  sie. 
'  dö  biez  si  der  gr&ve  holn. 

dö  muost  si  dulden  unde  dolA 

swaz  si  mit  ir  schuofen.  1995 

do  begund  si  söre  wuofen, 

überlüt  und  in  ir  niuote» 

si  sprach  cgot  der  guote* 

der  kume  mir  ze  tröste, 

der  ouch  Sassanen  erlöste  2000 

von  grözen  werltschanden. 

ich  stan  ouch  in  den  handen 

vil  s&re  gebunden: 

ich  muoz  in  kurzen  stunden 

Verliesen  söle  und  öre.  2005 

swes  gerte  ich  arme  möre, 
wan  waer  ich  tot  bi  minem  man, 

den  ich  vil  örliche  nan?' 

dö  si  dem  gr&ven  kam  dA  hein 

und  also  rehte  schiene  erschein,  2010 

ir  minne  in  des  betwanc 

daz  in  der  tac  duhte  lanc, 

dö  der  tac  da  verswant, 

si  giengen  sl&fen  zehant. 

dö  er  lac  bi  siner  brüt,  2015 

do  entorste  er  ir  wize  hut 

niender  genieren  hdres  gröz, 

swä  si  iender  schein  blöz. 

ir  hnote  ein  kamersere 

dem  niht  ze  vil  wtere,  20?0 

ob  er  der  helle  abgründe 

und  der  erde  volmünde 

uf  in  die  lüfte  hüebe 

und  die  selben  grüebe 

dem  lüfte  machte  gelich:  2025 

daz  enweer  im  niht  unmtigelich. 

si  fehlt.  1996.  raffen  1997.  ia  ir]  Jrn  $000.  sussanaz 
banden?  $009.  dahin  $010.  schon  erschin  $017*.  Niert 
Jenen  schin  plos       '    $0$1.  abgrnnde  $0$$.  pflumnde 

hübe        20?4.  grübe 

29* 


452  DIE  GUTE  FRAU. 

dem  bevalch  si  ir  getriuwer  man, 

do  er  ir  durch  hungers  not  entran. 

dö  diz  der  gräve  gesach, 

daz  wunder  daz  an  im  geschach,  2030 

daz  er  wol  wiben  tohte, 

und  mit  ir  nibt  enmohte 

gesläten  als  er  &  pflac, 

dö  schämte  er  sich  unde  erscbrac. 

er  sprach  also  in  siner  schäme  2035 

creine  guot  wibes  name, 

bistu  maget  aide  wip, 

daz  mir  diu  süberlicher  lip 

also  ist  vor  beslozzen? 

ich  hän  diu  nibt  genozzen,  2040 

wan  daz  ich  bin  ervseret 

und  harte  an  dir  beswaeret. 

si  daz  von  zouber  gewesen, 

so  sage  mir  ob  ich  müge  genesen. 

ich  meine  dich  so  s&re  2045 

daz  ich  niemer  niöre 

von  dir  niht  gewenken  kan. 

ich  si  din  geselle  ode  din  man, 

wir  müezen  iemer  sament  sin. 

du  muost  heizen  graevin,  2050 

so  ich  gräve  bin  genant/ 

mit  vollen  ougen  sprach  zehant 

disiu  vrouwe  schöne 

rh6rre,  got  der  löne 

iu  des  guoten  willen.  2055 

ir  muget  an  mir  gestillen 

iuwer  sünde  ein  michel  teil 

und  ouch  gemeren  michel  beil. 

ich  bin  ein  wip  und  nibt  ein  magt. 

als  ir  mir  da  hat  gesagt,  2060 

daz  enhän  ich  zwäre  niht  getan. 

weit  ir,  ich  wil  iuch  wizzen  län 

2027.  Jre  getriwn :  s.  1779.  2033.  e  fehlt.  2037.  ak 

2041.  erferet        2043.  Sid        2049.  müssent        sin]  din        2051.  fe- 
pamt        2052.  sprach  sy  z.        2055.  Euvch         2062.  Wolt 


DIE  GÜTE  FRAU.  453 

und  reht  üf  mine  triuwe  sagn, 
waz  Wunders  mich  her  hat  gelragn.' 

Dö  sprach  der  gräve  zao  ir  2065 

eliebe  vrowe,  daz  sage  mir: 
ich  kan  ez  harte  wol  vertragen, 
du  kanst  mir  sölhes  niht  gesagen 
da  von  ich  din  welle  enbern. 
ich  wil  dich  alles  des  gewern  2070 

des  du  gerst  ane  mich, 
daz  du  min  erbarmest  dich/ 
des  was  diu  vrouwe  vil  vrö: 
also  sagte  si  im  dö, 

emin  vater  hiez  Ruopert,  2075 

der  was  rieh  unde  wert, 
er  was  von  ßarriä  genant, 
er  starp  und  erbete  ich  sin  lant. 
do  ich  wuohs  als  ich  hiute  bin, 
dö  karte  ein  h&rre  sinen  sin  2080 

daz  er  mich  gerne  wolle  hän. 
dö  het  ich  keiner  slahte  wän 
daz  ich  iemer  wurde  mannes  wip. 
durch  mich  verlos  er  sinen  lip. 
im  täten  mine  man  den  tot.  2085 

daz  tet  in  michel  not. 
er  reit  mit  her  üf  mich : 
dö  muosten  si  wem  sich: 
si  sluogn  in  under  siner  schar.3 
diu  vrouwe  sagte  im  rehte  gar  2090 

von  aller  ir  geschihte, 
und  doch  niht  wan  die  slihte. 
dö  sim  ez  bäte  geseit, 
do  erkande  er  wol  die  wärheit: 
ez  was  im  reht  alsam  gesagt.  2095 

er  bat  ir  ouch  dö  si  was  magt: 

^063.  mine]  eüver         2064.  wunder        2068.  söllichs        2069.  wöll 
070.  allez  dez         2071.  Das  2072.  mir  2073.  Das  die,  ohne 

ras  2075.  rupperch  2077.  parria  2079.  gewucha 

MO.  sein  sin        2083.  mans        2084.  verlor  er  sein  1.         2086.  Jm 
(089.  schlugen 


454  DIE  GUTE  FRAU. 

nu  ist  si  im  dar  heim  komen. 

was  dann?  er  biibt  ir  äne  vromen. 

daz  man  da  beizet  bi  gelegen, 

des  enmoht  er  niht  mit  ir  pflegen,  2100 

und  was  im  doch  äne  kip 

lieber  dan  sin  selbes  lip. 

dö  disiu  rede  also  ergienc 

und  der  tac  an  gevienc, 

dö  man  liuten  begunde,  2105 

uf  stuondens  da  ze  stunde 

und  giengen  hin  zer  kirohen  sä. 

ze  eigen  gap  er  ir  da 

bürge,  laut,  und  dienestman, 

und  allez  daz;  er  ie  gewan  2110 

gap  er  ir  ze  eigen  da. 

ze  messe  giengen  si  sä, 

unde  was  diu  vrouwe  dö 

in  ir  muote  harte  vrö 

daz  si  was  unbewollen  „  2115 

und  doch  bet  guotes  vollen, 

si  hete  man  nach  wäne 

und  was  doch  mannes  äne, 

als  ich  iuch  wil  bescheiden. 

diu  liebe  gap  in  beiden  2120 

so  gröze  vreude  mit  kraft 

daz  sich  ir  geselleschaft 

möhte  wol  geliehen 

den  die  tägelichen 

sament  nach  kinden  rangen,  2125 

als  noch  tuont  die  jungen. 

der  gräve  was  so  vrö  nie, 

unde  si  niht  des  erlie 

swä  von  si  al  der  erden 

möhte  getiuret  werden.  2130 

diz  was  ir  unmuoze: 

mit  gäbe  und  mit  gruoze 

*098.  plibt         JMO.  Dz  2106.  stund  sy  2107.  kilchen 

2108.  ir  feklL  2115.   vnbewallen  2116.    gute  vallen 

2118.  mans       2120.  lieMo 


DIE  GUTE  FRAU.  455 

künde  si  die  liute  minnen. 

si  schuof  mit  schoenen  sinnen  * 

daz  ir  des  gräven  mftge  unt  man  2135 

wären  baz  gehörsan 

dan  si  im  selben  waeren. 

der  tugent  kameraeren 

mit  aller  hande  tugende 

*  2140 

lebten  schöne  und  äne  haz : 
ez  wart  nie  zwein  lieben  baz. 
dö  schiet  der  tot  si  mit  gewalt, 
und  starp  der  gräve  Diebalt 
der  vrouwen  al  ze  dräte,  2145 

den  si  geerbet  h&te 
vor  allen  sinen  m&gen, 
wan  si  sament  lägen, 
swer  ze  Frankriche  ist  komen, 
der  weiz  ez  unde  hatz  vernomen,  2150 

da  enist  kein  sehidunge  an, 
d&  erbt  daz  wip  aU  der  man. 
als  erbte  ouch  si  den  gräven  guot. 
diu  reine  kiusche  wol  gemuot 
diu  saz  in  ir  lande  2155 

mit  feren  &ne  schände, 
schadte  ir  iht,  daz  tet  daz 
daz  si  binder  sich  baz 
gedähte  danne  vür  sich: 

daz  wart  genuoc  wunderlich.  2160 

daz  bescheide  ich  iu  so  ich  beste  kan. 
in  ir  herzen  sach  si  an 
waz  ir  ze  leide  was  geschehen 
und  enkunde  daz  niht  ersehen 
daz  ir  künftec  waere.  2165 

daz  was  ir  meiste  s waere. 
Dö  disiu  rede  also  ergie 
als  ich  iu  h4n  gesaget  hie, 

selber      2138.  kaaier  eren       2140.  Sy  <lo  beguode:?      2143.  Do 
tr  tod  mit  gwalt      2151.  Da»  eaist      2153.  Al«o       2151.  künscb 
uveh        2162.  sy  Jap 


456  DIE  GUTE  FRAU. 

dö  was  vil  lasterliche 

dem  künge  von  Frankriche  2170 

sin  wip  diu  künegin  genomen, 

dö  sim  dar  heim  solte  komen, 

von  ArrAgön  diu  künegin. 

dö  wold  er  äne  wip  sin, 

unz  daz  er  si  mit  banne  2175 

gewünne  von  ir  manne 

an  dem  selben  male, 

von  dem  von  Portigäle. 

mit  im  was  si  da  hein  gevarn. 

dö  was  diu  kristenheit  als  am  2180 

daz  man  des  bäbestes  ban 

gar  deine  war  nan. 

dö  diu  künegin  wart  verlorn, 

dö  was  den  landesherren  zorn 

daz  er  niht  anders  wibes  nan.  2185 

im  rieten  mäge  onde  man 

daz  er  ein  ander  wip  naeme 

und  erben  mit  ir  bekaeme. 

nu  hat  diu  minne  einen  sit, 

dem  volget  kein  staete  mit:  2190 

swä  sie  zwei  gelieben  vindet 

und  diu  zesamene  bindet, 

werdent  diu  gescheiden, 

so  ratet  si  in  beiden, 

daz  vür  ietwederes  swsere  2195 

niht  so  guotes  waere 

noch  sich  baz  ze  tröste  stelle 

dan  ein  ander  geselle. 

als  twanc  si  ouch  den  künec  guot 

daz  er  verkörte  sinen  muot.  2200 

er  gedähte  in  sinem  sinne 

Von  Bleis  diu  graevinne 

diu  ist  rieh  unde  wert, 

ob  ir  min  liut  ze  vrouwen  gert, 

.  2172.  sy  im  2173.  Ar'ogoni  2178.  portagale  2179.  dahain 

kome  gefarn        2185.  wib        2189.  hett  d.  m.  ainer         2191.  Wo  s, 
z.  geliebt  vindt        2194.  rattend        2199.   also        2202.  Beieis 


DIB  GUTE  FRAU.  457 

gevellet  si  den  allen  2205 

si  muoz  ouch  mir  ge Valien/ 

er  sprach  an  sinem  rate, 

da  er  die  vürsten  häte, 

eich  weiz  in  minem  lande 

ein  vrowen,  ob  ich  si  nande,  2210 

diu  ist  als  ferbsere, 

ob  ein  künec  noch  richer  waere, 

dannoch  vuogte  ez  sich  so, 

er  möbt  ir  iemer  wesen  vr6.' 

si  sprächen  eh6rr,  wer  mac  diu  sin?'  2215 

'ez  ist  von  Bleis  diu  graevin. 

diu  ist  mir  so  vermaeret 

daz  ich  niemer  wurde  beswseret 

von  ir  so  grdz  als  umbe  ein  här. 

wizzet  rehte  vür  war,  2220 

die  staete  naeme  ich  vür  ein  lant.' 

si  sprächen  alle  zehant 

'hferre,  ir  hat  wol  gedäht: 

schaffet  daz  ez  volbräht 

nach  iuwern  6ren  werde.  2225 

ez  enlebt  üf  al  der  erde 

dehein  wip  so  volkomen 

als  wir  von  ir  haben  vernomen. 

si  zimet  uns  wol  ze  küneginne.' 

csö  schaffet  daz  ich  si  gewinne/  2230 

si  sprächen  alle  geliche, 

beide  arm  und  riche, 

cder  abbt  von  sant  Dßnise, 

der  ist- biderbe  und  wise, 

den  sult  ir  zuo  ir  senden  dar  2235 

d&r  si  gesprecbe  und  iu  ervar 

ob  ir  muot  dar  zuo  st£: 

ir  nemet  si  gerne  zuo  der  6. 

ir  sult  ir  ouch  enbieten 

)5.  geoallet  2213.  fugt  2216.  Beieis        2219.  also 

11.  statte:  vielleicht  süeze?  selbe?  2223.  habent  2226.  aller 
L  2230.  Er  sprach  so  2233.  Demse]  nise.  ebenso  2628.  nisten 
>0.        2235.  sond 


458  DIE  GUTE  FBAU. 

daz  iu  die  vürsten  rieten,  2240 

und  die  h&rrn  von  iuwerm  riche 

alle  gemeinliche 

mit  rate  an  iuch  kaemen, 

und  si  gern  ze  vrouwen  naemen. 

so  ist  si  so  wise  und  so  guot  2245 

daz  si  ez  waerlichen  tuot/ 

der  abbet  der  was  da  zehant, 

der  wart  schiere  dar  gesant, 

nach  der  vürsten  rate. 

in  schuof  der  künec  drate  2250 

zer  vrouwen  nach  der  vürsten  bete. 

der  abbet  daz  vil  gerne  tele. 

er  vuor  ie  sä  zehant 

da  er  die  graevinne  vant 

und  sagte  ir  disiu  maere,  2255 

daz  der  künec  waere 

mit  den  vürsten  allen 
an  den  rät  gevallen 

daz  des  landes  kröne 

so  wol  noch  so  schöne  2260 

niender  waere  bewant. 

cnu  hänt  si  mich  her  ziu  gesant 

darumb  ob  ir  si  wellet  tragn. 

vrouwe,  nu  solt  ir  mir  sagn 

ob  iuwer  muot  dar  zuo  stat.  2265 

wan  ölicher  hirät 

der  enwirt  noch  enwart  nie, 

got  unser  hörre  vüege  in  ie. 

die  vürstn  üz  unserm  riche 

alle  gemeinliche  2270 

hänt  iuch  zuo  der  kröne  erkor n. 

die  hänt  ein  vrouwen  verlorn 

der  in  got  niht  wolte  gunnen. 

»240.  u*ch         2241.  her'en  v.  eüvern         2242.  Als         2243.  Sy  mil 
rat  an  sy  komen  2244.   Vm  sy  frown  han  genomen  2251.  Ze 

frown :  vielleicht  ze   verte  T  2254.  grävin  2262.  sli  ivv , 

2263.  wöllent  £266.  hirat]  ee  Rat  »267.  Pen  2269.  for- 

sten von 


DIB  GUTE  FRAU.  459 

diu  ist  dem  künge  entrannen 

mit  einem  «   man.  2275 

dem  got  deheiner  sselden  gau, 

den  kan  er  wol  gedrücken, 

und  den  uf  gezücken 

den  er  ze  sselden  hat  erkorn. 

weit  ir,  ir  sit  dar  zuo  geborn  2280 

daz  ir  der  höchsten  einiu  sit* 

di  hiute  lebent,  ftne  strit.3 

swaz  er  gesprach  ie, 

diu  vrowe  geantwürte  im  nie 

ö  er  gerette  und  gesweic.  2285 

dö  stuont  si  uf  unde  neic 

dem  künge  alters  eine 

und  den  vürsten  gemeine 

und  dankete  in  vil  söre 

der  grözen  houbetöre  2290 

der  si  ged&ht  heeten  ir. 

si  sprach  ehörr  min,  nu  sult  ir  mir 

teidinges  gunnen. 

ich  enbin  niht  so  besunnen 

daz  ich  gesprechen  künn  dar  zuo  2295 

da  nach  als  es  mir  n6t  tuo. 

ich  sage  iu  morgen  minen  muot/ 

daz  lobte  der  abbt  und  duhte  in  guot. 

Des  abbets  man  vil  wol  pflac. 
dö  diu  vrouwe  an  ir  gebete  lac,  2300 

dö  knietes  üf  den  esterich. 
si  sprach  ehörr  got,  ich  üez  durch  dich 
michel  öre  und  gewalt: 
dö  gulte  du  mir  zwivalt. 

wiltu  mir  ouch  möre  geben»  230$ 

so  la\z  mich  niemer  daz  geleben 
daz  mich  dehein  öre 
von  dinen  gnaden  köre/ 

Hit  ainem  seins  mans  maa  2276.  seldan  998?.  Die  hütfc 
9285.  geschwig  9286.  Do  stund  er  uff  vn  schryg 

U.  d.  fuwtn  allen  g.  2290.   hoppt  ere  2293.   Täding« 

2294.  besinne        2300.  Jrm        2301.  kniet  *y 


460  DIE  GUTE  FRAU. 

si  weinete  unde  clagte 

vil  nach  unz  ez  tagte.  2310 

in  den  sorgen  si  entslief. 

ein  stimme  ir  in  daz  öre  rief 

ces  enmac  dehein  rät  sin, 

du  muöst  werden  künegin 

da  ze  Frankriche  2315 

und  dar  nach  6wecliche 

ze  himele  tragen  kröne: 

daz  git  dir  got  ze  löne/ 

dö  diu  vrouwe  erwachte 

und  si  sich  üf  gemachte,  2320 

niht  lenger  si  sich  werte, 

si  dähte  zuo  der  verte. 

dö  man  des  morgens  gaz, 

der  abbet  zuo  der  vrouwen  saz, 

er  sprach  cvrowe,  lät  werden  schin  2325 

daz  ir  sit  und  müezet'sin 

der  höchsten  wibe  eine. 

weit  ir,  als  ich  ez  meine, 

den  künec  loben  ze  manne, 

so  muget  ir  im  er  danne  2330 

mit  vreuden  leben  und  alten 

und  grözer  &ren  walten, 

als  ein  küneginne  sol.' 

si  sprach  ch£rr  min,  nu  tuot  so  wol 

(min  gesinde  deist  enbizzen),  2335 

lät  irz  die  hferren  wizzen, 

so  gespriche  ouch  ich  si  danne. 

swelch  vrouwe  ze  manne 

g&het,  tuot  siz  äne  rät, 

ob  ir  danne  misseg&t,  2340 

so  muoz  siz  eine  slizen. 

wem  solt  siz  danne  wizen?' 

2309.  clagt  ^310.  tagt  2316.  ewenclich  2326.  sind 

2328.  Wölt  2329.  Dem  küng  leben  2330.  So  mugent  Jr  Jo 

ymer  d.  2333.  küngin  2335.  dz  ist  2336.  in]  ir 

2338.  Welche  2339.  Gahen  2341.  sy  es  ainig  schlissen 

2342.  Wann  s.  sy  es 


DIB  GUTS  FRAU.  461 

* 

Der  abbet  nam  dö  alle 
die  wisen  vorne  schalle 

and  sagte  in  diso  rede  dö.  2345 

des  wärens  alle  samet  vrö. 
dö  sach  man  von  in  allen 
michel  vuozvallen 
vür  die  vrouwen  da  si  saz. 
si  sprach  cstät  üf,  waz  hilfet  daz  2350 

daz  man  so  nider  vellet? 
redet  sus  waz  ir  wellet/ 
si  sprächen  alle  gemeine 
evrouwe  edel  and  reine, 

tuot  des  iueh  der  abbet  bite;  2355 

da  sin  wir  alle  mite 
gezieret  und  geßret, 
und  unser  heil  gemßret.' 
diu  vrouwe  wisliche  tet 

und  volbrahte  ir  gebet.  2360 

er  hörte  gar  dar  an. 
si  sprach  ze  harren  und  ze  man 
cich  lobe  en  künec,  swie  ez  mir  gät. 
lät  hoeren  mich  der  vürsten  rät, 
wie  si  wellen  deich  geyar.  2375 

wellen t  si  her  od  sol  ich  dar? 
daz  sol  allez  sin  getan: 
ich  wil  mich  genzliche  län 
üf  ir  triuwe  und  üf  ir  eit.' 
der  abbet  vroeliche  reit  2370 

mit  endehafter  widersage 
und  kam  an  dem  sibenden  tage 
da  er  den  künec  mit  disem  maere 
schiet  von  aller  siner  swaere. 
er  sprach  zen  selben  stunden  2375 

ch6rre,  ich  hän  funden 
daz  beste  wip  deich  ie  gesach. 

D.  warent  sy  allsamt       9349.  do  9350.  stand       2359.  sonst 

sprachent         2355.  Tund  dz  uvch  der  alt  pit        2359.  wifzlich 

unverständlich.        2363.  en]  an  2368.  han        2373.  Do 
dz  ich 


462  DIE  GÜTE  FRAU. 

und  als  ich  si  von  iu  gesgrach 

und  von  den  vürsten  die  hie  sint, 

dö  was  ez  allez  sam  ein  wint  2380 

swaz  ich  von  zühten  hän  vernomen. 

ist  iender  üf  die  erde  komen 

von  himele  wibes  bilde, 

daz  ist  diu  vrouwe  milde. 

iu  enbiut  unser  künegin,  2385 

si  welle  iu  undertaenec  sin: 

swie  ir  gebietet,  daz  si  reht. 

nu  kieset  selbe  unde  seht 

wie  man  si  mit  Aren  hol: 

daz  vüeget  sich  ir  namen  wol/  2390 

Der  künec  sante  schiere 
nach  ir  vürsten  viere, 
dö  er  si  dar  bereite 
ze  Paris  err  erbeite. 

dar  kömens  über  vierzehn  naht.  2395 

gen  der  vrouwen  was  gemacht 
ein  gestüele  hßrlich. 
der  künec  der  bereite  sich 
zuo  den  höhziten. 

man  sach  die  vrouwen  riteft  2400 

gar  schöne  gön  der  stat. 
der  künec  die  pfaffen  bat 
daz  si  gön  der  vrouwen  giengen 

dö  kämen  zuo  dem  tuome  2405 

mit  ir  heiltuome 

all  die  pröläten. 

swaz  si  gezierde  bäten, 

diu  wart  genzliche  erwegt 

und  die  sträzen  umbelegt  2410 

schöne  und  ouch  behangen. 

si  wart  vil  wol  enpfangen. 

2378.  iuv'ch  2380.  samt  2384.  milte  2385.  Wenn  bütt  2390.  Jrem 
2391.  kein  absatz.  2392.  N.  ir  der  f.  v.  2394.  er  Jr  2395.  Dar 
komen  sy  über  xiiij  nacht  2399.  dem         2402.  bait  2404.  * 

fehlt  etwa  and  si  werdecliche  enpfiengen     2405.  kam     2410.  vmb  legt 


DIB  £UTE  FRAU.  4*S 

dö  der  antfanc  ergie, 

der  künec  si  an  der  stunde  enpfie. 

ze  rehte  er  si  koafte.  2415 

von  disem  brätloufte 

seite  ich  iu  vil,  wolte  ich, 

wan  er  was  harte  grözlich. 

nu  solde  man  ouch  ezzen  gän. 

da  enwart  niht  verldn,  2420 

man  gaebe  in  alles  des  die  kraft 

daz  man  dÄ  heizet  Wirtschaft. 

dö  man  daz  ezzen  verlie 

and  diu  naht  an  vie, 

dö  was  ouch  älAfennes  zft:  2425 

daz  liez  der  künec  Ane  nit. 

dö  der  tac  dö  verswant, 

si  giengen  slAfen  zehant. 

dö  lac  diu  vrouwe  riche 

vil  harte  güetliche  2430 

bi  einer  küneginne  man 

diu  mit  dem  von  PortigAle  entran. 

diu  selbe  vrouwe  bt  ir  het 

einen  meister  von  Tölet 

der  von  nigromanzie  las  2435 

und  des  listes  gar  ein  meister  was. 

der  schreip  ein  karacteres 

und  half  der  küneginne  des 

daz  si  dem  klinge  getAn  hÄte, 

daz  im  alle  sin  arzAte  2440 

niht  gehelfen  künden, 

daz  er  ze  keinen  stunden 

mohte  mit  den  wiben 

mannes  werc  triben. 

swie  leit  und  swie  swsere  2445 

daz  dem  ktinege  waere 

und  swie  nach  ez  sinen  hfirren  gie, 

anfeng       *    2431.  Wann  geb  ia  allez  dez.    mit  dieser  und  der 
vien  zeile  vergl.  2737/.        3425.  schlaffetz        2427/.  =  2013/ 
giengen t        2431.  künigine  2434.  Talet        2438,  khngin 

hat       2440.  arczat       2447.  »incm  herzen?  doch  vergl.  2188. 


464  DIE  GUTE  FRAU. 

diu  vrouwe  cz  äne  clage  lie.  . 

nu  sliefens  beidiu  vaste, 

der  wirt  bi  dem  gaste.  2450 

dö  der  tac  durch  daz  tacb 

beide  luhte  unde  brach, 

do  erwachten  sie  beide. 

der  künec  lac  in  leide : 

zuo  der  künegin  er  sprach  2455 

ez  ist  wol  ein  jär  daz  mir  geschach 

daz  ich  dir  niht  entuon  kan 

als  einem  wibe  sol  ein  man. 

nu  soltu  mich  geniezen  län 

daz  ich  dich  da  vür  erkorn  hän:  2460 

solz  iemer  werden  übersehen, 

daz  muoz  von  diner  tugent  geschehen/ 

des  was  diu  vrouwe  vil  vrö: 

also  antworte  si  im  dö 

ehörre,  ir  müget  die  rede  lau.  2465 

got  hat  vil  wol  an  mir  getan 

und  waerliche  erzeiget  hie 

daz  in  sin  gnade  nie  verlie 

noch  niemer  mere  verlät, 

der  rehte  staete  an  im  bestät.  2470 

als  hat  er  ouch  an  mir  getan. 

ir  sult  daz  vil  gewis  han 

daz  ich  iu  bin  staete  unde  guot: 

got  gebiete  iu,  daz  ir  mir  wol  tüot. 

ich  läze  diz  wol  äne  haz:  2475 

mir  geschach  an  keime  dinge  baz: 

ich  sol  es  äne  clage  sin.9 

der  künec  sprach  zer  künegin 

cich  wil  dichs  ouch  ergetzen 

und  wil  dir  daz  reht  setzen,  2480 

so  du  morne  wirst  gewihet, 

ob  dir  got  her  nach  lihet 

2449.  schließend  sy  2453.  sy  2460.  dar  für:  vielleicht  da  zuo? 

2465.  Sy  sprach  h.  2467.  wellichen  erzaig  2469.   mere  fehlt. 

2470.   State]  stat        2476.  nie  an  kaim        2470.  dich  es       2480.  wil 
ist  vielleicht  zu  streichen.        2481.  gewicht        2482.  licht 


,s    * 


'   > 


DIB  GUTE  FRAU.  465 

einn  andern  man  unde  kint, 

daz  die  iemer  riebe  sint/ 

nu  geschach  daz  selten  ie  2485 

an  zwein  lieben  alse  hie, 

daz  des  einen  herzeswaere 

des  andern  vreude  waere. 

da  von  der  künec  swaere  truoc, 

da  von  gewan  si  vreude  genuoc  2490 

und  was  es  innecliche  geil. 

si  dühte  daz  ein  guot  heil 

daz  si  got  der  guote 

vor  schänden  behuote. 

dö  der  künec  also  träte  2495 

und  man  zer  messe  lüte, 

man  entslöz  die  kemenäten. 

dar  körnen  die  da  bäten 

beslozzen  kr6ne  und  gewant 

di  mit  daz  riche  und  daz  lant  2500 

harte  wol  gezieret  was. 

manec  saphir  und  bailas 

und  rubin  dar  an  lac, 

der  rehte  liebte  als  der  tac 

von  dem  golde  luhte.  2505 

die  künqgin  beduhte, 

dö  manz  ir  an  häte  geleit, 

ez  waer  ein  wol  stände  cleit, 

als  ez  von  rehte  solde. 

dö  schatte  dem  golde    «  2510 

ir  reiniu  wibes  varwe: 

diu  het  ez  begarwe 

vil  nach  verswachet, 

swie  schöne  ez  was  gemachet. 

dö  saz  diu  küneginne  2515 

gekroenet  dar  inne 

unz  daz  der  künec  gekroenet  wart. 

3.  Ain  2485.  seltan  2487.  Dz  das  ain  hercz  schwär 
1.  Jnnerlich          2495.  ruwte  2496.  lntte         2502.  pallas 

4.  liebte]  lucht      2508.  wol  ain  stend      2509.  solte      2510.  schat- 
den        2511.  raine        2514.  schon 

l.  F.  D.  A.  II.  30 


4 


466  DIE  GÜTE  FRAU. 

si  beidiu  giengen  eu  gegenvarl 

über  den  hof  schöne. 

lant  unde  kröne  2520 

gap  er  ir  zeigen  iemer  me* 

und  nam  die  vrowen  ze  siner  ö. 

diu  gäbe  beleip  sUete : 

swie  sis  niht  gedienet  haete, 

so  beleip  si  doch  slaele  da.  2525 

ze  messe  giengen  si  iesä. 

dö  die  messe  wart  gesungen 

und  daz  volc  was  üz  gedrungen, 

dö  gienc  der  künec  enbizen. 

man  sach  der  vrouwen  glizen  2530 

bi  dem  har  daz  öre 

als  den  sne  bi  einem  möre. 

der  hof  was  von  gewaude 

gezieret  maneger  hande, 

wiz  blä  gel  grüene  brün  röt,  2535 

als  der  künec  dö  gebot. 

do  geschach  in  alse  noch  geschiht 

swä  man  grözen  höf  siht, 

so  der  zergät  so  ist  alz  ein  troum. 

man  siht  ze  meien  manegen  boum  2540 

schöne  stän  geloubet: 

so  si  dan  der  winter  roubet, 

so  stant  si  dürre  unde  blöz. 

ez  enwart  nie  öre  als  groz, 

si  zergange  genzlicbe,  2545 

wan  öre  in  gotes  riebe. 

Nu  läzen  wir  die  rede  sin. 
der  künec  und  diu  künegin 
diu  lebeten  schöne  äne  not: 
öwe\  dö  schiet  si  der  tot.  2550 

ö  daz  ez  volle  wart  ein  jar, 
dö  starp  der  künec,  daz  ist  wir, 
und  liez  die  küneginne 

2518.  g.  aegegi  vart  2521.  mc]  ie  2524.  sy  es.  da  sie  nur  schein- 
bar sm'm  wrib  war.  2532.  »ine  more  2540.  M.  sie*  ie»ayeo  Bengn  bom 
2544.  erd        2547.  keim  absatz.        2549.  lekotä         2551.  roll  ward 


DIE  GUTE  FRAU.  467 

an  vil  grözem  gwinne. 

si  hete  lant  unde  schaz  2555 

und  beleip  äne  widersaz. 

nu  stät  Frankriche 

des  einen  h6rliche, 

da  sint  zwelf  genöze, 

daz  sint  vürsten  gröze,  2560 

den  mac  der  künec  niht  yerzihen, 

er  muoz  in  daz  reht  lihen 

mit  vanen  und  mit  banden, 

ze  raten  sinen  landen. 

und  koment  die  zwelfe  über  ein,  2565 

so  bat  der  künec  reht  dehein: 

er  muoz  in  werden  undertän 

ald  aber  in  daz  riche  län. 

die  zwelve  wolten  niht  enbern,' 

si  müest  diu  künegin  gewern  2570 

eins  mannes  der  in  tobte 

und  si  beschirmen  möhte. 

diu  süeze  äne  gallen 

sprach  zuo  den  vürsten  allen 

'wenn  ich  des  küneges  järzit  2575 

begän  und  ir  hie  bi  mir  sit, 

so  bin  ich  iu  so  gehdrsan 

umbe  einen  andern  man, 

swie  ir  muotet,  daz  ergät. 

iwer  gebot  und  iuwern  rät  2580 

ich  iemer  behalten  sol. 

ir  hat  gehandelt  mich  so  wol 

daz  ich  ez  iemer  dienen  wil 

unz  an  mines  endes  zil.' 

beide  ir  rede  unde  ir  muot  2585 

die  vürsten  alle  dühte  guot, 

und  volgeten  es  der  vrowen  da. 

urloup  nämen  sie  ie  sä 

>4.    grossen  gewinne  2559.   gnossen  2560.  grosse» 

>4.  ze  raten]  Rat  ze  2569.  abtat».  woltend  2570.  mtsst 
Tl.  maos  —  tochte  2572.  mochte  2578.  ain  2579.  er  gat 
M).  Eüver  —  eüver  r. 

30* 


468  DIE  GUTE  FRAU. 

und  vuoren  heim  ze  lande 

unz  daz  si  nach  in  sande.  2590 

diu  künegin  da  heime  bei  ei  p. 

daz  jär  si  also  vertreip 

mit  almuosen  und  gebete. 

mit  guoter  andäht  si  daz  tele, 

daz  ir  got  des  gunde  2595 

daz  ir  zer  selben  stunde 

ir  man  wider  kaeme, 

ald  aber  von  im  vernaeme 

ob  er  lebte  aide  waere  t6t. 

daz  was  ir  aller  graste  not  2600 

daz  si  mohte  wizzen  niet, 

sit  daz  er  ftrste  von  ir  schiet, 

ob  er  lebte  und  diu  kindelin: 

da  mit  muoste  si  bes waere t  sin. 

doch  het  si  eines  gedäht:  2605 

so  daz  jär  waer  volbräht, 

ob  er  dan  niht  wider  kaeme, 

daz  si  einen  andern  man  naeme, 

6  daz  iemer  wurde  getan 

so  wolte  si  ft  varn  län  2610 

beidiu  kr6ne  unde  lant: 

des  bewac  si  sich  zehant. 

also  d6  diu  stunde 

nähen  begunde, 

als  der  künec  da  verschiet,  2615 

dö  sümte  sich  diu  vrouwe  niet, 

ir  boten  si  wite  sande 

zen  hferren  vorne  lande, 

daz  si  kaemen  äne  strit, 

daz  man  des  küneges  järzit  2620 

begienge  nach  gewonheit. 

manec  böte  nach  den  armen  reit. 

da  si  hörte  sagen  maere 

2589.  fürten  2592.  als6]  vielleicht  allez  ?  2593.  mit  gebet 

9595.  des  fehlt.         2601.  nit         2603.  lebtin  2608.  E  das  sy  dtn 
ain        9612.  bezwang        2616.  Do  sompt  —  nit        2621.  Begiagin 
2622.  dem  Arme 


DIB  GUTE  FRAU.  469 

daz  ir  aller  meiste  waere, 

in  den  spitäl  si  enbot,  2625 

swem  da  ihtes  waere  not 

von.  ge wände  und  von  spise, 

der  sold  ze  sant  Dönise 

ze  des  küneges  järzite  komen. 

dd  si  daz  haeten  vernomen,  2630 

malates  unde  siechen 

begunden  dar  kriechen 

an  zal  und  ine  ahtc 

diu  künegin  geahte 

harte  wftnec  üf  den  schaden :  2635 

si  hiez  vil  balde  üf  laden 

manegen  karren  unde  wagen, 

swaz  die  mohten  getragen, 

daz  man  der  armen  diete    • 

cleider  drabe  schriete.  2640. 

des  hat  si  alles  war  genomen. 

dar  zuo  wären  ir  ouch  komen 

da  bi  uz  einer  zelle 

zwelf  bärtinge  snelle, 

daz  si  in  diu  cleider  maezen  2645 

und  ir  pflaegen,  so  si  aezeu. 

dd  si  der  armen  ähte 

alsfr  ze  ende  brähtc 

daz  ez  gote  wol  mohte  liehen, 

d6  schuof  man  den  riehen  2650 

guoter  spise  genuoc. 

man  vuorte  dar  unde  truoc 

swaz  ie  gevlouc  oder  gevlöz. 

dö  was  diu  Wirtschaft  so  groz 

daz  die  armen  gftzen  2655 

noch  märe,  da  si  säzen, 

3.  Denise]  nise         2629.  Zuo  des         2630.  hetten         2631.  Ma- 
:  malates  reimt  auf  widerrates  Ulr.  Tr.  2161.  2634.   gedacht 

3.  tragfi         2640.  darab         2642.  warent        2644.  bärtinc,  taten- 
ier.  vergl.  Schneller  1,  203.        2645.  der  cl.  messe        2646.  pfle- 
so  sy  'me        2653.  gpflog        2654.  Ritterschaft  grob,  ohne  so 
>.  Daz  sy  die       2656.  sassen 


470  DIE  GUTE  FRAU. 

dan  si  iem&r  getseten, 
ob  si  ez  gekoufet  haeten. 

Dd  der  gröze  järtac 
ze  sant  Dfenise  gelac,  2660 

als  man  den  künec  da  begruop 
und  man  die  messe  ane  hnop 
die  der  abbet  selbe  sanc, 
d6  was  da  gr6z  gedranc: 
des  enmohte  kein  rät  gesin.  2665 

ie  doch  beleip  diu  künegin 
an  vil  guotem  ruome  hie, 
d6  si  ze  opfer  gie 
mit  zweinzic  bisanden. 

mit  snßwizen  banden  2670 

si  si  an  die  stole  bot. 
dö  was  ein  dürflege  durch  sin  not 
gedrungen  zuo  der  künegin, 
cgebt  mir  ein  gäbe,  vrouwe  min, 
daz  des  küneges  sfele  2675 

von  sante  Michahßle 
hiute  gecondwieret  si/ 
si  gap  im  zw&ne  oder  dri 
ald  aber  lihte  viere. 

da  gegen  greif  er  schiere.  2680 

als  er  die  hant  bot  dar, 
dd  wart  diu  künegin  gewar 
eins  krumben  vingers  an  der  hant 
den  si  selbe  heilte  unde  bant, 
do  er  im  ab  geslagen  wart  2685 

ze  ritterschaft  an  einer  vart. 
do  ersehnte  si  unde  sach  in  an: 
si  erkand  in  wol,  ez  was  ir  man. 
dö  wart  si  vor  vreuden  röt : 
ir  gröziu  zuht  ir  daz  geb6t  2690 

daz  si  vil  lüte  niht  erschrA. 
däne  twelte  si  niht  m£, 

2657.  getotten  2658.  konfft  hetten  2660.  Denise]  nisten 

2666.  plib  2672.  dürftig  2674.  ain  gab  sprach  er  frow 

2677.  geantiwürt        2691.  si  fehlt.        enchrai        2692.  Daune  wolte 


DIB  GÜTE  flRAU. 


471 


diu  süeze  und  diu  statte: 
si  vienc  in  bi  der  waete 

und  zftch  in  vrcelichen  dao,  2695 

unz  ir  ein  kamerare  kan9 
zuo  dem  si  lieplichen  sprach 
<schaf  mir  dem  armen  guot  gemach: 
im  geschiht  genäde  von  mir  hie,' 
der  arme  vroeliehen  gie  2700 

da  sin  wol  gepflegen  wart« 
kleine  was  sin  höchvart. 
d6  diu  messe  wart  gesungen, 
daz  daz  volc  was  uz  gedrungen, 
tlö  kuietes  üf  den  esterich,  2705 

si  sprach  ch6rr  got,  du  hast  durch  mich 
«in  michel  wunder  getan, 
daz  ich  minen  man  vunden  hän, 
von  dem  ich  jämmerliche  schiet. 
nu  hilf  mir  daz  ich  dirre  diel  2710 

noch  hiute  bewaere 
diz  wunderliche  maere.' 
Si  vragte  wä  waere 
ir  oberster  kamerare. 

-er  wart  ir  schiere  gewunnen  dar,  2715 

si  sprach  cil  balde  unde  var, 
schaf  mir  dem  armen  ein  bat 
und  kom  du  selbe  in  die  stat 
und  gewin  mir  im  bezite 

vorne  besten  samite  2720 

«leider  diu  im  reht  sin 
und  wol  gevült  mit  hermelin, 
und  si  daz  bereit  vor  n6ne, 
daz  ich  dir  es  iemer  I6ne.' 
daz  ergie  vil  bereite  2725 

als  si  üf  leite, 
si  schuof  dar  mit  guotem  liste, 

/ncz  er  Jn  ain  kamer  kam  2698.  disem:  vergl.  2717. 

)o  nü  sein  2705  =  2301.  knüvet  ?y  2710.  diaer 

,  vergl.  Lachm.  zu  den  Ntb.  1113,  3.  2721.  sind 

frid  dz  berait  sey  2725.  breite 


472  DIE  GÜTE  FRAU. 

daz  ez  lützel  iemen  wiste, 

schuohe  und  linin  gewant, 

und  gienc  si  selbe  zehant  2730 

hin  uz  zuo  ir  gesten. 

d6  satzte  man  die  besten 

und  die  andern  alle  dar  nach. 

dö  was  den  truhsaezen  gäch, 

si  truogn  in  vür  daz  ezzen.  2735 

desn  wart  niht  vergezzen, 

man  gap  in  alles  des  die  kraft 

daz  man  da  heizet  Wirtschaft. 

dö  si  alle  gäzen 

und  dar  nach  gesäzen,  2740 

si  schuofen  daz  man  uz  treip 

daz  gesinde  und  niemen  da  beleip 

wan  diu  küngin  alters  eine 

und  die  viirsten  alle  gemeine. 

si  sprächen  'vrouwe,  nu  ist  zit,  2745 

die  wil  ir  also  müezec  sit, 

werbet  als  wir  iuch  bäten  ö, 

daz  iuwer  lant  mit  vride  stß, 

des  ein  vrouwe  niht  gepflegen  kan. 

kieset  selbe  einen  man.  2750 

swen  ir  weit,  der  ist  uns  guot.' 

dö  sprach  diu  vrouwe  wol  gemuot 

cdie  mich  es  hiute  bäten, 

wolten  mir  die  raten, 

so  verswigete  ich  si  niht,  2755 

in  seit  in  alle  mine  geschürt.' 

si  sprächen  alle  gemeine 

'saget  uns,  vrouwe  reine: 

iuwer  not  ist  unser  leit.' 

des  buten  si  alle  ir  eit.  2760 

hie  mit  diu  künegin  ane  vie, 

die  viirsten  si  dö  wizzen  lie 

beide  ir  namen  uude  ir  lant 

2728.  yemant        2729.  Schuch        2731.  Jren        2736.  Denen  ward 
2737.  allen        2742.  niemat        2749.  Dz        2751.  wält        2753.  hür 
2756.  in  =  ichne]  Jr        2762.  wisse 


DIB  GUTE  FRAU.  473 

and  wie  ir  vater  was  genant, 

daz  er  gräve  Ruopreht  hiez.  2765 

dar  nach  si  si  wizzen  liez 

wie  si  ir  eigen  lant  lie 

und  durch  got  da  von  gie 

und  uf  der  sträze  bi  ir  man 

zwöne  schcene  süne  gewan  2770 

und  wie  sie  der  hunger  schiel. 

dar  nach  verswigte  sie  niei 

wie  si  des  gräven  lant  gewan, 

daz  er  doch  nie  wart  ir  man. 

si  sprach  'ich  muoz  iu  mär  verjehen.  2775 

ein  wunder  ist  an  mir  geschehen: 

min  man  der  ist  her  wider  komen.' 

dö  si  daz  bäten  vernomen, 

si  sprächen  alle  gel  ich  e, 

beide  arme  und  riebe,  2780 

eden  hat  uns  got  her  gesant 

ze  einem  künege  in  daz  lant.' 

Si  wären  alle  samet  vrö 
unde  vreuten  sich  dö 

daz  in  s6  liebe  was  geschehen  2785 

daz  si  die  vrouwen  solten  sehen 
und  ouch  ir  vii  lieben  man. 
si  körnen  alle  samet  dar  an, 
er  waere  wol  wert  der  kröne, 
si  sprach  csö  bring  ich  in  ze  löne/  2790 

der  arme  in  dem  bade  beleip 
unz  man  daz  bor  von  im  treip: 
daz  schoenete  in  vil  deine, 
im  bedahte  sin  gebeine 

ein  hut  swarz  als  ein  rän  :  2795 

daz  was  vil  rehte  getan 
gevar  nach  der  aschen. 
in  half  vil  deine  ir  waschen, 

k  ruppercht  2770.  sun  2772.  sy  nie  2775.  euvch 

\,  hetten  2783.  allsamet  2784.  Frown  vnd  fründ  frowtn  sich  do. 
en  sind  nicht  zugegen.  2785.  lieb  2787.  Jren  2788.  allsamt 
.  har.        2794.  Jn  bedacht        2797.  eschen        2798.  waschen 


474  DIB  GUTE  FRAU. 

wao  daz  ez  in  getröste 

daz  in  got  der  von  erlöste.  2800 

er  was  zen  brüsten  durchflach: 

an  sinem  libe  man  wol  sach 

daz  in  vil  manege  pnnte 

mit  speren  und  suchen  wunte: 

ouch  sach  man  oberhalp  der  brä  2805 

daz  im  die  ringe  wä  unt  wä 

inz  houbet  wären  geslagen. 

dö  im  daz  hör  was  ab  getwagen 

dö  jach  der  kamerare 

daz  ez  ze  wäre  w«re  2810 

da  vor  ein  ritter  gewesen, 

swie  käme  er  kseme  dar  gekresen. 

als  er  getruckente  gar, 

zehant  brähte  man  im  dar 

ein  hemede  und  eine  niderw&t:  2815 

daz  was  gar  wol  genftt 

mit  harte  wizer  varwe« 

man  zöch  dar  in  begarwe 

einen  giirtel  harte  wache, 

swer  in  noch  hiute  saehe,  2820 

der  möht  in  gerne  schouwen. 

in  worhten  juncvrouwen 

er  sprach  cdurch  got,  waz  sol  daz  sin? 

weit  ir  mir  geben  rehte  wät,  2825 

so  gebt  mir  diu  mir  rehte  sült, 

minen  alten  roc  und  minen  sac: 

diu  sint  nu  vil  manegen  tac 

min  wät  und  min  geverte.' 

swie  lange  er  sich  werte,  2830 

si  zagen  im  an  daz  selbe  cleit. 

des  schämte  er  sich,  und  was,  im  leit. 

2800.  got  fehlt.  ^803.  piincte  2804.  vnd  mit  Stichen  9806.  wi 
unt  wA]  vergl.  Gottfr.  Tr.  652.  2807.  Jn  das  hoppt  9808.  Dz  Jm  dt 
har  was  ab  geczwagen  9809.  Do  Jachen  die :  vergt.  9714.  9810.  i« 
wÄre]  war  9&12.  gekrisen  9815.  Ain  wifs  hemd  2822.  yorchtei 
2824.  etwa  her  kamerare,  ir  spotet  min.        2827.  Min  —  min  s. 


DIB  GÜTE  FRAU.  475 

si  zagen  im  an  vil  drftte 
zwo  hosen  von  scharläte,   ' 
dar  nach  daz  hermine  gewant,  2835 

daz  man  niender  an  im  vant 
daz  im  iht  arges  würre. 
dö  sprach  der  arme  dürre 
rwan  lät  ir  Mute  durch  got 
mit  mir  den  ungevüegen  spot?  2840 

ir  möhtets  wol  vergezzen. 
weit  ir  iuwer  cleider  mezzen, 
so  mezzet  si  an  etesweme 
den  iuwers  Schimpfes  gezeme: 
ich  mag  es  niht  erliden/  2845 

von  golde  and  ouch  von  siden 
sand  im  sin  wip  diu  künegin 
einen  wachen  gürtel  dar  in 
und  enböt  im  diu  maere 

daz  si  da  vrouwe  waere  2850 

worden  in  dem  lande 
an  sünde  und  äne  schände, 
als  ez  got  gevüegen  wolte. 
dö  müest  er  unde  solte 

von  allem  rehten  künec  sin.  2855 

» 

dö  nam  in  besonder 

der  rede  michel  wander, 

ob  daz  selbe  maere 

war  ald  erlogen  waere.  2860 

er  gedähte  in  sinem  muote 

ejä  hftrre  got  der  guote, 

ist  daz  wander  hie  geschehen, 

so  mac  man  endelichen  sehen 

daz  du  ein  wunderaere  bist  2865 

über  allez  daz  der  ist.' 

dö  lüte  man  die  nöne. 

o  mä  nienert  an  vand        2837.  ichtz  args  wurde        2838.  dür 
rate]  herte:  hemm?         2841.  ntfchtend  es  2844.  schimpf 

2848.  ein  gürtel  ist  schon  2819  erwähnt.  2853.  fugen 

itst       2858.  mich        2866*  alle 


476  DIB  GUTE  FRAU. 

über  hof  giengen  schöne 

die  vürsten  vür  die  künegiu 

und  die  andern  alle  mit  in.  2870 

dö  si  zesamne  kämen 

und  die  hferren  gen&men 

iegelicher  sine  stat, 

diu  künegin  einn  vürsten  bat 

ir  wort  d&  betiuten  2875 

durch  got  den  landes  liuten. 

si  sprach  als  ez  ir  wol  gezam. 

dö  daz  lantliut  vernam 

diz  wunderliche  maere 

rehte,  wer  si  waere,  2880 

des  wärens  alle  samet  vrö. 

also  jähen  si  ir  dö, 

da  waere  geschehen  wunder  an. 

dö  gienc  si  unde  holte  ir  man. 

Dö  si  kam  daz  si  in  sach,  2885 

si  vienc  in  zuo  ir  unde  sprach 
Vis  willekomen,  lieber  man. 
sit  mir  got  der  saelden  gan, 
daz  dich  min  ougen  h&nt  gesehen, 

2890 

ez  ensi  nu  allez  sament  guot.' 

sich  vreute  sfere  ir  beider  muot 

daz  in  so  liebe  was  geschehen 

daz  si  einander  solten  sehen 

lebendec  üf  der  erde  hie.  2895 

bi  der  hant  si  in  vie 

und  zöch  in  vroeliche  dan 

zen  vürsten,  ir  vil  lieben  man, 

die  ouch  engegen  im  giengen: 

nach  feren  si  in  enpfiengen.  2900 

dö  si  in  brähte  her  vür, 

si  bat  die  vürsten  an  der  kür, 

daz  si  im  waeren  undert&n. 

2878,  Do  dz  die  lands  lüt  vernamen  9881.   Dez  waren  *y  albast 

2883.  Do  wer     9884.  Jrn     12887.  Bis      2888.  kan      2890.  etwa  st  kud 
ich  anders  niht  jenen,      2894.  aia  andren     2902.  Sy  b.  der  f.  der  cktr, 


DIE  GÜTE  FRAU.  477 

des  si  si  gebat,  daz  wart  getan: 

si  wären  im  gehörsan,  2905 

beide  mäge  unde  man. 

zir  manne  sprach  diu  künegin 

eh6rre,  war  sint  komen  diu  kindelin?' 

cdaz  wil  ich  dir  vil  rehte  sagen. 

ich  brähtes  beidiu  getragen  2910 

an  ein  wazzer,  daz  was  breit. 

ich  schiet  si  durch  gewarheit 

und  truoc  si  besunder. 

nu.hoere  michel  wunder, 

wie  sich  min  leit  mörte.  2915 

dö  ich  wider  kferte 

und  jenez  geholt  wolte  hän 

da  ich  ez  bäte  verlän, 

dö  dructe  des  wazzers  last- 

die  starken  brügge  daz  si  brast.  2920 

dö  leit  ich  ungeverte, 
wan  daz  mir  got  bescherte 
einen  boum,  da  ich  an  beleip 
unz  er  mich  ze  Stade  treip. 
als  ich  kam  an  daz  lant,  2925 

d6  gähte  ich  widere  zehant  . 
da  diu  brügge  nider  gie 
und  da  ich  miniu  kint  lie. 
do  enweste  ich  war  si  wären  komen: 
ob  si  daz  wazzer  het  genomen,  2930 

„    daz  was  mir  leider  unerkant. 
d6  saz  ich  zehant 
zuo  einem  bounie  riuwevar. 
min  gewant  daz  nam  ich  gar 
und  hanctez  an  die  este.  2935 

min  jämer  der  was  veste. 
unsern  hörren  got  ich  ane  rief, 
unz  ich  in  den  sorgen  entslief. 

2904.  Was        2910.  Ich  bracht  sy        2917/.  =  1791/. 
ett         2923.  Ain  pom  do         2926.  gedacht:  vergl.  1803. 
o        2929.  enwusst       2933.  ruw  var        2935/  =  1837/. 
12  =  1847—52.        2937.  herrgot 


478  DIE  GÜTE  FRAU. 

uf  den  boum  kam  ein  ar 
und  wart  dort  nidene  gewar  2940 

w4  miner  pfenninge  sac 
röt  neben  mir  lac, 
die  mir  da  wurden  von  dir. 
sich,  vrouwe,  die  nam  er  mir 
und  vuortes  ich  enweiz  war/  2945 

nu  sich,  dö  brahte  er  si  gar 
zeim  boumgarten  da  ich  was 
und  warf  si  vür  mich  uf  daz  gras:' 
so  sprach  diu  vrouwe  wol  gemuot. 
csit  uns  got  diz  deine  guot  2950 

also  wider  hat  gegeben, 
dö  sulnt  ouch  diu  kint  leben, 
des  ich  im  getriuwe  verre 
daz  in  niht  enwerre.' 

dö  sprach  ein  gräve  zehant  2955 

ez  sint  wol  vier  jär  daz  ich  vant 
bi  der  Seine  ein  schoene  kint: 
daz  hän  ich  wol  behalten  sint. 
ouch  weiz  ich  wol,  dö  vander 
der  bischof  daz  ander.  2960 

diu  sint  beide  samet  hie/ 
nach  den  kinden  man  dö  gie. 
unde  brähtes  her  ze  hove. 
dem  gräven  und  dem  bischove 
dem  wart  vil  nähe  gedrungen.  2965 

so  vil  gevröut  und  gesungen 

vor  noch  sit  nie  wart 

» 

dö  diu  vrowe  zesamne  gewan 

beidiu  ir  kint  unde  ir  man,  2970 

vor  vreuden  stuont  die  schoene  vrouwe 

als  der  rösc  in  dem  touwe 

2940.  dert  nidnen         2945.  ich  waiss  nit  war        2947.  Jn  aine  bomg. 
do        2948.  Warff  {ohne  und)  sich  mich  für  dz  gras        2949.  Do 
2952.  sollen  2954.  Dz  ich  nit  enwere  2957.  Sy  der  sein 

2959.  vander  z=  vant  ir.       2960.  der  ander      2963.  brachtz      2968.  * 
fehlt  etwa  danne  an  dirre  selben  vart. 


DIE  GUTE  FRAU.  479 

st6t  vil  jschöne  gebluot 
und  siniu  löuber  üf  tuot, 

diu  beide  wiz  sint  unde  röt.  2975 

ir  was  deheiner  varwe  not. 
dö  schein  ab  er  riuwevar: 
.  daz  machte,  sin  was  deine  war 
genomen  in  vier  jären, 
sit  si  gescheiden  wären.  2980 

In  der  selben  stunde 
sprach  mit  süezem  munde 
von  wibes  namen  daz  höhe  zil 
'swer  mir  daz  niht  gelouben  wil 
daz  diu  rede  also  si,  2985 

s6  lit  min  lant  hie  nähe  bi 
da  von  ich  hie  vor  gie 
und  cz  durch  got  varn  lie : 
daz  Hut  bring  ich  ze  schine. 
ouch  ligent  in  minem  schrine  2990 

die  selben  pfenninge 
dar  umbe  ich  mit  gedinge 
miner  vrouwen  wart  gegeben, 
ouch  hat  si  selbe  noch  daz  leben, 
da  mit  ich  ez  erziuge  wol,  2995 

obe  ich  ez  tuon  sol.9 
dö  sprach  elliu  diu  diet 
evrouwe,  ir  bedürfets  niet. 
wir  wizzen  wol  die  wärheit 
daz  ir  uns  niht  hat  misseseil.'  3000 

zen  vürsten  sprach  diu  künegiu 
'ich  bevilhe  iu  diu  kint  min 
üf  iuwer  triuwe  und  minen  man, 
s6  ich  allerbeste  kan, 

daz  ir  in  sit  ze  aller  zit  3005 

reht  als  ir  mir  gewesen  sit, 
sit  daz  ich  iuwer  vrouwe  hiez 

Statt  uil  schön  gepiiit         2976.  Jd  2977.  aber  Jr  rüve  varb 

sy  was  cl.  var           2986.  nach  2989.  Die  lütt  br.  ich  her 

ne         2993.  gebn         2995.  erzügn  2997.  alle        2998.  be- 
ut nit        3003.  min 


» 


480  DIB  GUTE  FRAU. 

und  mir  der  künec  sin  laut  liez. 

got  weiz  wol,  ich  gewan  nie  man 

wan  disen  den  ir  sehet  an/  3010 

die  vürsten  dar  giengen, 

von  dem  künege  si  enpfiengen 

beidiu  bürge  unde  lant. 

dar  nach  swuorens  im  zehant 

vil  zühteclichen  halde.  3015 

vil  schöne  er  daz  verdnlde 

unz  daz  si  im  geswuoren 

und  rehte  dan  vuorea. 

Der  ditze  riche  gewan, 
der  was  geheizen  Karelman.  3020 

d6  was  der  küneginne  name 
niht  anders  wan  La  bone  dame. 
d6  hiezen  ir  kindelin 
Karle  unde  Pippin. 

Pippin  der  was  deine:  3025 

daz  machte  daz  eine 
daz  sin  diu  muoter  niht  wol  pflac, 
dö  si  in  dem  spit&le  lac 
und  in  diu  wol  geborne 

sougte  üz  dem  hörne.  3030 

der  märre  der  hiez  Karle: 
der  wart  künec  ze  Arie, 
sit  gewan  der  künec  Pippin 
daz  lant  da  wir  hie  inne  sin, 
und  der  biderbe  Karle  uns  mähte  3035 

die  h&rlichen  pfahte. 
,    des  suln  im  iemer  danken 
die  Swäbe  und  diu  Franken 
daz  er  si  vor  aller  diet 

an  ir  rehte  üz  schiet.  3040 

sit  gewan  der  selbe  gotes  triit 
ein  tohter,  diu  hiez  G&rdrüt. 

3010.  den]  din        3014.  sy  im        3015.  züchtenclichen        3018.  dao] 
mit  Jm         3019.  Wer  dis  3022.  labonedane  3031.    mercr 

3035.  Karlin  der  vns  macht        3036.  pfahte]  aeh        3037.  sollen 
3038.  An  der  seben  die  swabn  vü  die  franko  '      3041.  got 


DIE  GUTE  FRAU.  481 

diu  heilige  vrouwe 

diu  lit  ze  Haspelgouwe, 

des  edelen  wibes  wünne,  3045 

von  der  diz  reine  künne 

von  aller  ferste  kämen. 

in  gotes  namen  amen. 

Des  bite  ich  sündaere. 
nu  hän  ich  ditze  msere  3050 

voilebräht  an  die  stat 
als  mich  der  margräve  bat. 
nu  wil  ichz  heizen  schriben 
ze  6ren  guoten  wiben, 

daz  si  merken  unde  schouwen  3055 

bi  dirre  guoten  vrouwen 
daz  niemer  wibe  misseg&t 
diu  triuwe  gfen  ir  manne  hat. 

.  scheint  verderbt.  3046.  dis  reme  kome  3047/.  Von  aüer 
Jq  gotz  namen  Amen,  ohne  kamen,  der  plural  des  verbums  bei 
singulare  des  nomens  wie  890/.  3049.  Djs  3050.  4ife 

%  dafe  Sehottky.  3051.  Volb rächt  3056.  diser  3058.  Jrem 
hat  Amen. 


N  MÄRCHEN  AUS  DER  ORERLAUSITZ. 

Es  war  einmal  ein  schönes  mädchen,  das  hiefs  Helene, 
mutter  war  früh  gestorben,  und  die  Stiefmutter  die  sie 
mmen  hatte  that  ihr  alles  gebrannte  herzeleid  an.  Helene 
sich  alle  mühe  ihre  liebe  zu  gewinnen,  sie  verrichtete 
schweren  arbeiten  die  ihr  auferlegt  wurden  fleifsig  und 
rdrofseii,  aber  die  böse  Stiefmutter  blieb  in  ihrem  har- 
herzen  ungerührt  und  verlangte  immer  mehr  von  ihr. 
weil  Helene  so  emsig  und  unermüdlich  war  da£s  sie 
;r  bei  zeiten  mit  ihrer  arbeit  fertig  wurde,  so  glaubte 
was  sie  ihr  auferlegt  habe  sei  noch  zu  leicht  und  zu 
ig  gewesen  und  sann  auf  neue  aufgaben,  eines  males 
ngte  sie  von  ihr,  sie  sollte  zwölf  pfund  federn  in  einem 
abschleifsen,  und  drohte  ihr  mit  harten  strafen,  wenn 
ibends  heim  käme  und  die  arbeit  nicht  gethan  fände. 
F.  D.  A.  II.-  31 


482  EIN  MÄRCHEN. 

Die  arme  Helene  setzte  sich  mit  angst  und  thränen  zu 
ihrer  arbeit  und  konnte  vor  kummer  kaum  einen  anfang  ma- 
chen, wenn  sie  aber  endlich  schon  ein  häufchen  geschlifse- 
ner  federn  vor  sich  liegen  hatte,  da  mäste  sie  wieder  an  ihre 
noth  denken  und  bitterlich  weinen,  und  dann  stoben  von  ih- 
rem seufzen  die  federn  aus  einander,  so  gieng  es  ihr  immer 
wieder  und  ihre  angst  stieg  aufs  höchste,  sie  bedeckte  ihr 
gesiebt  mit  beiden  händen,  bückte  sich  über  den  tisch,  und 
rief  weinend  aus  cach  ist  denn  niemand  anf  gottes  erdboden 
der  sich  meiner  erbarme?'  da  antwortete  auf  einmal  eine 
sanfte  stimme  'tröste  dich,  mein  kind :  ich  bin  gekommen  dir 
zu  helfen.3  erschrocken  sah  Helene  auf  und  erblickte  eine 
fee,  die  freundlich  fragte  'was  weinst  du  so?'  Helene  hatte 
lange  kein  freundliches  wort  gehört,  sie  fafste  vertrauen  and 
erzählte  was  ihr  für  eine  arbeit  aufgegeben  sei  und  dafs  sie 
damit  unmöglich  zur  bestimmten  zeit  fertig  werden  könne. 
rsei  ohne  sorgen,  mein  kind'  sprach  darauf  die  freundliche 
fee,  clege  dich  ruhig  schlafen ;  unterdessen  will  ich  deine  ar- 
beit verrichten.'  Helene  legte  sich  zur  ruhe  und  unter  den 
händen  der  fee  flogen  die  federn  fast  von  den  kielen,  so  dafs 
die  arbeil  lange  vor  der  gesetzten  zeit  fertig  war.  darauf 
weckte  die  fee  Helenen,  die  allen  kummer  verschlafen  hatte, 
und  verschwand,  als  diese  ihr  danken  wollte,  am  abend  kam 
die  böse  Stiefmutter  nach  hause,  wie  erstaunte  sie,  als  sie 
Helenen  neben  der  fertigen  arbeit  ruhig  sitzend  fand,  sie 
lobte  zwar  ihren  fleifs,  dachte  aber  bei  sich  auf  neue  und 
noch  schwerere  arbeiten. 

Am  andern  tage  befahl  sie  Helenen  einen  grofsen  teich 
der  in  der  nähe  lag  mit  einem  löffel  auszuschöpfen,  und  der 
löffel  den  sie  ihr  dazu  gab  war  durchlöchert.  Helene  machte 
sich  an  ihre  arbeit,  aber  bald  sah  sie  ein  dafs  es  unmöglich 
war  das  gebot  ihrer  Stiefmutter  zu  erfüllen,  voll  unmut  und 
angst  wollte  sie  eben  den  löffel  von  sich  werfen,  als  plötzlich 
die  gute  fee  vor  ihr  stand  und  sie  freundlich  fragte  warum 
sie  so  betrübt  sei.  als  Helene  ihr  von  dem  geböte  ihrer 
Stiefmutter  erzählt  hatte,  sprach  sie  cverlafs  dich  auf  mich: 
ich  will  deine  arbeit  für  dich  verrichten,  lege  dich  unter- 
dessen nur  ruhig  schlafen/  Helene  war  getröstet  und  legte 
sich  zur  ruhe,  aber  bald  ward  sie  von  der  fee  leise  geweckt 


EIN  MÄRCHEN.  483 

und  erblickte  das  vollbrachte  werk,  voller  freuden  eilte  sie 
zu  ihrer  Stiefmutter  und  hoffte,  ihr  herz  werde  sich  nun  end- 
lich erweichen,  aber  diese  ärgerte  sich  darüber  dafs  ihre 
tücke  so  wunderbar  vereitelt  worden  war  und  sann  auf  noch 
schwierigere  aufgaben. 

Als  es  morgen  geworden  war  befahl  sie  Helenen  bis 
zum  abende  ein  schönes  schlofs  zu  bauen  das  sogleich  be- 
zogen werden  könne  und  an  dem  nichts  fehle,  weder  küche 
noch  keller  noch  irgend  etwas.  Helene  setzte  sich  nieder- 
geschlagen auf  den  felsen  der  ihr  angewiesen  war  und  trö- 
stete sich  nur  mit  der  hoffnung  dafs  ihr  die  gute  fee  auch 
diesmal  aus  ihrer  noth  helfen  werde,  so  geschah  es  auch : 
die  fee  erschien,  versprach  das  schlofs  zu  bauen,  und  schickte 
Helenen  wieder  zur  ruhe,  auf  das  wort  der  fee  erhoben  sich 
felsen  und  steine  und  fugten  sich  in  einander,  so  dafs  bald 
ein  prächtiges  schlofs  da  stand,  vor  abend  war  auch  inwen- 
dig alles  fertig  und  in  vollem  glänze,  wie  dankbar  und  freu- 
dig war  Helene,  als  sie  die  schwere  aufgäbe  ohne  ihr  zu- 
thun  erfüllt  sah.  aber  die  Stiefmutter  freute  sich  nicht,  son- 
dern gieng  spürend  durch  das  ganze  schlofs  von  oben  bis 
unten,  ob  sie  nicht  irgend  einen  fehler  fände  wegen  dessen 
sie  Helenen  strafen  könnte,  endlich  wollte  sie  auch  den 
keller  betrachten,  aber  in  dem  augenblicke  wo  sie  die  fall- 
thür  erhoben  hatte  und  hinabsteigen  wollte  schlug  die  schwere 
thür  plötzlich  zurück,  so  dafs  die  böse  Stiefmutter  die  treppe 
hinabstürzte  und  sich  zu  tode  fiel. 

Nun  war  Helene  selber  herrin  des  schlofses  und  lebte 
in  ruhe  und  frieden,  bald  kamen  viele  freier  die  von  ihrer 
grofsen  Schönheit  gehört  hatten,  unter  ihnen  war  auch  ein 
königssohn  mit  namen  Lassmann,  und  dieser  erwarb  sich  die 
liebe  der  schönen  Helene,  eines  tages  safsen  beide  vertrau- 
lich vor  dem  schlofse  unter  einer  hohen  linde  beisammen  und 
Lassmann  sagte  Helenen  dafs  er  von  ihr  zu  seinen  altern 
reisen  müfse,  um  ihre  einwilligung  zu  seiner  heirat  sich  zu 
holen,  und  bat  sie  unter  der  linde  seiner  zu  warten :  sobald 
als  möglich  schwor  er  ihr  zurückzukehren.  Helene  küsste 
ihn  beim  abschiede  auf  den  linken  backen  und  bat  ihn  so 
lange   er  von  ihr  entfernt  sein  werde  sich  von  niemand  auf 

31* 


484  EIN  MÄRCHEN. 

diesen   backen  küssen  zu  lafsen.    anter  der  linde  wolle  sie 
ihn  erwarten. 

Helene  baute  felsenfest  auf  Lassmanns  Irene  nnd  safs 
ganzer  drei  tage  lang  vom  morgen  bis  zum  abende  anter  der 
Linde,  als  aber  ihr  bräutigam  immer  noch  nicht  kam,  gerieth 
sie  in  schwere  sorge  und  beschlofs  sich  auf  den  weg  zu  ma- 
chen und  ihn  zu  suchen,  sie  nahm  von  ihrem  schmucke  so 
viel  sie  konnte,  auch  von  ihren  kleidern  nahm  sie  drei  der 
schönsten,  eins  mit  Sternen,  das  andere  mit  monden,  das 
dritte  mit  lauter  sonnen  von  reinem  golde  gestickt,  weit 
und  breit  wanderte  sie  durch  die  weit,  aber  nirgend  gerieth 
sie  auf  eine  spur  ihres  bräutigams.  am  ende  verzweifelte 
sie  ihn  zu  finden  und  gab  ihr  Sachen  auf,  aber  nach  ihren 
schlofse  wollte  sie  doch  nicht  heimkehren,  weil  ihr  dort  ohne 
ihren  bräutigam  alles  öde  und  verlafsen  vorkommen  moste: 
lieber  wollte  sie  in  der  fremde  bleiben,  sie  vermietete  sich 
bei  einem  bauer  als  hirtin  and  vergrab  ihren  schmuck  and 
ihre  schönen  kleider  an  einem  verborgenen  orte. 

So  lebte  sie  nun  als  hirtin  und  hütete  ihre  herde  indem 
sie  an  ihren  bräutigam  dachte,  sie  gewöhnte  ein  kälbchei 
von  der  herde  an  sich  und  hatte  an  ihm  ihre  freude,  futterte 
es  aus  ihrer  hand  und  richtete  es  ab  vor  ihr  nieder  zu  koken 
wenn  sie  zu  ihm  sprach 

r kälbchen,  knie  nieder 
und  vergifs  deiner  ehre  nicht,  wie  der 
prinz  Lassmann  die  arme  Helene  vergafs, 
als  sie  unter  der  grünen  linde  safs/ 
Nach  einigen  jähren,  die  sie  so  verlebte,  hörte  sie,  die 
tochter  des  königs  in  dem  lande  wo  sie  jetzt  wohnte  werde 
ein  königssohn  mit  namen  Lassmann  heiraten,  darüber  freu- 
ten sich  alle  lente,  aber  Helenen  überfiel  ein  noch  viel  grö- 
sserer schmerz  als  sie  bisher  erlitten  hatte,  denn  sie  hatte 
immer  noch  auf  Lassmanns  treue  vertraut,  non  traf  es  sich 
dafs  der  weg  zur  königsstadt  nicht  weit  von  dem  dorfe  vor- 
bei gieng  wo  Helene   sich  als   hirtin  verdangen  hatte,  nad 
so  geschah  es  oftmals,  wenn  sie  traurig  ihre  herde  hütete, 
dafs  fassmann  an  ihr  vorüber  ritt  ohne  sie  zn  beachten,  ia- 
dem  er  ganz  in  gedanken  an  seine  brant  versenkt  war.    da 
fiel  es  Helenen  ein  sein  herz  anf  die  probe  zn  stellen  nad 


EIN  MARCHEJ3.  485, 

u  versuchen  ob  es  nicht  möglich  sei  ihn  wieder  an  sie  zu 
rinnern.    nicht  lange  darauf  kam  Lassmann  wieder  einmal 
erüber:  da  sprach  Helene  zu  ihrem  kälbchen 
'kälbchen,  knie  nieder 
und  vergifs  deiner  ehre  nicht,  wie  der 
prinz  Lassmann  die  arme  Helene  vergafs,     .  ' 
als  sie  unter  der  grünen  linde  safs/ 
1?  Lassmann  ihre  stimme  hörte,  dawar  es  ihm  als  solle  er 
ioh  auf  etwas  besinnen,   aber   hell  wurde  ihm  nichts.,  und 
entlieh  hatte  er  auch  nicht  die  worte  vernommen,  da  He- 
rne nur  leise  und  mit  zitternder  stimme  geredet  hatte,     so 
Fax  auch  ihr  herz  viel  zu  bewegt  gewesen  als  dafs  sie  hätte 
cht  geben  können  welchen  eindruck  ihre  worte  machten,  und 
\ß  sie  sich  fafste,  war  Lassmann  schon  wieder  weit  von  ihr. 
och  sah  sie  noch  wie  er  langsam  und  nachdenklich  ritt,  und 
eshalb  gab  sie  sich  noch  nicht  ganz  verloren. 

In  diesen  tagen  sollte  in  der  königsstadt  mehrere  nachte 
indurch  ein  grofses  fest  gegeben  werden,  darauf  setzte  sie 
ire  hoffhung  und  beschlofs  dort  ihren  bräutigam  aufzusu- 
hen.  als  es  abend  war  machte  sie  sich  heimlich  auf,  gieng 
n  ihrem  verstecke  und  legte  das  kleid  das  mit  goldenen 
oonen  geziert  war  und  ihr  geschmeide  an,  und  ihre  schö- 
en  haare,  die  sie  bisher  unter  einem  tuche  verborgen  hatte, 
ab  sie  nun  frei,  so  geschmückt  gieng  sie  in  die  Stadt  zum 
jste.  als  sie  eintrat,  da  wandten  sich  aller  äugen  auf  sie, 
lies  verwunderte  sich  über  ihre  Schönheit,  aber  niemand 
rüste  wer  sie  war.  auch  Lassmann  war  von  ihrer  schön- 
eil  wie  bezaubert,  ohne  zu  ahnen  dafs  er  einst  mit  diesem  mäd- 
hen  ein  herz  und  eine  seele  gewesen  war.  bis  zum  morgen  wich 
r  nicht  von  ihrer  seite  und  nur  mit  mühe  konnte  sie  in  dem 
edränge  ihm  entkommen  als  es  zeit  war  heim  zu  kehren, 
•assraann  suchte  sie  überall  und  erwartete  sehnlich  die  nach- 
te nacht,  wo  sie  versprochen  hatte  sich  wieder  einzufinden; 
m  andern  abende  begab  sich  die  schöne  Helene  wiederum 
o  zeitig  als  sie  konnte  auf  den  weg.  diesmal  hatte  sie  das 
ewand  an  das  mit  lauter  silbernen  monden  geziert  war  und 
inen  silbernen  halbmond  trug  sie  über  ihrer  stirne.  Lass- 
lann  war  froh  sie  wieder  zu  sehen,  sie  schien  ihm  noch 
tet  achimer  zu  sein  als  gestern  und  die  ganze  nacht  tanzte 


486  EIN  MÄRCHEN. 

er  allein  mit  ihr.  als  er  sie  aber  nach  ihrem  namen  fragte, 
antwortete  sie,  sie  dürfe  ihn  nicht  nennen  wenn  er  nicht  er- 
schrecken solle,  darauf  bat  er  sie  inständig  den  nächsten 
abend  wieder  zu  kommen,  und  dies  versprach  sie  ihm.  am 
dritten  abend  war  Lassmann  vor  Ungeduld  frühzeitig  in  dem 
saale  und  verwandte  kein  äuge  von  der  thür.  endlich  kam 
Helene  in  einem  gewande  das  mit  lauter  goldenen  und  sil- 
bernen Sternen  gestickt  war  und  von  einem  Sternengürtel 
festgehalten  wurde;  ein  Sternenband  hatte  sie  um  ihre  haare 
geschlungen.  Lassmann  war  noch  mehr  als  zuvor  von  ihr 
entzückt  und  drang  in  sie  mit  bitten  sich  ihm  endlich  zu  er- 
kennen zu  geben,  da  küsste  Helene  ihn  schweigend  auf  den 
linken  backen,  und  nun  erkannte  Lassmann  sie  auf  einmal 
wieder  und  bat  voll  reue  um  ihre  Verzeihung,  und  Helene, 
froh  ihn  wiedergewonnen  zu  haben,  liefs  ihn  nicht  lange 
darauf  warten. 


GREGORIUS. 

Unter  mehreren  meist  auch  sonst  bekannten  lateinischen 
gedickten  die  in  eine  Handschrift  der  honiglichen  bibliothek 
zu  München  (cod.  Aug.  s.  Vir.  113.  4°.  parier)  von  einer 
hand  des  lAn  jh.  zusammengetragen  sind  ist  eines  (bl.  43* 
—  52b)  das  in  453  hexametern  die  sage  von  Gregorius  auf 
dem  steine  erzählt,  wer  die  gemütliche  deutsche  behand- 
hing  desselben  Stoffes  durch  Hartmann  von  Aue  kennt  wird 
sie  gern  mit  dieser  lateinischen  vergleichen,  die  weniger  als 
eine  andere,  von  welcher  H.  Leo  in  den  blättern  ßtr  lite- 
rarische Unterhaltung  ßir  1837  s.  1431  und  danach  Jac. 
Grimm  in  der  vorrede  zu  den  lat.  ged.  des  10»  und  11» 
jahrh.  s.  xlv/I  ein  bruchstück  mitgetheilt  hat9  ßir  eine  nach- 
bildung  derselben  zu  halten  sein  dürfte,  da  sich  die  haupt- 
momente  dieser  christlichfrommen  sage  auch  in  älteren  des 
germanischen  nordens  finden  und  vielleicht  ebendaher  ent- 
lehnt sind,  so  wird  dieselbe,  ob  auch  in  lateinischem  ge- 
wande, eine  stelle  unter  deutschen  alterthümern  in  ansprach 
nehmen  dürfen,  gesteht  man  ihr,  auch  als  lateinischer  dick- 
tung,   ein  gewisses  verdienst  zu,  so  wird  ihre   bekanntma- 


GREGORIUS.  487 

hung  aus  einer  ziemlieh  fehlerhaften  abschrift%  an  der  hier 
ur  das  verbefserlichste  verbefsert  ist/  vielleicht  Veranla- 
gung sein  dafs  auch  noch  lesbarere  und  richtigere  texte 
ns  tageslichl  gesogen  werden.  J.  A.  SCHMELLER. 

*  ich  habe  mir  erlaubt  Vermutungen,  so  viele  mir  einfielen,   hin- 
u  zufügen,    sie  sind  mit  H  bezeichnet.    Haupt. 

Gratia  potentis,  quae  cunctarum  moderatur 

/forum  processus,  quae  regem  misit  ab  arce 

JExcelsi  solii  miseris  succurrere,  sanctos 

Gratuitis  ditare  donis,  relevare  iacentes, 

Oppressos  homines  extollere,  vincula  vinctis  5 

Äumpere,  peccata  dimittere,  crimina  mundi 

/ustitia  delere  sua,  dignetur  adesse, 

Ut  valeam  vitam  cuiusdam  scribere  metro 

5ancti,  qui  possit  speculum  peccantibus  esse. 

Postquam  praecipiti  ceciderunt  omnia  casu,  10 

Uxpulsis  primis  de  sede  parentibus  alma, 

Coeperunt  homines  in  terra  multiplicaii, 

Crimina  creverunt  populo  crescente,  nee  ullus 

Altenas  portabat  onus,  sed  lege  relicta 

Totus  erat  mundus  confusus,  venit  Olyrnpo  15 

Omnipotens,  ut  ferret  opem,  solusque  valebat 

Äeddere  quod  periit  et  solus  cuncla  redemit. 

Rex  recto  ritu  regendo  regna  tönebat. 
Nobilis  huic  dederat  prolem  natura  gemellam, 
Natum  cum  nata.  probus  hie  fuit,  iila  decora.  20 

Tempus  edax  longusque  dies  seniumque  molestans 
Regem  eogebat  morli  sua  solvere  iura. 
Convocat  hie  proceres.  veniunt.   praesentibus  Ulis 
Nato  committitur  regnum,  natam  quoque  nato 
Committit,  sed  committit  nimium,  meliusque  25 

Non  commisisset.  manet  inviolabile  fatum. 
Sed  quoniam,  sicut  testatur  Naso  poeta, 

— 17.  ob  das  acrostichische  Gregorius  peccator  auf  jenen,  den  doch 
as  getttht  als  einen  heiligen  verherrlichen  will,  oder  etwa  auf  den 
ichter  geht  9  1.  pollentis?  H.         4.  /.  bonis  ff.  24.  I.  com- 

littit  E.        27.  Naso]  her.  2,  85. 


m  GREGORIÜS. 

Exitus  acta  probat  et  finis  cuncta  coronat, 
Qoi  mala  commisit,  conclusit  fine  beata. 
Rex  moritur,  sed  non  penitus,  qaia  filius  eius         SO 
In  regno  regnat  et  recte  regna  gubernat. 
Cuncta  regendo  bene,  se  non  regit,  immo  ruioam 
In  se  convertit,  dum  non  ut  frater  amavit 
Germanam.  dilexit  eam,  dilectio  crevit, 
Ut  Byblis  fratrem  dilexit,  Myrrha  parentem.         .    35 
Hanc  mulü  petiere  proci:   procul  ipse  procorum 
Esse  iubet  turbam,  quoniam  procus  improbus  ipse 
Vult  optatque  sibi  soli  quam  non  cupit  ulli. 
Ergo  iocos  fingit,  dat  basja,  brachia  stringit, 
Aggreditur,  sie  transgreditur  commissa,  querelas       40 
Exequitur,  solatur  eam  quocumque  vovendo. 
Et  licet  ambo  scelus  boc  velint  dissimilare, 
Non  tarnen  id  celat  Uterus,  loquitnrque  pudorem, 
Voce  carens,  partu  turgens.  iamiam  manifesta 
Crimina  sunt  utero,  ne  factum  &ma  loquatnr,  45 

Rex  quodam  conclusit  eam.  fuit  unus  in  eins 
Regno  vir  prudens,  qui  regi  iam  tumulato 
Consulerat,  cuius  sapientia  vicerat  omnes 
Illius  regni  sapientes.  hunc  vocat,  ilü 
Factum  denudat  humilis.  consultor  ad  ista*  50 

Vir  prudens  stupuit,  relevat,  solatur,  et  Uli 
Consilium  spondet  dicens  celare  pudorem. 
Hunc  ego  celabo,  quoniam  mihi  provida  eoniunx, 
Auxilio  cuius  sie  facta  premam,  quod  in  omni 
Nemo  sciat  regno  praeter  nos.  esse  paratus  55 

Ad  mea  verba  velis.'  se  totum  subiieit  Uli 
Rex  humilis,  proceres  vocat,  coram  quibus  Uli 
Regnum  committit  prudenti:  nam  cruce  mentem 
Et  vestem  signat,  dicens  se  velle  sepulchrum 
Visere  pro  voto  domini.  benedixit  et  ivit.  60 

Istud  consilium  sapiens  suggesserat  Uli. 
Quid  moror?  hie  moritur,  seu  conscia  praeeipitavit 
Mens  vi  tarn  summa  dies,  angustia  mentis 
.    Saepe  dies  hominis  prorupto  tempore  rupit. 

33.  ut  fehlt.         42.  /.  vtUent  //.      .    4$.  <w  steht  vincertt      .57.  / 
proceresque  H.         63.  seu  summa  d.tff.  . 


GRBGORIUS.  4S9 

Vir  prudens  regnum  moderatur,  femina  cuius  65 

Factum  sie  celat  quod  nulli  fama  revelat, 

Dicens  qaod  nullus  reginam  cernere  possit 

Donec  rex  reditam  faciet,  vel  forte  per  annum 

Hanc  servare  velit,  ne  fiat  causa  doloris, 

Si  procus  hanc  vel  si  velit  ipsa  procari.  70 

Tempus  adest  partus,  puerum  parit  et  pariendo 

Efficitur  mater:  amitam  tarnen  esse  fatetur 

Se:  si  vixisset  pater  eius,  avunculus  esset. 

Vir  prudens  puerum  tollit  capsaque  recondit, 

Purpureo  panno  circumvolvit,  mediamque  75 

Particulam  panni  mater  linquit,  et  superaddit 

Viginti  marcas  auri,  tabulisque  notavit 

Quod  puer  gentilis  adhuc  quoque  rex  pater  eius 

Reginaque  mater,  celatum  non  negat  ortum, 

Et  rogat  in  tabulis,  si  forte  pepercerit  illi  80 

Sors,  si  quis  fuerit  pueri  tabulaeque  repertor, 

Aurum  tollat,  alat  puerum,  baptizel  eundem. 

His  actis  tabulam  claudit,  Unit  intus  et  extra 

Glutine,  ne  possit  humor  fluetinus  obesse, 

In  mare  mittit  eam,  proeul  hanc  rapuere  procellae.     85 

0  puer  infelix,  miser  et  miserabilis,  heu! 

En  alter  Moyses  repetit  cum  piseibus  undas. 

0  fatum  dirum,  cur  non  dampnare  vereris 

Tarn  parvum  puerum,  sie  innoeuum  sine  noxa, 

Qui  nil  deliquit,  nisi  quod  genuere  parentes  90 

Incesti?  sed  nos  numquid  peccata  parentum 

Sic  omnes  fuimus?  sed  et  excusabile  fatum 

Se  faceret,  si  fata  forent.  sed  fata  relinquo, 

Ad  creatorem  revertor.  qui  mare  fecit, 

Qui  mare  calcavit,  puerum  servavit  in  unda.  95 

Est  locus  ad  littus  maris :  illic  regula  quondam 

Collegit  domino  famulantes.  hie  veniam  det 

Lector  produci  Gregorium  aut  breviari. 

D.  hanc  aliquis?  Si  poscat  procus  hanc?  Si  procus  haue  poscat?  H. 
6.  /.  matri  linquit,  superaddit  H.  78/.  Quod  gentilis  adhuc  quodque 
sset  rex  pater  eius,  Regina  mater,  celatum  ?  die  prosodie  regina  wie 
.  b.  207.  H.  83.  tabulam]  capsam?  H.  86.  /.  eheu  H, 

1.  sed]  seu?  H.        92.  /.  luimus  ff.         94.  /•  Adque  H. 


490  GRBGORIUS. 

Hoc  nomen  fuit  abbatis.  isti  pueroque 

Nomen  erit  idem  cum  baptizabitur  ergo.  100 

Sed  quocumque  veliiit  metro  ponatur  ubique. 

Suppleat  interdum  totum  monosyiiaba  nomen, 

Ut  si  dicam  Gre,  vel  sie  dissyllaba,  Grego, 

Vel  trisyllaba  sie,  Gregori  Gregoriusque, 

Vel  Gregori us.  oecurrit  saepius  iliud  105 

Nomen:  propterea  reniam  de  nomine  quaero. 

Ad  seriem  redeo.  fratres  Gregorius  abbas 

Rexit,  direxit,  correxit,  corpore,  mente. 

Festa  dies  aderat  et  pisces  mensa  petebat. 

Oefuerant.  claustrum  abbas  pro  piseibns  exit  HO 

Et  piscatores  iubet  ut  sua  retia  laxent. 

Res  nova:  qui  pisces  cupiunt,  puerum  capaerunt. 

Ignorant  quid  sit.  cogentibus  ergo  procellis 

Adpellunt,  sed  vix  in  navem  retia  dueunt. 

Spes  trahit  abbatem.  propinquat  et  speculatur,  115 

Sed  quod  rete  ferat,  nihil  invenit.  ergo  bacillo 

Retia  dimovit.  piscatores  mala  verba 

Oant  illi,  cnumquid  fures  sumus,  ut  tibi  pisces 

Furemur?  te  propterea  sie  retia  nostra 

Volvere  non  deeuit.'  abbas  recedit.  iecti  120 

Vagitus  pueri  resonat  sub  retibus.  abbas 

Audil,  miratur,  latitat,  reperit,  reseratur, 

Et  puer  et  tabulae  pariter  cernuntur  et  aurum. 

Abbas  scripta  videt,  resciscit  singula  signa. 

Tunc,  quia  discretus,  piscatori  dedit  auri  125 

Tres  marcas,  puerum  committens,  tollat  ut  ipsum, 

Praecipiens  ut  eum  baptizari  roget,  ut  se, 

Compater  ut  fiat,   rogat.  ista  facit  sapienter. 

Piscator  puerum  reeipit,  ut  filius  eins 

Si  fuerit,  eum  baptizari  facit,  abbas  130 

Compater  efficitur  pueri  Gregorius,  illum 

Aequivocum  facit  esse  suum.  fratres  tarnen  illud 

Aegra  mente  ferunt.  abbas  obpeseuit  omnes. 

Ecce  puer  crescit  tarn  corpore  quam  probitate. 

101.  velim?  H.  105.  oecurrit  nam  (oder  quod)  s.  i.  ?  H. 

112.  rapnerant?  H.  120.  iecti]?  124.  es  steht  redUcit 

128.  /.  roget  H.        130.  illum?  et  eum?  H. 


GREGORIUS.  491 

Cum  pueris  ladit  quasi  germanus  eorum.  135 

Quod  sit  adoptivus  nescit  puer,  at  tarnen  intus 

Hunc  natura  docet  quod  voluit  degener  esse« 

Cum  pueris  ludens  (seu  cäsu  laeserit  illum, 

Ludentem  laesit)  dum  quodam  tempore  ludit, 

Offendit  forte  puerum,  quem  nomine  fratris  140 

Esse  fratrem  putat.  laesus  puer  ad  genitricem 

Accusat  Grego.  mulier  commota  novercam 

Induit  et  nescit  se  simulare  novercam, 

Quam  vis  non  voluit,  verbis  exprimit  iram. 

cSpurius  ille  puer  nuper  defluxus  in  undis,  145 

Quem  mare  reiecit,  quem  vix  baec  terra  recepit, 

Insultat  nostris  pueris  et  verbere  saevit. 

Proh  puer  bic  etiam  nostram  pervenit  ad  aedem : 

Sit  procul  a  nobis  et  sit  maledictus  et  expers, 

Exul,  inops  vivat,  aliena  limina  lustret/  150 

His  aderat  verbis  Gregorius,  at  tarnen  illum 

Nescivit  mulier.  puer  hie  tristatur  et  omnem 

Infra  se  celat  gemitum  nullique  revelat 

Probra,  sed  extremae  mandat  muliebria  cellae. 

Tempus  adest  quo  adesse  debet  scolae  puer.  illum   155 

Compater  apponit  studio:  discit  puer  et  sie 

Imbutus  Musis,  et  quem  neglexerat  ortus, 

Ingenio  fortuna  beat.  procedit  ad  annos 

Sic  iuvenis  nimis  hunc  nimio  stimulante  dolore. 

Laetitiam  simulare  negat,  sed  tristis  in  omni  160 

Facto  fit.  quid  agat,  dubitat.  considerat  illud 

Abbas  discretus,  quaerens  quae  causa  sit  Uli 

Tristitiae,  vix  extorquens.  illi  probra  Grego 

Narrat  feminea.  pater  inquit  cquid  placet  inde, 

Hoc  totum  faciam/  Grego  dixit  cvolo  miles  165 

Esse,  pater,  mihi  cum  dominus  dabit  unde.  sed  boc  scis 

In  domino  confido  Iesu:  sperantibus  in  se 

Semper  adest/  dominus  abbas  dixit  cbene  dicis. 

Da  domino  laudes,  quia  dives  es:'  dederatque 

Inventum  äurum,  superaddens  foenora  multa.  170 

135.  /.  quasi  sit  H.  137.  quod  nolit?  H.  143.  /.  se  dissimil- 

are H.         144.  et  verbis  ?  H.         150.  /.  alienaqoe  ff.         153.  /.  Iu- 
ra ff.  157.  /.  Imbuitur  H.  166.  mihi  fehlt.         167.  fido?  ff. 


488  GREGORIUS. 

Militat  ergo  Grego,  crescens  multa  probitate, 
Adiungitque  sibi  socios.  abbas  pater  inquit 
Et  modo  quid  Facies?1  Gre  dixit  cnon  requiescam 
Donec  percipiam  quae  mihi  sit  terra,  quis  ortus, 
Quis  pater  et  mater,  vel  quae  cognatio*  vel  quae    175 
.    Me  fortuna  regat/  tabulas  huic  protulit  abbas, 
Quae  geuus  illius  memori  scripto  retinebant, 
Quas  prius  ille  senex  parvae  coniunxerat  archae. 
Quando  conclusit,  grates  Gre  multiplicavit. 
Ex  hinc  eximius  proficiscitur  et  loca  quaerit,  180 

Quae  sibi  sit  patria  se  noscere  quaerit,  et  ubi 
Iam  reperit  loca  multa  matrem  mirabilis  ecce 
Occurrit  casus,  casu  pervenit  ad  illam 
Urbem  quam  mater  sua  rexit  solaque  mansit 
Sub  ditione  sua:  dux  quidam  cetera  bello  185 

Castra  tulit,  vix  baec  in  castroque  mansit. 
Ingreditur  castrum,  movet  hunc  iniuria  matris, 
Quam  matrem  nescit,  reginae  condolet,  armis 
Succinctus  pro  iustitia  iubet  citius  "omnes 
Armari  senes,  ut  se  comitentur  in  armis.  190 

Ista  iubet  cives,  ut  ei  succurrere  totis 
Viribus  insistant.  et  eo  iam  produce  fiunt 
Audaces,  acies  acuuntur  et  arma  parantur. 
Ecce  repentina  festinat  fama  venire 
Dux  castrum  ducis  hostes.   iam  vulgus  adesse  195 

Indicat.  occurrit  Ulis  Gregorius,  hostes 
Impugnat,  vastat,  confundit,  cetera  turba 
Plus  audet  quia  sie  audere  intet,  probitasque 
Civibus  exerevit  audentis  de  probitate. 
Hostes  consteruunt,  quia  .consternuntur  et  ipse        200 
Dux  fugit.  hinc  cives  citantur  proque  triumpho 
Victima  digna  dalur.  quaerit  regina  quis  iste 
Sit  miles  per  quem  virtus  sie  crevit,  et  omnes 
Ignorant  laudantque  virum  et  ipsum 

174.  /.  mi  sit  oder  sit  mihi  H.  180.  es  steht  eximias  proficitur 

181.  sit  fehlt.  L  ubique  H.  18^.  matrem]?  186.  vix  haec 

in  hoc  castroque  remansit?  H.  187.  es  steht  jnovent  hoc 

189../.  ocius  H.      190.  senes]  cives?  H.        195.  Ex  Castro  dneis?  ti. 
20U/.  laetantur  H.        »04.  es  fehlt  etwas.    . 


GREGORIUS.  493 

Ipsa  videre  cupit,  quoniam  Gregorius  Uli  205 

Multa  transmiserat  et  misit  vice  versa 

Uli  regina  sua  munera.  dicitur  illi 

'Ante  fores  templi,   cum  forsan  templa  subibit, 

Ipsa  virum  spectare  potes,  iam  templa  patebunt/ 

Stat  Grego  ante  fores,  quem  regia  purpura  vestit    210 

Qua  puerum  mater  involverat  et  pater  abbas 

Hinc  vestes  illi  formavit.  suspicionem 

Maler  habet,  sed  diffidit  quod  filius  eius 

Vivat  adhuc,  fato  ponto  piscique  relictus. 

Grates  illa  refert  de  factis,  munera  praebet.  215 

Argentum,  vestes,  aurum  quoque  respuit  ille, 

Ut  dives,  quoniam  rerum  sibi  copia  fluxit. 

Dux  bellum  renovat,  rursus  fit  maior  in  armis, 

Urbem  circumdat.  Gregorius  associatus 

Civibus  hostiies  insultat,  macte  retundit,  220 

Hostes  confundit,  necat  hos,  fugat  hos,  capit  iilos. 

Ut  lupus  ovibus,  ursus  capris,  ut  leo  dammis, 

Buteus  asper  aquis  velut  accipiterque  columbis, 

Est  ense  manu  vel  sie  Gregorius  et  inmitis. 

Qui  possunt  fugere  fugiunt,  reliqui  capiuntur  225 

Aut  oeeiduntur,  dux  sie  confunditur  ut  iam 

Vires  non  ausit  rursus  hello  renovare. 

Omnes  conveniunt,  gratulantur,  Gregoriusque 

In  Caput  eligitur  pro  bello.  profugi  ducis 

Cives  invadunt  reginae  castra,  requirunt  230 

Omnia  vixque  duci  domus  vita  relinquilur,  in  qua 

Delateat.  pacem  rogat,  vix  obtinet  illam. 

Turba  coit  procerum,  reginae  suggerit  ut  se 

Coniungat  viro  quia  regnum  rege  carere 

Noh  decet.  illa  refert  cvellem  sine  coniuge  vitam     235 

Ducere,  sed  quia  suadetis  me  nubere  viro, 

Parebo  verbo,  vos  tarnen  quaerite  regem 

Qui  vobis  placeat  et  me  tegat/  petit  illam 

.  Malta  transmisit  et  transmisit?  H.  es  steht  venu  vice  223.  aquis, 
fischen  im  wafter?  H.  224.  Ense  manaque  velox  Gregorius  est  ini- 
is.  ff.  229.  profugi  ducis]  profagientis,  mit  einer  im  mit  tetalter  nicht 
enen  mefsung?  H.  231.  /.  domus  una  r.  ff.  232.  /.  at  vix  //. 
.  es  steht  sugerunt         237.  vos  tantum  ?  H.  238.  /.  adpelil  H. 


494  GREG0R1US. 

Nunc  hie  nunc  ille  et  rex  sperat  quilibet  esse. 

Protrahit  illa  moram,  quia  vellet  vivere  casta.  240 

Fata  negant.  proceres  reginae  consilium  dant, 

Ut  se  coniungat  equiti  per  quem  sua  castra 

Perdita  restitui  sibi  viderat.  annuit  illa, 

Consilium  sequi  tur,  na  tum  nubit,  quia  nescit 

Esse  suum  natum.  melius  non  nata  fuisset,  245 

Si  deus  omnipotens  fieri  non  consuluisset. 

Gregorius  regnat,  scelus  ignorat  tarnen  illud. 

Conscia  mens  mordet,  tabularum  scripta  relegit. 

Nam  solus  saepe  cubile  clausit  ubique 

Questus  singultus  gemitus  et  verbera  plangit  250 

Et  lacrimas  multas  effudit.  noverat  illud 

Unica  reginae  famulans  ancilla  fidelis 

Reginaeque  refert.  rogat  hanc  regina,  ut  ipsa 

Insidias  ponat,  vasculo  labulasque  repostas 

Clam  rapiat.  cameram  claudit  clavemque  reponit.      255 

lila  videns  tabulam  rem  seit  tabulasque  relegit, 

Cum  gemitu  lecto  se  ponit,  mox  revocare 

Venatu  regem  facit.  hie  redit.    et  mihi  quid  nunc 

Tarn  subito  mandas,  venaüo  nostra  valebat 

Si  me  forte  duas  absentareve  dies  tres?3  260 

Illa  gemens  longa  trahit  suspiria,  dixit 

cHeu  misera,  quid  agam,  cum  me  dominus  genitricem 

Esse  tuam  voluit  ?  utinam  genitrix  tua  tantum 

Et  iam  non  coniux !  proh,  sum  tua  mater  et  uxor. 

Vellem  non  esse,  vellem  non  nata  fuiss'e,  265 

Ne  fierem  mater.  vehemens  dilectio  qua  me 

Fraler  dilexit  male  dilexit.  frater 

Qui  meus,  est  tuus  ille  pater:  tua  sum  modo  mater 

Et  coniux,  amitamque  vocas  cui  nomina  tot  sunt 

Confusi  generis  voluit  natum  tümulare.  270 

Heu  quot  quaeque  mihi  sunt  nomina !  nescio  quo  sim 

Nomine  dicenda:  sum  mater  et  uxor 

Sum  soerus  ac  amita,  sum  neptis,  filia,  pellex: 

244.  /.  nato        946.  es  steht  consilaisset        949.  Nam  solus  se  saepe 
cubili  clausit  ibiqae  H.  950.  planxit?   U.  953.  reginaque,  ut 

ipsi?  H.  954.  /.  vasclo  H.  961.  /.  traxit  H.  967.  Frater 

dilexit,  dilexit  me  male,  frater?  H.        970.  ?      979*  eadem  sum?  B» 


GREGORIUS.  495 

Quo  potius  dicar?  soeer  est  genitor  mihi:  socras 
Sum  patrique  filia  sive  genitorque  nepotem  275 

Timens  appellat:  avus  tuus  ipse  sororem 
Frater  me  dicit:  pellex  sum  facta  duorum:] 
Est  tuus  ipse  pater  tibi  factus  avunculus  et  me 
Sic  amitam  tuam  esse  facit,  sum  tua  mater. 
Altera  describi  possuot  problemata  Sphingis«  280 

.  Sic  de  Lot  legitur  idem  de  quo  scriptum  reperitur 
cEst  avus  ipse  pater  pueri,  sator  quoque  mater, 
Estque  noverca  sibi  matertera,  sie  soror  Uli/ 
Numquid  de  stirpe  sum  Laii?  credo  quod  alter 
Oedipus  tu  sis,  ego  sum  Iocasta  vel  ipsa  285 

Infelix  Myrrha  vel  Byblis  adultera  fratris 
Vel  si  vera  loquor  possum  iunanaque  dici. 
Nominibus  tantis  ex  omni  parte  relictis 
Esse  volo  mater,  tu  tarnen  consule  matri/ 
Sic  queritur  dubia  tristis  regina,  sed  ante  290 

Quaesierat  genus  ipsius  dicens  escire  volo 
Quae  stirps,  an  sis  mihi  compar  nobilitate.' 
Grego  respondit  cscio  quod  sum  nobilis  et  me 
Rex  e  regina  genuerit.   solicitari 
Non  debes  inde.'  mater  tabulas  sibi  dedit  et  inquit  295 
cVera  refers/   visis  tabulis  Gre  vix  valet  inde 
Ad  coelos  oeülos  attollere,  sed  gemebundus 
Ipsum  solatus  et  tristis  talia  fatur, 
cO  deus,  o  domini  Iesu  sanetissima  mater, 
Quid  res  ipsa  notat,  non  est  audacia  ullis  300 

Temporibus  visa  vel  talis  confusio  rerum. 
Post  chaos  explicitum,  post  primula  mundi 
Tale  nefas  quis  pereepit,  quae  pagina  scripta 
Exposuit,  penna  conscripsit,  penna  paravit? 
Sed  pius  ipse  deus,  fons  totius  bonitatis,  305 

Qui  facit  omne  bonum,  mala  permittens,  meliora 

5.  ?        276.  avus  et  tuus?  H.         279.  Sic  amitam  facit  esse  tuam, 
m  sim  tua  mater?  H.  281.  idem  zu  tilgen.  H.  282.   sator] 

•or  est?  H.  285.  es  steht  locusta  286.  es  steht  belis 

8.  iunanaque]?        289.  tu  tantum?  H.         291.  /.  volo  scire  H. 
2.  /.  Quae  sit  stirps  H.    294.  /.  Rex  et  regina  genueruntH.    295.  inde] 
ic  ?  H.     300.  /.  Quod,  und  vielleicht,  nach  deutscher  weise,  nullis  it. 
1.  vel]  /.  aut  H.        302.  post  primaque  initia?  H. 


496  GREGORIÜS. 

Pravis  eliciens,  de  petra  mella  propinans, 

De  nigris  corvis  faciens  pro  velle  columbas, 

Qui  dixit  Veni  non  iustos  ut  renovarem, 

Sed  peccatores  se  corpore  posse  fatentes  310 

Promptus  suscipere,  nobis  dignetur  adesse, 

Qui  Petrum  flentem,  Matthaeum  lucra  potentem, 

Dismam  pendentem,  Mariam  sanctamqae  gementem 

Vidit,  suscepit,  audivit,  sanctificavit, 

Vitam  det  nobis  per  tot  tempora  coatinuare  315 

Ut  digne  nostrum  possimus  flere  reatum. 

In  regno  maneas  et  clam  tua  crimina  plangas: 

Exul  ero,  quaeram  locum  plorantibus  aptum.' 

Regnum  dimittit  baculumque  rapit,  procul  hine  iL, 

Commoda  postponit,   veniam  petit  et  loca  quaerit     320 

In  quibus  ipse  suas  possit  deplangere  noxas. 

Dum  loca  sie  multa  pertransit,  venit  ad  aedem 

Cuiusdam  duri  piscatoris.  rogat  iilum 

Hospitium  nocte.  piscator  durus  et  asper 

Corripit  miserum  verbis,  cobstuua  quid  optas?         325 

Unde  venis?  quid  vis?  quo  tendis?  pondera  fem 

Deberes  potius  quam  sie  discurrere.  Longe 

Sit  tibi  nostra  domus.  latronem  te  puto:  velles 

Nobis  occisis  res  nostras  tollere  nocte/ 

Gregorius  supplex  lacrimis  ita  dixit  obortis,  330 

cEya,  mi  domine,  non  est  ita,  loca  quaeram 

In  quibus  acta  luam  mea  crimina,  namque  miser  sum 

Peccator,  veniam  peto,  mihi  gratia  tarnen 

Hospitii  detur  per  noctem:  cras  eo  mane 

Quo  me  cumque  deus  duxerit  et  loca  quaeram         335 

Quae  de  commisso  me  purgent  crimine.'  sponsa 

Hospitis  hinc  petit  ut  miser  ille  quiescat. 

cSed  peccatorum  si  forsan  mole  gravaris, 

Si  me  cras  sequeris,  si  vis  commissa  delere, 

Ad  loca  te  ducam  quae  te  cito  sanetificabunt.'  340 

310.  ?  315.  per  tempora  oder  tot  tempora  ohne  per  H. 

318.  /.  quaeramque  H.         3^2.  venit  fehlt.        325.  /.  Corripnit  H. 
obstuaa  in  den  mittleren  buchstaben  undeutlich,    o  scurra?  H, 
330.  es  steht  lacrimas  und  abortos.        331.  /.  sed  loca  H.       334.  ve- 
niamqne  —  tantum?  H.         335.  /.  direxerit  ff.         337.  Hospitis  Mw 
noctem  petit?  H. 


GREGORIUS.  497 

Gregorius  laetatur  in  bis,  grates  agit,  intrat       - 

Porcorum  stabula*  suffragia  paueula  setfsit 

A  piscatore.  sol  occidit  et  oritur  sol. 

Piscator  more  mane  consurgit  in  undas, 

Ut  victum  quaerat,  clamans  ccur  non  venit  ille         345 

Peccatorum  sero  volens  sanctissimus  esse?' 

Femina  Gregorium  vocat,  eo  miser,  cito!  navem 

Vir  meus  intravit.'  mox  ille  sopore  relicto 

Evigilat,  tabulis  oblatis  ad  mare  cnrrit. 

Hunc  ratis  accepit,  piscator  transvehit  ipsnm,  350 

In  rapem  ponit,  ubi  pauca  gramina  tantum, 

Et  riueis  fluxit  remis,  nullum  quoque  lignum, 

Nee  pira  nee  poma  creverunt,   sed  neque  mora 

Ulla  foit  causa  cur  rapem  viserit  illam 

Nollus  homo,  quoniam  fuit  locus  sine  fruetu.  355 

Illic  piscator  Gregorium  compede  vinetum 

Emittit,  clavem  quoque  compedis  in  mare  iecit, 

Dicens  cbaec  clavis  fuerit  si  quando  reperta. 

De  sceleris  venia  sit  tibi  fiducia  certa.' 

Hacque  iacens  rupe  planxit  Gregorins  annos  360 

Quatuor  atque  decem.  dominus,  qui  pavit  Heliam, 

Qui  pavit  Moysen,  illum  pavit  sine  pane. 

Hie  piscator  abit.  denis  cum  quatuor  annis 

Non  semel  in  mentem  subiit  Gregorius  Uli. 

Finito  dicto  iam  tempore  Roma  carere  365 

Incepit  propter  papam  nee  possunt  babere. 

Roma  facit  vota  pro  saneto  patre.  revelat 

Uni  devoto  deus,  pro  patre  petatur 

Qui  sedet  in  rupe  Gregorius.  omnibus  ista 

Visio  complacuit.  famuli  mittuntur  ubique  370 

Ut  sanetum  quaerant.  lustrantur  singula  missi 

Ac  illac  istac  quaerunt  de  nomine,  tandem 

Ad  piscatorem  dictum  veniunt  duo,  quaerunt, 

Tempore  iam  longo  si  quemquam  rupe  sedentem 

3.  et]  /.  atque  ff.      347.  o  miser,  o  eito  ?  H.      349.  vieüeieht  oblitis, 
mn  der  dichter  dann  vergeften  hat  das  wunder  von  der  schriftlos  ge- 
trdenen  zurückgelafienen  tafel  zu  erzählen.  H.        351.  paucula?  ff. 
2.  Et  nullus  fl.  riyns  ?  ff.        355.  /.  Ullas  —  foit  ille  locus  s.  fr.  ff. 
9.  /.  tibi  sit  ff.        360.  es  steht  Gregorius  planxit        366.  papam, 
ssunt  nee  habere?  ff.        368.  /.  ut  pro  ff. 
Z.  F.  D.  A.    IL  32 


408  GREGORIUS. 

Noverit.  ignotum  sibi  dicit:  csed  Urnen  olim,  375 

Vix  memini,  quidam  fuit  hie  peocator,  eumque 

In  solo*  posui  deserto.  sed  tarnen  Ulum 

Posl  haec  non  vidi:  non  credo  vivere.9  cdueas' 

Tunc  clamant  Uli   nos  ad  rupem,  videamus 

Ut  sattem  rupem,  licet  hunc  non  inveniamus.'         380 

Annuit  bis  hospes,  missos  traducit,  euntqae 

Ad  rupem.  sedet  ecce  miser  quasi  Spiritus,  illum 

Vix  vivum  credunt,  rapiunt,  gaudendo  redaeunt. 

Aspectus  pallor  eius  erat,  crura  minnta, 

Inplicitus  crinis,  caro  vix  caro,  sobrius  artus.  385 

Ista  probant  illum  signacula  iam  fore  sanetum. 

Vinetum  dedueunt  gaudentes.  unus  eornm 

In  mare  rete  iecit,  missum  qnoque  tempns  edendi 

Iam  fuit,  ut  pisces  aliquos  deprendere  possent. 

Ad  mensam  rete  missum  iure  capiturqne  390 

Lucius  eximius.  gandet,  exenterat  illum 

Unus,. in  hoc  clavem  reperit.  piscator  ut  ipsam 

Aspexit  clavem,  clamat,  sicut  adiuvet  ipsnm 

Iam  deus,  chanc  clavem  manns  haec  proiecit  in  undas. 

Compedis  est  huius  haec  clavis.*  compede  rapta       395 

Absolutum  vinetum  euneti  stupuere  videntes.. 

Hinc  repetunt  Romam.  Romanis  nuntia  fama 

Dicit  adesse  virum.  euneti  carpnnt  her,  illum 

Suscipiunt,  papam  statuunt,  sanetum  venerantnr. 

Pater  papa  patrum  pareit  peccantibns  et  se    %  400 

Exemplum  statuit  poenae  venientibus  ad  se, 

Dat  veuiam  eunetis  miseris  peccantibns,  in  se 

Cognoscit  quae  quisquis  possit,  qnod  misereri 

Nil  credit  esse  maius,  sine  quo  du  possc  mereri 

Vel  sanetum  credit,  a  papa  nemo  recedit    '  405 

Quin  hunc  propitium  per  totum  praedteet  orbem. 

Fama  volat,  plane  quod  tarn  mitis  miserator 

Non  fuit  Romae,  qui  sie  sciret  misereri      - 

Simplicibus  miseris,  veniam  petentibus  aegris. 

384.  /.  A.  pallor  erat  eins  ff.  388.  /.  iacit  ff.  393.  /.  sicut  iu- 
vet  oder  sie  adiuvet  ff.  395/.  vielleicht  compede  rupta  Absolvit  rar 
ctum :  ff.  400.  /.  Papa  pater  patrum  ff.  ,'  404. .  esse  zu  tilgen  H- 
408.  /.  fuerit  ff.        409.  7.  veniamque  ff. 


GREG0R1US.  499 

Papae  fama  volat,  matris  pervenit  ad  aures  410 

Ipsius  papae«  venit  spes.  haec  trahit  ipsam 
Ad  papam,  cum  ignorat  quod  filius  eins 
Sit  Romae  papa.  regnum  disponit  ilerque 
Ipsa  rapit  Romam.  quo  dum  pervenit,  ad  aulam 
Festinat  propere,  pedibus  provolvitur  eius.  415 

.    Papam  non  noscit,  veniam  poscit.  stupet  ille, 
Mirando  malrem  coepit  cognoscere,  papa 
Dissimulat  inatrem,  maier  supplex.  'crimen   inquit 
rSi  quod  habes,  domina,  die,  ut  iustificeris. 
Si  peccata  deles,  si  vis  dimiltere  crimen,  420 

Omnipotens  tibi  dat  coeli  contingere  limen. 
Nunquam  peccator  tantus  fuit,  ut  miserator 
Non  esset  dominus,  crimen  deleret  ut  eius 
Qui  puro  corde  sibi  viveret  et  sine  sorde/ 
Mater  spe  veniae  coneepta  de  pietate  425 

Papae  propitii  suspirat  pectore  toto 
Ac  exponit  ei  totum  cursum  seriei, 
Quem  non  ignorat,  quoniam  seit  sicut  et  ipsa. 
Ad  gemitum  cordis  confessio  iungitur  oris. 
Corde  delens,  palmis  plangens,  oculis  lacrimando      430 
Ostendit  vere  se  velle  commissa  delere. 
Papa  videns  matrem  tantum  commissa  gementem    .    . 
Solatur  verbis  et  ei  delicta  remissa 
A  domino  dicit.  tenet  hanc  quasi  sit  peregrina, 
Vel  plus  poeniteat  non  cognita.  nomine  tandem        435 
Appellat  matrem.    mater  stupet  et  sua  proles 
Quod  sie  non  credit,  tarnen  hunc  accedit  et  inquit 
cSi  meus  es  natus,  si  sum  tua  mater,  idemque 
Miror  et  admiror  quod  te  fortuna  reservet, 
O  fili,  si  filius  es.  mirabilis  ipse  440 

Dicitur  esse  dens  :  quis  posset  scribere  vel  quis 
Posset  narrare  quae  tanta  deus  benedictus 
Nobiscum  fecit  ac  in  nobis  est  operatus?' 
Papa  suum  casum  matri  per  singula  narrat. 
Ambo  deum  laudant,  ambo  domino  benedieunt :         445 

l.  et  steht  hanc  trahit  ipsa    412.  cum]  quoniam?  ff.    418.  ?    419.  mi- 
die ?  ff.      490.  /.  doles  ff.      430.  /.  dolens  ff.      431.  admissa  ?  ff. 
r.  /.  sit  //.        438.  /.  itemque  ff.        443.  /.  facit  ff. 

32Ä 


500  GREGORIUS. 

Haec  satis  est  Ulis,  concordant  vota  duorum 
In  laudem  domini,  grates  persolvere  summas 
Ambo  Student,  verba  vix  inveniunt  quibus  illnm 
Laudent  quem  coeli  laudant,   quem  laudat  abyssus, 
Quem  terra  laudat  et  quem  cuncta  benedicnnt.        450 
lila  vale  dicit  puero,  puer  hanc  benedicit, 
Papa  regit  Romam  patriamque  petit  sua  mater, 
Mater  salvatur,  Gregorius  almificatur. 


446.  /.  Nee  H. 


ZUR  LEX  SALICA. 


1 
DIE  MALBERGISCHE  GLOSSE  DER  LEX  SALICA/ 

1.    allgemeines,    einleitendes. 

Wenn  nicht  in  Wales  bis  auf  den  heutigen  tag  sich  ein 
rest  der  alten  britischen  spräche  gehalten  hätte,  würden  wir 
kaum  eine  ahnung  davon  haben  dafs  sie  auch  noch  in  den 
letzten  Zeiten  der  römerherrschaft  in  Britannien,  und  nicht 
das  lateinische,  die  herrschende  spräche  gewesen.  —  ein 
ganz  ähnliches  Verhältnis  aber  mufs  in  Nord-,  namentlich  in 
Nordostfrankreich  stattgefunden  haben ;  wenn  man  auch  in  den 
Städten  lateinisch  sprach,  das  landvolk  war  gallisch  geblieben 
und  bei  keltischer  rede,  das  sieht  man  deutlich  an  der  ganz 
unterschiedenen  buchstabenbehandlung  lateinischer  worte  im 
nordfranzösischen,  s.  g.  normandischen,  dialecte  im  vergleich 
mit  der  buchstabenbehandlung  lateinischer  worte  in  den  süd- 
französischen dialecten.  in  Nordfrankreich  kommen  nicht  so- 
wohl regelmäßige  lautverschiebungen  innerhalb  derselben  con- 
sonantenreihen,  als  vielmehr  consonantenmortificationen  and 
consonanteneclipsen  vor,  wie  sie  die  gälische  spräche  in  ihren 
beiden  innig  verwandten,  fast  nur  in  eigenheiten  der  aussprä- 
che, aber  in  sehr  wenigen  lexicalischen  und  grammatischen 
eigenheiten  sich  scheidenden  dialecten  kennt. 

*  [statt  handschriftlicher  mittheilung  an  freunde  and  befreundete, 
von  dr  H.  Leo.  nur  in  fünf  and  zwanzig  exemplaren  abgedruckt  Haue 
1842.    mit  erlaubnis  des  verfufters  Mer  wiederholt."] 


ZUR  LEX  SALICA.  501 

Während  die  keltischen  dialecte  des  nordwestlichen  Frank- 
reichs sich  denen  in  Wales  und  Cornwallis  innig  anschliefsen, 
schon  weil  diese  nordwestlichen  gegenden  Galliens  in  den 
letzten  zeiten  des  Römerreiches  durch  Briten  aus  England,  die 
vor  den  Sachsen  wichen,  sehr  bedeutende  Zuwanderung  erfah- 
ren haben,  müfsen  wir  dagegen  die  sprach  verwandten  der 
nordöstlichen  Gallier  in  Irland  suchen,  wo  noch  eine  reihe 
alter  traditionen  von  einwanderungen  und  colonisationen  re- 
den die  durch  Belgier  statt  gehabt  hätten,  wir  wollen  hier 
den  historischen  werth  dieser  traditionen  auf  sich  beruhen  la- 
fsen,  können  aber  nicht  umhin  zu  bemerken  dafs  irländische 
Sprachforscher  schon  längst  darauf  aufmerksam  gemacht  ha- 
ben dafs  eine  reihe  von  rechtsausdrücken  die  sich  im  mit- 
telalter  in  latinisierten  formen  von  Frankreich  und  von  Bel- 
gien her  über  Europa  ausgebreitet  haben  eine  gälische  ety- 
mologie  beweisen,  ich  selbst  habe  mich,  wie  viele  andere, 
früher  abgemüht  diese  ausdrücke  auf  deutsche  wurzeln  zu- 
rückzufuhren, weil  ich,  wie  fast  alle  meine  gelehrten  lakt* 
desgenofsen,  mit  der  gälischen  spräche  völlig  unbekannt  war. 
Diefenbachs  Celtica  haben  mich  zuerst  aufmerksam  gemacht 
auf  das  licht  was  bei  den  Galen  zu  finden  sei,  und  so  mufs 
ich  ihm  jetzt,  nachdem  ich  mir  die  mühe  genommen  das  gä- 
lische etwas  näher  kennen  zu  lernen,  ganz  beistimmen,  wenn 
er  z.  b.  vassus,  vasallus  aus  keltischen  wurzeln  ableitet: 
tds  und  uais  heifst  ursprünglich  ein  rninisterialis,  dann  ab- 
geleitet nobiHs;  uasal  ist  eine  abgeleitete  form  von  uais, 
hat  aber  dieselbe  bedeutung  wie  uais.  —  ich  verfolge  hier 
den  gegenständ  nicht  weiter,  da  es  mir  zunächst  nur  auf 
eine  kurze  notiz  an  freunde  und  befreundete  ankommt,  de- 
nen ich  mittheilen  wollte  dafs  ich  entdeckt,  die  malbergische 
glosse  sei  ganz  und  gar  in  einem  kellischen  dialecte  geschrie- 
ben, der  sich  zum  gälischen  etwa  so  verhält  wie  althoch- 
deutsch zu  mittelhochdeutsch ;  ich  muste  zu  diesem  ende  blofe 
ganz  kurz  die  hauptgründe  berühren  weshalb  eine  solche  er- 
scheinung  nicht  von  vorn  herein  zu  den  unglaublichen  din- 
gen zu  rechnen  sei. 

Das  wort  malberg.  selbst  erklärt  sich  mit  hilfe  des  gä- 
lischen vollkommen,  denn  mol  heifst  eine  Versammluug,  ein 
häufe,  und  ieargnadh  heifst  die  landessprache  jeder  gegend, 


502  ZUR  LEX  SALiCA. 

—  malberg.  ist  also  die  abkürzung  eines  keltischen  Wortes, 
welches  Die  landessprache  des  haufens,  welcher  den  gerichts- 
ums tand  in  gewissen  gegenden  bildete,  war.   im   tit.  xel  de 
incendiis  §  i  des  heroldischen  oder  Fuldaer  codex  heifst  es, 
nachdem  von  einer  angelegten  feuersbrunst  und  den  dem  da- 
mit intendierten  verderben  entronnenen   die  rede  war,  per 
malberg.  seulandevevas.    das  letzte  wort  werden  wir  unten 
im  2n  abschnitt  behandeln  und  erklären,  wir  führen  die  stelle 
hier  nur  wegen  des  per  an,  welches  offenbar  andeutet  dafs 
hier  von  einer  anderen  spräche   die  rede  ist  durch  welche 
die  sache  ausgedrückt  werden  soll,  es  mufs  aber  diese  sprä- 
che neben  der  fränkischen  und  lateinischen  in  derselben  ge- 
gend  gesprochen  worden  sein  wo  das  salische  gesetz,  wenn 
nicht  zuerst  abgefafst,   doch  frühzeitig  mit  Zusätzen  verse- 
hen ward,    denn  eine  reihe  dieser  malb.  spräche  angehörige 
worte  haben  in  latinisierten  formen  eingang  gefunden  in  den 
text  des  gesetzes;  z.  b.  in  dem  tit.  de  corp.  expoliat.    so 
werden  wir  auch  als  hieher  gehörig  unten  im  3n  abschnitte 
das  wort  argutarins  kennen  lernen,     ich  führe  hier  sofort 
noch  ein  paar  an.     in  tit.  n  de  fiirtis  porcorum  §  14  heifst 
es  si  quis  porcellum  tertussum  usque  ad  cmnicolatum  fitra- 
verity  dazu  die  glosse  drace- ehalt,  aber  vorher  §  5  si  quis 
porcellum  Jisraverit  qui  sine  matre  vivere  possit,    und  dazu 
die  glosse  ymnis  ßth  sive  thertesun.     dieses  thertesun  ist 
offenbar  das  malbergische  thema  was  in  tertussus  als  latini- 
sierte Variation  erscheint,  und  wir  haben  drei   synonymen 
für  die  eine  sache,  ymnis -ßth,  thertesun,  drace- ehalt,  be- 
trachten wir  diese  in  ihrem  Verhältnisse  zu  gälisehen  wor* 
ten.  der  letzte  theil  von  ymnis -ßth  entspricht  dem  gäüscheo 
ßthean  das  schwein,    denn  die  endung  -ean  ist  nur  dimina- 
tivform;  der  erste  theil  entspricht  dem  gälisehen  iomain;  als 
verbum  bedeutet  dies  Eine  herde  austreiben,  eine  herde  bä- 
ten; als  substantivum   Die  ausgetriebene,    gehütete    herde 
selbst:  —  ymnis -ßth  ist  ein  schwein- was  ausgetrieben  wird, 
oder  was  zur  ausgetriebenen  herde  gehört,  ein  treiberschwein, 
ein  herdeschwein.     das  wort  thertesun  hängt  zusammen  mit 
dem  verbum  tarrthaim  wachsen ;  porcellus  tertussus  ist  also 
ein  schon  herangewachsenes    schwein,  was  nicht  mehr  mit 
der  sau  geht,  kein  milchschwein  mehr  ist.    für  drmee-ckati 


ZUR  LEX  SAL1GA.  503 

findet  sich  im  Münchner  codex  die  Variante  dränge — ;  die- 
ser erste  theil  des  Wortes  hängt  zusammen  mit  dem  gälische.n 
dragh  trennen,  abnehmen  von  etwas;  der  zweite  theil  ist 
das  jetzige  gäüsche  coilleadh  oder  cailleadh  das  schwein, 
in  specie  die  sau  (diese  speciellere  bedeutung  hat  das  wort 
in  Irland,  woraus  sich  die  falsche  ableitung  Armstrongs  von 
cailie  der  testikel,  cailleadh  ein  geschnittenes  schwein,  er- 
gibt); drace- ehalt  ist  also  ein  von  der  muttersau  getrenn- 
tes schwein.  dafs  ehalt  würklich  in  dieser  Verbindung  (denn 
in  sonischalt  hat  es  anderen  Ursprung  und  andere  bedeutung) 
eine  sau  bezeichne  beweisen  §  6  und  §  7 ;  in  jenem,  wo  von 
einer  getödteten  sau  die  rede  ist ,  steht  die  glosse  vara- 
ehalt,  in  diesem,  wo  von  einer  scrofa  furata  die  rede  ist, 
die  glosse  focichall :  —  vara  ist  gälisch  mharbh  (spr.  warw) 
d.  i.  todt;ybcf  ist  gälisch  fogh  d.  i.  raub.  —  ein  anderes 
1>ei spiel  ist  UL  lx.iv  de  Haroweno,  wo  dasselbe  wort  in  der 
malbergischen  glosse  des  §  2  charoioeno  geschrieben  wird; 
es  ist  abzutheilen  cha  -  roweno  von  gabh  (spr.  gah)  und 
robainn  (spr.  robänj)  der  raub ;  cha  -  roweno  ist  Raub- 
nähme.  - 

Das  bisherige  kreuz  aller  ausleger  der  malbergischen 
glosse,  leodardi  und  leudi,  erläutert  sich  durch  das  gäüsche 
sehr  einfach :  das  verbum  leadram  drückt  jede  widerrechtli- 
che Behandlung,  recbtsverletzung  gegen  einen  anderen  aus, 
Von  der  blofsen  moralischen  mishandlung,., der  Verhöhnung, 
bis  zur  ärgsten  physischen  mishandlung,  bis  zur  massacre; 
jede,  solche  -  rechtsverletzung  heilst  leadairt  oäer  leod;  die 
beiden  Wörter  sind  synonym  und  leodardi  und  leudi  sind  die 
correspondierenden  malbergischen  formen  derselben. 

In  tit.  xxxvu  de  sepibus  §  4  ist  die  rede  davon  dafs  je- 
mand eine  gestohlene  sache  auf  einem  anderen  gehofte  ohne 
wifsen  des  besitzers  des  letzteren  verbirgt,  und  von  der 
strafe  dessen  qui  hoc  miserat;  dazu  die  glosse  fer  thebero 
d.  i.  gälisch  fear  a  tabhairt  von  fear  (spr.  fer)  der  mann, 
und  thabeirini  oder  tabeirim  geben,  bringen,  —  der  bringende 
mann. 

In  tit.  xxxiu  de  convitiis  wird  §  1  cinitm  durch  die 
malbergische  glosse  quintuo  erklärt ;  im  gälischen  heifst  coint 
das  weib.     §  2  ist  zu  dem  Schimpfwort  meretrix  die  glosse 


504  ZUR  LEX  SALICA. 

extrabo;  —  im  gälischen  heifst  strabaid  die  höre  und  ex- 
trabo  ist  wie  tit.  ix  des  Wolfenb.  codex  §  5  excuto  für  scuto 
(d.  i.  gälisch  sgud  heraushauen). 

Doch  wir  brauchen  nur  eine  reihe  glossen  durchzuge- 
hen um  uns  zu  überzeugen  wie  fast  alle  Wörter  der  malber- 
gischen  glosse  sich  im  gälischen  wiederfinden,    z.  b,  tu.  m 
de  Jurtis  animalium  hat  zu  vitulus  lactans  die  glosse  pedero 
oder  im  Pariser   codex  podor;  im   gälischen  ist  das  wort 
baothair,  was   eigentlich  Dumm,  kalbig,  bedeutet  und  ad- 
jectivum  ist,  auch  gäng   und  gäbe  theils  um  einen  kalbigee, 
jungen  menschen,    theils  um  ein  kalb  selbst  zu  bezeichnen, 
der  paragraph  2   hat  zu   anniciäum  animal  die  glosse  och- 
saiora,   und   §  11   zu   bos  die   glosse   ohseno;  im  gälischen 
heifst  agh  (spr.  och  oder  öti)  das  rind;    ochsaiora  ist  agh 
searr  ein  kalbiges  rind,    rindskalb,   denn  searr  heifst  jedes 
junge  tbier  unter  drei  jähren ;    ohseno  ist  agh  seine  ein  äl- 
teres rind,   denn  seine  heifst  Alter,     in  §  5  steht  mala  als 
erklärung  zu  vacca;  das  gälische  maol  heifst  eigentlich  Kahl; 
dann  in  beziehung  auf  rindvieh  Hornlos ;  bo  mhaol  die  horn- 
lose kuh;  —   allein  maol  wird   auch  allein  zu  bezeichnong 
der  kuh  gebraucht,   da  racen  mit  hornlosen  kühen  auf  den 
britischen  inseln  häufig  sind;   sie  waren  aber  auch  im  alten 
Deutschland,  also  wohl  auch  in  den  salfränkischen  gegenden, 
gewöhnlich,  wie  Tacitus  sagt  ne  armentis  quidem  suus  honor 
aut  gloria  frontis.     in  paragraph  4   steht  zu  vacca  cum  vir 
tulo  die  glosse  zymis  pedero  malia ;  das  letzte  wort  ist  of- 
fenbar dasselbe  mit  mala  die  kuh;   pedero,   haben  wir  ge- 
sehen, heifst  das  kalb;  so  mufs  also  zymis  beifsen  Mit  dem 
oder  mit  seinem  —  nämlich  kalbe  die  kuh ;  nun  heifst  soimh 
oder  saimk  gälisch  würküch  Gepaart,  verbunden,  zusammen; 
das.  scheint  dem  zym  zu  entsprechen;    ist  ist  nachdruckge- 
bendere  form  für  si,  d.  i.  ea,  bedeutet  also  eadetn.    da  nun 
alle  personalpronomina  übrigens  im  gälischen  in  nächster  be- 
ziehung zu  den  possessivpronomen  stehen,  ist  es  leicht  mög- 
lich dafs   sonst  statt  des  jetzt   für  beide   geschlechter  uni 
auch  im  plural  gebrauchten  possessivpronomen  a  (sein,  ihr), 
verschiedene  pronomina  vorhanden  waren  nach  den  verschie- 
denen geschlechtern,  und  das  is  das  possessivpronomen  der 
dritten  weiblichen  person  (suus,  sua,  säum  in  beziehung  auf 


ZUR  LEX  SALICA.  505 

»bliche  gegenstände,  deutsches  Ihr),  oder  aber  der  geni- 
r -der  dritten  person  (also  eiusdem)  war,  und  asymispe- 
to  malia  bedeutet  Mit  ihrem  kalbe  die  kuh.  —  dieselbe 
osse  findet  sich  zwar  auch  §  3  zu  ganz  andern  Worten, 
t  aber  hier  offenbar  durch  versehen  des  Schreibers  herein- 
kommen, der  nach  furaverit  in  dem  übrigens  gleichlaü- 
nden  4n  paragraphen  zu  schreiben  fortfuhr  und  also  auch 
&  nach  §  3  gar  nicht  gehörige  glosse  aufnahm,  bimus  tau- 
«  hat  bei  sich  die  glosse  traslo,  d.  i.  gälisch  treas  laogh 
pr.  tras  lök),  starkes  kalb. 

2.     zur    deutschen    thiersage. 

Ich  habe  oben  darzulegen  gesucht  dafs  die  malbergisehe 
osse  der  lex  salica  Wörter  einer  keltischen,  der  gälisch en 
hr  verwandten,  mundart  enthalte,  auf  diese  darlegungen 
stützt  gehe  ich  zu  einem  bestimmten  theile  der  lex  salica 
r  für  unsere  thiersage  Wichtigkeit  hat,  zu  tit.  vn  de  für- 
r  avium  über,  ich  mufs  dabei  vorausschicken  dafs  die  gä- 
che  spräche  zu  bezeichnung  der  thiere  eine  menge  bildli- 
er  ausdrücke  hat;  so  heifst  z.  b.  der  wolf  nicht  blofs 
rilder  hund  (madhradh  alla,  cu  alluidh),  sondern  auch 
>hn  des  landes  (mac-tire)  $  und  fuchs,  bär,  hirschu.  s.  w. 
ben  zehnerlei  namen,-  namen  die  zum  theil  poetische  bil- 
r  enthalten,  wie  z.  b.  der  name  des  fuchses  {rod-muin), 
elcher  einen  wegekundigen  oder  Wegweiser  bedeutet,  ein 
.erbieten,  geschenk,  und  ein  reh  werden  zuweilen  durch 
sselbe  wort  bezeichnet,  .  earb.  der  bär  heifst  tnagh- 
kabhumn,  d.  i.  kalb  der  ebene. 

Solche  poetische  namen  der  thiere  begegnen  uns  nun 
leb  in  dem  bezeichneten  tit.  der  lex  salica.  schon  ort- 
da,  offenbar  dasselbe  mit  dem  gälischen  worte  ord-ßmch 
reitbarer  vogel,  ist  poetisch  genug;  ebenso  das  in  der  lex 
lica  synonym  dazu  gesetzte  weiano  (oder  in  anderer  les- 
t  veganus),  denn  es  ist  zusammengesetzt  aus  Wörtern  die 
m  gälischen  baighe  der  streit,  kämpf  (in  vielen  wortver- 
ndnngen  geschrieben  bhaighe,  spr.  weje)  und  ean  der  vo- 
jl,  entsprechen,  und  bedeutet  also  auch  Kampf- vogel,  streit- 
iger vogel.     noch  poetischer  aber  sind  die  namen  der  haus- 


506  ZUR  LEX  SALIGA. 

vögel:  die  nenne  heifst  solampinam,  offenbar  aas  Wörtern 
welche  den  gälischen  sallan  (der  gesang)  und  binn  (laut, 
schrill,  hell)  entsprechen;  es  bedeutet  einen  lautrufenden 
vogel  und  ist  dasselbe  mit  dem  Chantecler  der  thiersage. 
der  hahn  heifst  ckanaswido,  offenbar  aus  Wörtern  zusammen- 
gesetzt die  den  gälischen  can  und  smeid  entsprechen,  denn 
die  gälischen  mundarten  haben  kein  w,  sondern  dieser  laut 
ist  überall  ein  mortificiertes  b  oder  mortificiertes  m;  die 
mortification  aber  (im  ursprünglichen-  aiphabet  durch  einen 
punct  über  dem  buchstaben,  bei  dem  gebrauch  der  lateini- 
schen buchstaben  durch  zugesetztes  k,  also  durch  bh  oder 
mh  ausgedrückt)  ist  theils  grammatisches  bildungsmittel,  theils 
bei  einzelnen  worten  mundartliche  eigenheit,  wie  hier,  wo 
offenbar  bei  den  belgischen  Kelten  smheid  (spr.  swed  oder 
stvid)  für  gälisches  smeid  galt,  das  wort  can  bedeutet  sin- 
gen, smeid  das  blinzeln,  winken  des  auges;  ckanaswido  be- 
deutet also  ein  thier  welches  die  äugen  zudrückt,  mit  den 
äugen  blinzelt,  wenn  es  singt;  das  ist  wieder  genau  der 
Chanteclin  der  thiersage.  bedenkt  mau  nun  dafs  die  deut- 
sche thiersage  in  der  gestalt  wie  wir  sie  kennen  ihre  älte- 
ste heimat  gerade  auch  in  jenen  gegeuden  hat  die  als  die 
heimat  der  malbergischen  glosse  der  lex  salica  zu  bezeich- 
nen sind,  so  ist  klar  dafs  wir  in  einigen  der  thiernamen  der- 
selben alte  keltische  einflüfse  anzuerkennen  haben. 

Ständen  solampinam  und  ckanaswido  allein,  so  könnte 
man  noch  einen  zweifei  haben  ob  überhaupt  solche  art  aus- 
legung  und  deutung  der  namen  zuläfsig  sei;  allein  sundelino 
welches  unserem  aut  anatam  bezeichnet,  also  einen  Schwimm- 
vogel im  allgemeinen  zu  bezeichnen  scheint,  ist  ganz  ähnli- 
chen Charakters ;  denn  der  erste  theil  des  Wortes  ist  offenbar 
verwandt  den  gälischen  worteu  sunnd  freude,  lust,  suwida 
keck,  lustig,  und  sunndach  fröhlich;  der  zweite  theil  aber 
dem  gälischen  worle  linn9  welches  jedes  Stehende  -wafser, 
eine  pfütze,  einen  teich,  einen  $ee  bezeichnet ;  — -  sundelino 
ist  der  auf  stehendem  wafser  muntere,  lustige,  fröliehe  vo- 
gel. in  dieselbe  klasse  von  bezeichnungen  gehört  der  name 
des  sperbers,  sueelin,  denn  er  ist  verwandt  dem  gälischen 
präfixum  so  oder  soi9  welches  mit  dem  worte  vor  welches 
es  tritt  den  begriff  der  tüehtigkeit,   gescbicklichkeit  verhin- 


ZUR  LEX  SALICA.  507 

det,  und  dem  worte  ciall  oder  ceill  der  sinn,   verstand;  — 
sttcelin  ist  ein  vogel  der  tüchtige  sinne  hat, 'der  klage  vogel. 

Dafs  sich  in  dem  Pariser  codex  zu  dem  worte  weiano, 
oder  wie  es  in  diesem  codex  lautet  veganus  (in  §  3),  and 
im  Fuldaer  codex  zu  den  Worten  ortfocla  (für  ortfocia)  sive 
weiano  in  jenem  erntete,  in  diesem  pandete  findet,  hat  eine 
andere  bewandtnis.  dieser  zusatz  findet  sich  noch  häufiger 
in  der  lex  salica ;  vergleichen  wir  einige  der  stellen,  so  wird 
uns  sofort  die  bedeutung  derselben  entgegentreten,  und  mit 
der  bedeutung  zugleich  haben  wir  auch  die  gälischen  worte 
augenblicklich  gefunden  denen  sie  entsprechen. 

Tit.  ix  de  fartis  apium  §  1 .  si  quis  apem  de  intro  clavem 

Jkraverit  —  malb.  gl.  antidio  elechardis. 
TiL.vu  de  ßirtis  avium   §  3.  si  quis  aeeipitrem  de  intro 

clavem  repositum  ßiraverit  —  malb.  gl.   ortfocla  sive 

weiano  pandete  (aL  cod.  antete). 
Tit.  xn  de  furtis  ingenuorum  vel  effracturis  §  3.  si  vero 

ingenuus  de  intus  casa  furaveril  etc.  —  malb.  gl.  an- 
tidio. 
Tit.xn  de  furtis  ingenuorum  vel  effracturis  §.5.  sivero 

ingenuus  clavem  effregerit et  per  ßirtum  aliquid 

tulerit  etc.  —  malb.  gl.  antidio. 
Ans  diesen  vier  stellen  schon  gebt  hervor  dafs  antete 
oder  andete  oder  antidio  bezeichnen  dafs  etwas  im  inneren 
eines  hauses  oder  bedeckten  räum  es,  innerhalb  eines  ver- 
schlofses,  statt  gefunden  hat.  nun  sind  die  gälischen  mund- 
arten  zu  bezeichnung  oft  ganz  einfacher  dinge  zu  wunder- 
lichen Umschreibungen  genöthigt,  und  Innerhalb  läfst  sieh  gar 
nicht  ausdrücken  als  durch  eine  redensart  welche  wörtlich 
keifst  Auf  der  seite  im  hause,  an  taobh  s  tigh  (spr.  an  tkö 
9  thih) ;  —  das  einzeln  stehende  s  in  dieser  redensart  ist  rest 
von  anns;  wahrscheinlich  sagten  die  belgischen  Kelten  in 
diesem  falle  aber  niebt  Auf  der  seite  im  hause,  sondern  blofs 
Auf  der  seite  des  hauses ;  das  wäre  an  taobh  tighe  oder  aus- 
gesprochen an  tkö  thih;—  das  ist  unser  antete,  andete  oder 
antidio.  eine  parallele  dazu  bildet  die  malb.  gl.  zu  tit.  x 
de  damno  in  messe  u.  8.  w.  §  5.  da  heifst  es  si  aliouius 
porci  out  quodlibet  pecus,  pastore  illud  custodiente9  in  mes- 
sem  alienam  cueurrerit,  et  ipso  negante  si  ei  fuerit  adpro- 


508  ZUR  LEX  SALIGA. 

batum  u.  s.  w.$  hiezu  die  glosse  leodardi  (gäl.  leadairt,  d.  h. 
es  wird  ein  solches  falsches  leugnen  der  thatsache,  wie  in 
allen  ähnlichen  fällen,  unter  die  klasse  der  frevel  gesetzt 
welche  als  leodardi  bezeichnet  werden)  swe  ande  sitto;  — 
hier  ist  ande  wieder  an  taobh;  das  wort  sitto  aber  entspricht 
dem  gälischen  sidhite  (spr.  sijite)  d.  i.  bewiesen ;  ande  sitto 
heifst  An  der  seite  des  bewiesenen,  oder  Im  fall  es  bewie- 
sen ist. 

Anders  dagegen  verhält  es  sich  mit  andebau  oder  an- 
deba  (tit.  xix  de  incendiis  §  1),  denn  dies  compositum  ist 
abzuth eilen  an-debau9  an  -  deba*.  der  erste  theil  des  Wor- 
tes ist  identisch  mit  dem  praef.  intens,  an;  der  zweite  ist 
deobhadh  (spr.  dewo)  die  Zerstörung ;  und  das  ganze  bedeu- 
tet Arge  Zerstörung,  Verwüstung,  dafs  diese  erklärung  rich- 
tig ist  beweisen  eine  reihe  ähnlicher  worte  in  demselben  ti- 
tel,  z.  b.  §8  leos-deba,  verwandt  mit  lias  der  stall,  der 
viehstall,  besonders  für  kälber,  lämmer  u.  s.  w.,  und  mit  dem- 
selben deobhadh;  leos-deba  ist  also  Stall -Zerstörung,  und 
eben  davon  ist  in  dem  betreffenden  paragraphen  die  rede,  in 
demselben  paragraphen,  so  wie  in  dem  vorhergehenden, 
kommt  die  glosse  sal-deba  vor,  deren  erster  theil  mit  sealbh 
besitztbum,  herde,  habe,  zusammenhängt ;  saldeba  ist  Zerstö- 
rung des  bewahrten  vorrathes,  und  eben  davon,  von  der  Zer- 
störung der  körn-  und  getraidescheuern,  der  heuscheuern 
und  getraidefeimen,  ist  in  den  betreffenden  stellen  die  rede, 
endlich  kommt  in  demselben  tit.  §  1  —  aber  ausserdem  an 
vielen  stellen,  z.  b.  tit.  xx  §  1  tit.  xxi  §  1 —  die  glosse  vor 
seul-andcveva,  $eul-andevevas>  seul-andovevas.  in  allen  die- 
sen stellen  ist  von  intendiertem  verderben  die  rede ;  das  eine 
mal  ist  es  eine  feueranlegung,  deren  verderben  aber  leute 
entrinnen :  das  andre  mal  ein  mordlicher  anfall,  wo  aber  der 
todeshieb  nicht  trifft;  das  dritte  mal  die  anklage  eines  un- 
schuldigen abwesenden  vor  dem  könige  (also  in  einer  sache, 
die  an  leben,  freibeit  oder  ehre  geht),  wo  aber  die  falsch- 
heit  der  klage  sich  erweist,  der  Wolfenbütüer  codex  hat 
dasselbe  wort  auch  zu  tit.  xvm  de  maleßciis  §  2,  wo  davon 
die  rede  ist  dafs  einer  einen  anderen  durch  ein  maleßcium 

*  dafs  die  abtbeilnng  so  richtig  ist  beweist  die  glosse  zu  tit.  ti 
§  1  des  Pariser  codex,  wo  Mors  deba  steht. 


ZUR  LEX  SALIGA.  509 

verderben,  will,  der  dadurch  bedrohte  aber  davon  kommt, 
hier  ist  das  wort  geschrieben  sel-andoeffa.  überall  also  in- 
tendierte Vernichtung;  und  diefs  andeveva,  andovevas,  an- 
doeffa  ist  nichts  als  andeba,  was  wir  schon  kennen,  und  hängt 
mit  deobhadh  Vernichtung,  Zerstörung,  zusammen,  der  erste 
theil  des  Wortes  aber,  seul  oder  sei,  ist  verwandt  mit  seoiaim 
anordnen,  veranstalten,  lenken,  intendieren,  dasselbe  wort 
begegnet  in  derselben  bedeutung,  Intendiertes  verderben, 
anch  in  tit.  xxxi  de  elocationibus  §  2  wenn  einer  einen  men- 
schen durch  einen  andern  wegfangen  lafsen  will ;  §  4  wenn 
einer  einen  menschen  durch  einen  anderen  tödten  lafsen  will. 
Ich  denke,  es  wird  dies  einstweilen  hinreichen  zu  be- 
weisen, wie  vollständig  sich  die  malb.  glosse  zu  tit.  vii  de 
fortis  avium  mit  hilfe  des  gälischen  nach  allen  Seiten  erklä- 
ren läfst,  und  der  gewinn  den  diese. glosse  für  die  deutsche 
thiersage  gewährt,  wird,  wenn  auch  klein,  doch  nicht  zu  ver- 
achten sein. 

3.     nachträgliche   einzelnheiten. 

Die  Überzeugung  dafs  meine  entdeckung,  die  malbergi- 
sche  glosse  sei  in  einem  dem  gälischen  verwandten  kelti- 
schen dialecte  geschrieben,  richtig  sei,  anderen  mitzutheilen, 
wird  wohl  am  geeignetsten  sein,  den  theil  der  glosse  zu  be- 
sprechen der  die  entdeckung  herbeiführte,  es  ist  tit.  xvm 
de  homicidiis  parvulorum  §  2.  si  vero  puerum  crinitum  sine 
consilio  out  voluntate  parentum  totonderit  (malb.  schuisara 
ckrogino).  diese  beiden  worte  der  glosse  fielen  mir  auf;  es 
war  mir  lächerlich  dafs  sie  so  gälisch  klangen;  als  ich  sie 
näher  besah  und  nicht  blos  gälischen  klang,  sondern  auch 
ganz  gälische  bedeutung  fand,  erschrak  ich  fast  vor  erstau- 
nen: siosar  heifst  die  schere,  grog  heifst  das  haupthaar. 
nimmt  man  an  dafs  dem  substantivum  siosar  (spr.  sckiosar) 
früher  ein  zeitwort  siosaraim  ich  schere,  ich  schneide  ab, 
entsprach,  so  hiefse  siosaradh  (spr.  schiosaro)  das  abschnei- 
den ;  und  wir  brauchen  über  den  Worten  der  glosse  nur  den 
pnnct  über  dem  i  zu  translocieren  und  statt  schuisara  viel- 
mehr schiusara  ckrogino  zu  lesen,  so  haben  wir  einen  al- 
terthümlichen,   aber  vollkommen  gälischen  ausdruck  für  Ab- 


510  ZUR  LEX  SALICA, 

schneiden  des  haupthaares ;  denn  dafs  die  alten  keltischen 
mnndarien  vollere,  besonders  vocalischere  bildnngssilben  ge- 
habt haben  ist  aus  den  aus  dem  allerthum  bewahrten  orts-  und 
personennamen  schon  klar,  ein  genitiv  ckrogino  für  jetzi- 
ges groig  kann  also  nichts  auffallendes  haben;  schon  des- 
halb nicht  weil  die  irländische  und  hochschottische  spräche 
nicht  allein  dem  Schicksal  ganz  entgangen  sein  kann,  was 
seit  abfafsung  der  malbergiscben  glosse  alle  anderen  euro- 
päischen sprachen  mehr  oder  weniger  gehabt  haben,  ihre  vol- 
len, vocalischen  formen  zu  verlieren,  sie  einschrumpfen  zu 
sehen,  das  abschneiden  des  haupthaares  in  beziebung  auf 
eine  puella  wird  §  3  genannt  theoctidia;  dies  hängt  im  er- 
sten theile  zusammen  mit  diotheach  oder  ditheach  (spr.  dio- 
hach  oder  dihach)  d.  i.  carens,  indigens,  wovon  das  ver- 
bum  diolhachaim  oder  dithackaim,  indigentem  reddere,  ca- 
rentem  reddere,  privare.  den  zweiten  theil  des  composi- 
tums,  sei  er  nun  tidia  oder  idia,  weifs  ich  zur  zeit  nicht  zu 
erklären;  vielleicht  hängt  er  mit  tuidkle  (glänzend,*liebrei- 
zend,  angenehm)  zusammen,  und  theoc- tidia  bedeutet  Raub 
des  (locken-)glanzes,  des  liebreizes, 

Ein  wort  welches  zeither  alle  ausleger  ausserordentlich 
geplagt  hat  ist  vialacina.  die  auslegung  dieses  Wortes  ist 
aber  höchst  einfach,  sobald  wir  festhalten,  was  ohnehin  die 
übrigen  glossen  bekräftigen,  dafs  in  der  malbergiscben  glosse 
das  c  nie  den  laut  z,  sondern  (wie  in  der  angelsächsischen 
und  gälischen  schrill)  immer  den  laut  k  hat.  vialacina  ist 
dann  dasselbe  wort  mit  dem  gälischen  bealach,  was  in  der 
aspirierten,  häufig  in  der  rede  eintretenden,  form  bhealach 
(spr.  wealach)  noch  fast  ganz  so  lautet  wie  vialacina,  nur 
dafs  auch  hier  eine  vollere  endung,  und  wie  es  (nach  der 
analogie  von  chrogino)  scheint,  eine  genitivendung  das  wort 
schliefst,  bealach  heifst  jedes  defile,  jede  enge  passage, 
Schlucht,  hohlweg,  dann  aber  (und  dies  am  allgemeinsten) 
überhaupt  stralse,  weg.  die  stellen  wo  das  wort  begegnet 
sind  folgende. 

Tit.  xvi  et  xvn  de  superventis  et  ewpoliationibus.  §  4. 
st  quis  hominem,  qui  alicubi  migrare  disponit  et  den- 
gere  habet  praeceptum  regü,  et  si  aliunde  ierit  i» 
rnaUum  publicum,  et  aliquis  extra  ordinationefk  regt* 


ZUR  LEX  SALICA.  511 

restare  eum  facit  aut  adsalire  praesitmserit ;  —  hiezu 
die  malb.  glosse :  alac  facis  vialacina,  d.  i.  ealc,   ma- 
litiosus;  fogh  der  raub,  der  tiberfall;    's  in  (präp.  die 
den  genitiv  regiert) ;    und  bealach  der  weg,  die  strafse. 
es   ist  also   zu  schreiben  alac  faci*    's  vialacina   und 
zu  tibersetzen  Böswilliger  anfall  auf  der  strafse. 
Tit.  xxxiv  de  vialacina  §2.    si  vero  multerem  ingenuam 
de  via  sua  ortaverit  aut  impinxerit  —  und  dazu  malb. 
glosse  ttrbi  's  vialacina,  —   ferner  §  4.  si  quis  viam, 
quae  ad  farinarium  ducit,  clauserit —  und  dazu  malb. 
glosse   urbi  V  vialacina,   d.   i.   urbhaidh   (spr.   urwe) 
bewachung,   bewahrung,  haft,     's  in,   und  bealach  die 
strafse:  haft,  arrest  auf  der  strafse.   dieselbe  glosse  ist 
(ohne  zweifei  durch   blofses   versehen    des    Schreibers) 
auch  in  tit.  xxv  de  furtis  in  molino  commissis  §  2  her- 
eingekommen,  die  Wiederholung  des  Wortes  farinarium 
mochte  den  unkundigen  dazu  veranlafsen. 
Ein  wort  welches   ohne  zweifei   auch   sehr  dazu  beige- 
agen   hat  die   malb.   glosse   für  der  deutschen  spräche  an- 
;hörig  zu  betrachten   ist  tit.  iv  de  furtis  ovium  §  1   das 
ort  lern  zu  agnus  lactans;  —  allein  das  wort  ist  auch  kel- 
Sch,  ja  wahrscheinlich   den  Deutschen   erst  von  den  Kel- 
n  zugekommen,  denn  im  deutschen  ist  das  wort  lamm  ein 
>llig  verwaistes/*  im  keltischen  hat  es  noch  lebendige,  or- 
inische  Verbindung,  nämlich  luim  oder  leim  oder  lairn  heifst 
.  verschiedenen  gälischen  mundarten  Die  milch  ,  und  luim- 
in,  leimhan  oder  iaimhan  Das  lamm,  es  ist  als  wenn  wir 
i  deutschen  sagen  wollten  Milcherchen,    denn  die  endung 
t  giebt  deminutivbedeutung.     zu  tit.  v  de  furtis  caprarum 
1    hat  die   malb.   glosse   ebenfalls   das   wort  lamp  zur  be- 
;ichnung   einer  ziege.     hier  hängt  das  wort  offenbar  nicht 

*  fad  oder  foei  ist  die  alte  form,   wie  wir  aus  fori -ehalt,   d.  i. 
hweineraub,  sahen. 

**  ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  deutschen .  worte  -State,  in 
serer  spräche  steht  es  verwaist  da,  im  gälischen  in  organischer  le- 
ndigkeit:  steud  helfet  Schnell  laufen,  rennen;'  steudach  schnell;  und 
md  oder  componiert  steud-each  ein  renopferd.  dafs  es  im  deutschen 
r  das  weibliche  pferd  vorzugsweise  gebraucht  wird  mag  daher  kom- 
;n  dafs  die  alten  Deutschen,  gleich  den  Arabern,  die  Stuten  für  schnel- 
le Täufer  hielten. 


512  ZUR  LEX  SALICA. 

mit  dem  sahst,  leim  (spr.  lern  die  milch),  sondern  mit  dem 
verbum  leim  oder  leum  (spr.  löm)  zusammen,  d.  i.  springen, 
hüpfen,  und  ist  eine  poetischere  bezeichnung  der  ziege,  Der 
Springer,  die  Springerin,  am  rande  des  cod.  Fuld.  fanden 
sich  die  synonymen  afres  sive  lamp  -  hebros  vel  pectis.  hier 
mufs  man  sich  erinnern  dafs  das  gewöhnliche  gälische  wort 
zu  bezeichnung  der  ziege  gabhar  (spr.  gawar)  ist,  welches 
mit  dem  angelsächsischen  häfer  und  lateinischen  capra  iden- 
tisch ist.  in  der  mundart  der  malb.  glosse  erscheint  nun  die 
anlautende  gutturale  geschwächt,  die  inlautende  labiale  ver- 
stärkt, so  dafs  aus  gabhar,  hebros  und  in  wahrscheinlich 
anderer  mundart  afres  geworden  ist;  lamp -hebros  ist  spring- 
bock,  springziege.  das  wort  pectis  scheint  verschrieben  oder 
verlesen;  wahrscheinlich  war  eine  s.  g.  angelsächsische 
schrift  in  dem  codex  von  welchem  der  Fuldaer  abgeschrie- 
ben war  oder  in  diesem  selbst  gebraucht;  in  diesen  schrift- 
zügen  sind  c  und  t  so  ähnlich  dafs  sie  hundert  Verwechse- 
lungen erleiden,  und  so  ist  pectis  für  peccis  geschrieben  oder 
gelesen,  die  Galen  haben  zur  bezeichnung  der  ziege  näm- 
lich auch  das  wort  poc9  in  obliquen  casus  und  ableitung  pok 
oder  puic,  z.  b.  das  zicklein  sowohl  als  das  junge  reh  hei- 
fsen  puicean  und  puichiu.  dieses  puic  (spr.  byc)  scheint  in 
peccis  zu  suchen  zu  sein. 

In  tit.  vi  de  furüs  canum  heifst  es  §  2  der  lex  sal. 
emendata  si  quis  —  veltrem  leporarium,  qui  et  argutarws 
dicilur,  furatus  fuerit  vel  occiderit.  diesem  paragrapheo 
entspricht  im  Fuld.  cod.  §  4  si  vero  argutafio  furanerit,  da- 
zu die  malb.  gl.  chunno  vano,  oder  im  Pariser  cod.  chuna 
bona,  offenbar  hatte  die  windspielrace  welche  zum  hasen- 
hetzen  gebraucht  ward  eine  silbergraue  färbe;  denn  chuna 
bona  oder  chunno  vano  bedeutet  einen  weifsen  hund,  von 
cü  (in  den  obliquen  casus  noch  jetzt  cuin)  der  hund  *;  und 
bän  oder  bäin  weifs,  in  den  aspirierten  fallen  bkdn  (spr. 
wan).  dadurch  erklärt  sich  auch  das  lateinische  wort  ar- 
gutarius,   welches  offenbar  ein  keltisches,   in  Gallien  latini- 

offenbar  ist  das  n  was  die  obliquen  casus  haben  ursprünglich 
auch  am  nominativ  gewesen,  und  dieser  lautete  cun,  dem  xtW,  canU, 
hund,  entsprechend. 


ZUR  LbX  SALICA.  513 

siertes   ist  und  mit  gäliscbem  airgiod,   d.  i.  silber,  zusam- 
menhängt und  silbergrau  bedeutet. 

Derselbe  tit.  vi  de  fartis  canum  gibt  uns  noch  zu  ei- 
nigen anderen  interessanten  bemerkungen  veranlafsung.  der 
§  3  nämlich  hat  zu  canern  qui  ligamen  noverit  die  glosse 
theopkano,  d.  i.  von  teud  der  strick,  und  Jan  bleiben,  aus- 
harren: der  am  stricke  bleibende,  am  rande  steht  reppo- 
phano,  von  rop  (in  cas.  obl.  roip)  der  strick,  und  Jan: 
der  am  stricke  bleibende,  merkwürdiger  noch  ist  die  glosse 
zu  §  2  si  quis  segusium  magistrum  canem  furaverit  (malb. 
tro-widowano  tuene  ckunne)  und  am  rande  troci  withier 
cunni.  wir  können  diese  glossen  nur  erklären,  indem  wir 
tu.  xxxvi  de  venationibus  hinzunehmen,  hier  findet  sich  §  3 
zu  erläuterung  der  textworte  welche  einen  hirsch  angehen' 
qui  ad  venationcm  Jaciendam  mansuetus  f actus  est,  die  glosse 
troiv audio,  im  Wolfenbüttler  codex  trovisido;  §  4  zu  einem 
cervus  alius  domesticus ,  qui  in  venatione  adhuc  non  fuisset 
die  glosse  trowidio  cham  stala  *  und  im  Wolfenbüttler  codex 
wieder  troioisido;  am  rande  aber  frowido;  endlich  §  5  s i 
quis  cervum  lassurn,  quem  alterius  canes  movement  et  adlas- 
saverunt,  involaverit  aut  celaverit,  wieder  hiezu  die  glosse 
trochwido. 

Es  ist  deutlich,  die  reinste  Schreibart  ist  trocwido  oder 
trochwido ;  die  Schreibart  tro-wido  mag  mundartliche  Ver- 
schiedenheit oder  nachläfsigkeit  des  Schreibers  enthalten^  tro- 
randio  und  trovisido  sind  Schreibfehler  eines  unkundigen, 
denn  wid  ist  genau  das  gälische  fiadh  (der  hirsch,  das  wild, 
wildpret  überhaupt)  in  seiner  aspirierten  form  Jhiadh  (jetzt 
wiek  ausgesprochen,  früher  wohl  iviecT),  der  erste  theil  des 
compositi  troc-,  trock-,  tro-  aber  ist  einfach  das  adjectiviim 
dorch,  doirch,  dunkel**,  was  sich  mit  der  übertragenen  be«r 

*  cham  ist  das  irisch -gälische  gan,  schottisch -gälische  gun,  d.,  h. 
ohne;  und  stala  das  gälische  statac  oder  State,  welches  jede  listige 
jagd  bezeichnet,  das  jagen  mit  dem  schiefspjerd,  das  vogelfangen  mit 
dem  netz,  das  fischen  mit  der  angel;  daher  z.  b.  stalcar  der  vogel- 
fanger. cham  stala  helfet  Ohne  jagd,  qui  in  venatione  adhuc  non 
fuisset. 

**  verwandt  mit  dem  wortc  scheint  auch  dearg  braunroth,  welches 
worl  geradezu  zu  bezeichnung  eines  hirsches  (der  braunrolhe)  gebraucht 
wird. 

Z.  F.  p.  A»  IL  33 


514  ZUR  LEX  SALICA. 

deutang  Schlecht,  übel,  auch  im  gälischen  in  der  Umsetzung 
drock,  droich  zeigt;  droch-fhiadh  (spr.  droch-wieh)  be- 
deutet also  ein  dunkel -wild  (wie"  Wir  sagen,  roth-wild),  be- 
deutet einen  birsch;  die  randbemerkung  troci-withier  omni 
ist  also  hirsch-hund,  Jagdhund  auf  hirsche.  die  glosse  tro- 
widowano  tuene  chunne  bezeichnet  einen  Suchhund,  denn 
ttnnidhe  (spr.  tuinije)  bezeichnet  das  lager  des  wildes;  das 
wort  kömmt  von  tuin  welches  im  allgemeinen  Aufenthaltsort 
bezeichnet,  leicht  aber  in  der  älteren  mundart  auch  schon 
die  specielle  bedeutung  haben  konnte  die  im  beutigen  gäli- 
schen das  abgeleitete  tuinidhe  hat;  trvwidowano  scheint  ein 
von  trowido  abgeleitetes  adjectivum  oder  diminutivom  zu 
sein:  trvwidowano  tuene  ist  ohne  zweifei  das  hirschlager, 
und  trowidowano  tuene  chunne  ein  hirschlager  -hund,  ein 
jsucbhund. 

Diese  bemerkungen  mögen  einstweilen  hinreichen  die 
eotdeckung,  dafs  wir  in  der  malbergischen  glosse  reste  einer 
alten  keltischen  mundart  die  zur  Römerzeit  und  in  der  er- 
sten Frankenzeit  in  Nordfrankreich  und  Belgien  gesprochen 
ward  zu  sehen  haben,  zu  beweisen,  ungeachtet  ich  schon 
fast  über  alle  anderen  einzelnen  glossen  in  ähnlicher  weise 
auskunft  zu  geben  im  stände  bin,  beschränke  ich  mich  doch 
fürs  erste  auf  obiges ;  ein  weiteres  tieferes  eindringen  in  die 
geschichte  und  den  jetzigen  bestand  der  keltischen  sprachen 
wird  mich  hoffentlich  in  nicht  zu  langer  zeit  in  den  stand 
setzen  die  entdeckung  weiter  zu  verfolgen,  und  (was  vor 
allem  noth  thut)  das  lautliche  und  grammatische  Verhältnis 
der  malbergischen  glosse  zum  gälischen  bestimmter  festzu- 
stellen, historische  ergebnisse  schliefsen  sich  diesen  sprach- 
lichen Untersuchungen  unwillkürlich  an,  denn  es  geht  deut- 
lich aus  der  Beschaffenheit  der  glosse  in  den  verschiedenen 
handschriften  hervor  dafs  die  abweichenden  worte  der  ver- 
schiedenen handschriften  synonymen  sind,  woraus  sich  also 
ergibt  dafs  die  spräche  noch  in  frischem  reichthume  lebte, 
als  diese  glossen  aufgezeichnet  wurden«  ferner  die  aufnähme 
so  vieler  keltischer  worte  in  den  lateinischen  text  selbst, 
namentlich  bei  Standesbestimmungen  und  bei  grabheiligthü- 
mern,  beweist  dafs  das  gesetz  nur  in  einem  locale  zu  stände 
gekommen  sein  kann,  wo  Franken  und  Kelten  schon  längere 


ZUR  LEX  SALICA.  515 

seit  vermischt  lebten,  auch  der  name  des  Saliers  selbst, 
Franciis  Saligus  oder  Francus  Salecus,  erhält  rinn  endlich 
sine  aufklärung,  denn  dies  Saligus  oder  Salecus  entspricht 
einem  keltischen  adjectivum  welches  marinus  (von  sal  das 
meer)  bedeutet,  die  Franci  Saleci  oder  Salici  sind  also 
Fronet  marini,  meeranwohnende  Franken,  im  gegensatze  der 
im  binnenlande  wohnenden,  rifländischen  Franken,  der  alte 
name  der  Moriner  (von  tnoir  oder  mtur  die  see)  ist  so  auf 
Sie  Franken  die  sich  in  den  niederländischen  küstenland- 
schaften zwischen  Maas  meer  und  kohlenwalde  festsetzten 
gewissermafsen  übergegangen,  wenigstens  in  einem  synony- 
men ausdrucke  wiederholt  und  auf  die  Franken  übertragen, 
auch  Dispargum  wird  nun  wohl  ein  ursprünglich  keltischer 
ortsname  sein,  Dise-barg,  der  glühende  häufe,  die  rothe 
Aufschüttung,  die  rothe  schanze. 


VORLÄUFIGE    BEMERKUNGEN   ZUR  GRAMMATIK 
DER  MALBERGISCHEN  SPRACHE.* 

1,      ab  (oder  ob)*,   zeichen  des  infinitivs  in  der 

malbergischen  glosse. 

Die  gälische  grammatik  führt  ihre  verba  auf  entweder 
nach  der  ersten  person  des  präsens  im  indicativ  welche  auf 
\m  ausgeht,  z.  b.  mealaim  ich  betrüge,  oder,  und  dies  ist 
ahne  zweifei  das  riebtigere,  nach  dem  imperativ,  z.  b.  meall 
betrüge  du.  das  letztere  ist  das  richtigere  weil  der  impe- 
rativ den  stamm  des  Zeitwortes  rein  darstellt,  in  den  Wör- 
terbüchern pflegt  zu  dieser  ersten  präsentis  oder  zu  diesem 
imperativ  dann,  das  erklärende  englische  oder  lateinische  Zeit- 
wort im  inflnitiv  gesetzt  zu  werden,  und  das  ist,  da  wir  ge- 
wohnt sind  die  verba  so  zu  bezeichnen,  für  uns  ebenfalls 
las  passendste  und  hat  nichts  störendes  für  den  der  das  sach- 
rernältnis  kennt,  den  gälischen  infinitiv  anzuführen  hat  be- 
denken, da  er  durch  aspiration  des  anlautenden  consonanten 
sehr  oft  eine  vom  verbalstamm  etwas  abweichende  bildung 

*  [Halle  184?.-  in  25  cxemplaren  gedruckt.] 

33* 


516  ZUR  LEX  SALICA. 

hat;  er  besteht  nämlich  aus  derselben  form  die  auch  znrbil- 
dung  der  participia  des  activs  gebraucht  wird  und  unterschei- 
det sich  von  diesen  nur  durch  die  verschiedenen  vor  die 
form  gesetzten  partikeln:  ag  mealadh  heifst  Betrügend,  wr 
mhealadh  heifst  Betrogen  habend,  do  mhealadh  oder  a  mhea- 
ladh  aber  heifst  Betrügen. 

Nun  ist  ganz  deutlich,  auch  die  malbergische  glosse  be- 
zeichnet ihre  inßnitive,  wo  deren  vorkommen,  durch  eine  sol- 
che vorgesetzte  partikel,  bildet  also  (mit  ausnähme  der  aspi- 
ration  oder  mortification,  die  ohne  zweifei  in  der  malbergi- 
schen  spräche  geringere  ausdehnung  hatte  als  im  gälischen) 
den  inßnitiv  ganz  dem  gälischen  analog,  wie  sofort  beispiele 
zeigen  werden,  gleich  die  erste  glosse  ist  ein  infinitiv: 
tit.  i  de  manire  §  2  findet  sich  in  der  Wolfenbütüer  hand- 
shrift  zu  dem  latinisierten  mallare  (von  mol  die  Versamm- 
lung; versammeln,  zur  Versammlung  aufbieten)  die  glosse  ab 
tena.  ab  ist  infinitivzeichen ;  tena  ist  dasselbe  mit,  oder 
vielmehr  der  einfachere  stamm  zu  dem  schottischen  leanail, 
irländischen  tional,  tionadk,  versammein,  zur  Versammlung 
aufbieten,  englisch  summon  (walsch  dyunau  spr.  deönau  ver- 
einigen). *  eine  ähnliche  infinitivische  glosse  haben  wir  tit.  xv 
de  eo  qui  uxorcm  tulerit  alienam  vivo  marito:    da  steht 

*  die  alle  irische  form  ist  teaina  (spr.  thena),  wie  man  aus  Fiechs 
Lied  auf  den  beil.  Patricias  str.  24  sieht, 

Lassias  immuine  imbai 

Asan  teainad  galastar. 

Er  leuchtete  (entbrannte)  lieblich  in  wohlwollen 

Wo  er  versammelte  schiiler. 
O'Conors  Übersetzung  dieser  einfachen  stelle,  die  aus  nichtberücksich- 
tigung  der  noch  im  schottischen  gälisch  vorhandenen  reste  der  alten 
spräche  und  aus  dem  bestreben  eipe  Wiederholung  des  mosaischen  Wun- 
ders vom  feurigen  busche  in  des  Patricias  leben  zu  bringen  hervorge- 
gangen, enthalt  die  wunderlichen  worte  exarsit  rubus  in  quo  erat,  ibi 
miscuerunt  colloquium.  doch  will  ich  mich  durch  diesen  tadel  nicht 
ähnlicher  siinde  schuldig  machen  als  andere  an  mir  früher  in  beziehnng 
auf  nicht  ganz  richtig  behandelte  schwierige  alte  angelsächsische  ge- 
dichtstellen begangen  haben,  wo  alle  noch  schaler  sind  hat  jeder  dank- 
bar die  bemühungen  des  Vorgängers  anzuerkennen,  das  richtige  dersel- 
ben als  gewinn  einzutragen,  und  wo  er  auf  falsches  stofst,  es  durch 
die  Schwierigkeit  des  gegenständes  zu  entschuldigen,  vor  allen  dingen 
aber  nicht  zu  vergeben   dafs   ihm  des  Vorgängers  bemühungen  bis  auf 


ZUR  LEX  SALICA.  517 

oämlich  in  §  1,  der  eine  solche  run-away-match  behan- 
delt, zu  den  lateinischen  worlen  si  quis  uocorem  alienam 
vivo  matnto  tulerit  die  glosse  abtica  oder  in  dem  Pariser 
'codex  abteca;  die  Unsicherheit  zwischen  /und  e  beim  stamin- 
vocal  deutet  schon  an  dafs  wir  ein  gälischcs  et  zu  suchen 
haben;  nun  heifst  teich  (alterthümlich  müste  der  zu  diesem 
stamm  gehörige  infinitiv  a  theachadh  lauten)  auch  würküch 
Er  lief  davon,  he  run  away :  es  ist  also  abzutheilen  ab  teca. 
bretonisch  heilst  techa  noch  'Davonlaufen.  —  tit.  xliv  de 
komic.  ingen.  §  3  heifst  es  si  quis  hominem  in  puteum  aut 
in  vipida  iactaveritt  dazu  die  glosse  ckalip  sub  dupio  oder 
im  Pariser,  codex  challis  ob  duplio.  es  ist  beides  ein  wenig 
verderbt,  wenigstens  die  bucbstabentheilung  des  ersteren;  es 
mufs  heifsen  chalips  üb  dupio,  und  üb  steht  falsch  für  ob; 
es  ist  nämlich  wieder  infinitivpartikel,  denn  dub  heifst  gä- 
lisch  Untertauchen;  also  malbergischer  infinitiv  ob  dupio; 
und  chalips  ist  ein  adverbium  welches  dem  gälisehen  adje- 
ctiv  galba  (stark,  gewaltsam)  entspricht. 

Tit.  xlii  de  plagiatoribus  handelt  von  sklavenverfüh- 
rungen,  auch  vom  sklavenstehlen ;  §  1  hat  zu  den  Worten 
si  quis  mancipia  aliena  soUicitaverit  die  glosse  ikeulasina 
oder  theolasina ;  dies  wort  ist  ein  compositum  und  entspricht 
dem  gälisehen  dao  oder  daoi  (schlecht,  gemein,  verworfen) 
und  lasan  (die  entflanimung,  die  leidenschaft).  statt  dieses 
Wortes,  wodurch  das  verlühren,  verlocken  der  sklaven  eines 
fremden  herrn  gebrandmarkt  wird,  hat  der  Wolfenbüttler 
codex:  einen  infinitiv,  ob  sculte  d.  i.  sgoilt  abreifsen,  ab- 
splittern, abschleifseil,  als  ein  absplittern  wird  es  bezeich- 
net, wenn  einer  einen  sklaven  zur  untreue  gegen  den  herrn 
verleitet. 

Wenn  anders  die  endungen  richtig  bebandelt  sind,  ha- 
ben wir  also  sehr  unter  sich  verschiedene  infinitivendungen, 
tena,  tica,  dupio,  sculte;  das  entspricht  auch  wieder  ganz 
der  gälisehen  spräche,  in  welcher  allerdings  die  meisten, 
aber  keines weges  alle  infiniüve  auf  adh  (spr.  o)  ausgehen, 
sondern  sich   bei    einzelnen  verbis    die  verschiedenartigsten 

einen  gewissen  grad  den  pfad  gebahnt  und  die  entdeckung  des  unrich- 
tigen darin  erst  erleichtert  haben,  ohne  O'Conor  wäre  mir  die  ganze 
Untersuchung  unmöglich. 


518  ZUR  LEX  SALICA. 

infinitivendungen   finden.  *    die    vorgesetzte  partikel  ist  es 
welche  sie  characterisiert. 

Dieselbe  verbalform  welche  den  infinitiv  und  die  parti- 
cipien  des  activs  hergibt  dient  (ohne  aspiration  des  anlauten- 
den consonanten,  wie  diese  ja  auch  beim  partic.  präsentis 
fehlt)  zugleich  als  Verbalsubstantiv:  mealadh  beifst  Das  be- 
trügen. »  solche  substantiva  verbalia  finden  sieh  nun  auch  in 
menge  in  der  malbergischen  glosse;  sie  gehen  (grofsentheils 
wie  der  infinitiv)  auf  a  oder  o  aus,  und  o  ist  auch  die  aus- 
spräche der  jetzigen  gälischen  silbe  adh,  wenn  sie  das  Wort 
schliefst,  man  sieht  daraus  dafs  hier  dem  aspirierten  d  nie 
ein  würklich  vorhanden  gewesenes  d,  wie  in  anderen  fällen, 
entspricht,  sondern  dafs  dieses  adh  rein  eine  orthographi- 
sche figur  ist,  zu  bezeichnung  eines  lautes  den  man  sonst 
nicht  wohl  erreichen  konnte  (den  das  wälsche  auch  blofs  mit 
vocalenr  schreibt) ;  denn  das  o  welches  durch  adh  ausgedruckt 
wird  ist  nicht  rein,  sondern  zwischen  o  und  u  und  wird  hie 
und  da  als  u  ausgesprochen,  die  altirländische  spräche  noch 
schreibt  für  dieses  adh  zuweilen  blofs  u>  wie  z.  b.  den  in- 
finitiv consena  in  Fiechs  altem  liede  auf  den  beil.  Patricias 
(str.  14)  und  andere  beispiele  (wie  ardriaghla  für  ardriagk- 
ladh  in  v.  88  des  gedieh tes  A  colcha  Albain  uüe;  auch 
der  oben  angeführte  infinitiv  teaina,  den  ich  freilich  so  ge- 
schrieben nur  in  einer  note  gefunden  habe  und  der  also  in 
dieser  gestalt,  statt  teainadh,  auch  neuere  formation  sein 
könnte,  aber  dann  doch  voraussetzt  dafs  er  nach  anderen 
dem  autor  bekannten  ähnlichen  formen  gebildet  sein  mnfs) 
aus  den  aller  ältesten  irländischen  Schriftstücken  beweisen. 

*  im  wälschen  ist  es  ganz  eben  so;  .primitive,  substantiva  körnen 
in  ihrer  eignen  form  auch  als  verbaistämme  behandelt  werden,  s.  k. 
bod  das  wesen  und  bod  sein ;  diese  fälle  ausgenommen-  werden  die  ver- 
baistämme aus  Substantiven  oder  adjeetiven  so  gebildet  dafs  sie  einen 
vocalischen  verbalauslaut  als  infinitivzeichen  erhalten,  z.  b.  ear  der 
freund,  earu  lieben ;  dawd  ein  depositum,  dodi  deponieren ;  daum  die 
gäbe,  doniau  begaben ;  eawg  der  lachs,  eoca  lachse  fischen,  lacbsen;— 
diese  vier  vocalausgänge  o,  i,  aw  und  u  bilden  alle  formell  abgelei- 
tete infiniüve  (bis  auf  gewisse  ganz  speeielle  bedeutung  habende  verki 
mit  consonantischen  ausgängen),  wie  wir  in  der  malb.  spräche  die  vo- 
calischen ausgange  a,  e  und  io  sehen,  auch  im  wälschen  tritt  gern  eia 
partikelhaftes  a  oder  y  vor  den  infinitiv,  doch  braucht  man  es  aieit 
zur  grammatischen  bezeichnung. 


ZUR  LEX  SALICA.  519 

Um  beispiele  solcher  verbalsubstantiva  aus  der  malber- 
gischen  glosse  zu  geben,  fuhren  wir  nur  folgende  an. 
diba9  deba9  de  bau,  doeffa,   deveva,  die  Zerstörung  ;    gäl. 
diobhadh   und  deabhadh  (spr.  diowo   und  dewo).     (die 
vielen  formen  des  Wortes    sind  wie   noch  im  bret.  zu- 
gleich tarf9  tarv,  taro,  terff,  terv,  der  stier). 
brio-rodero   der  finger  welcher  beim  bogenspannen  zum 
pfeilhalten  dient  (quo  sagittatur) ;   gälisch   briogh  (spr; 
bri  oder   brio)   die  kraft,   hauplsubstanz ;    ruadharadh 
(spr.    ruajaro,    ehemals    wohl    ruadaro)  das   fechten; 
kraft,  bauptsubstanz  des  gefechtes  (oder  ist  der  letzte 
theil  des  Wortes  hier  participisch,  Mit  kraft  fechtend?). 
scuto,  excuto,  schotoy    wenn  vieh  gepfändet  wird  und  je- 
mand unternimmt  es  dasselbe   aus  dem  pfändungsarrest 
expellere  aut  excutere;  gälisch  sgudadh  das  heraus- 
hauen (ewcutere),  von  sgud  heraushauen. 
sehuisdra  (für  schiusärd),  indem  es  einem  supponierten  al- 
ten galischen  siosaradh  entspricht^  gehört  ebenfalls  hie- 
her,  Das  abschneiden  mit  der  schere. 
murdo,   musido,    musedo,    mosedo,    raubüberfall  5    gälisch 
murtadh,  mortadk,   das  morden  (die  formen  mit  s  sind 
wahrscheinlich  verschrieben;    es  bliebe  sonst  keine  ab- 
leitung  übrig  als  von  mus9    d.  i.   ntmis,   und   eadaick 
verstohlne  dinge  trfeiben,  was  doch  zu  gezwungen  er- 
scheint). 
meledeno  der  kleine  finger  4  gälisch  meall  gut,   und  taoin- 
neadh  das  lockenmachen,  kräuseln:  der  finger,  der  zum 
lockenmachen  gebraucht  wird  (ist  wohl  hier  entschieden 
participisch  Gut  locken  machend). 
minechleno   der  kleine   finger;  gälisch  min  niedlich,    und 
glanadh  oder  glaineadh  das  reinigen,  das  sichschmuck- 
machcn  (ist  wohl  auch  participisch,  Der  niedlich  schmük- 
kende). 
Vielleicht  nimmt  mancher  unserer  leser  an  erklärungen 
wie  die  der  Wörter  brio- roder 0  (kraft  des  gefechtes),  mele- 
deno (gut- locker),-  mtne-chleno  (niedlich -schmücker),  als  an 
zu  gesuchten  künstlichen  Wendungen  anstofs;    gerade  aber 
diese  ausdrucksweisen  sind  ganz  in  keltischer  rede  gegrün- 
det,  die  überall  wo  sie  nachdrücklich,  solenn  oder  poetisch 


520  ZUR  LEX  SALICA. 

darstellen  will  zu  solchen  composiiis  ihre  Zuflucht  nimmt. 
altgälisch  z.  b.  heifst  dal  oder  data  eine  Versammlung,  Ver- 
einigung, brio-dal  (eigentlich  Kraft  der  Versammlung,  Sub- 
stanz der  Vereinigung)  heifst  aber  captatio  benevolentiae, 
Schmeichelei,  artigkeit ;  fear  heifst  gras,  min  -fhewr  (eigent- 
lich Niedliches  gras)  bedeutet  aber  die  binse.  in  älteren  wa- 
schen gedichlen  nun  vollends  ist  dieser  art  zusammensetzna- 
gen kein  ende,  man  findet  eine  kleine  Sammlung  von  bei- 
spielen  solcher  compositiöneu  in  Owens  grammatik  s.  27ff., 
und  diese  entfernt  *  die  sache  nicht  erschöpfende  Zusammen- 
stellung zählt  doch  170  beispiele.  viele  keltische  thierna« 
men  sind  so  gebildet. 


2.     der   malbergische   artikel  a9    o   oder  an;   das 
malbergische  präteritum  durch  die  partikel  de 

gebildet. 

Der  gälische  artikel  lautet  im  masculinum  an  oder  am, 
im  feminin  an  oder  a;  nämlich  die  form  rn  tritt  vor  labialen 
ein,  die  form  a  überall  vor  aspirierten  consonanten  (mit 
ausnähme  des  fh)  und  da  im  nominativ  nur  feminina  im  an- 
laute mortificiert  werden,  kann  auch  nur  im.  feminin  die  form 
a   als  nominativform  angegeben  werden. 

In  der  malbergischen  glosse  kommen  die  beiden  Wort- 
verbindungen vor,  a  ba  zym  pedero  die  kuh  (oder  allge- 
meiner das«rind)  mit  einem  kalbe,  und  o  bo  sino  das  äl- 
tere rind  (denn  ba  oder  bo  heifst  gälisch  das  rind,  gewöhn- 
lich specieller  die  kuh,  baothair  das  kalb  und  seine  älter; 
welches  letztere  wort  in  oh  seno  d.  i.  agk  seine  nochmals 
begegnet  und  eben  in  dem  schwanken  des  vocals,  seno,  sino, 
auf  gälischen  stammvocal  ei  deutet),  in  diesen  beiden  Wort- 
verbindungen ist  a  oder  o  deutlich  der  artikel. 

Das  wort  anhitnerbo,  womit  das  gewaltsame  fortschaf- 
fen eines  pfiuges  vom  acker  bezeichnet  wird,  scheint  eben- 
falls in  mehrere  Wörter  (an  htm  erbo)  zu  zerlegen,  es  kommt 
öfter  vor  dafs  malbergisches  h  ein  gälisches  g  ersetzt,  wohl 
weil  doch  die  sonst  gewöhnliche  Schreibung  des  ch  für  gäli- 
sches g  in  manchen  fällen  eine  zu  starke  gutturale  andeu- 


ZUR  LEX  SALICA.  521 

tele,  oder  aus  nachläfsigkeit,  indem  ein  c  vor  h  vcrgefsen 
ward,  so  z.  b.  hoc  her  (wahrscheinlich  verschrieben  für 
fer,  oder  absichtlich  um  den  milderen  laut  des  mortifizierten 
f  in  fhear  auszudrücken)  paan  de  escrippas  d.  i.  gach  (jeder) 
fhear  (mann)  bann  (gesetz,  band,  gesetzlich  gebundenes, 
vetitum),  da  (partikel  welche  das  Präteritum  bezeichnet) 
sgriobas  (präteritum*  von  srgriob,  furchen,  pflügen),  —  die 
ganze  redensart  heifst  also  Jeder  mann  welcher44  gesetzlich 
gebundenes  (d.h.  anderem  gesetzlich. gehöriges)  pflügte;  und 
sie  findet  sich  im  Wolfenbütteler  codex  tit.  xxvi  de  Jurlis 
iiver&is  §  21  zu  den  lat.  worten  si  quis  campo  alieno  ara- 
verit.  aufser  dem  dafs  wir  aus  dieser  redensart  sehen  dafs 
die  bildung  des  prateriti  im  malbergischen  der  im  gälischen 
ganz  analog  war  (nur  dafs  de  statt  da  steht,  wie  jedoch  zu- 
weilen auch  im  alten  irländischen  der  fall  ist,  z.  b.  die  form 
de  chaidh  in  dem  gedieht  Eire  ogh  inis  na  naoirnh  v.  148 
und  de  tarnte  v.  140.  ebenso  de  tainic  a  tkiugbas,  es  kam 
sein  ende,  in  dem  fälschlich  Oissin  zugeschriebenen,  bereits 
im  14n  Jahrhundert  aufgezeichneten  gedichte  welches  O'Co- 
nor  (i,  1  s.  cxxm)  aus  einer  bodleyanischen  handschrift 
herausgegeben  hat),  geht  daraus  auch  hervor  (indem  hoc  für 
gach  steht)   dafs  malb.   h   für  gälisches  g  stehen  kann.*** 

*  diese  form  ist  freilieh  nur  allirländisch ;  das  aber  ist  im  vorlie- 
gendes falle  noch  beweisender,  die  graminaliker  geben  sie  blofsin.der 
ersten  person;  die  zweite  hat  nach  ihnen  sgriobais,  die  dritte  sgriob 
(neuerdings  sgriobh),  allein  wahrscheinlich  hat  die  abschwächung  bei 
der  dritten  angefangen ;  jetzt  lauten  alle  drei  personen  sgriobh  und 
werden  nur  durch  pronomina  unterschieden,  dafs  sie  wohl  auch  für 
die  dritte  person  statthaft  sein  kann  beweist  Fiechs  altes  lied  auf  den 
heil.  Patricius  n°  14  (O'Conor  scr.  Hio.  vol.  i  in  proleg.  s.  xcn),  wo  die 
form  pritchais  (er  predigte),  begegnet,  und  anderwärts  leghais,  lassais, 
anais  u.  s.  w.  im  wälschen  ist  es  ganz  so,  viele  prälerita  gehen  in 
erster  person  auf  ais,  in  dritter  auf  aes,  äs,  es  aus. 

**  mit  dem  relatiyum  ist  das  gälische  in  ähnlicher  Verlegenheit  wie 
unsere  ältesten  deutschen  mundarten;  die  s.  g.  relativen  pronomina 
sind  im  gründe  blofse  partikeln  ;  oft  wird  die  relation  durch  einen  be- 
sonderen modus  des  verbi  ausgedrückt ;  zuweilen  wird  sie  nur  verstan- 
den wie  in  gewissen  fällen  im  englischen. 

*  *  *  bei  der  Schreibung  haroweno  oder  haroeno  für  charoweno,  chae- 
roeno,  chereno  (raubnahme)  tritt  derselbe  fall  ein,  denn  das  wort  kommt 
von  gabh  (spr.  gah,  d.  i.  nehmen)  und  robainn  d.  i.  raub,  im  wäl- 
schen stehen  meist  labialen  an-  der  stelle  gälischer  gutturalen ;  da  heifst 


522  ZUR  LEX  SALICA. 

einige  andere  beispiele  kommen  zu  hilfe.  nehmen  wir  nun 
dies  h  —  g  an,  so  steht  hun  für  goin,  das  stofsen,  schla- 
gen ;  erbo  hängt  auf  jeden  fall  mit  ar  ackern  (wälsch  aru), 
arbhar  die  saat,  airbhre  die  saat  (im  wälschen  erw  das 
ackern  und  der  acker)  zusammen  und  mufs  entweder  einen 
pflüg,  einen  ackersmann,  oder  das  saatbestellen  bedeuten, 
denn  zu  den  Worten  an  htm  erbo  im  tit,  xxvii  der  herold. 
ausgäbe  de  furtis  dwersis  §  20  gehören  die  lateinischen  worte 
si  quis  vero  de  campo  alieno  aratrum  anteortaverit  aut  ja- 
ctaverit;  also  bedeutet  die  glosse  entweder  Das  wegstofsen 
des  pfluges,  oder  Das  wegstofsen  von  der  saatbestelltwg; 
auf  jeden  fall  scheint  an  der  artikel  zu .  sein. 

3.     von  der  formation  des  plurals  der  nomina  in 

der  malbergischen  spräche. 

Wir  haben  einige  glossen  unter  den  malbergischen  wel- 
che offenbar  pluralformen  darstellen,  einmal  haben  wir  auch 
den  singular  dazu,  nämlich  bei  dem  worte  ehalt  (das  schwein, 
in  specie  die  sau),  den  singular  sicher  in  den  glossen  vara 
ehalt  (todtes  schwein),  drace  ehalt  (der  sau  entwöhntes 
schwein),  foci  chalta  (raub  des  Schweines),  den  plnral  in 
der  glosse  (tit.  ii  de  furtis  porcorum  §  10)  in  zym  i  sexa 
ehaltet  cepto  tua  septtm  chunna.  diese  glosse  gehört  zu  den 
Worten  si  quis  tres  porcos  aut  amplius  Juraverit  usque  ad 
sex  capita  denar,  mcccc  qui  faciunt  soL  xxxv.  das  wort 
zym  (habe  ich  anderwärts  erwiesen*)  heifst  Zusammen,  mit. 
das  wort  is  mufs,  .wie  ich  ebenfalls  dargethan  habe,  in  be- 
ziehung  auf  feminine  subjeete  svus,  sua9  suum>  oder  viel- 
leicht ursprünglich  (da  im  gälischen  alle  pronomina  possessiv* 
genitive  der  personalia  sind)  eiusdem,  earundem  bedeutet  ha- 
ben, das  s  in  diesem  worte  is  gehört  aber  der  emphatischen 
form  an  (i-si  gälisch  eadem,  dagegen  i  nur  ea).  das  ein- 
fache possessivum  lautete  also  wahrscheinlich  für  das  femi- 
nin i  im  singular,  und  wohl  auch  im  plural.**  im  cornischen 

also  das  malbergische  hoc,  gälische  gach  (oder  ältere  cach),  nnn  pob 
and  pawb. 

*  Zeitschrift  für  deutsches  altertham  2,  159. 

doch  konnte  obige  glosse  vielleicht  auch  zu  sehreiben  seil  *» 


ZUR  LEX  SAUCA.  523 

heifst  suus,  sua,  suum  für  den  singular  femininer  subjecte 
denen  etwas  angehört  einfach  i,  im  plural  gei9  aber  das  g 
ist  hier  keine  gutturale,  sondern  nur  leise  aspiration,  so  dafe 
also  aueh  hier  (wie  bei  dem  gälischen  a  der  fall  ist)  siqgu- 
lar  und  plural  fast  gleich  lauten,  das  wort  in  bedeutet  wohl 
Bis:  es  ist  das  um  so  wahrscheinlicher,  da  selbst  das  viel« 
fach  durch  malbergismen  corrumpierte  latein  der  lex  saliea 
das  wort  in  in  diesem  sinne  gebraucht,  z.  b.  im  Wolfenbüt- 
teler  codex  tit.  iv  de  ovibus  furatis  §  3,  wo  von  diebstählen 
in  beziehung  auf  vervices  die  rede  ist,  certe  st  in  tres  (tut 
amplius  foraverit  d.  h.  wenn  er  aber  bis  drei  oder  noch 
mehr  gestohlen  haben  sollte,  die  worte  in  zym  i  sexa  ehal- 
tet bedeuten  also  Bis  zusammen  deren  sechs  schweine.  — 
dieser  plural  ehaltet  kann  nichts  befremdendes  haben  bei  ei- 
ner keltischen  mundart  in  Gallien,  da  auch  noch  jetzt  im 
bretonischen  aufser  anderen  gerade  die  Wörter  welche  thiefe 
bezeichnen  ihren  plural  auf  ez>  os  oder  ed  bilden.*  wir  ha- 
ben also  den  singular  im  nom.  ehalt,  im  gen.  ckalta,  im 
acc.  wahrscheinlich  wie  im  gälischen  dem  nominativ  gleich, 
den  plural  im  nom.  und  auch  wohl  im  aecusativ  chattet. 

Die  folgenden  worte  cepto  tua  septun  chunna  beziehen 
sich  auf  den  betrag  der  bufse.  cepto  ist  gälisches  gabhta9 
das  heifst  eigentlich  Genommen,  dann  aber  Verpflichtet,  in 
ansprach  genommen  (ingaged).  septun  ist  gälisches  seach- 
duin,  nach  einem  feststehenden,  grammatisch  längst  zur  evi* 
denz  gebrachten  lautwechsel  dem  zu  folge  in  vielen  fällen 
das  gälische  an  die  stelle  des  p  verwandter  dialecte  ein  c 
oder  ch  setzt  5  seachduin  heifst  eine  siebent,  z.  b.  eine  sie- 
bent  von  tagen,  eine  woche;  dann  überhaupt  jede  siebent, 
das  wort  chunna  ist  gälisches  cuignear**  d.  i.  fünf,  wie  eine 

zym  is  sexa  ehaltet  u.  s.  w.,  indem  nach  dem  klang  die  Wörter  ge- 
schrieben  worden  wären  und  so  in  den  beiden  Wörtern  is  sexa  bei 
verschleifender  ausspräche  nur  das  eine  s  getönt  hatte. 

*  auch  im  wälschen  bilden  die  Wörter  welche  lebendige  wesen  be- 
zeichnen ihren  plural  gewöhnlieh  auf  ed. 

**  ich  bemerke  hierbei  dafs  nn  (oder  nd,  denn  so  wird  in  älteren 
gälischen  Schriften  nn  unzählliche  mal  bezeichnet)  und  gn  oder  nh  und 
ngh  in  fast  allen  keltischen  dialecten  einander  sehr  nahe,  oft  zum  ver- 
wechseln nahe  liegende  laute  bezeichnen,  für  welche  unser  deutsches 
aiphabet,  da  die  deutschen  sprachen  die  laute  nicht  haben,  auch  keine 


524  ZUR  LEX  SAUCA. 

andere  glosse  noch  deutlicher  beweist,  septun  chunna  sind 
Fünf  siebente,  also  fünf  und  dreifsig.  im  tit.  lxxx  werden 
die  bufssätze  erläutert,  bei  dieser  erläuterung  mufs  die  ein- 
heit  nach  welcher  gerechnet  wird  ein  halber  solidus  sein, 
denn  septun  chunna  (eigentlich  171/*  sol.)  wird  im  gerieht 
für  17  soL  gerechnet*,  und  thue  septen  chunna  (das  ist  das 
tua  septun  chunna  der  glosse  die  wir  eben  erläutern)  be- 
deutet Zwei  mal  fünf  siebente  halber  solidi,  also  35  ganze 
solidi;  sexan  chunna  (d.  i.  fünf  halbe  duzende  halber  solidi, 
fünf  sechsente  halber  solidi)  sind  15  ganze  solidi.  ein  sol- 
ches halbes  duzend  (eine  sechsent)  scheint  auch  walt**  zu 
heifsen,  thue  walt  chunna  ist  die  doppelte  summe  von  sexan 
chunna.  —  genug,  die  worte  cepto  tua  septun  chunna  be- 
deuten entschieden  In  anspruch  genommen  zu  zweimal  fünf 
siebenten,  nämlich  halber  solidi  —  das  ist  zu  35  soL>  wie 
der  lateinische*  text  hat. 

Auch  analoges  mit  dem  bretonischen  plural  der  bezeich- 
nungen  der  thiere  auf  es  oder  oz  bietet  die  malbergische 
glosse.  zu  tit.  v  de  Jw%tis  caprarum  §  1  (weleher  lautet  ti 
quis  capram  unam,  duas  vel  tres  furaverit)  hat  die  herol- 
dische glosse  das  wort  lamp,  von  welchem  wahrscheinlich 
ist  dafs  es  eine  ziege  und  zwar  als  springendes  thier  be- 
zeichnet ;  denn  es  kommt  wohl  vom  gäl.  leum  (wälsch.  Harn) 
springen,  indem  die  vocale  eu  und  ea  mundartlich  und  hie 
und  scheinbar  individuell  willkürlich  in  dem  stamme  einer 
menge  gälischer  Wörter  wechseln ;  so  findet  sich  z.  b.  fast 
ebenso  oft  freumh  (die  wurzel)  geschrieben  als  Jreamh.  hei 
dem  worte.  leum  ist  allerdings  jetzt  die  Schreibung  km 
nicht  gewöhnlich,  aber  nur  um  die  Verwechselung  mit  der 
contrabierten  form  leam  (d.  h.  mit  mir)  zu  vermeiden,  am 
rande  nun  findet  sich  zu  dieser  glosse  lamp  noch  der  zusatz 
qfres  sive  lamphebros  vel  pectis.  nun  heifst  gäl.  gabhar 
(wälsch.  gavyr)  sonst  die  ziege;  da  ich  anderweitig  darge- 

bezeich  nun g  bietet,  das  polnische  aiphabet  allenfalls  liefse  durch  n  and 
ng  näher  kommen ;  doch  ist  das  ng  zu  hart,  nicht  glatt  genug. 

*  wahrscheinlich  ist  die  bezeichnung  eines  halben  solidus  in  der 
lat.  erklärung  nur  durch  nachlafsigkeit  eines  Schreibers  ausgefallen. 

dieses   walt  ist   die   aspirierte   form   des  gälisehen  halt  (bhatt) 
d.  h.  zusammenfafeung,  einfafsung,  rahmen,  rand,  zahlbret. 


ZUR  LEX  SALICA.  525 

than  habe  dafs  nialbergisches  h  oft  gälisches  g  aasdrückt, 
so  haben  wir  als  benennung  der  ziege  ohnehin  habar  oder 
havar  zu  erwarten,  und  hebros  scheint  nur  ein  plural  von 
habar,  was  vielleicht  auch  hebr  oder  habr  lautete;  afres 
ist  mundartlieh  verschieden  mit  mortificiertem  anlaut*;  ganz 
wie  das  wälsche  neben  gavyr  die  form  evyr  hat.  dafs  das 
gälische  bk,  wälsche  v9  hier  durch  b  und  f  neben  einander 
ausgedruckt  ist  ist  nicht  zu  verwundern,  denn  keiner  von 
beiden  lateinischen  buchstaben  drückt  den  keltischen  laut  bk 
oder  v  aus,  der,  ungefähr  dem  englischen  v  gleich,  zwischen 
beiden  in  der  mitte  liegt,  pectis  ist  entschieden  für  peccis 
verlesen  oder  verschrieben,  was  bei 's.  g.  angelsächsischer 
schrift  des  mittelalters  sehr  nahe  liegt,  wie  hebros  oder  afres 
plural  ist  von  hebr  oder  afr,  so  ist  peecis  plural  von  pöc, 
welches  im  gälischen  in  den  abgeleiteten  casus  seinen  stamm- 
vocal  in  oi  oder  ui  wandelt  (also  poic  oder  puic),  welcher 
gälische  (scheinbare)  diphthong  oi  im  malbergischen  immer, 
und  ui  wenigstens  sehr  oft,  durch  e  dargestellt  wird,  hebros, 
afres  und  peccis  sind  nun  offenbar  solche  plurale,  wie  sie 
die  Bretonen  bei  den  namen  der  thiere  bilden  auf  oz  oder 
ez.  der  vocal  der  endung  wird  ein  kurzer,  halbverschluck- 
ter gewesen  sein,  wie  noch  zuweilen  in  den  flexionssilben 
im  gälischen  der  fall  ist.  jetzt  bat  sich  dafür  eine  bestimmte 
Orthographie  festgestellt $  bei  dem  aufnehmen  des  Wortes  blofs 
durch  das  ohr  mochte  man  zweifelhaft  sein  ob  man  os>  es 
oder  is  zu  schreiben  habe.** 

*  dafs  die  Kelten  der  Römerzeit  die  inorlification  des  anlautenden 
consonanten  in  ihrer  spräche  hatten,  sieht  man  deutlich  ans  dem  vor- 
kommen doppelter  formen  von  eigennamen  der  Völker,  von  denen  die 
eine  die  mortifizierte  form  darstellt,  z.  b.  Suessonei  und  Uessones, 
Tectosages  und  Aegosages  u.  s.  w. 

*  *  solehe  Unsicherheit  des  vocals  in  der  endung  könnte  manchen 
befremden,  allein  es  lafsen  sich  aus  den  noch  lebenden,  sogar  zu  dem 
besitz  einer  literatur  gediehenen  keltischen  mundarten  unz'äh Hiebe  ana- 
logen anführen,  statt  vieler  nur  eines:  die  endungen  der  In,  2n  und 
3n  pluralis  des  imperfects  der  s.  g.  derivativen  verba  im  w'älschen 
gehreiben  die  einen  -em  -eck  -ent;  die  anderen  -ym  -ych  -ynt;  die 
dritten  -  om  -  och  -  ont.  —  e  und  i  wechseln  in  denselben  endungen 
im  walschen  häufig,  in  alten  gälischen  Schriften  ersetzen  sie  einander 
überhaupt,    wie  es  mit  e  und  y  im  walschen  noch  jetzt  fast  ist. 


526  ZUR  LEX  SALICA. 

Indessen  so  allgemein  wie  im  bretonischen  kann  die  er- 
scheinung  consonantischer  pluralbildung  bei  den  bezeichnun- 
gen  der  tbiere  im  malbergischen  nicht  gewesen  sein,  denn 
es  kommen  ganz  entschieden  auch  vocalische  pluralbildungen 
vor,  z.  b.  die  schon  früher  bei  einer  anderen  gelegenheit* 
besprochenen  Wörter  fit  miha  chunna  (zwanzig  schweine  fünf) 
enthalten  den  plural  miha  schweine  (verwandt  dem  gälischen 
tnuc  das  schwein,  mute  in  obliquen  casus,  mucan  im  plu- 
jal).**  einen  anderen  vocalischen  plural  bei  einer  thierbe- 
zeichnung  bietet  nur  scheinbar  die  Übersetzung  von  vervices 
in  der  glosse  der  heroldischen  ausgäbe  tit.  iv  dejurtis  ovium 
§  3,  welche  lautet  feisfecho  et  fetischefo.  das  letztere  wort 
halte  ich  für  verschrieben  statt  fetisfecho;  die  glosse  will 
offenbar  zwei  formen,  zwei  aussprachen  eines  und  desselben 
Wortes  geben;  liest  man  feisfecho  et  fetisfecho,  so  ist  auch 
offenbar  nur  dasselbe  wort  wiederholt,  einmal  mit  wahrge- 
nommener mortification  des  t,  das  anderemal  ohne  dieselbe, 
im  gälischen  heifst  feithis  sowohl  In  eine  herde  vereinigen, 
als  Eine  herde  hüten ;  daher  feis  die  Vereinigung,  Versamm- 
lung, herde ;  feitidhe  das  herdevieh ;  faich  aber  heifst  Das 
offene  feld,  die  wiese,  die  weide,  die  bedeutung  also  von 
feisfecho  sowohl  als  von  fetisfecho  ist  Herde   des  feldes, 

*  Zeitschrift  Fiir  deutsches  alterthum  2,  163.  sollte  jemand  anstofs 
daran  nehmen  dafs  hier  zwar  in  galischer  weise  das  Substantiv,  zu  dem 
die  zusammengesetzte  zahl  gehört,  zwischen  die  beiden  theile  der  zu- 
sammengesetzten zahl  (20  und  5)  gesetzt,  aber  die  gröTsere  zahl  and 
nicht,  wie  im  gälischen,  die  kleinere  vorangestellt  ist,  so  verweben 
wir  ihn  auf  das  walsche,  wo  diese  Stellung  wie  in  der  glosse  vor- 
kommt, in  zwei  stellen  eines  alten  gedichtes  findet  sich  sogar  im  gä- 
lischen diese  Stellung ,  nämlich  v.  289  des  gedichtes  Eire  ogh  init  na 
naoimh  liest  man  in  einer  handschrift  Flehe  air  chuig,  in  der  anderen 
Fiche  as  cuig ;  jenes  bedeutet  Zwanzig  zu  fünf,  dies  Zwanzig  und  fünf, 
und  v.  347  desselben  gedichtes  steht  xl  ar  cett  tri,  Vierzig  zu  hun- 
dert und  drei. 

**  das  entsprechende  wälsche  wort  moch  sollte  im  plural  myeh 
haben ,  wenn  es  selbst  ein  reiner  Singular  wäre,  d.  h.  ein  einzelnes 
schwein  bezeichnete ;  es  bezeichnet  aber  die  gattung  schwein,  und  hat 
keinen  numerus  (aufser  wenn  etwa  einmal  von  mehreren  schweinegat- 
tungen  die  rede  wäre) ,  sondern  wenn  ein  einzelnes  schwein  bezeichnet 
werden  soll,  wird  die  diminutivform  gebraucht,  moehyn.  myeh  ist  der 
malbergischen  form  miha  nahe  genug. 


ZUR  LEX  SALICA.  527 

speciell  auf  schafe  bezogen,  wahrscheinlich  halten  schon  die 
Kelten  ähnliche  Verwendung  der  ausdrücke  die  ursprünglich 
eine  menge  überhaupt  bezeichnen  für  bestimmte  gattungen 
von  gegenständen,  wie  wir  sie  auch  haben  in  Rudel  hirsche, 
sehwarm  bienen,  flug  tauben,  volk  hühner,  kartet  gemsen 
o.  s.  w.,  und  wie  ich  anderwärts  *  gezeigt  habe  dafs  ruta 
die  herde  vorzugsweise  bei  ziegen  zu  bezeichnen  und  jede 
anzahl  von  mehr  als  drei  ziegen  zusammen  zu  heifsen  scheint, 
so  mag  sich  feis  oder  felis  specieller  auf  schafe  beziehen 
und  jede  anzahl  von  mehr  als  drei  schafen  bezeichnen,  der 
Wolfenbüttler  codex  hat  auch  nachher  zu  §  5  um  eine  Schaf- 
herde zu  bezeichnen  einfach  das  woH  feto  und  der  Pariser 
codex  verschrieben  dafür  freto.  hier  ist  also  der  plural  nur 
scheinbar,  zu  bemerken  ist  hiebei  noch  dafs  wenn  feüschefo 
nicht  verschrieben  sein  sollte  für  fetisfecho,  es  dann  nach 
andentung  der  Pariser  (im  ersten  theile  des  wortes  entschie- 
den verschriebenen)  handschrift  fretus  chaeto  (für  fetus- 
chaeto)  wenigstens  in  dem  zweiten  f  verschrieben  oder  ver- 
lesen sein  mufs  für  fetis-cheto  d.  i.  herde  schafe,  denn  caith 
ist  ein  gälisches  wort  welches  ursprünglich  milch,  milchrahm, 
dann  aber  zuweilen  auch  ein  schaf  bedeutet ,  also  fetis-cheto 
herde  der  milch,  oder  herde  der  schafe. 

4.     die   malhergischen  Zahlwörter. 

Die  zahl  eins  kommt  in  der  glosse  dem  lateinischen  so 
gleichlautend  vor  dafs  man  sie  bis  jetzt  immer  für  das  la- 
teinische zahlwort  gehalten  hat.  sie  lautet  unum,  wie  noch 
jetzt  im  bretonischen  unan  (in  Vannes  unon),  und  im  wäl- 
schen  un,  im  gälischen  aon  und  eun.  zwei  kommt  nicht 
vor,  sondern  nur  zweimal  oder  zweifach,  und  dies  heifst 
malbergisch  (in  tit.  ii)  tua  oder  (in  tit.  lxxx)  tkuewe,  tkue, 
thu.  vielleicht  ist  die  cardinalzahl  dasselbe  wort,  drei  kommt 
nicht  vor  5  vier  begegnet  wohl,  wovon  aber  weiter  unten, 
dagegen  fünf  begegnet  oft;  immer  lautet  es  chunna  (gälisch 
cuignear).  eine  fünft  (anzahl  von  je  fünfen)  scheint  cunde 
zu  heifsen,  dem  Pariser  codex  (tit.  c)  zu  folge,  wofür  der 
heroldische  codex  (tit.  lxxx)  sunde  verschrieben  oder  verle- 

*  Zeitschrift  für  deutsches  alterthum  2,  163. 


528  ZUR  LEX  SALICA. 

sen  hat.  sechs  lautet  sexa  (die  sechsent  sexan;  wenigstens 
die  pluralform  ist  so),  wie  wir  anderwärts  erwiesen,  die 
siebent  lautet  septun  oder  septen;  also  sieben  wohl  septe. 
acht  kommt  in  tit\  lxxx  vor,  acto  (actotetus  chunde  oder 
acto  et  usunde,  beides  wohl  für  acto  tetus  cunde :  achtmal 
zehn  fünften,  nämlich  halber  solidi,  d.  i.  400  halbe  oder  200 
ganze  solidi).  die  neunt  heifst  net  oder  ne  (theuwe  net  ckunna, 
thewe  ne  chunna  für  thuewe  ne  ckunna  d.  i.  zweimal  fünf 
neunten,  nämlich  halber  solidi  d.  i.  45  ganze  sol.);  dies  net 
oder  ne  entspricht  ganz  dem  gälischen  nao,  naoi  (spr.  nö) 
neun,  zehn  scheint  tetus  (was  vielleicht  für  tecus  verschrie- 
ben oder  verlesen  ist)  zu  beifsen  in  der  schon  angeführten 
glosse;  einigermafsen  analog  ist  das  gälische  deich,  noch  nä- 
her das  bretonische  decg. 

Nun  erst  nachdem  wir  die  bedeutung  von  cunde  (die 
fünft)*  festgestellt,  können  wir  auch  von  der  vier  reden,  sie 
lautet  malbergisch  (dem  bretonischen  pyder  analog)  fitter; 
nämlich  die  glosse  fitter  tius  chunde  oder  fitter  ntt  cunde 
scheint  verschrieben  für  fitter  ticus  oder  fitter  tecus  cunde 
d*  i.  viermal  zehn  fünften,  nämlich  halber  solidi  oder  100 
ganze.      . 

Nun  nachdem  wir  die  ersten  zahlen,  unum9  tua  (thue), 
drei  fehlt,  fitlir,  chunna,  sexa,  septe,  acto,  ne  (net),  tecus 
(tetus),  leidlich  festgestellt  haben,  können  wir  den  tit.  lxxx 
der  heroldischen  ausgäbe  oder  tiU  c  des  Pariser  codex  im 
zusammenhange  erläutern. 

*  solche  substantivische  zahlausdrücke  sind  auch  ganz  altirlandi- 
sche  sitte;  öfter  kommt  in  den  alten  gedieh ten  statt  Zwei  (da)  vor 
Ein  paar  (dias),  statt  Nenn  (nao)  Eine  neunt  (naonmkar  und  rtaonar), 
statt  Acht  (ochd)  Eine  acht  (ochtar)  u.  s.  w.  —  auch  die  rechnungs- 
art  ist  durchaus  gälisch,  und  höhere  zahlen  werden  sehr  häufig  nicht 
durch  additions-,  sondern  durch  multiplicationsausdrücke  bezeichnet, 
so  um  nur  einige  beispielc  sofort  anzuführen :  in  <E/re  agh  inis  na 
naoimh  findet  sich  v.  299  die  zahl  ceathrar  ix  bhßchit  d.  i.  quatuot 
et  növies  viginti,  4  +  (9X20)  z=  184.  ebendaselbst  v.  279.  280  die 
angäbe  Da  bliadhain  ier  s  in  vii  n  deich  O  eee  Maelsi  chlainn  suaich- 
nidh,  zwei  jähre  nach  diesem  und  siebenmal  zehn  (72),  vom  todeMael- 
sechlainns  des  hervorragenden,  ebendaselbst  v.  343  u.  344  in  einer 
Variante  Seacht  mbliadhna  seacht  moghad  oll  Agus  cuice  cett  gan 
iomrall,  sieben  der  jähre  sieben  male  zehn  und  fünf  hundert  ohne 
Übertreibung  fd.  h.  nichts  darüber)  d.  h.  577.    ' 


ZUR  LEX  SALICA.  529 

Der  kleinste  der  bufsansätze  welche  in  diesem  titel  mit 
malbergischen  Worten  erwähnt  werden  besteht  aas  6  halben 
solidis,  also,  da  nach  goldsolidis  zu  40  denaren  gerechnet 
wird,  aus  120  oder  einem  grofshnndert  denaren,  es  scheint 
eine  ähnliche  rechnungseinheit  zu  sein  wie  man  z.  b.  ein 
schock  meifsnischer  groschen  sonst  anführte,  und  es  mufs 
dies  geldmafs  von  einem  grofshnndert  denaren  eine  vielfach 
im  gebrauch  vorkommende  summe  gewesen  sein,  da  sich 
mehrfache  ausdrücke  dafür  finden,  sie  heifst  walt;  das  ist 
die  aspirierte  form  vom  gälischen  halt,  halt  bedeutet  einen 
rahmen;  auch  blofs  einen  rand*.  wahrscheinlich  waren  die 
zählbretter  mit  ihren  rändern  so  rahmenartig  eingerichtet 
dafs  gerade  ein  grofshundert  denare  sich  hineinzählen  liefs, 
die  man  deshalb  einen  rahmen  geld  nannte;  auch  sexa  (sexan 
ist  wohl  pluralform)  wird  diese  summe  genannt,  weil  sie  aus 
6  halben  solidis  bestand,  endlich  kommt  auch  der  ausdruck 
vor  thoa  lasthi  oder  thoalasti.  offenbar  ist  hier  ein  Schreib- 
fehler der  öfter  begegnet  im  spiele,  dafs  nämlich,  wenn 
zwei  Wörter  zusammenstehen  deren  erstes  mit  demselben 
consonanten  auslautet  mit  dem  das  folgende  anlautet,  dieser 
consonant  nur  einfach  geschrieben  erscheint,  also  thoa  lasthi 
steht  für  ihoal  lasthi.  thoal  ist  das  gäüsche  dual,  was  wie- 
der einen  rand,  einen  rahmen,  eine  einfafsung  bedeutet**; 
lasti  öder  lasthi  ist  das  gäüsche  last  oder  lasd  d.  h.  die  la- 

*  walsch  heifst  das  wort  byliad  (in  leichter  form  vyliad)  die 
einfafsung,  einrahmung;  bylu  einfafsen,  einrahmen;  byl  (in  leichter 
form  vyt)  der  rand;  —  das  y  scheint  aber  ursprünglich  ans  a  her- 
vorgegangen, denn  a  lautet  oft  in  e  und  y  um,  wenn  dünne  vocale 
folgen;  bat  (in  leichter  form  val)  heifst  jedes  hervorragende;  ver- 
wandt istfal,  die  einfafsung  rund  herum,  fald  die  bürde. 

**  verwandt  ist  das  wälsche  twl  ringseingefafste  fläche,  in  speeie 
der  eingefafste  hausplatz,  die  leichte  form  des  Wortes  ist  dwl,  die 
aspirierte  dhwl,  die  sanfte  thwl.  in  allen  vier  formen  kann  das  wort, 
und  in  jeder  häufig,  am  wenigsten  häufig  aber  ohne  zweifei  in  seiner 
absoluten  form  twl  vorkommen,  ich  führe  dies  an,  weil  auch  die  gä- 
lischen mundarten  in  ihren  mortificationen  und  ellipsen,  endlich  (die 
älteren  gälischen  Schriften  häufiger,  die  neueren  fast  nur  bei  Wortzu- 
sammensetzungen) in  der  Verdoppelung  (d.  h.  ersänftigung)  der  anlau- 
tenden consonanten  eine  ganz  ähnliche  reihe  haben  wie  das  wälsche  in 

der  leichten,  aspirierten  und  sanften  form  der  initialen,   man  mufs  das 

bei  allen  keltischen  etymologien  berücksichtigen. 

Z.  F.  D.  A.    II.  34 


530  ZUR  LEX  SALICA. 

düng,  thoalasti  ist  also  Rahmenladung,  die  einmalige  ladang 
des  zahlbrettes. 

Paragraph  1  des  erwähnten  titeis,  unum  thoal  lasthi 
=  eine  zahlbretsladung  =  3  solidi  ist  alsa  klar. 

Paragraph  2,  sea^an  chunna  =6X5  halbe  solidi  =  15 
solidi  ist  ebenfalls  klar. 

Paragraph  3,  sepiun  chunna  =  7X5  halbe  solidi  =  17Vi 
solidi  ist  in  sofern  nicht  ganz  klar  als  der  text  nur  17  solidi 
erwähnt  und  den  halben  ausläfst.  es  könnte  gerichtsgebraucb 
gewesen  sein  in  diesem  falle  den  halben .  solidus  nicht  mit 
zu  zählen ;  eher  glaube  ich  dafs  die  nachläfsigkeit  des  einen 
Schreibers  (denn  dieser  satz  kommt  nur  ia  der  heroldischen 
ausgäbe  vor)  die  worte  et  dimidio  ausgelafsen  hat. 

Paragraph  4,  thue  walt  chunna  =  2X6x5  =  zweimal 
fünf  rahmen  =  2X6X5  halbe  solidi  =  30  solidi  ist  klar. 

Paragraph  5,  thue  septen  chunna  =2X7X5  = 
zweimal  35  halbe  solidi  =  35  solidi  ist  einfach  und  klar. 

Paragraph  6,  thuewe  net  chunna  =  2x9x5  = 
zweimal  45  halbe  solidi  =  45  solidi  ist  einfach  und  klar. 

Paragraph  7,  thoto  cunde  sitme  chunna  =  25x5  halbe 
solidi  =  62%  solidi.  diese  glosse  ist  mir  nicht  ganz  erklär- 
bar; thoto  oder  (nach  dem  Pariser  codex)  thotho  scheint 
eine  bezeiehnung  von  zwanzig  zu  sein,  zwar  bietet  tit.n 
§  11  für  zwanzig  den  ausdruck  ßt,  welcher  dem  gälischen 
fitche  entspricht;  indess  wie  man  im  älteren  deutsch  zwei 
Worte  zu  bezeiehnung  von  100  hatte,  nämlich  einhunt  und 
zehanzug9  so  kann  man  auch  im  malbcrgischen  zwei  worte 
für  zwanzig  gehabt  haben,  nämlich  aufser  ßt  noch  tho-to 
welches  etwa  einem  Zweimalzehn  entspräche*,  cunde  (oder, 
wie  es  in  diesem  falle  bei  Herold  geschrieben  ist,  condi)  ist 
die  fünft,  vielleicht  aber,  wie  im  gälischen  sowohl  cuignear 
als  cuig  fünf  bezeichnen,  auch  eine  zweite  form  für  fünf 
wie  sie  bei  zusammengesetzten  zahlen  gebraucht  werden 
mochte ;  also    thoto  cunde  wäre  20  +  5  =  25.    das  chunna 

*  gerade  so  ist  es  im  alten  irländischen,  wo  neben  ßcke,  JUehe, 
fieket,  fuicfed,  fiehead  (zwanzig)  nicht  hlofs  der  ausdruck  da  deich 
(aweimal  zehn)  begegnet,  z.  b.  im  alten  gedieht  Eire  ogh  int's  na  naoimk 
in  v.  45  Biwmaid  da  deich  da  bliadhain,  Diarmad  zweimal  zehn  jähre 
n.  s.  w.,  sondern  auch  das  wort  dochat  zwanzig. 


ZUR  LEX  SALICA;  531 

am  ende  ist  seiner  bedeutung  nach  auch  klar;  was  bedeutet 
nun  aber  sitme  oder,  wie  die  heroldische  ausgäbe  liest,  weih? 
ist  hier  ein  Schreibfehler,  so  scheint  er  grofs  zu  sein,  ich 
weifs  keinen  rath  aufser  den  das  wälsche  gewährt,  wo  gwaith 
(wenn  es  angehängt  wird  blofs  waith)  so  viel  bedeutet  wie 
unser  deutsches  Mal  (z.  b.  unwaith  einmal,  y waith  hon 
diesmal),  nach  streng  regelmäßigem  buchstabenwecbsel  ent- 
spricht diesem  wälschen  worte  das  gälische  faoi  (z.  b.  faoi 
do  zweimal) ;  weth  chunna  hiefse  also  fünfmal,  in  dem  worte 
sitme  könnte  aber  ein  flickwort  stecken,  wie  das  gälische 
ma  seodh  wenn  so,  dann  (fünfundzwanzig  dann  fünfmal), 
oder  seadh  me  meine  ich,  schätze  ich,  wie  die  Nordameri- 
kaner jetzt  1  guess  flickwörtlich  brauchen  (fünf  und  zwanzig, 
taxiere  ich,  fünfmal). 

Paragraph  8,  ßtter  tccus  cunde  =  4X10X5  =  200 
halbe  solidi  =  100  solidi  ist  einfach  und  klar. 

Paragraph   9,   acto  tecus  cunde  =  8x10x5  =  400 
halbe  solidi  =  200  solidi  ist  einfach  und  klar. 

Von  den  beiden  folgenden  paragraphen  will  ich  zuerst 
den  eilften  zu  erklären  suchen,  er  lautet  ßttertos  (wohl 
fitterto  vierzig ,  wie  thoto  zwanzig ;  die  heroldische  ausgäbe 
hat  fitterno  9  offenbar  verlesen  oder  verschrieben)  cunde  thue 
apta  (so  bat  die  Pariser;  die  heroldische  aptheo)  chunna* 
hierin  ist  einfach  erklärbar  40  X  5.  das  sind  aber  erst  200. 
die  ganze  summe  welche  herausgebracht  werden  mufs  be- 
trägt 1600  halbe  solidi;  da  chunna  am  ende  steht,  wie  bei 
den  vorhergehenden  zahlen,  müfsen  also  die  dem  worte  chunna 
vorausgehenden  Zahlwörter  die  summe  320  geben,  welche 
5  mal  genommen  dann  die  1600  voll  machen,  da  fitterto 
cunde  erst  200  sind,  so  müfsen  thue  apta  gleich  sein  120 ; 
da  wir  wifsen  dafs  thue  zwei  heifst,  ist  also  apt  ein  aus- 
druck  der,  gleich  unserem  Schock,  60  bezeichnet,  die  ganze 
glosse  fitterto  cunde  thue  apta  chunna  stellt  sich  also  so 
dar  (40  x  5)  +  (2  X  60)  X  5  =  1600  halbe  solidi  oder 

800  ganze. 

Nun  ist  der  zehnte  paragraph  diesem  ganz  analog. 
thrioto  (die  heroldische  ausgäbe  hat  theiotko,  das  Pariser  ma- 
auscript  hat  thriotus :  beides  scheint  theilweise  verlesen  oder 
verschrieben ;   die   heroldische  Schreibung  mit  ausnähme  des 

34* 


532  ZUR  LEX  SALICA. 

e  für  r  die  richtigere)*  cunde  teriheo  chunna.  von  diesen 
Wörtern  scheint  tkrioto  dreifsig  zu  bedeuten ;  thrioto  cunde, 
dreifsig  fünften,  sind  also  30  X  5  =  150.  da  bleiben  noch 
neunzig  übrig  welche  das  teriheo  ausdrücken  mufs.  wahr- 
scheinlich ist  es  ein  zusammengezogenes  wort  was  ursprüng- 
lich ter  thrioto  (dreimal  dreifsig)  etwa  lautete,  wie  ja  auch 
jetzt  noch  das  gälische  und  bretonische  mit  den  zahlen  20 
bis  100  ein  wenig  in  unbequemer  ausdrucksweise  sind  und 
z.  b.  zehn  und  zwanzig  sagen  müfsen  um  30  auszudrücken, 
zweimal  zwanzig  um  40  u.  s.  w. ,  viermal  zwanzig  (quatre- 
vingt)  um  80,  und  viermal  zwanzig  und  zehn  um  90  aus- 
zudrücken, da  ist  dreimal  dreifsig  noch  compendiös  dagegen, 
es  ist  wie  das  vulgäre  irische  wort  für  27,  nämlich  tri- 
naonmhar  (3  X  9).  dieser  ganze  zehnte  paragraph  der  glosse 
stellt  sich  also  nun  so  dar,  thrioto  cunde  teriheo  chunna 
=  (30  X  5  +  90)  X  5  =  1200  halbe  solidi  =  600  solidi. 
Ich  denke  so  erklärt  sich  dieser  fast  ganz  in  malbergi- 
scher  spräche  abgefafste  titel  der  lex  salica  höchst  einfach 
und  der  jetzigen  gälischen  ausdrucksweise  von  zahlen  ganz 
analog,  die  Überschrift  incipiunt  chunnas,  d.  i.  hier  begin- 
nen die  fünfen,  ist  offenbar  gewählt  weil  mit  ausnähme  der 
ersten,  den  iahalt  des  zahlbrettes  angebenden  glosse,  alle 
folgenden  eine  verfünffacbung  eines  ansatzes  enthalten  und 
mit  dem  worte  chunna  schliefsen  **.  es  ist  übrigens  in  alten 
gälischen  aufzeichnungen  nicht  ohne  beispiel  dafs  unter  den 

*  ganz  ähnliche  formen  finden  sich  altg'alisch,  z.  b.  chaogad  fünf- 
zig (a  eolcha  Albain  uile  v.  105,  und  das  eine  mantrscr.  von  Eiris  ogh 
inis  na  naoimh  v.  16).  ebenso  cethrachat  oder  cetrachat  vierzig  (die 
anderen  mss.  von  Eiris  ogh  inis  na  naoimh  v.  16).  diesen  formen  ge- 
mäfs  ist  auch  eine  alte  form  iriad  dreifsig  zu  .präsumieren,  malber- 
gisch  correspondieren  dann  triad  zz  thrioto,  cethrachat  zzijitterto, 
eaogad  =  chuntoV 

einigermafsen  etwas  analoges  findet  sich  in  den  leget  WalUtt 
tit.  xlvhi.  quot  modis  dicitur  duodenarius  numerus  in  lege,  duode- 
cies  reddvntur  im  denarii  sine  elevatione  u.  s.  w.  an  den  wälschei 
gesetzen  ist  es  nicht  die  5,  sondern  3  und  4;  und  3  mal  3  (9);  und 
3  mal  4  (12) ;  und  4  mal  12—  welche  alles  bestimmen,  auch  3  mal  3 
(9)  und  4  mal  4  (16).  das  zablenprincip  ist  also  vorhanden  wie  im  sal. 
gesetz,  aber  es  sind  andere  grundzahlen  gewählt,  nur  in  bezug  auf 
frauenangelegenheiten  kommt  auch  die  5  vor,  tit.  xxvi.  triades  §20 
Pitnpt  ritiei  gureic  (quinque  praecipua  uxoris)  u.  ä.  w.  und  bei  schuld- 


ZUR  LEX  SALICA.  533 

zahlen  die  fünf  (so  wie  in  gröfseren  summen  dann  die  zwan- 
zig und  das  hundert)  hervortritt,  so  wird  z.  b.  die  zahl  acht 
öfter  durch  Drei  zu  fünf  zusammen  ausgedrückt :  ton  bliadkna 
fa  ehuig  gan  roinn  (drei  jähre  zu  fünf  ohne  trennung)  heifst 
es  in  dem  alten  gälischen  gedieht  aus  dem  eilften  Jahrhun- 
dert welches  nach  seinen  anfangsfrorten  a  eolcha  Albain 
uile  genannt  wird,  im  43n  verse.  neun  und  zwanzig  wird 
v.  17  des  alten  gedientes  Eire  ogh  inis  na  naoimk  ausge- 
drückt durch  cethrar  euice  cotec  d.  i.  vier  und  fünfmal  fünf. — 
dies  gedieht  ist  aus  dem  12n  jh.,  beruft  sich  aber  auf  ältere 
historische  lieder  und  scheint  zuweilen  deren  text  aufzu- 
nehmen. 

Zahlungen  bestimmten   einige   die  frist  statt  nach  3  mal  3  tagen  naeh 
3  mal  5  tagen,  tit.  lvii  de  furto  §  26. 

H.  LEO. 

DIE  ALTDEUTSCHE   STAMMSAGE  BEI  DEN 

SCHOTTEN. 

Jacob  Grimm  im  anhange  seiner  deutschen  mythologie 
xxvn  f.  theilt  in  einer  stelle  des  Nennius  und  in  der  eines 
unbekannten  compilators  Zeugnisse  mit  von  dem  fortleben  der 
alten  deutschen  bei  Tacitus  zuerst  sich  findenden  stammsage 
von  einer  dreitheilung  des  Volkes  nach  den  söhnen  des  Man- 
nusy  dem  Isco,  Ingo  und  Hermio.  diesen  späteren  stellen 
zufolge  hat  Escio  oder  Hisicio  (so  wird  Isco  genannt ;  die 
letztere  form,  die  sich  bei  Nennius  findet,  hat  schon  ein 
keltisches  vorgeschobenes  h)  vier  söhne,  Francus,  Romanus, 
Alamannus  und  Britus,  oder  es  stammen  von  ihm  ab  Francis 
Romani,  Alamanni  et  Brictones.  hier  wird  also  die  bevölke- 
rung  Italiens,  Galliens  und  Britanniens  von  Isco  abgeleitet. 

Es  ist  bekannt  welches  sagengewirr  die  irische  und 
schottische  Urgeschichte  bildet,  die  flüfsigkeit  keltischer  laute 
hat  es  leicht  gemacht  irische  und  schottische  namen  etymo- 
logisch an  die  sprachen  und  namen  der  entferntesten  Völker 
anzuknüpfen,  und  wie  es  in  neuerer  zeit,  seit  England  in 
nächste  Verbindung  gekommen  ist  mit  Ostindien,  nicht  ge- 
fehlt hat  an  leuten  die  alte  indische  Überlieferungen  mit  gä- 
lischen namen  und    stammsagen  in  Verbindung  zu  bringen 


534      DIE  ALTD.  STA  MM  SAGE  BEI  DEN  SCHOTTEN. 

gesucht  haben, .  so  haben  im  mittelalter  irische  und  schotti- 
sche mönche  nicht  blofs  den  Eber  der  israelitischen  Urge- 
schichte, sondern  auch  Phönicier,  Iberier,  Skythen  und  wer 
weifs  was  alles  der  landesgeschichte  der  britischen  inseln  in 
der  urzeit  verknüpft,  man  wird  bei  diesen  versuchen  die 
urzeit  zu  bevölkern  lebhaft  an  unser  deutsches  Sprichwort 
erinnert  Bei  nacht  sind  alle  kühe  schwarz. 

Interessant  mufs  es  uns  aber  sein  dafs  an  einen  schot- 
tischen mönch,  der  kurz  nach  der  mitte  des  eilften  Jahrhun- 
derts ein  gälisches  gedieht  verfafste  das  O'Cohor  mittheilt  und 
das  nach  seinen  anfangsworten  A  eolcha  Albain  wie  ci- 
tiert  wird,  auch  unsere  deutsche  stammsage  gekommen  war 
und  dafs  er  sie,  gleich  Nennius,  mit  der  abkunft  britischer 
Völker  in  beziehung  setzt,  ich  gebe  die  beiden  hierher  ge- 
hörigen Strophen  zuerst  in  ihrem  gälischen  text  und  dann  in 
der  Übersetzung,  den  gälischen  text,  ungeachtet  sich  in 
Deutschland  nicht  viele  dafür  interessieren  werden,  füge  ich 
theils  der  urkundlichkeit  wegen  bei,  theils  weil  meine  Über- 
setzung an  zwei  stellen  von  O'Conor  abweicht,  der  hier  sehr 
nachläfsig  gewesen  zu  sein  scheint;  da  aber  O'Conor  als  Ir- 
lander die  Präsumtion  richtigeres  Verständnisses  für  sich  ha- 
ben könnte,  mufs  ich  .doch  dafür  sorgen  dafs  sachverständige 
meine  Übersetzung  vollständig  controüieren  können. 

Strophe  2 
Albanus  do  ghab  via  n  slogh, 
Mac  sein  oirdkairc  Isiocoin, 
Brathair  do  Britus  gan  brath ; 
0  raitir  Alba  eathrach. 

Strophe  3 
Ro  ionnarb  a  bhrathair  bras 
Britus  tar  muir,  n  locht  na?nhnas; 
Ro  gabh  Briotus  Albain  ain 
Go  roinn  fiaghnach  Fothudam. 
die  Übersetzung  ist 

2 
Albanus  nahm  es  (nämlich  Albanien)  mit  seinem  keere, 
Der  ältere  söhn  des  edeln  Isiocon, 
Bruder  (nämlich  war  er)  zu  Britus  gewüslich; 
Von  ihm  wird  genannt  Alba  (Albanien)  das  schiffreiche. 


DIE  ALTD.   STAMMSAGE  BEI  DEN  SCHOTTEN.      535 

3 

Es  vertrieb  seinen  bruder  gewaltthätig 
Der  Britus  übers  meer,  nickt  pietät  war  das; 
Es  nahm  Britus  das  preiswürdige  Albanien 
Bis  zur  gegend  des  wildpretreichen  Fothudanien. 
Hier  haben  wir  den  Isiocon  als  vater  des  Albanus  und  Bri- 
tus wie   bei  Neunius  den  Hisicio   als  vater  des  Alamannus 
und  Brutus,     offenbar  hat  sich  der  Schotte   der  deutschen 
Völkergenealogie,   in   welche   er  bereits  einen  Britus  einge- 
flochten finden    mochte,     weiter  bemächtigt  und  den   Ala- 
mannus in  Albanus  verkehrt,    oder  sollten  hier  wiirklich  ur- 
alte  den  Germanen  und  Kelten  gemeinsame  Überlieferungen 
zu  gründe  liegen?    allein  die   lateinischen  nämensendungen, 
Albanus,  Britus,  vcrrathen  eine  gelehrte   lateinische  quelle, 
und  der  name  Isiocon  (spr.  Isicon)  zeigt  dann  deutlich  dafs 
ihn  der  verfafser  nicht  nach  einer  nominativform  Isico,  son- 
dern nach  formen  anderer  easusflexionen,   Isiconis  u.  s.  w., 
gebildet  hat.  H.   LEO. 


DER  SALDEN  TOR. 

In  den  homerischen  dichtungen  gibt  die  menschliche  auf- 
fafsung  der  götter  jedem  derselben  sein  eigenes  haus  auf  ei- 
nem der  umwölkten  gipfel  des  Olympos,  und  die  personifi- 
cation  und  Vergöttlichung  der  träume  besteht  hauptsächlich 
darin  dafs  ihnen  thore  zugeschrieben  werden,  bald  eins  an 
dem  der  schlafende  ruht  (Od.  4,  809),  bald  zwei  aus  denen 
sie  selber  hervorgehen  (Od.  19,  562  ff.). 

Die  Vorstellung  von  gotteshäusern  ist,  wie  mehr  als  eine 
stelle  altnordischer  dichtungen  zeigt,  auch  der  deutschen  my- 
thologie  nicht  fremd  gewesen  5  nur  hat  sich  der  poetische 
redegebrauch,  der  die  Synekdoche  liebt,  nach  und  nach  an 
einen  ausdruck  dieser  art  festgeheftet  und  spricht  bei  göttli- 
chen wesen  und  göttlich  bewalteten  dingen  nicht  von  einem 
hause,  sondern  von  einem  thore  derselben,  von  dem  thore 
das  auch  sonst  das  ganze  haus  symbolisch  vertritt  als  dessen 
geheiligter  ein-  und  ausgang  (rechtsalt.  174  ff.  726  ff.),  so 
heifst  die  Eider  ahd.  Egidora  Agadora,  altn.  Aegisdyr  d.  h. 


536  DER  SALDEN  TOR. 

thor  des  meeres-  und  Schreckensgottes  (mythol.  174)*;  so 
kennen  mhd.  dichter  ein  thor  der  Minne  (vdH.  2,  .157*), 
der  Liebe  (Ulr.  v.  d.  Türlin  Wüh.  cod.  pal.  98*),  des  To- 
des (ebenda  34*)  **,  und  ein  alliterierender  reisesegen  wahr- 
scheinlich des  12n  jh.  (Diut.  2,  70)  nennt  neben  einander 
diz  sigidor,  dix  selgidor  (lies  saldetor),  diz  wdgidor  and 
dix  wdfindor'f. 

Der  Scelde  tor,  dieser  eine  ansdrnck  wiederholt  sich  be- 
sonders häufig,  von  Jacob  Grimm  ist  nachgewiesen  (myth. 
504  ff.)  in  wie  heidnisch  sinnlicher  weise  noch  das  ganze 
mittelalter  von  der  glückseligkeit  spricht,  wie  sie  da  schüft 
und  wacht  ff,  zürnt  und  lacht,  so  nun  hat  sie  auch  ein 
thor  (leseb.  1,  274,  25)  das  ihren  Hebungen  sich  öffnet,  den 
unbegünstigten  verschlofsen  ist,  und  ebenso  ein  thor  ihre 
böse  Schwester,  die  Unsmlde :  Unsmlde  si  mir  uf  getan! 
Rabenschi.  57\ 

Was  jedoch  nicht  zu  übersehen,  gewöhnlich  und  beinah 
überall  heifst  es  nicht  der  Scelde  9  sondern  mit  anderer  ea- 
dung  der  sceiden  tor:  Walth.  20,  31.  Grootes  taschenb.  138 
(vom  j.  1402).  der  scelden  tär  Heinr.  v.  d.  Türlin  45.  160. 
vdHagen  1,  93*.  der  scelden  parte  leseb.  1,  331,  36. 
diese  form  aber  ist  mehrfacher  auslegung  fähig,  entweder 
ist  da  Scelde  ganz  als  weiblicher  eigenname  verstanden  and 
deshalb  schwach  flectiert  (wie  Unsmlde  vdHagen  2,  209"), 
oder  es  ist  gen.  plur. :   letzteres   dann  entweder  auf  grond 

*  die  Eider  ist  der  grenzflufs  zwischen  Sachsen  und  Dänen,  und 
als  hauptgottheiten  der  letzteren  werden  Juppiter  und  Neptun  genannt : 
Ermold.  Nigell.  3,  5  ff.  4,  451  ff.  eine  Urkunde  der  Karolingerzeit  im 
Staatsarchiv  von  Zürich  hat  am  Zürcher  see  einen  ort  namens  Agasöl, 
wobei  in  betracht  kommt  dafs  Columban  und  Gallus  an  eben  diesem 
see  idola  Iovis-et  Neptuni  vorfanden  (mön.  Germ.  hist.  2,  61). 

**  vergl.  die  thore  des  todes  und  der  finsternis  und  das  haus  des 
lichtes  Hiob  38,  17.  20. 

+  bislozin  si  dir  diz  wdgidor,  samt  si  dir  diu  wäfindor ;  in  einem 
andern  reisesegen  htirre  got,  du  muozist  in  biscirmin  vor  wäge  vnie 
for  wdffine  Diut.  2,  293. 

++  swer  die  nu  solte  schouwen,  des  sceld  was  niht  entsldjen  Ulr. 
v.  d.  Türlin  46a.  weent  ir  daz  min  scelde  iht  wache*  cod.  pal.  341, 
340c.  ganziu  tugent,  meines  teil:  dd  wachet  schände  und  släfet  heil 
Heinr.  v.  d.  Türlin  44.  vergl.  fortunam  eius  in  malis  lantum  cimli- 
bus  pigilasse  Amin.  Marc.  14,  10, 


DER  SiELDEN  TOR.  537 

der  annähme  mehrerer  glückgöttinnen,  oder  indem  scelde  mit 
aufgebung  der  persönlichkeit  lediglich  abstract  genommen  und, 
wie  das  bei  abstracten  zn  geschehen  pflegt,  in  den  pluralis 
gesetzt  ist. 

Diese  dritte  auslegung,  nach  welcher  tor  beinahe  nur 
noch  ein  ausdruck  ist  ohne  bestimmt  bewusten  sinn,  möchte 
wohl  den  Vorzug  verdienen,  denn  jedesfalls  hat  Hartmann 
die  mythische  grundanschauung  bereits  verloren,  wenn  er  gott 
selbst  als  pförtner  die  scelden  porte  verschliefsen  läfst  (le- 
seb.  1,  331,  35),  und  nach  analogie  des  altgewohnten  thores 
der  glückseligkeit  wird  hin  und  wieder  auch  solchen  ab- 
stracten ein  thor  beigelegt  für  die  eine  einstmalige  personi- 
fication  zur  gottheit  nicht  wohl  anzunehmen  ist*:  derriuwe 
tor  Parz.  649,  8.  der  wünne  porte  vdH.  2,  125%  und  gar 
der  ritterschefte  tor  Suchenw.  1,  14;  da  aber  begegnen  uns 
ganz  unzweifelhafte  plurale:  der  Jröuden  tor  vdH.  2,  I57b. 
313***. 

Dergleichen  ist  dann  eine  eben  so  unmythische,  nur  noch 
dichterische  Sinnlichkeit  der  darstellung  wie  das  sinkende 
haus  des  rechts  in  Aeschylus  Eumeniden  516  neben  den  tho- 
ren  der  träume  und  den  götterhäusern  Homers. 

*  wie  eben  solche  nun  auch  schlafen  und  wachen  gleich  der  Saelde : 
vergl.  anm.  zu  Walth.  2,  172.  man  siht  ofte  wachen  unwize  und 
kunst  sldfen  Heinr.  v.  d.  Türl.  4.  ir  güete  und  ir  beseheidenheit  ist 
leider  gar  gein  mir  entsldfen  vdH.  1,  66b.  nuo  begund  mir  freude 
wehen  gehügde  Ulr.  v.  d.  Türl.  116b. 

**  vergl.   bi  werdem  man  so  wachent  wibes  güete  vdH.  1,  343*. 

WILH.  WACKERNAGEL.   . 


IN  DEN  WALD  WÜNSCHEN. 

Zu  den  gedieh ten  Walthers  von  der  Vogelweide  welche 
die  kunst  der  ausleger  necken  gehört  besonders  der  an  Leo- 
pold von  Österreich  gerichtete  Spruch  bei  Lachmann  s.  35. 
so  viel  ist  klar,  der  herzog  hatte  Walthern  in  den  wald  ge- 
wünscht, der  dichter  entgegnet  indem  er  mit  scherz  und 
Wortspiel  den  wünsch  zurückgibt,  die  hauptsache  wird  nun 
sein  zu  erklären  was  sich  das  mittelalter  bei  einer  verwün- 


538  IN  DEN  WALD  WÜNSCHEN. 

schling  in  den  wald  gedacht  habe,  zu  Walthers  zeiten  viel- 
leicht nichts  recht  bestimmtes  mehr,  vielleicht  auch  mehrer- 
lei neben  einander,  ich  will  zur  ergänzung  und  weiteren 
begründung  dessen  worauf  bereits  der  commentar  zu  Sim- 
rocks  Übersetzung  2,  168  hingewiesen  hat  die  mehrfachen 
bedeutungen  die  möglich  seien  zu  entwickeln  suchen. 

Ein  altüblicher  ausdruck  enthält  dieselben  alle  kurz  ver- 
einigt, der  wilde  wald,  eine  zugleich  ablautende  und  allitterie- 
rende  wortpaarung  wie  das  grüne  gras  und  wie  im  grie- 
chischen ovQavbg  evyvg,  evgvg  ccqovqcc. 

Der  wilde  wald,  es  ist  das  aus  dem  munde  des  behag- 
lich eingehausten  und  gesitteten  menschenlebens  gesprochen. 

Denn  dem  unfruchtbaren  walde  steht  erstlich  das  feld, 
der  bestellte  acker  entgegen;  wie  denn  auch  Walther  sagt 
wünsche  mir  ze  velde  vnd  niht  ze  walde.  wer  daher  jemand 
in  den  wald  wünschte,  der  wünschte  ihn  vom  segen  des 
menschlichen  fleifses  weg  in  die  von  menschenhand  noch  un- 
berührte, unangebaute  wildnis. 

Da  aber  mit  dem  ackerbau  der  feste  Wohnsitz  verbun- 
den ist,  weshalb  bauen  (das  gr.  cpvuv)  sowohl  vom  bepflan- 
zen des  ackers  als  dann  auch  vom  wohnen  und  vom  errich- 
ten der  wohnung  gesagt  wird,  so  ergibt  sich  der  allitterie- 
rende  gegensatz  heim  und  holz  (leseb.  1,  113,  21),  der 
wirtliche  wohnsitz  und  der  unwirtbare  wald,  und  die  Ver- 
wünschung in  letzleren  ist  eine  Verwünschung  fort  aus  dem 
verkehr  der  draufsen  angesessenen  menschen,  deshalb  Wal- 
ther lä  mich  bi  den  Hüten :  möglicher  weise  noch  ein  Wort- 
spiel mit  Littpolt,  eben  wie  der  wünsch  in  den  wald  eins 
mit  Walther. 

Sollten  felder  und  häuser  an  die  stelle  des  wilden  wal- 
des  treten,  so  muste  man  diesen  zuvor  ausräuten.  das  war 
aber  die  arbeit  roher,  selbst  halbwilder  bauern,  so  dafs  die 
allitteration  hof  und  holz  den  gegensatz  von  bildung  und 
bildungslosigkeit,  von  höfischer  feinheit  des  Verstandes  und 
der  sitte  und  bäurischer  Stumpfheit  und  unsitte  ausdrückt 
(swer  niht  enmerket  daz  er  siht,  er  enbezert  sich  da  von 
mht:  im  möhte  sin  als  meere  daz  er  da  ze  holze  wasre  so 
da  ze  hove  welsch,  gast  1,  2),  und  derjenige  den  ein  fürst 
in  den  wald  wünscht  damit  vom  hofe  weg  in  das  schwere 


IN  DEN  WALD  WÜNSCHEN.  539 

leben  der  törper  verwünscht  ist.     Walther  crwiedert  ichn 
kan  niht  muten. 

Erst  dann  ein  sitz  menschlicher  cultur  wenn  er  ver- 
schwindet, ist  der  wald  so  lange  er  steht  nur  die  heimat 
des  wildes :  der  mensch  betritt  ihn  nur  als  Jäger,  während 
er  im  kriege  mit  menschen,  auch  in  diesem  unfriedlichen 
verkehr  mit  seinesgleichen,  lieber  auf  freiem  felde  bleibt«  so 
aufgefafst  können  feld  joh  wald  auch  krieg  und  jagd  bedeu- 
ten (Otfr.  1,  1,  62),  und  der  in  den  wald  verwünschte  ist 
verwünscht  zu  den  thieren,  zu  den  hölzingen,  wie  ein  alter 
eupbemismus  den  wolf,  den  schrecken  des  holzes,  nennt 
(Reinh.  lv). 

Aber  der  wald  ist  auch  das  reich  unheimlicher  wesen; 
wer  sich  da  verirrt,  den  schrecken  auch  tualdschraten,  höh* 
weiblein,  Waldteufel  jeglicher  art,  oder  er  geräth  einem  men- 
schenfrefsenden  türsen  in  die  hände  (leseb.  1,  559.  vdHagen 
2,  331b),  und  es  laufen  da  aufser  den  wölfen  auch  wehrwölfe. 
insofern  sich  nun  fluche  und  Verwünschungen  gern  zurück- 
beziehen auf  Vorstellungen  des  heidenthums,  möchte  der  ur~ 
sprüngliche,  wenn  schon  nicht  der  immer  und  allein  festge- 
haltene sinn  der  Verwünschung  in  den  wald  eine  Verwün- 
schung zu  allen  teufein  desselben  gewesen  sein*  oder  eine 
anfluchung  dämonischer  wolfsgestalU  in  der  that  gibt  es  auch 
wenigstens  zwei  stellen  die  unzweifelhaft  nur  in  solche* 
weise  können  verstanden  werden,  eine  in  der  Crescentia, 
wo  der  marschall,  nachdem  er  Crescentien  eine  unholde  ge- 
scholten, noch  hinzusetzt  (kaiserchr.  cod.  pal.  73d,  vergl. 
KoL  cod.  s.  262)  du  soldes  billecher  da  ce  holz  vorn**  dm 
die  megede  hie  (bei  hofe)  bewaren,  und  eine  die  noch  dem 
15n  jh.  angehört,  in  der  Mörin  Hermanns  von  Sachsenheim 
(Worms  1539.  xvnc),  die  köngin  sah  den  Eckart  an  Vnnd 
sprach  eberting9  geschweig  der  wort!  Lieffestu  inn  jhenem 
wald  dort  Vnd  werst  ein  wolff,  das  acht  ich  klein'  'Gnad9 

*  vergl.  wie  Filimer  der  Gothenkonig  die  Aliorunen  (d.  h.  Halio- 
runen,  abd.  hellirüna)  in  die  wildnis  jagt,  wo  sie  mit  den  waldmän- 
nern  sich  vermischend  das  volk  der  Hunnen  erzeugen,  Jornand.  24. 

"  fahren  bezeichnet  auch  sonst  das  wild  un State  leben  dämoni- 
scher weiber:  haghedissen  ende  varende  vrauwen  hör.  belg.  1,  119. 
varende  w(f  der  Wirbelwind  mythol.  617. 


540  IM  DEN  WALD  WÜNSCHEN. 

firaw,  so  lieff  ich  wider  heym  Vnd  wer  gleich  Eckart  als 
auch  vorl  'Wer  weyfs,  man  schlug  leicht  ȟ  das  thor 
Vnd  liefs  dich  Schnecken  blenden  gon* 

W1LH.  WACKERNAGEL. 


ZWÖLF  SCHWERTER  UND  NEUN  HERZEN. 

Eine  recension  des  Rosengartenliedes  legt  Siegfried,  dem 
könige  aus  Niederland,  zwölf  Schwerter  bei,  er  vüeret  »weif 
swerty  eine»  ist  Balmunc  genant.  Wilhelm  Grimm  (Roseng. 
s.  v)  ist  geneigt  die  worte  für  verderbt  zu  halten  und  ver- 
mutet als  ursprüngliche  lesart  er  vüert  der  »weif  swerte  eins, 
deist  Balmunc  genant;  worin  dann  eine  beziehung  liegen 
würde  auf  eine  hie  und  da  anklingende  sage  von  zwölf  un- 
ter die  verschiedenen  helden  ausgetheilten  elfenschwertern. 
gleichermafsen  ist  ihm  wahrscheinlich  dafs  die  erzählung  des- 
selben und  noch  eines  andern  Rosengartenlextes  von  zwei 
oder  drei  halsbergen,  die  Siegfried  angethan  habe,  nur  auf 
einem  misverständnis  beruhe;  ein  älteres  lied  habe  von  dri- 
liehen  d.  h.  dreifach  geflochtenen  halsbergen  gesprochen  (hd- 
dens.  s.  250.  Roseng.  s.  v). 

Ich  weifs  jedoch  nicht  ob  diesen  Vermutungen  beizustim- 
men sei.  denn  die  rohere  kunst  (und  sicherlich  zeigt  sich 
im  Rosengarten  die  poesie  des  Volkes  roh  und  verwildert 
genug)  scheut  sich  nicht  abstracte  eigenschaftsbegrifFe  auch 
auf  die  abenteuerlichste  weise  sichtbar  zu  versinnlichen; 
Inder  Slawen  Mongolen  dichten  und  bilden  vielhändige  viel- 
häuptige  götter,  Griechenland  hat  seinen  dreiköpfigen  Cer- 
berus,  seinen  hundertäugigen  Argus,  der  scandinavische  nor- 
den das  achtbeinige  pferd  Odhins  und  riesen  mit  drei,  mit 
sechs,  mit  neunhundert  häuptern  (mythol.  s.  222  f.) :  warum 
nun  die  drei  halsberge,  die  zwölf  Schwerter  nicht  eben  der- 
gleichen vergröbernde  Symbole,  dieses  der  zwölfiachen  manns- 
stärke,  welche  das  Nibelungenlied  336,  3  dem  helden  in  der 
tarnkappe  ausdrücklich  zuschreibt,  jenes  der  unverwundbar- 
keit, die  sonst  minder  auffällig  durch  die  hornhaut  symboli- 
siert, aber  auch  so  immer  nur  symbolisiert  wird? 

Und  dies  um  so  mehr  als  die  dichtungen  des  deutschen 


ZWÖLF  SCHWERTER  UND  NEUN  HERZEN.       541 

wie  des  romanischen  mittelalters  sonst  noch  manches  der- 
selben,  ja  ooch  viel  roherer  art  enthalten,  der  drei  achwer- 
ter des  Ferabras  nicht  zu  erwähnen,  weil  zwei  davon  über 
den  Sattelbogen  des  rosses  gehängt  werden  (Fierabr.  s.  9) : 
in  dem  gleichen  Rosengarten  wie  in  der  altschwedischen  Vil- 
kina-saga  hat  Heime  vier  eilenbogen  (heldens.  s.  257.  Ro- 
seng, s.  lxxiv)  d.  h.  riesenhaft  rlanga  arma;'  im  Reinardns 
kommen  widder  vor  mit  vier,  sechs,  acht  hörnern,  worauf 
der  dichter  schwerlich  durch  die  vielhörnigen  schafe  Islands 
geführt  worden  (Jac.  Grimm  Reinh.  s.  jlx&ii);  in  einem 
Volksmärchen  (n°  38)  fuchse  mit  zwei  bis  neun  schwänzen 
d.  h.  von  doppelter  bis  zu  neunfacher  fuchseslist;  und  einen 
menschen  von  außerordentlichen  geistesgaben  nannte  man 
ehemals  neunherzig,  der  übertraf  an  verstand  und  gemüt  die 
gewöhnlichen  menschen  wohl  um  das  neunfache,  von  Me- 
genze  wol  niunherzic  man  heifst  bei  Reinmar  von  Zweter 
(vdH.  2,  2101)  der  erzbischof  Siegfried  der  2c  von  Epstein; 
s6  nimt  mich  wunder  daz  er  niunherzecliche  kan  geleben: 
mit  eime  übe  erz  allez  tuot*.  die  Adelnhauser  hs.  in  Zü- 
rich (altd.  Ml.  1,  343),  deutet  n°  52  die  neun  herzen  auf 
neunerlei  geistliche  eigenschaften.  ein  rehte  guot  mensche 
sol  han  nivn  herze,  ein  herze  mit  allem  vride.  ein  behuetit 
hercc  mit  allem  vlize.  ein  linde  herze  daz  ein  iegelich  in- 
gesigel  tool  müge  enphqhen  nach  sime  dinge,  ein  wit  herze 
da  himelrich  und  ertrich  wol  inne  milgen  gestan.  ein  vf er- 
haben herze  ob  allen  zerganclichen  dingen,  ein  gebunden 
herze  mit  rehter  gehorsami.  ein  enthaltende  herze  mit  der 
gütlichen  minne.  ein  gesament  herze,  mit  der  gotlichen  wis- 
heit.  ein  beslozzen  herce  mit  der  heiligen  drivaltikeit.  die 
spätere  zeit  hat  diesen  symbolischen  ausdruck  in  dem  ge- 
schlechtsnamen  Neunherz  festgehalten  (ein  Job.  Neunherz, 
geb.  zu  Schmiedeberg  1653,  gest.  zu  Hirschberg  1737,  ver- 
fafser  der  Evangel.  sabbaths-freude.  Zittau  1690.  12),  und 
zugleich  ihn  ganz  unsymbolisch  auffafsend  ein  grausenhaftes 
Zaubermittel  daraus  abgeleitet.  cwer  von  neun  herzen  noch 
ungeborener  knaben  gegefsen,  konnte,  welchen  diebstahl  oder 

*  der  schlafs  dieses  Spruches  bedarf  noch  der  befserung;  wahr- 
scheinlich daz  wil  ich  dne  zwhel  lauen,  im  ist  nach  foen  also  ger 
daz  nie  ein  hungergttic  ber  so  nötec  wart  nach  süezes  honeges  rd*en. 


542        ZWÖLF  SCHWERTER  UND  NEUN  HERZEN 

sonstiges  verbrechen  er  immer  begeben  mochte,  dabei  nicht 
ergriffen  werden,  nnd  wenn  er  dennoch  durch  einen  znfall 
in  die  gewalt  seiner  gegner  geratben  sollte,  sich  unsichtbar 
machen  und  so  seinen  banden  sich  wieder  entziehen  Tetlau 
und  Temme,  volkssagen  Preufsens  s.  266. 

WILHELM  WACKERNAGEL. 


THEILEN,    THEILEN   UND   WÄHLEN, 
THEILEN  UND   KIESEN. 

1 .  Die  letztwillige  Verfügung  jemandes  über  den  eintritt 
anderer  in  sein  eigenthum  wird  im  altdeutschen  mit  den 
zeitworte  teilen  bezeichnet :  es  liegt  darin  beides  ausgedrückt, 
die  sonderung  des  gutes  In  seine  bestand th eile,  und  die  Be- 
stimmung der  einzelnen  personen  welchen  dieser  und  jener 
zufallen  solle.  Walth.  60,  34.  Reinm.  vdH.  1,  176*.  die  frei- 
heit  solcher  Verfügungen  war- jedoch  in  mehr  als  einer  weise 
gesetzlich  beschränkt,  und  es  kamen  dieselben  immer  nur 
ausnahmsweise  vor.  der  regel  nach  war  es  den  erben  übcr- 
lafsen  mit  berücksichtigung  der  bestehenden  rechte  die  sacbe 
unter  sich  selbst  in  Ordnung  zu  bringen,  da  aber  waren 
verschiedene  verfahrungsarten  möglich  und  gebräuchlich. 

2.  Das  erste  verfahren  zeigt  jene  beiden  Seiten  der 
letztwilligen  Verfügung  in  geschickter  weise  unter  die  erben 
vertheilt;  zugleich  ist  es  ein  beispiel  für  die  cbaracteristi* 
sehe  neigung  des  altdeutschen  rechtes  das  jnstum  und  das 
aequum  mit  einander  zu  vereinbaren,  ich  meine  das  durch 
alle  stamme,  durch  alle  Jahrhunderte  gehende  gesetz,  wo 
zwei  zu  einem  erbe  geboren  seien,  solle  der  ältere  theileo, 
der  jüngere  wählen,  der  ältere  die  erbschaftstnasse  in  zwei 
hälften  zerlegen,  und  dann  der  jüngere  zuerst  sich  erklären, 
welche  der  beiden  hälften  er  wolle,  sachsensp.  landr.  m,  29. 
schwabensp.  landr.  26,  2.  237,  2  (andere  stellen  rechtsalt. 
s.  480).  damit  wird  sowohl  der  erstgeburt  ein  Vorrecht, 
dem  gereifleren  alter  ein  übergewicht  der  Verständigkeit,  als 
auch  dem  jüngeren  sein  gutes  anrech t,  eine  freie  willkür  des 
thuns  und  lafsens  zugestanden,  hier  und  dort  aber  dem  über- 
greifenden eigennutze  würksam  vorgebeugt. 


THEILEN.  343 

Auf  diesem  gebrauche  des  theilens  and  wählens  beruht 
eine  sprichwörtliche  redensart  die  ans  bei  den  dichtem  des 
milteialters  häufig  begegnet:  Von  einem  der  die  ganze  fülle 
des  glückes  und  der  gewalt  in  händen  hat  wird  gesagt,  er 
selbst,  er  allein  theile  und  wähle  zugleich.  Hartmann  büchl. 
2,  615 f.  vdH.l,94b.  127b.  2,  78b.  Ulr.  v.  Turh.  Wilh.  cod, 
guelf.  60*  so  woidet  ir  hdn  beidiu  das  teilen  und  daz  wein* 
Dasselbe  verfahren,  nur  mit  einer  merkwürdigen  um- 
Wendung  der  aequitas,  indem  der  jüngere  theilte,  der  ältere 
wählte,  kannten  auch  die  einwohner  von  Wales,  indessen 
die  britischen  rechtsgebräuche  berühren  sich  auch  in  ganz 
anderen  stücken  mit  denen  des  deutschen  Volkes,  und  hier 
möchte  sogar  eine  blofse  entlehnung  im  spiele  sein:  denn 
eben  jene  umwendung  war  auch  normannischer  grundsatz, 
rechtsalterth.  480.  das  aber  ist  auffallend,  dafs  einmal  auch 
die  Römer  davon  gewust  haben ;  dafs  uns,  abweichend  von 
dem  ausgebildeten  recht  der  späteren  zeit,  welches  davon 
auch  nicht  die  leiseste  spur  mehr  übrig  hat,  doch  für  die 
sagenhaften  anfange  der  römischen  geschieh te  die  sitte  des 
theilens  und  wählens  deutlich  bezeugt  wird,  nämlich  in  der 
erzählung  von  Numitor  und  Amulius  bei  Plutarch  Rom.  3. 
Amulius,  also  auch  hier  der  jüngere  bruder,  theilt,  als  einen 
theil  die  guter  und  schätze  des  hauses,  als  anderen  das  blofse 
königthum  vorlegend ;  Numitor,  der  ältere,  wählt,  und  zwar 
das  königthum.  welche  erzählung  Pomponius  Laetus,  oder 
wer  sonst  verfafser  des  dem  Aurelius  Victor  zugeschriebenen 
buches  de  origine  gentis  Rom.  sein  mag,  in  dem  einen  punkte 
aus  misverstand  oder  absieht  ändert  (cap.  19)  dafs  Numitor 
die  guter  gewählt  und  das  königthum  dem  nachgeborenen 
überlafsen  habe,  bei  Dionysius  von  Hai.  1,76  ist  Numitor 
nicht  durch  theilung  und  wähl,  sondern  schon  durch  die  erst- 
geburt  zur  thronfolge  berechtigt. 

3.  Zu  dem  Vorrechte  der  theilung  kam  in  dem  falle  wo 
es  angestorbenes  heergewäte  (todleibe)  betraf  noch  eine  wei- 
tere bevorzugung  des  älteren  erben:  er  nahm  das  schwert 
des  verstorbenen  zuvor  und  ward  damit  als  dessen  eigentli- 
cher nachfolger,  als  erster  schwertmag,  als  neues  haupt  des 
hauses  und  vogt  der  unmündigen  miterben  bezeichnet :  sach- 
sensp.  landr.  i,  22.     schwabensp.  landr.  26,  1.  3.     für  das 


544  THEILEN. 

übrige  galt  der  gewohnte  brauch  des  theilens  und  wählens, 
nach  umständen  auch  der  verloosung  (vergl.  4 5  Sachsenspie- 
gel und  Schwabenspiegel  sagen  minder  bestimmt  dat  andere 
dSlet  se  gelike  under  sik):  hier  um  so  mehr  als  bei  der  un- 
gleichartigkeit  der  einzelnen  gegenstände  welche  das  heer- 
gewäte  ausmachten  ein  blofses  abzählen  und  vertheilen  der- 
selben unmöglich  war. 

Wo  also  ein  mann  von  ritters  art  (nur  ein  solcher  be- 
safs  heergewäte)  zwei  ebenbürtige  söhne  hinterliefs,  theilte 
der  ältere  beider  erbe  und  heergewäte,  der  jüngere  wählte 
nur,  und  das  seh  wert  das  jener  zuvor  empfieng  durfte  wohl 
auch  als  lohn  seiner  mühwaltung  erscheinen. 

Hierdurch  erklärt  sich  ein  sonst  dunkler  und  müfsigfr 
zug  in  der  erzählung  aus  Siegfrieds  Jugend  die  im  Nibelun- 
genliede 89  ff.  Hagenen  in  den  mund  gelegt  und  theilweis  ab- 
weichend im  Dietleib  80*  als  sorglicher  gedanke  Dietrichs 
vorgeführt  wird,  der  erzählung  wie  Siegfried  sein  wunder- 
bares schwert  und  durch  dieses  den  hört  und  die  tafnkappe 
gewonnen  habe.  Siegfried  kommt  dazu  wie  die  beiden  kö- 
nigssöhne  Nibelung  und  Schilbung  ihr  anerstorbenes  erbe 
theilen  wollen  und,  mufs  man  ergänzen,  darüber  in  zwist 
gerathen  sind,  weil  die  theilung  des  älteren  den  jüngeren 
bruder  nicht  befriedigt,  sie  bitten  ihn  das  streitige  geschäft 
zu  übernehmen,  und  geben  schon  im  voraus  im  ze  miete  das 
Niblunges  swert.  aber  auch  er  kann  es  ihnen  nicht  zu  danke 
machen,  und  im  neu  erhobenen  hader  erschlägt  er  sie  mit 
der  kaum  empfangenen  waffe.  cman  begreift  nicht9  sagtWilh. 
Grimm  heldens.  s.  78  e warum  sie  ihm  das  schwert  Balmung 
voraus  zum  lohne  geben,  ehe  noch  die  theilung  geschehen 
ist/  da  jedoch  Siegfried  mit  der  Übernahme  der  theilung  in 
ein  recht  eintritt  welches  sonst  dem  älteren  erben  zukommt, 
und  da  der  ältere  erbe  aus  dem  heergewäte  des  verstorbe- 
nen dessen  schwert  zuvor  erhält,  hier  aber  eine  verlafsen- 
schafl  der  art  zu  theilen  ist  dafs  auch  heergewäte  dazu  ge- 
hört, die  verlafsenschaft  eines  edeln,  eines  königs,  so  ist  es 
nur  eine  notwendige  folge  des  alten  rechtsgebrauches  dafs 
bei  dieser  erbtheilung  er  die  auszeichnung  und  den  lohn  des 
erstgeborenen,  schon  im  voraus  das  väterliche  schwert  em- 
pfange. 


THEILEN.  545 

4.  Die  Vorschrift  des  theilens  und  wählens  war  jedoch 
jucht  überall  durchzuführen :  die  zahl  der  erben  und  die  be- 
schaffenheit  der  erhstücke  konnten  auch  andere  verfahrungs- 
arten  nöthig  machen,  entweder  eine  freie  Verabredung  der 
erben,  wie  z.  b.  in  dem  französischen  märchen  vom  gestie- 
felten kater,  während  das  entsprechende  italiänische  (märchen 
3,  304)  mit  einer  letztwilligen  Verfügung  des  sterbenden  Va- 
ters beginnt;  oder  aber  das  lofs,  eine  Übergabe  der  theilung 
und  vertheilung  in  gottes  hand.  dat  erve  schal  de  oldeste 
d4len9  de  junges te  käsen;  is  er  aver  m4r  denn  tto4>  so  d4- 
ien  se  mit  getöte  rigisches  recht,  Olrichs  s.  140.  wd  xwene 
erbin  krigen  umme  teildte  erbis  oder  firigis  (sc.  eigens), 
mochten  die  nicht  mit  rechte  noch  mit  fruntschaft  ubir  ein 
ge trage,  sS  sal  der  eldere  teile,  he  st  knabe  oder  junefrawe9 
man  oder  urih9  und  der  jüngere  kise  (also  nur  noch  ein  aus- 
kunftsmittel).  is  aber  der  erbin  me4  denne  xwöne,  so  sul- 
len  sie  teile  üf  ein  glich  16z  Erfurter  stadtr.  (Walch 
beitr.  1)  19\  ? 

Der  sache  nach  gleichbedeutend  mit  dem  lofse  ist  das 
angerufene  Schiedsgericht  eines  zufällig  hinzukommende^  un- 
parteiischen dritten,  wovon  uns  wenn  schon  nicht  die  rechts- 
bücher,  doch  wenigstens  dichtungen  des  Volkes  erzählen,  so 
das  92e  märchen  der  grimmschen  Sammlung,  so  auch  ein 
magyarisches  bei  Gaal  s.  166  ff.  und  ein  arabisches  der 
1001  nacht  bei  Habicht  10,  252  ff. :  märchen  die  mit  dem 
vorher  erwähnten  Jugendabenteuer  Siegfrieds  mannigfach  über- 
einstimmen, zum  beispiel  auch  und  namentlich  darin  dafs  der 
streit  der  erben  gleichfalls  guter  von  zauberhafter  würkung, 
wunschdinge  betrifft,  und  dafs  es  zuletzt  der  Schiedsrichter 
ist  der  im  besitze  derselben  bleibt:  aber  nicht  minder  grofs 
ist  die  abweichung:  es  handelt  sich  hier  nicht  um  theilung, 

*  bei  theilung  von  ländereien  ward  als  lofs  ein  seil  gebraucht: 
«feit  so  gelönSt  wirt,  die  mugen  sprechen  *funes  ceciderunt  mihi  in 
praecktris'  (ps.  16,  6).  die  gebruodere  teilent  ir  erbe  hie  in  dirre  werlte 
ettewenrw  mit  seilen :  da  denne  da»  seil  Mne  gevellet,  ex  si  übel  öder 
guot,  dd  muoz  ez  der  nemen,  der  denne  wellen  sol  Diut.  %  279.  viel- 
leicht aber  ist  das  nur  unklare  auffafsung  und  Übertragung  der  ange- 
führten und  andrer  alttestamentlichen  stellen  (vergl.  deuteron.  32,  9) : 
Notker  setzt  diesem  mosaischen  seile  als  theilungsgeräthschaft  seiner 
zeit  die  rathe  entgegen,  und  zwar  als  mafs,  nicht  als  lofs,  ps.  77,  55. 
Z.  F.  D.  A.  II.  35 


546  THEILEN. 

sondern  um  vertheilung;  nicht  um  Zerlegung  der  erbschaft 
in  hälften  oder  drittel,  damit  nachher  jeder  der  streitend», 
nnd  der  jüngste'  zuerst,  das  ihm  beliebige  auswählen  möge, 
sondern,  indem  die  wunschdinge  bereits  getrennt  und  einan- 
der an  werthe  gleich  vorliegen,  nur  noch  um  Stellvertretung 
der  erben  in  der  streitigen  wähl,  auch  ist  der  sittliche  cb*- 
racter  des  aasganges  hier  ein  anderer  als  dort  bei  Siegfried, 
der.  Schiedsrichter  fiberlistet  die  streitenden  nur,  er  über- 
wältigt sie  nicht;  sie  verlieren  nur  die  gegenstände  ihres 
thörichten  zank  es,  nicht  auch  das  leben,  wie  dort  die  Nt- 
belungssöhne,  durch  deren  ermordung  mit  eben  dem  Schwerte 
das  sie  selber  ihm  zutrauensvoll  gegeben  Siegfried  zuerst 
den  fluch  des  Verderbens  über  sich  herab  ruft. 

Durch  die  Verschiedenheit  des  ausganges  in  characteri- 
etischer  weise  noch  weiter  abweichend,  sonst  aber  anch  Mä- 
her gehörig  ist  die  sage  vom  wolf  der  sich  bereden  läfst  it 
einem  alten  rechtsstreite  zwischen  vier  widdern  den  Schieds- 
mann zu  machen:  da  ergehts  ihm  wie  überall;  er  .kommt  da- 
bti  zu  schaden,  die  Widder  stofsen  ihn  jämmerlich  zusam- 
men; Reinh.  lxxii;  vergl.  cclxxvi. 

5.  Die  rechtliche  praxis  des  mittelalters  liefs  aber  aick 
da  theilen  und  wählen  wo  es  keine  erbschaft,  sondern  an* 
dere  dem  nur  analoge  Verhältnisse  galt,  die  Görlitzer  glosse 
zum  sachsensp.  landr.  nr,  29  (Görl.  hs.  28)  besagt  ausdrück- 
lich kettln  lule  mit  einander  gesselleschaft  odir  brudersekqft 
odir  gemeinschqft  aneime  dinge  do  sulle  der  eldeste  teil» 
und  (der)  jüngste  kiesen. 

Die  märchen-  und  fabelpoesie,  in  welcher  auch  der  über- 
listende Schiedsrichter  zuweilen  da  auftritt  wo  die  streiten- 
den nicht  gerade  um  eine  erbschaft,  sondern  überhaupt  nur 
um  besitz  in  Zwiespalt  sind  (löwe  bär  und  fuchs  bei  Aesop 
Kor.  39,  das  deutsche  märchen  3, 225,  das  tatarische  ebda  172, 
das  persische  1001  tag  vdHagen  4,  363  f.),  macht  nicht 
minder  gebrauch  von  jener  freien  ausdehnung  des.  theilen* 
und  wählens;  sie  fügt  nur  noch  eine  neue  freiheit  hinzu, 
denn  in  den  mannigfach  sich  gestaltenden  fabeln  von  der 
societas  lepnina,  dem  löwen  und  dessen  jagdgesellen,  ist  die 
abschliefsende  Wendung  jedesmal  ein  theilen  und  wählen, 
und  zwar,  wie  in  jener  sprichwörtlichen  redensart  der  hM 

*  '.  .11     A    AI      i     \ 


THEILEN.  547 

dichter  (s.  2.)  beides  von  einer  and  derselben  band  aufcgfc- 
übt.  nnr  kommen  dabei  nicht  die  verschiedenen  altersstufen 
in  betracht,  sondern  das  eine  mal  ist  es  die  überwältigende 
stärke  des  löwen  kraft  welcher  der  die  gemeinsame  beute 
theilt  und  alle  theile  dann  für  sich  selbst  erwählt  (Reiah. 
ccutu,  vergl.  cclxxxv.  cccxii),  da»  andere  mal  die  Weisheit 
des  gewarnten  fuchses  die  jenem  das  ganze  zuspricht  und 
für  sich  selber  höchstens  ein  kalbsffifslein  erbittet  (Reinb. 

ixxvu  CCLXll). 

So  tritt  uns  dieses  verfahren,  den  natürlichen  und  na*- 
turrechtlichen  motiven,  gemäfs  aus  denen  es  hervorgegangen 
ist,  aller  orten  und  zu  den  verschiedensten  Zeiten  entgegen» 
bald  in  der,  bald  wieder  in  jener  anwendung:  eigentlich 
rechtlichen  bestand  jedoch  und  grundsätzliche  einschränkung 
auf  ein  bestimmtes  rechtsverhältnis  hat  es  nur  bei  den  Deut- 
schen gefunden. 

6.  Verschieden  vom  theilen  und  wählen  ist  das  theilen 
und  kiesen,  hier  handelt  sichs  nicht  darum  wie  eine  und 
dieselbe  erbschaft  auf  dem  billigsten  wege  unter  zwei  gleiefcU 
berechtigte  personen  könne  vertheilt  werden:  sondern  6ine 
person  soll  sich  entscheiden,  welchem  von  zweien  ihr  schon 
gesondert  vorgelegten,  ihr  bereits  getbeiltea  dingen  sie  den 
Vorzug  gebe  um  dieses  dann  für  sich  zu  behalten,  der  un- 
terschied der  synonyma  wählen  und  kiesen  ist  also  der,  dafs 
bei  jenem  mehr  ein  gegcnsatz  der  subjecte,  bei  diesem  einer 
der  objecte  stattfindet  $  was  ganz  zu  der  etymologie  beider 
stimmt:  kiesen  gehört  zum  gr.  ytvsw,  lat.  gu$tare>  und  be-* 
zeichnet  eigentlich  ein  kostendes  prüfendes  urtheilen  ;  wäh- 
len dagegen  zu  wollen,  insofern  dies  ein  nicht*  sollen,  ein« 
freie  anders  wober  unabhängige  entschliefsung  ausdrückt« 

Stellen  wo  vom  theilen  und  kiesen  oder,  jenes  unans^ 
gesprochen,  nur  vom  kiesen  die  rede  ist,  sind  z.  b.  Waltb* 
46»  27  (wellen  kiese  sicherlich  nur  des  Wohllautes  wegen» 
statt  kiesen  hieze)  ff.  vdH.  2,  208b.  Ecken  ausf.  Lafsb.  131. 
Qttok.  336\  das  subst.  heifst  kür  Ottok.  559\  selbchm* 
Diut.  1,  289.     minder  genau  wal  vdH.  1,  333b.  * 

Das  theilen  und  kiesen  ist  eine  sache  zumeist  des  ge- 
sellschaftlichen spiels  und  redespieles  (daher  auch  spil  teilen). 
und  es  beruht  auf  ihm  als  einer  dialectischen  formel  die  ganz?. 

35* 


$48  THEILEN. 

dicfatungsart  der  tenzone  (prov.  jocx  partite,  partimen*,  pur- 
tkt9  fr.  jeu  parti  oder  parture).  rechtlicher  natur  ist  es 
nicht:  die  falle  wo  dennoch  von  rechts  wegen  getheilt  und 
gekoren  wird  gehören  der  poesie  an.  es  sind  das  die  öfters 
wiederkehrenden  sagen  von  einem  jugendlichen  nbelthäter 
dessen  gesinnung  durch  eine  vorgelegte  wähl  zwischen  werth- 
vollen  und  werthlosen  oder  gar  schädlichen  gegenständen, 
wie  aber  ein  kind  sie  liebt,  auf  schuld  oder  Unschuld  geprüft 
wird  (märchen  2,  2e  aufl.  s.  vn  f.) :  da  greift  jedesmal  eiee 
höhere  hand  ein,  zu  schneller  und  guter  entscheidung  lei- 
tend, und  es  bewährt  sich  cdie  kindheit  der  gedanken,  die 
obst  für  gold  erkiest'  (Opitz). 

WILH.  WACRERNAGEL. 


VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG. 

Es  ist  bekannt  wie  im  achten  Jahrhundert  der  Staat  mit 
der  kircbe  übereinkam  die  rechtsgültigkeit  der  ehen  fortan 
abhängig  zu  machen  von  der  mitwifsenschaft  und  dem  segen 
des  geistlichen,  und  zugleich  bekannt  wie  dennoch  das  ganze 
mittelalter  darüber  hingegangen  ist  bis  die  kircbe  ihre  im 
christenthum  wohlbegründeten  anspräche  durchgesetzt  und  das 
volk  sich  überall  gefugt  und  gewöhnt  hatte  das  rein  bürger- 
liche Verlöbnis  gegen  die  kirchliche  trauung  zu  vertauschen 
oder  doch  in  dieser  erst  den  rechten  vollen  abschlufs  des 
Verlöbnisses  anzuerkennen  \  ein  nothwendig  begleitendes  re- 
sultat  dieses  lang  andauernden  kampfes  zwischen  altem  recht 
und  neuem  gesetze  war  die  fortschreitende  schmälerung  der 
unkirchlichen  Förmlichkeiten  durch  welche  nach  altdeutschem 
brauch  das  eheverlöbnis  befestigt  ward,  und  als  Vorbereitung 
des  gänzlichen  verschwindens  das  hinabsinken  derselben  auf 
die  niederen  stufen  des  Volkslebens,  wo  der  unterschied  zwi- 
schen ehe  und  concubinat  nur  ein  geringeres  mafs  practischer 
bedeutnng  hatte,  günstige  umstände  haben  uns  eine  hinrei- 
chende anzahl  von   Zeugnissen   und  denkmälern,  aufbehalten 

wo  man  und  so  lange  man  von  trauung  nichts  wüste,  bestand 
zwischen  Verlöbnis  und  Vermählung" kein  rechtlicher  unterschied;  da- 
her brCt  auch  gemahlin,  gemahele  auch  braut  bedeutete. 


VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG*  94% 

die  wenigsten»  vom  12n  Jahrhundert  an  bis  zum  15n  diesem 
stufengang  deutlich  vor  äugen  legeu.  ..,.; 

Dem  12n  jahrh.  gehört  das  zuerst  von  Mafsmann  (rheinJ 
museum  f.  jurispr.  3,  281  ff.)  bekannt  gemachte  formular  des 
eheverlöbnisses  freier  Schwaben  (leseb.  1,  189  f.),  eine  auf- 
zeichnung  erst  der  feierlichen  reden  mit  welchen  der  Schwabe 
die  Schwäbin  des  mitbesitzes  all  seiner  guter,  versichert, 
dann  der  Sinnbilder  welche  den  Übergang  dfer  braut  aus  der 
hand  des  geborenen  vogtes  in  die- des  ehelichen  bezeichnen; 
jene  noch  in  alter  fülle,  altem  schmuck  der  poesie,  diese 
noch  theilweis  hindeutend  auf  den  altgermanischen  rechts- 
grund  der  ehe,  den  kauf  des  weibes.  derogemäfs  steht  auch 
der  bräutigam  redend  und  handelnd  im  Vordergründe,  nächst 
ihm  der  geborene  vogt  der  braut,  ihr  vater  oder  ihr  näch- 
ster verwandter  von  vatersseite:  ihr  selber  bleibt  an  dem 
ganzen  rechtsgeschäfte  nur  ein  ganz  passiver  antheil;  keine 
meidung  davon  dafs  sie  zuvor  um  ihr  Jawort  befragt  worden, 
und  eben  so  wenig  ist  von  kirchlicher  einwilligung  und  ein- 
segnung  die  rede,  der  bräutigam  kauft  und  begabt  die  braut, 
so  enphdhet  er  si9  unde  habesime;  in  haec  munera  zuvor 
accipitur. 

Im  13n  jahrh.  pflegen  die  höfischen  dichter,  wo  sie  von 
geschlofsenen  ehen  erzählen,  zugleich  der  trauung  durch 
priestersband  oder  doch  eines  vor  der  kircbengemeinde  ab- 
gelegten bekenntnisses  zu  gedenken,  aber  nicht  als  wären 
diese  benedictio,  diese  professio  unumgängliche  bedingungen, 
nnr  weil  es  so  wohlanständig  sei  und  glückverheifsend  (Gottfr. 
Trist.  626 ff.),  die  volksmäfsigen  dichter  dagegen  wifsen  nur 
von  einem  Verlöbnis  vor  zeugen  aus  dem  laienstande  (Gudr. 
6593),  und  nunmehr  auch  von  einem  jawort.der  braut  (Nib. 
568.1622.  Gudr.  6654);  nach  vollzogenem  beilager  gehen 
mann  und  weib  wohl  in  die  kircbe  (Nib.  594),  aber  es  scheint 
nicht  um  ihre  ehe  nachträglich  segnen  zu  Iafsen.  dieser  ge<- 
gensatz  zeigt  uns  das  unkircbliche  Verlöbnis  als  altes,  jetzt 
schon  auf  das  niedere  volk,  und  auch  da  bereits  mit  einer 
concession  sich  einschränkendes  recht;  die  kirchliche  trauung 
als  eine  neue  fremde  gesetzlichkeit,  der  einstweilen  die  hö- 
heren stände  anfangen  sich  zu  bequemen,  das  nun  übliche 
eheritual  des  Volkes  wird  uns  in  dem  meier  Helmbrecht  aufs 


560         VBRLÖBNIS  UND  TRAÜÜNC. 

anschaulichste  vorgeführt,  der  dichter  beschreibt  die  Vermäh- 
lung eines  räubers,  Lämmerschlind,  mit  Gottlinden,  einer 
bauerndirne  (1507  ff.). 

üf  stuont  ein  alter  grise$ 

der  was  der  worte  wise, 

der  künde  s6  getäniu  dinc. 

er  staltes  beide  in  einen  rinc. 

er  sprach  %e  Lemberslinde 

'weit  ir  Gotelinde 

Micken  nemen?  so  sprechet  JA! 

'gerne  sprach  der  knabe  sA. 

er  vrdgte  in  aber  anderstunt. 

'gerne  sprach  des  knaben  mimt. 

zem  dritten  male  er  dö  sprach 

'nemt  ir  si  gerne?9  der  knabe  jach 

'so  mir  sSle  unde  Up9 

ich  nime  gerne  dize  wip* 

dö  sprach  er  ze  Gotelinde 

'weit  ir  Lemberslinde 

gerne  nemen  seinem  man?* 

'jd,  herre9  ob  mir  sin  got  ganl 

'nemt  ir  in  gerne?*  sprach  aber  er. 

'gerne,  herre!  gebt  mint  her!* 

zem  dritten  male  'weit  im?* 

'gerne,  herre!.  nu  gebet  mim* 

dö  gap  er  Gotelinde 

ze  wibe  Lemberslinde* 

und  gap  Lemberslinde 

ze  manne  Gotelinde. 

si  sungen  alle  an  der  stat. 

üf  den  vuoz  er  ir  trat. 
die  gegenwart  eines  copulierenden  priesters  wird  dabei  we- 
der von  den  hochzeitleuten  noch  von  dem  dichter  vermifsl: 
aber  schon  beruht  auch  die  ganze  feieriiehkeit  der  handlang 
in  der  dreimaligen  frage  und  dem  tritte  des  bräutigams  auf 
den  fuf$  der  braut,  dem  zeichen  der  besitzergreifung  und  der  an* 
getretenen  herrschaft  (rechtsalt.  142.  Freiherger  stadtr.  189)*. 

*  wer  auf  den  rechten  fufs  eines  zanberers  tritt,   in  den  gebt  die 
«ebergtbe  de«  letiteren  übers    lieders.  1,  503. 


VERLÖBNIS  UND  TRAÜUMK  551 

Wie  nun  im  14u  Jahrhundert?  aus  diesem  haben  wir 
in  dem  gediente  von  Metzen  und  Betzen  boebzeit  (Diut.  2, 
78 ff.  lieders.  3,  399  ff),  dessen  heimat  in  Schwaben  zu  su- 
chen ist,  ein  seitenstück  zu  jenem  abschnitt  des  österreichi- 
schen meiers  Helmbrecht,  und  da  fällt  es  dein  verfafser, 
nachdem  Metze  und  Beize  die  nur  noch  einmalige  frage  eines 
alten  bauern  vor  all  den  übrigen  bäurischen  hochzeitgästen 
bejaht  und  somit  den  ehestand  gesehlofsen  haben,  da  fällt  es 
ihm  bereits  auf  dafs  weder  schaler  noch  pfeifen  zugegen  ge- 
wesen seien. 

enu  steiget,  alt  unde  junef 

sprach  der  wise  Nuodunc. 

*Bez9  du  bist  ein  grad  man : 

wiltu  Mezen  zuö  der  S  hdn?y 

er  sprach  'jd9  teil  si  mich? 

Nuodunc  sprach 'Mexe,  gich: 

wiltu  Besen  hdn  suo  der  6T 

si  sweic.  er  vorschtes  aber  me. 

j'd,  heizet  miehz  min  muoter.' 

Nuodunc  sprach  €si  entuotder 

niht  dar  umbe:  gloube  mir.' 

also  nach  ir  beider  gtr 

wart  in  diu  4  beschafen 

dn  schuoler  und  an  pfafen. 
sonst  geht1  es  in  allen  rechten  her,  und  es  ist  keine  vaga-, 
bundenhochzeit :  Metze  bringt  ihrem  manne  sowohl  einfe 
stattliche  mitgift  zu,  als  auch  diese  von  Betzen  mit  schöne« 
gegengaben  Viderleil*  wird ;  von  symbolischer  äberantwor- 
tung  derselben  erzählt  jedoch  der  dichter  nichts,  vielleic|rt 
nur  weil  er  vorwärts  eilt,  was  aber  für  uns  hier  das  wich- 
tigste ist,  morgens  nach  dem  beilager  ziehen  Betze  mulMstz« 
im  fröhlichen  geleit  ihrer  hochzeitsgäste  zur  kirche  und  wer- 
den da  am  beschlufs  des  gottesdienstes  noch  einmal  priester* 
lieh  zusammengegeben ,  wie  das  der  tot  des  liedersaalej 
s.  407  ausführlicher,  der  in  der  Diutisca  9.  81  kürzer  »q4 
mehr  andeutungsweise  berichtet.  '.'■[■ 

dö  zogte  mänglich  uf  die  vart 

der  mit  ir  zuo  der  klicken  wolt, 

man  vuortes  als  man  bälich  solt 


552  VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG. 

höflich  unde  schöne: 

einhalp  mezer  Cröne;  . 

anderkalp  dö  greif  si  an 

der  gräwe  meier  Colman* 

Diem  und  Liugart  beide, 

den  was  der  brütlauf  leide, 

wan  si  Mezen  gespilen  w6n; 

die  muosten  vor  ze  kilchen  gän. 

dö  man  gesanc  und  allz  ergie9 

man  gaps  zesamen,  als  nu  ie 

dd  her  die  Hute  hdnt  getan.  * 

die  brät  hie»  man  dax  paz  enphän: 

daz  buoch  bot  ir  der  mesner. 
Während  somit  diese  dichterstellen  für  eben  dasselbe 
land,  wo  noch  im  12n  jahrh.  das  alte  volksrecht  der  Verlöb- 
nisse unverkümmert  galt,  nun  im  14n  die  priesterliche  trauang 
auch  eines  bäurischen  ehepaares  schon  als  rechtlich  befser, 
ja  als  nothwendig  neben  und  nach  dem  Verlöbnis  anerkennen, 
und  zugleich  die  feierlichen  reden  bei  letzterem  nun  auf  das 
äufserste  mafs  zusammengeschmolzen  zeigen,  nimmt  das 
wahrscheinlich  gleichzeitige  landrecht  von  Berg  die  alte  ge- 
wohnheit  der  laiencopulation  selbst  noch  für  die  ritterschaft 
in  ansprach :  wan  ein  man  van  ridderschaft  ein  wyf  nemen 
wil,  mach  sie  zösamen  geven  ein  leyhe  vur  den  luyden  of- 
fenbairlich:  dat  wisen  die  ridderschaft  ind  scheffen  van 
Upiaden,  dat  sye  ein  rechte  tchtschaft  under  die  ridder* 
schuft  ind  eine  aide  gewoenheit  Lacomblet  s.  95. 

Wir  besitzen  jedoch  aus  eben  dieser  zeit  und  gleich- 
falls vom  Niederrhein  noch  ein  anderes  und  ausführlicheres 
Zeugnis,  ein  ziemlich  umständliches  Verlobungsformular  nach 
kölnischem  rechtsgebrauch  (aus  einer  handschrift  der  kölni- 
schen Statuten  mitgetheilt  von  Wallraff  in  der  samml.  von 
beitr.  z.  gesch.  d.  st.  Köln  1,  159  f.);  und  diese  gewährt 
in  der  hauptsache  wesentlich  dasselbe  resultat  als  jener  be- 
riefet über  die  bauernhochzeit  in  Schwaben,  es  lautet  aber 
dies  interessante  denkmal  folgendermafsen. 

der  dichter  fingiert  um  seine  personen  wichtiger  zu  machen,  erst 
sie  hätten  die  sitte  4er  kirchlichen  copulation  aufgebracht. 


VERLÖBNIS  UND  TRAUÜNß*  553 

So  wer  irre  zwo  zösamen  geven  sal  zö  der  4*   de  sal 

dese  wort  sprechen,  de  hernd  slönt. 
Item  zöme  irsten  sal  he  vrdgen  den  man  'bistu  hö,  dat  du 
Beiigen  (of  wi  si  heist;  den  namen  sal  man  nennen)  zö, 
eime  öligen  wive  ind  zö  eime  bedgenössen"  haven  wult?\ 
so  sal  der  brudegem  sagen  c.jd  ich*  so  sal  he  de  brut vrd- 
gen mit  irme  namen  'bistu  hö,  dat  du  Heinrich  (ofwö  sich 
der  brudegam  noempt)  haven  wult  zö  eime  mumber**  ind 
bedgenössen?  etc.  so  sal  si  sagen  *jd  ich*  so  Sal  der 
brüdgam  dan  den  rinc  nemen  ind  stechen  dan  den  rinc  der 
brut  in  iren  vinger  nSist  dem  kleinen  vinger\  etc.  dan 
sal  der  gene,  der  si  zö  höf  giß,  dat  siden  doch  mit  (ßy 
tornSschen  in  dat  doch  gebonden  nemen^f9  ind  s.al  sagen 
'ich  bevelen  uch  zö  höf  up  frenzer  erden  mit  golde  ind  ger 
steinen,  silver  ind  gold,  beide  nd  Franken  wise  ind  Sassen 
^  1"1"K  dat  ürre  gein  den  anderen  Idssen  ensal  urnb  lief  noch 
umb  leit  noch  um  gein  dinc  dat  got  an  eine  geschaffen  hdt 

*  alts.  gibeddeä,  in  der  mhd.  genesis  gebette;  Rollenhagen  froschm. 
1,  9  (auch  in  mannl.  form  von  einem  weibe)  schlafgeselL 
muntbor  muntporo  Vormund  vogt. 

f  in  deme  ßerden  scinent  fing  erlin  die  zieren,  da  mite  der  matt 
spulget  [spulget  d.  man"]  sin  wib  mahilen  [mahilan]  fundgr.  2,  14; 
ringe  als  zeichen  der  Vermählung:,  öffentlicher  wie  heimlicher,  lafseÄ 
sieh  bis  in  die  ältesten  zeiten  nachweisen  (rechtsalterth.  177  f.  439); 
ist  somit  der  reipus,  r4pus>  bei  Franken  und  Langobarden  der  symbo- 
lische kaufpreis  der  braut  (rechtsalterth.  425  f.),  also  auch  des  rechtes 
ihr  den  brautring  anzustecken,  unser  hochd.  reift  mit  umgekehrter 
Übertragung  gebrauchen  wir  Schilling  für  schlag,  weil  unter  umstän- 
den eine  an  zahl  gerichtlicher  schlage  mit  eben  so  viel  Schillingen  konnte 
abgekauft  werden. 

ff   dat  doch  wie  der  rinc:   also  bekannte,    altgewohnte  symbole. 
die  zwölf  tomeschen  (kleine  silbermünzen  von  Tours,  turonenses,  tour-' 
nois)  die  der  zuhaufgebende  von  dem  brautigam  empfängt,  und  die  her- 
nach  im  namen  der  braut   an  die  armen  verschenkt  werden,   sind  der 
reipus  der  alten  Franken.  ~ 

f  f  f  Köln  liegt  auf  fränkischer  erde,  aber  so  dafs  Franken-  und  Sach- 
senrecht einander  dort  begegnen :  daher  wird  beim  Verlöbnis  auf  bei- 
des geachtet,  aber  worin?  etwa  indem  die  braut  nach  fränkischer 
weise  mit  band  und  halm,  nach  sächsischer  mit  torve  inde  tvige  über- 
geben wird  (vergl.  rechtsalterth.  128.  431)?  nur  ist  dann  neben  dem 
tuen  mit  silbermünzen  in  der  hand  des  verlobenden  eine  bestimmtere 
erwähnung  dieser  beiden  characteristischen  symbole  zu  vermifsen. 


$54         VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG* 

oder  geschaffen  mach  lassen  werden?  dan  sal  der  gene, 
der  si  zosamen  gißt  dat  doch  dal  de  tornäschen  in  hat 
eime  geven  de  it  der  brüt  behaldei  de  sal  dan  dat  gelt 
umb  got  geven  armen  luiden.  dan  sal  de  brütgem  der  brät 
schenken  Asse  eime  kopp,  ind  der  brüdgem  sal  irst  drinken, 
ind  der  brüt  dar  nd  schenken*. 

Hier  mangelt  es  zwar  nicht  an  altertümlichen  Worten 
und  Symbolen,  und  das  ganze  macht  den  eindruck  eines  bh* 
fseren  gegenbildes  zu  jenem  Schwabenverlöbnis  des  12b 
Jahrhunderts:  gleichwohl  ist  nicht  zu  verkennen  dafs  hier 
absichtlich  unentschieden  gelafsen  wird  wem  es  zustehe  braut 
und  bräutigam  zusammenzugeben,  ob  einem  priester,  ob  nach 
altem  gewohnheitsrecht  einem  weisen  laien :  mit  räum  geben- 
der Weitläufigkeit  heifst  es  wiederholentlich  nur  so  wer  im 
xw4  zösamen  geven  sal  zö  der  e4,  —  der  gene  der  si  *6  kif 
gift9  —  der  gene  der  si  zdsamen  giß;. 

So  ist  das  14e  Jahrhundert  auch  in  diesem  stücke  wie 
in  vielen  andern  der  entscheidende*  Wendepunkt  zwischen  al- 
tem und  neuem;  im  15n  ward  der  sieg  des  kirchenrechtes 
vollendet  und  der  schlufs  der  ehe  als  eines  sacramentes  gänz- 
lich und  allein  den  händen  der  geistlichkeit  überlafsen.  wie 
aber  diese  nunmehr  bei  der  copulation  verfahren  sei,  wie  sie 
da  blofs  den  canonischen  Standpunkt  eingenommen  habe,  lehrt 
uns  eine  für  priester  bestimmte  antf eisung  Ad  Copulandum, 
die  sich  in  einer  breslauischen  papierhandschrift  (iv,  9.  8°. 
bl.  56)   erhalten  hat. 

Postquam  veneris  ad  locum  copulandi$  primo  interroga 
nomina  cor  um.  die  primo  ad  virum  €Petir9  bis  tu  her  kö- 
rnen, das  du  katherinam  wilt  nemen  czu  eynir  eltchin 
frawenV  post  responsionem  sui,  scilicet  viri9  heuerte  te 
ad  virginem9  et  conclude  eadem  verba  dicens  'katherina, 
bis  tu  her  körnen,  das  du  wilt  petir  czu  eine  elichin  manne?* 
Post  responsionem  Interroga  virum  de  periculis  instantibus, 

*  der  bei  allerlei  vertragen  übliche  weintrunk:  rechtsaltertlu  191* 
(vergl.  II.  3,  295  ff.),  das  ebenda  s.  441  ans  Gottfr.  Trist.  12642  ff. 
angeführte  trinken  frühmorgens  nach  dem  beilager  bezeichnet  der  dich" 
ter  selbst  als  eine  vorzeitliche,  zugleich  wohl  auch  als  eine  fremde 
sitte ;  in  dem  gedieht  von  einem  Übeln  weibe  28  ff.  werden  eicr  in 
schmalz  und  brot  und  als  trank  zum  efsen  auch  ein  beefcer  mortis 
vors  bett  getragen. 


VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG.  565 

vtrum  ipse  habet  vxorem,  vel  promiserit  altert,  et  de  pro* 
pinquitate  seu  amicicia.  st  non  dabit  responsionem  quo  ad 
periculum,  tunc  interroga  virginem  eadem  verba  similiter  quo 
ad  vtrum  fecisti ;  et  tunc  publice  interroga  omnes  circumstan* 
tes  si  sciunt  depericulofuturo;  quod  dicunt  manifeste,  etpostea 
taceant.  post  hoc  accipe  Manicm  dexteram  viri  et  dexteram 
virginis,  et  coniunge  eas  adinvicem,  et  die  ad  vtrum  illa  verba 
'Sprich  mir  noch,  petir.  Ich  petir  nenne  dich  katherin  exu 
eynre  elichin  frawen,  vnde  globe  dir  des  meyne  trewe  dich 
exu  vorwesin.9  et  die  ad  virginem  'Sprich  mir  noch*  Ich 
katherin  neme  dich  petir  esu  eyme  elichin  manne,  vnde 
globe  dir  des  meyne  trewe  vnde  gehorsam  exu  leistin  bis 
an  meyn  ende*  Et  audi  quod  verba  supra  dieta  non  mu- 
tant, quo  facto  die  secreto  modo  hec  verba  'Quo*  deus 
eoniunxit  homo  non  separet*  et  die  'Ego  coniungo  vos  in 
nomine  pairis  et  filij  et  spiritus  saneti*  Et  sie percute  eutM 
supra  scapulas  etc.  recede. 

Also  doch  wenigstens  ein  volkstümliches  ayrabol,  ein 
schlag  auf  die  achsel  um  dem  gedächtnis  nachzuhelfen,  wie 
sonst  zu  gleichem  zwecke  maulschellen  gegeben  werden; 
rechtealterth.  76. 144.  253. 

WILH.  WACKEHNAGEL. 


F.   H.   TH. 

Beispiele  wo  im  deutschen  die  aspirierten  laute  der  ver- 
schiedenen organe  auf  dieselbe  art  gegen  einander  vertauscht 
werden  wie  die  Sabiner  für  H,  die  Aeolier  und  Lateiner  für 
TH  die  labiale  F  gebrauchten  (z.  b.  fedus  für  haedus  geifs, 
vefere  für  vehere  t%uv  wegen,  fordeum  für  hordeum  xq&Oij 
gerste,  fostis  für  hostis  gast;  gwjp  ferus  für  ftJQ  Her,  fo- 
ri* für  dvQa  tor,  fumus  fiir  tivpog  toum,  rufus  für  iov&qog 
rutilus  röt*;  wie  die  Spanier  seit  vier  bis  fünf  Jahrhunder- 
ten das  F  zahlreicher  lateinischer  grundworte  in  H  verwan- 

*  F  fiir  H  zuweilen  auch  im  lateinischen :  vergl.  %\ooi  helvus  gelb 
and  flavus  fulvus,    %oli;  gälte  and  fei,    %ia>  haurio  gießen  and  fodto 
fiindo ;  und  da  für  inlautende»  F  im  lateinischen  lieber  B  geaetaft  wird« 
nun  auch  iQv&QOS  und  ruber,  ov&oq  uterus  euter  and  über. 


556  F.  H.  TR. 

deit  haben  (z.  b.  fumus  in  humo :  vergl.  Diez  gr.  d.  rom. 
spr.  1,  184),  und  die  Rufsen  &  schreiben,  aber  <J>  (ßta) 
aussprechen*,  dergleichen  beispiele  finden  sich  auch  im  deut- 
schen gar  nicht  selten,  schleifen  und  schleichen,  taufen  und 
tauchen  sind  wesentlich  eins;  wie  denn  auch  die  alamanni- 
sche  mundart  ein  von  schlichen  hergeleitetes  factitivom 
schleiken  hat  im  sinne  des  hochd.  schleifen  und  des  eigent- 
lich niederd.  schleppen,  das  niederl.  und  das  nhd.  haben  eine 
ganze  reihe  von  Worten  mit  CHT  für  FT:  sacht  echt  be- 
schwichtigen schluckt  gerächt  für  sanft  Shqft  swiften  Schluß 
gerüfte**.  aus  dem  F  in  flehen  fliehen,  welches  ursprüng- 
lich scheint  (vergl.  lat.  plico  precor),  machen  die  Gothen 
ein  TH,  thlaihan  thliuhan.  ebenso  n^innv,  frevel,  ags.t/rd* 
fer,  ahd.  fluobara  trost :  dagegen  goth.  thrafstjcm  trösten, 
umgekehrt  ist  das  hochd.  F  in  flnster  der  secundäre,  das  D 
d.h.  TH  in  dinster  düster  der  eigentlich  gebührende  laut: 
vergl.  TshcD  tenebrae  dunst.  H  für  TH  zeigt  das  goth.  ahma 
m>(vficc9  verglichen  mit  ar/uog  und  ödem,  das  H  im  goth. 
auhns  xXißavog  stimmt  zu  lat.  ignis  (vergl.  mythol.  359): 
im  hochd.  beifst  es  ofen. 

Sonst  erscheint  dieser  Übergang  von  H  in  F  als  beson- 
dere eigenthümlichkeit  der  fränkischen,  vielleicht  auch  der 
langobardischen  mundart:  eine  Handschrift  des  GregoriusTu- 
ronensis  auf  Monte  Cassino  gewährt  Flotharius  Flodouechus 
(Pertz,  archiv  5,  55) ;  ebenso  kommen  anderweitig  Flodoar- 
dus  und  Frodoardus  vor,  und  in  den  Reali  di  Francia  Fiovo 
als  entstellung  von  Chlodoveus;  das  hochd.  kroch  rock  lau- 
tet im  lalein.  der  fränkischen  klösler  froccus  floccus ;  wi 
wie  daher  noch  das  französische  froc,  so  wird  auch  flanc, 
ital.  flanco  auf  ein  hochd.  hlancha  als  ältere  form  für  lancha, 
weiche,  zurückzuführen  sein. 

Nach  diesen  vorläufigen  bemerkungen  möchte  ich  bei  ei- 
nigen Worten,  deren  etymologie  von  interesse,  aber  ohne  die 

*  Auffallend  wie  umgekehrter  weise  der  gothische  buchstab  furTH 
dem  griechischen  0  bald  ähnlich  (*P),   bald  vollkommen  gleich  sieht. 

**  die  wurzel  von  swiften  {aupmv  oupXoe  sibilus)  zeigt  aber  auch 
sonst  im  deutschen  stäts  den  gaumenlau t,  swigen  sweige  (die  zusaav 
mengeblasene  herde)  swegald;  sie  vereint  in  sich  die  begriffe  hohl  bla- 
sen und  zischeln. 


F.  H.  TH.  687 

annähme  solches  aspiratenwechsels  kaum  erreichbar  ist,   in 
etwas  länger  verweilen  dürfen. 

1.  Hermann  Müller  (die  marken  des  Vaterlandes  s.  97) 
belegt  afa  apa  als  nebenform  von  aha  ahva,  laU  aqua;-  sei* 
nen  beispielen  ist  Ascapha  (geogr.  Rav.)  beizufügen,  und 
Schaffhausen  das  an  die  stelle  von  Ascapha  gebant  worden : 
Schaffhausen  ist  dieselbe  aphärese  von  Aschaffhausen  wie 
Schafnaburgum  von  Aschafnaburgum  und  Falterbach  (Schnel- 
ler 1,  89)  von  Affalterbach,  zn  eben  diesem  afa  gehört 
auch  apfel  die  saftige  frucht,  wie  pomum  zu  poto,  und  das 
einfacher  gebildete  schw.  masc.  äffe:  das  thier  wird  damit 
als  ein  über  see  gekommenes  bezeichnet ;  also  ein  wort  wie 
meerkatze  meerschweinchen.  das  pferd,  auch  ein  überseei- 
sches thier,  nach  dem  mythischen  ausdruck  eine  Schöpfung 
Poseidons,  hat  seinen  pelasgischen  und  altsächs.  namen  von 
derselben  Wurzel,  Yxxog  (dorisch  für  Yrniog)  equus  ehu;  vergl. 
aequor,  aequus  wafserrecht,  ix(nocg,  ix&vg  wafserläufer  (zu 
#«o  wie  ei&vg)  fisch. 

2.  Das  mittellat.  feodüm  feudum  mufs,  wie  es  anf  ein 
eigentbümlich  deutsches  Rechtsverhältnis  geht,  auch  einer  deut- 
schen wurzel  entsprungen  sein :  an  das  lat.  ßdes  oder  foe* 
du*  wird  niemand  mehr  im  ernste  denken,  aber  aus  wel- 
cher? aus  fian  fijan,  als  erkriegtes  feindesgut?  und  dann 
vielleicht  eine  Umbildung  des  goth.  fiathva  feindschaft?  dem 
widersprechen  die  laute  <?ö  und  eu;  aus  ßands  ist  auch  kein 
feund  geworden,  oder,  worauf  die  Schreibung  feaudus  (urk, 
von  1217  bei  DuCange)  führen  könnte,  eine  Zusammensetzung ' 
mit  aud  öd  gut,  wie  alaudes  alodis  (rechtsalterth.  493.  950) 
und  wie  der  eigenname  Faidaudes  (faida  fehde)  auf  eine» 
römischen  inschrift  zu  Basel -Äugst?  dem  aber  widersprich! 
die  kürzung  Jeus,  die  unmittelbar  neben  unverkürztem  alode 
zu  lesen  (urk.  von  960  bei  Du  Cange)  und  das  zweite  F  der 
formen  fieffeoffare,  das  mit'  dem  D  von  aud  nicht  zu  vei« 
einigen  ist.  alle  Schwierigkeiten  heben  sich  so  wi$  man  feo* 
dum  feqfum  feus,  zunächst  ein  fränkisches  wort,  als  frän- 
kische ausspräche  des  goth.  thiuth,  und  dieses  substantivisch 
auffafst.  thiuths  gehört  mit  thiuda  zu  der  wurzel  thius  die- 
ner,  thivi  dienerin,  ahd.  dionön  dienen:  thiuda  das  dem 
könig  dienende  volk,   thiuths  dienlich,   gut,   und  als  neutr. 


558  P.  H.  TB. 

subst.  wiederum  gut.  hier  noch  bestimmter  das  wofür,  wo- 
von man  dient,  dienstgut;  wie  denn  auch servitium  im  sinne 
von  Jeudum  gebraucht  wird,  gut  im  allgemeinen  bezeichnet 
es  in  dem  faderphius  oder  faderphium  d.  h.  faderthiuth  defc 
langobardischen  eherechtes.  * 

3.  Theodorich  der  grofse,  Autharis  der  Langobarden 
könig  und  unter  den  westgothischen  zuerst  Reccaredus  leg- 
ten sich  den  namen  Flavius  bei.  vielleicht  dafs  sie  dies  nur 
den  byzantinischen  kaisern  nachahmten,  die  sich  Flavier 
nannten  seitdem  Constantinus  den  geschlechtsnamen  der  bei- 
den Vespasiane  gleichsam  als  kaiserlichen  ütel  erneuert  hatte; 
vielleicht  aber  dafs  sie  zugleich  oder  auch  allein  ein  deut- 
sches wort  dabei  im  sinne  hatten,  das  goth.  thlaqvus  ana- 
log: als  königlicher  beiname  entspräche  das  zunächst  dem 
clementissimus  und  dementia  im  titel  der  römischen  kaiser* 
auch  wir  sagen  jetzt  flau  mit  F,  und  schon  des  Arminias 
bruder  hiefs  Flavus,  ein  fränkischer  hausmeier  des  Burgun* 
denreiches  (Fredegar  89)  Flaochatus. 

'  4.  Ulphilas  übersetzt  das  griechische  oravQousr  mit  hram- 
Jan  (vergl.  gr.  KQtpavwin,,  ahd.  rama  stütze  rahm,  räm  auf-* 
gestecktes  ziel);  die  lex  salica  hat  die  latinisierung  adhra- 
mire  oder  achramnire  im  sinne  von  befestigen,  bestätigen; 
dazu  in  einigen  hss.  (Diut.  1,  330)  die  Variante  (uf/ramre. 
dies  teilet  auf  die  richtige  erklärung  der  mishandelten  ^tf- 
mea  der  Germanen :  es  ist  die  haftende  und  heftende,  ttit 
unverändertem  H  ist  auch  Rhamis  hierher  zu  ziehen,  nach 
Strabo  7,  1  der  name  von  Sesithakos  gattin,  und  mit  de» 
lippenlaut  das  deminuüvum  franca,  im  ags.  ein  Wurfspiels. 
alsdann  hat  das  volk  der  Franken  eben  wie  das  der  Sach- 
sen seinen  namen  von  einer  characteristischen  waffe  em- 
pfangen. 

5«  Der  mittelalterliche  name  eines  waldes  und  eines  gaues 
in  Schwaben  ist  Virgun  Virgunt;  Jacob  Grimm  stellt  es 
gr.  2,  175  treffend  zusammen  mit  dem  goth.  fairguni  berg» 
und  eben  damit  mythol.  116  f.  die  nordischen  götternamea 
Fiorgynn  und  Fiörgyn  und  den  litthauischen  des  donnef- 
gottes  Perkunas.  es  wird  erlaubt  sein  noch  weiter  zurück- 
zugehn  und  auch  die  Hercynia  süva,  von  der  die  Vir  gm 
nur  ein  theil  und  Überrest  war,    und  die  gewiss  mehr  als 


F.  IL  TH.  5S9 

eine  dem  donnergott  geheiligte  statte  darbot,  mit  fiiirgHm 
und  Perkunas  zu  verbinden» 

6.  Das  goth.  mathl  ayoQa  (mathlei  lakia,  mathljan  Aa- 
Xetv)  nimmt  mit  der  späteren  zeit  drei  verschiedene  gestal- 
ten an :  die  regelrechte  Umformung  madal  behauptet  sich  ahd. 
nur  noch  in  eigennamen  wie  Madalgär,  das  ags.  madhel 
oder  medhel  auch  in  zusammengesetzten  appellativen  fgr.  2, 
469) ;  sonst  heifst  es  mahal  gerichtsstätte  gericht,  und  mit 
fränkischem  F  in  der  lex  salica  mafolum  neben  mahahim 
(Diut.  1,  330).  dazu  kommt  noch  mit  assimilation  des  thl 
in  eben  diesem  rechtsbuche  und  anderswo  inallum  mallare 
so  wie  der  ortsname  Thiotmalli  Detmold,  während  mahal 
mahaljan  mahalön  begreiflicher  weise  auch  in  mal  mäljan 
mdlön  können  zusammengezogen  werden,  mit  diesen  so  ent- 
standenen Worten  sind  mal  fleck  Zeitpunkt  und  malen  pin- 
gere,  die  schon  im  gotbischen  einsilbig  m4l  und  mäljan  lau- 
ten, unverwandt  und  wohl  zu  unterscheiden,  v.ergl.  rechts- 
alter th.  746. 

7.  Endlich  das  wort  ochse,  goth.  auhsns.  auch  hier 
scheint  mir  ein  aspiratenwechsel  im  spiele  und  H  für  F  ein- 
getreten zu  sein,  des  lat.  ops  wegen,  das  ursprünglich  eben 
jenes  thier  mufs  bezeichnet  haben,  denn  es  wird  erzählt, 
als  die  Sabeller  einen  heiligen  lenz  von  Jünglingen  in  die 
fremde  sandten,  sei  ein  theil  derselben  von  einem  spechte 
nach  Picenum,  ein  anderer  von  einem  stier  in  das  land  der 
Opiker,  der  häufe  der  späteren  Hirpiner  von  einem  wolfe 
geführt  worden  (Niebuhr  1,  1Ö3).  die  Picentiner  führte  ein 
picus,  die  Hirpiner  ein  hirpus :  denn  so  ward  auf  samnitisch 
der  wolf  genannt;  demnach  kann  der  stier  an  der  spitze  des 
dritten  zuges  nur  ops  geheifsen  haben,  und  da  dieses  P  im 
lateinischen  unverändert  bleibt  (die  bedeutung  ändert  sich  wie 
von  pecu  in  pecunia),  während  sonst,  wo  im  oskischen  P 
für  C  oder  Q  steht,  die  Lateiner  den  gebührenden  laut  her- 
stellen (z.  b.  osk.  pe9  lat.  que9  goth.  uh:  vergl.  Otfr.  Mül- 
lers Etrusker  1,  30  —  32),  so  hat  die  vertauschung  des  lip- 
penlautes  gegen  den '  kehllaut,  die  im  deutschen  auhsus  vor- 
liegt, eben  erst  im  deutschen,  erst  auf  der  stufe  der  aspira- 
tion    stattgefunden,     hier    aber    ist    der    wurzel    noch    ein 


560  F.  H.  TH. 

ableitendes  S  angehängt  worden,  Was  gerade  bei  thiernamen 
besonders  häufig  vorkommt:  gr.  2,  275. 

W1LH.  WACKERNAGEL. 


••  _  •• 


DREI  LÜGENMÄRCHEN. 


Wiener  hs.  2705  (Hoffm.  »<>xxxiv)   bl.  145*  \ 

Ez  ist  der  lügenaere 

so  rehte  lügebare, 

daz  er  liuget  alle  ztt 

und  daz  im  lüge  wol  ergit. 

er  liuget  naht,  er  liüget  tac,  5 

er  liuget  swaz  er  geliegen  mae; 

er  liuget  sinen  vater  an, 

siner  muoter  liuget  er  sam, 

er  liuget  siner  swester; 

diu  lüge  ist  dannoch  vester  10 

die  er  sinem  bruoder  tuot. 

des  st&t  ze  lügen  gar  sin  muot. 

er  liuget  her,  er  liuget  dar, ' 

er  liuget  stille  und  ofenb&r. 

also  liuget  er  durch  daz  jär,  15 

daz  man  wirt  siner  lüge  gwar. 

ß  daz  er  niht  enüege, 

er  lüge  6  daz  ein  stiege 

in  den  himel  reihte; 

er  lüge  daz  ein  mucke  seihte,  20 

ez  tribe  wol  vier  mülrat. 

liegens  wirt  er  nimmer  sat, 

liegens  kan  er  ein  her. 

er  liuget  daz  daz  mer 

üz  trunke  ein  ftmeiz,  25 

und  liuget  daz  er  einen  scheiz 

6.  die  ks.  gelivgcn  wie  42  livgen,  22.  23.  41  livgens         24.  32.  fihlt 
ein  wort. 


LÜGENMÄRCHEN.  56t 

einen  so  grözen  lieze, 

der  einen  berc  nider  stieze. 

im  ist  so  rehte  wol  mit  lügen, 

er  lüge  &  daz  die  berge  flögen    -  30 

noch  sneller  denne  die  valken. 

er  kan  vil  gewalken 

rehte  als  ein  lügevilz« 

er  liuget  daz  einer  siuren  milz 

si  groezer  denne  eins  hüsen.  35 

er  liuget,  mit  dem  müseji 

vieng  er  einen  walviscb, 

und  leite  den  üf  sinen  tisch  5 

den  louc  er  drier  raste  lanc. 

sil  im  an  der  lüge  gelanc,  40 

so  kan  er  lregens  harte  vil, 

so  mac  er  liegen  swax  er  wii. 

dennoch  liuget  er  ofenbaere 

daz  er  vierzec  mürere 

fuorte  in  einer  nüzi  feil  45 

(solher  lüge  kan  er  schal) 

unz  enmitten  üf  daz  mer $ 

da  hiez  er  müren  durch  wer 

zw&ne  turne  üf  ein  linden  blat; 

der  lügen«re  mit  flize  bat  50 

daz  die  steine  waren  märmel  r6t, 

ob  er  koeme  in  dehein  not, 

daz  er  sich  dar  üfe  nern  solte, 

ob  im  iemen  schaden  wolte. 

der  selbe  lügewise  55 

der  liuget  daz  er  üz  ise 

ein  guot  fiuwer  mache, 

und  liuget  daz  ez  krache 

als  ein  prastelender  wite: 

d&  ist  de»  lüge  genuoc  mite.  60 

.  siure  milbe.        35.  hs.  ein        36.  den        38.  sinen  lvge  tisch 
.  drie  44.  movrore  45.  46  seheinen  verderbt,  52.  er] 

.  der  Ivgn&re  59.  60.  prastelvnder  wit  t  mit.    von  isländischem 

e,  so  hart  und  trocken  daß  man  damit  heizen  kann,  erzählen  Adam 
Bremen  und  das  bruehstück  einer  weltbeschreibung  fundgr.  2,  5. 
Z.  F.  D.  A.    IU  36 


562  LÜGENMÄRCHEN. 

der  selbe  lügewaehe 

der  liuget  daz  er  saehe 

üf  den  wölken  varn  einen  sliten 

mit  s6  snelleclichen  siten, 

diu  gelicfae  als  er  flüge.  65 

er  louc  daz  in  ein  esel  züge, 

und  üf  dem  selben  sliten  reit 

siben  frouwen  wol  gekleit; 

die  fuorten  alle  kröne. 

dd  liefen  neben  in  schöne  70 

zwelf  garzüne, 

die  bliesen  busüne; 

die  hörte  man  lüte  hellen. 

guldiner  schellen 

der  hienc  gnuoc  an  dem  sliten.  75 

dar  nach  tusent  ritter  riten 

mit  als  manigem  soume; 

der  lügensere  nam  des  goume 

daz  si  nach  dem  selben  sliten 

allez  üf  den  wölken  riten,  SO 

und  wollen  da  mite  über  mer. 

also  liuget  er  äne  wer. 

er  liuget,  er  siehe  üf  einer  wise 

daz  ein  getwerc  unde  ein  rise, 

die  rungen  einen  halben  tac.  85 

dö  nam  daz  getwerc  einen  sac, 

da  stiez  ez  den  risen  in; 

und  liuget,  ez  liefe  da  mite  hin 

siben  lange  raste, 

und  bant  in  zeinem  aste  90 

üf  ein  boum  wol  tüsent  klafter  hoch. 

daz  getwerc  da  mite  dan  zöch 

und  lie  den  risen  hängen. 

da  was  diu  lüge  ergangen.   • 

er  liuget,  er  saehe  üf  einem  wasen  95 

66.  in  fehlt  in  der  hs.  71.  72.  73.  garzvne  bvsvne  tfte.  ein  räth- 
sei  über  jähr  monate  Wochentage  (vergt.  Reinm.  v.  Zw,  vdH.  2,  21  ia)» 
wird  hier  als  lüge  missverstanden.  86.   hs.  da  91.  einen 

94.  oder  d6? 


LÜGENMÄRCHEN.  563 

striten  einen  wilden  hasen 
xier  bricht  der  Schreiber  ab,  und  folgen  statt  des  übrigen 
P/z  leere  spalte* 

n 

Ein  ander  lacherlich  Lied. 

In  Fraawen  Lobs  Speten  Thon. 

jiederbogen  in  8.  Basel  bei  Joh.  Schröter  1412;  dieverse 
nicht  abgesetzt. 

Eee  ich  auff  Erd  geboren  was, 

vnd  eh  die  Maater  mein  genafs, 

in  einem  Landt  da  hört  ich  'das 

Ein  Esel,  Kn,  die  selben  spitzen  liesen. 

In  einem  alten  schüsselkorb,  5 

dem  waren  weib  vnd  kind  gestorb, 
das  klagt  sich  ein  seges  worb, 
der  bracht  jm  gelt,  vnd  darzu  Kornzinsen. 

Dem  schüsselkorb  ward  wee  zu  einem  kinde, 
ein  hafenräff  ward  gefatter  so  geschwinde,  10 

er  gbar  ein  stal  vol  gutter  feifster  Schaffe, 
defs  frewet  sich  ein  l&re  t&sch, 
ein  bettelsack  ein  maltzen  fläsch, 
ein  ofengabel  in  der  äsch, 
die  kamen  dar  mit  jhren  gespiele  gloffen.  15 

Das  was  ein  dryfiifs  vnd  ein  rost, 
ein  kesselring  gab  jn  gut  trost, 
ein  hechel  ein  armbrost 
die  kamen  dar,  mit  eins  kramers  Hütten. 

Ein  Gumpestfafs  lieff  mit  jn  dar,  20 

ein  spatz  einen  jungen  hund  gebar, 
defs  ward,  ein  Storekennest  gewar, 
es  lieff  auch  dar,  in  eines  Manches  kutten. 

Sie  namen  rat  by  einem  alten  karren, 
wie  sie  allzeit  inri  freuden  solten  harren,  25 

ein  kunckel  vnd  ein  haspel  wurden  gefatter, 
sie  safsen  alle  vmb  das  fewr, 

.   lies  spitzten  linsen:    Hans  Sachs  Remptn.    ausg.  1,  405    fftr  alle 
ürtzweü  Linsen  spitzen  gleich  wie  ein  Kind  bei  einem  Jahr. 

36* 


564  LÜGENMÄRCHEN. 

nun  hörend  fürbafs  abenthewr, 

dazu  kam  ein  öde  scheur, 

ein  kübel  malck  an  einen  dürren  gaiter.  30 

Ich  stund  eine  kleine  weil  darbey, 
ein  lamer  erlieff  drey  Hasen  frey, 
ein  nackender  nam  jms  alle  drey, 
vnnd  stiefs  sie  in  den  busen  behende. 

Das  sah  ein  blinder  stumm  der  sprach,  35 

ein  Igel  einen  baren  stach, 
ein  katz  fieng  meufs  in  einem  bach, 
ein  kuchen  schlug  den  koch  wol  vmb  die  lenden. 

Defs  frewen  sich  häfen  kefsel  vnd  auch  pfanne, 
mit  freuden  dantzt  ein  alt  foter  wane,  40 

ein  kuh  gieng  auff  ein  seil  vber  ein  grabe, 
ein  Esel  sprang  mit  freuden  embor, 
da  dantzt  dort  her  ein  grosse  Mor, 
ein  kalb  das  pfieff  hin  durch  ein  ror, 
ich  mein  nit  das,  kein  man  gesehen  habe. 


in 

Ein  kurlzweiligs  vnd  lächerlichs  Lied,  Vom  Schlauraffen 
Landt,  welchs  das  allerbest  Landt  auff  Erden  ist,  etc. 
Im  Thon :  Wie  man  den  Lindenschmidt  singt.  Getruckt 
im  Jahr  1611. 

Der  schrift  nach  zu  urtheilen  von  Joh.  Schröter  in  Basel 
gedruckt;  die  seilen  nicht  abgesetzt. 

Nvn  boret  zu  vnd  schweiget  still, 

vnd  höret  was  ich  euch  singen  will, 

von  einem  guten  Lande, 

es  blieb  mancher  daheimen  nit, 

wenn  jhm  das  wer  bekandte.  5 

Die  gegend  heist  Schlauraffen  Landt, 
ist  faulen  Leuten  wolbekandt, 
ligt  hinder  einem  Berge, 

6.  Schlauraffe  aus  schlauderaffe  (Seb.  Braut  im  narrensch\ff  schluder- 
äffe)  wie  mundartlich  schlauren  aus  schlauderu  schludern  nachlöftq 
arbeiten,  faulenzen. 


LÜGENMÄRCHEN.  m 

derselb  ist  nichts  den  lauter  Dreck, 

wer  nein  will  mnfs  die  zwerche.  10 

Sich  beissen  durch  den  Berg  hinaufs, 
gantzer  drey  Meiln,  vnnd  wenn  er  naufs, 
kompt  rede  ichs  ohn  schaden, 
da  sein  alle  Häuser  gedeckt, 
mit  eytel  Eyerfladen.  15 

Welche  M&gd  oder  Geselln, 
dii's  Lands  Ort  gemessen  wölln, 
mögen  sich  dahin  verfügen, 
wenn  man  die  Dächer  brichet  ab 
haben  sie  Fladen  mit  genügen.  20 

Thür  vnd  die  Wand  das  gantze  haufs, 
ist  gut  Leckkuchen  vberanfs, 
die  TrAm  mit  Schweinen  Braten, 
kaufft  einer  dort  ein  pfenning  werth, 
hie  gilts  einen  Ducaten.  25 

Vmb  jedes  haufs  so  ist  ein  zäun, 
geflochten  von  bratwärsten  braun, 
resch  gebraten  frisch  gesotten, 
es  mag  sie  essen  wer  da  will, 
sein  niemand  nicht  verbotten.  30 

All  Brunnen  voll  Malvasier  da  sein, 
rinnen  eim  selbst  ins  Maul  hinein, 
vnd  andere  süsse  Weine, 
vnd  wer  sie  gerne  trincken  thut, . 
der  mach  sich  bald  hineine.  35 

Die  Fisch  wol  auff  dem  wasser  gähn, 
gebacken,  gebraten,  gesotten  schon, 
bey  dem  Gestad  gar  nahen, 
vnd  gehen  auff  das  Land  heraufs, 
lafsen  sich  gerne  fahen.  40 

Auch  liegen  vmb  mAcht  jbr  glauben, 
gebratne  Vögel,  G&nfs  und  Tauben, 
vnnd  wer  da  ist  so  faule, 
der  sie  da  wolte  fahen  nit, 
dem  fliegen  sie  selbs  ms  Ifaale»  45 

Die  Säw  all  Jahr  gar  wol  gerahten, 

1,  lies  Art 


966  LÜGENMÄRCHEIN. 

lauffen  beramb  vnnd  sein  gebraten, 

tragen  Messer  im  Rocken, 

damit  keiner  gesaumet  werd, 

das  jeder  schneid  ein  stücke.  50 

Die  Creutzkäfs  wachsen  wie  die  stein, 
im  gantzen  Lande  grob  und  klein, 
das  mag  ein  jeder  glanben, 
die  stein  sein  all  zu  essen  gut, 
sein  lauter  Karpffen  vnd  Tauben.  55 

Feilt  im  Sommer  ein  Wetter  ein, 
so  regnets  lauter  Honig  fein, 
alle  die  gerne  schlecken, 
die  lauffen  in  das  Land  hineyn,   - 
da  haben  sie  zu  lecken.  60 

Im  Winter  wenn  es  schneyen  tbut, 
schneyt  es  lauter  Zucker  gut, 
gute  Rosin  vnd  Mandel, 
vnnd  wer  sie  gerne  essen  thut, 
der  hat  ein  gnten  Handel.  65 

Auff  den  Thannen  wachsen  Karpffen, 
wie  hie  zu  Landt  die  Thannzapffen, 
auff  Fiechten  wachsen  Schnitten, 
auch  thut  man  von  Birckenb&umen, 
gute  Speckkuchen  schütten.  70 

Auff  Weydenb&umen  weckst  auch  frey, 
frisch  Semmel  vnd  Löffel  darbey, 
darunder  Milchbäch  fliessen, 
die  fallen  selbs  in  Milchbach  nein, 
das  jeder  kan  gemessen.  75 

Liederlichs  Gsind,  faul  Megd  und  Knecht, 
sein  in  das  Land  gar  eben  recht, 
wol  auff  Greüein  vnd  Staffel, 
macht  euch  zu  dem  Milchbach  hinein, 
mit  ewerm  grossen  Löffel.  80 

Wer  Rofls  hat  wird  ein  reicher  Meyer, 
sie  legen  grosse  Körb  voll  Eyer, 
gar  manchen  grossen  hauffen, 

55.  66.  lies  Krapffen 


LÜGENMÄRCHEN.  567 

tausendt  man  vmb  einen  pfennig  gibt, 

noch  will  sie  niemand  kauffen.  85 

Aufs  Eseln  schütt  man  Feigen  gut, 
auch  wer  sechs  grosse  Gröltzer  thut, 
bekompt  sieben  batzen  zware, 
vnnd  welcher  auch  nicht  gerne  zahlt, 
wenn  die  Schuldt  alt  wird  ein  Jahre.  90 

So  mufs  jhm  sein  Glaubiger  eben, 
noch  so  viel  Gelts  darzu  geben, 
solch  freyheit  hat  ein  jeder, 
vnd  welcher  da  sein  Gelt  verspielt, 
dem  gibt  mans  zwifach  wider.  95 

Ein  furtz  gilt  auch  von  jederman, 
ein  batzen  wer  nur  wol  fartzen  kan, 
darff  da  vmbsönst  nichts  thone, 
vnd  der  ein  grosse  Lügen  thut, 
der  hat  all  mal  ein  Kronen.  100 

Hie  leuget  mancher  viel  vmbsönst, 
dort  helt  mans  für  die  beste  kunst, 
all  die  wol  können  liegen, 
die  auch  darvon  nit  werden  rot, 
thun  ins  Land  all  wol  tügen.  105 

Es  hat  grofs  Walde  in  dem  Land, 
darinnen  wächst  das  best  Gewandt, 
Rock,  Mäntel  vnd  auch  Schauben, 
Wammes  vnd  Hosen  auch  darbey, 
da  mag  jm  einer  raufs  klauben.  HO 

Darzu  wächst  auff  der  wilden  Heyden, 
Damascht,  Sammet  vnd  genede  Seiden, 
darzu  gut  Englisch  Thuche, 
auff  den  standen  da  wachsen  auch  Hut, 
Süffel  vnd  gute  Schuhe.  '  115 

Das  Land  hat  M&rckt  vnd  freyheit  viel, 
und  der  sein  weib  nicht  haben  will, 
mag  sie  vertauschen  eben, 
man  gibt  jm  eine  junge  darfür, 
vnd  gibt  jhm  gnug  darneben.  120 

Das  Land  hat  auch  ein  gute  gnad, 
es  hat  darinn  ein  warmes  Bad, 


568  LÜGENMÄRCHEN. 

das  ist  von  grosser  Kräfte, 
alte  Leut  die  baden  darum, 
die  werden  jung  geschaffen.  125 

Welcher  ein  alte  Frawe  hat, 
der  schick  sie  auch  mit  in  das  Bad, 
sie  badet  kaum  drey  Tage, 
so  wird  daraufs  ein  M&ydlein  jung, 
vngfehr  bey  achtzehen  Jahren«  130 

Der  am  weitsten  schiest  von  dem  Ziel, 
der  gwint  das  best,  hie  seind  jr  viel, 
die  weit  neben  aufsschiessen, 
zügen  sie  in  das  Land  hinein, 
da  würden  sies  gemessen.  135 

Im  Landt  ists  Geldt  zu  gewinnen  gut, 
sonderlich  wer  viel  schlaffen  thnt, 
hat  von  der  stund  einen  batzen, 
da  kan  er  sein  Gelt  mit  schlaffen  verdienen, 
hie  mufs  er  sehr  drumb  kratzen.  140 

Welche  da  grosse  Trincker  seyn, 
haben  vmbsonst  den  besten  Wein, 
darzu  ein  guten  Lohne, 
von  jedem  Trunck  drey  batzen  bar, 
gibt  man  Frawen  vnd  Manne.  145 

Wer  gerne  arbeit  mit  der  hand, 
dem  verbeut  man  das  gantze  Land, 
vnnd  der  nichts  guts  will  lernen, 
der  das  b6fs  thut,  vnnd  lest  das  gut, 
den  helt  man  in  hohen  Ehren.  150 

Wer  dölpisch  ist  vnd  gar  nichts  kan, 
der  ist  im  Land  ein  Edelman, 
vnd  der  nichts  kan  als  schlaffen, 
essen,  trincken,'  tantzen  vnnd  spielen, 
der  wird  zu  einem  Graffen.  155 

Wer  der  aDerfeulst  wird  erkannt, 
ist  k6nig  vber  das  gantze  Landt, 
er  hat  ein  grols  einkommen, 
def8  Landes  art  vnd  eygenschaft, 
habt  jhr  also  vernommen.  160 

Der  sich  will  machen  auff  die  Reifs, 


LÜGENMÄRCHEN.  569 

vnd  der  selber  den  weg  nicht  weife, 
der  mag  einen  Blinden  fragen, 
ein  Stumm  der  ist  auch  gut  darzu, 
thut  jhm  nicht  vnrecht  sagen.  165 

.  Solchs  ist  der  faulen  Zunfft  erdacht, 
weil  mussiggang  nie  guts  hat  bracht, 
darmit  zu  fexiern  vnd  straffen, 
die  lieber  hunger  leiden  denn  arbeiten, 
das  mans  weifs  ins  Landt  Schlauraffen.  170 

ENDE. 
Nach  einer  andern,  vielfältig  abweichenden  recension  ge- 
druckt in  den  altd.  bL  1,  168  ff.  unser  text  hat  manches  vor- 
aus, z.  b.  69  ff.  den  hübschen  zug  dafs  gerade  an  birken  und 
weiden ,  an  den  bäumen  also  von  toelchen  man  sonst  ruthen 
schneidet,  hier  so  gute  dinge  wachsen  wie  Speckkuchen  sem- 
mel  und  löffel  dazu,  und  die  milchbäche  darunter  hinfliefsen. 

WJLH.  WACKERNAGEL. 


WAR  DIE   EIDE? 

Ich  bin  verschiedentlich  nach  dem  wortsinn  des  Spruchs  den 
ich  einer  schritt  vorgesetzt  habe  gefragt  worden  5  so  wenig  ver- 
breitet ist  die  künde  unserer  alten  spräche  dafs  leser  an  der 
partikel  war  anstofs  nahmen  denen  ein  homerisches  ny  ver- 
ständlich gewesen  wäre,  mich  zieht  es  an  wahrzunehmen  wie 
nahe  in  solchen  ausbrächen  des  gefühls  die  griechische  poesie 
zu  der  deutschen  stimmt  und  das  menschliche  herz  von  selbst 
ewige  formein  findet,  war  sint  die  eide  komen?  Nib.  562,  3 
wird  auch  Hol.  76,  12  ausgedrückt  wäre  chömen  die  eide  di  si 
mir  swuoren?  bei  Homer  steht  das  futurum,  mj  drj  avv&taiai  ts 
xai  'Öqhlol  ßr}(jttai  t}fuv ;  U.  2,  339,  jenes  ny  h'ßav  OQXca;  wird 
aber  durch  nrj  i'ßav  evxtokai;  II.  8,  229  nachgewiesen,  ebenso 
Tiov  tol  anedai;  II.  20,  83  und  nov  rot,  anetkal  ofyoirrtt;  II.  13, 
219  und  nrj  örj  rot  iiivoq  otyiTtu,;  II.  5,  472;  war  körnen  dine 
sinne?  Nib.  784,  1.  nicht  anders  bei  Äschylus  Choeph.  900 
nov  dij  r«  Xomä  Ao^iov  (lavtevfjuxta  xä  nv&QXQriata,  mozä  d* 
evoQudfJiata;  JAC.  GRIMM. 


570 


AUS   STRASSBURG. 


Während  ich  der  sehnten  Sitzung  des  wifsenschaftlichen 
congresses  von  Frankreich  zu  Strqfsburg  beiwohnte  theilte  mir 
herr  bibliothecar  und  professor  dr  Jung  in  cod.  Joh.  A.  148. 
4°.  perg.  12  jh.  (bl.  lb  auszüge  aus  homilien  u.  s.  w.)  fol- 
gende anweisung  den  ostercyclus  zu  finden  mit.  bl.  1*.  Wil 
dv  wizzin.  wie  vil  sie  vnd'rzwishen.  |  winnahten  vnde  vastvn.» 
sonim  disi  zale.  |  And'mi  ärstin  iäre.  sint  nivn  wochin.  An-J 
de  |  mi  and'rn  iäre  sibin  wochin.  And'me  drittin  |  zehine. 
And'mi  vierd'n  iäre  nivn  wochin.  |  And* mi  fivnflin  sehsi.  And  mi 
sehstin  nivne.  |  And'mi  sibindin  ahtowe.  And'mi  ahtod'n  iäre) 
einlive.  And'mi  nivnd'n  iare  nivn  wochin.  |  And'mi  zehind'n 
iare  sibin  wochin.  And'mi  ein  |  liftin  iäre  cehin  wochin.  And'mi 
zwelftin  iäre  ]  ahte  wochin.  And'mi  dricehind'n  iäre  sibine.| 
And'mi  vier  cehend'n  iäre  cehin  wochin.  An  |  demi  fivnf  ce- 
hend'n  iäre  ahtowe.  And'mi  seh  |  cehind'n  iäre  sibine.  And'mi 
sibincehind'n  iäre  |  nivn  wochin.  And'mi  ahtcehind'n  iäre  ahte| 
wochin.  And'mi  nivncehind'n  iäre  ahte  |  wochin.  And'mi  nivn- 
cehind'n  iäre  einlif  wo  |  chin.  Bihaltist  dv  die  zale.  d'r  nivn- 
cehin  |  iäre.  so  ver  irrost  dv  nimir  zeware. 

Bei  diesem  anlqfse  berichtige  ich  in  der  nachricht  über  die 
merkwürdige  Vorauer  hs.  (oben  s.  223^.)  einige  unangeneh- 
me druckfehler.  s.  223  z.  18  lies  1158.  20  Aq.  5  v.  u. 
zweite  spalte  gotes  1  v.  u.  iuh  (statt  ech)  s.  227 

z.  9  lies  1157  (?). 

Aus  wahrem  inneren  bedürfhisse  aber  benutze  ich  zugleich 
die  gelegenheit  zu  der  erklärung  dafs  nicht  nur  das  verdienst 
die  Vorauer  handschrift  gefunden  und  in  ihrem  werthe  er- 
kannt zu  haben  herrn  scriptor  Joseph  Diemer  an  der  k.  k. 
Universitätsbibliothek  jetzt  zu  Wien  gebührt,  sondern  auch 
die  fast  durchgängig  wörtlich  von  mir  beibehaltene  Schilde- 
rung ihres  einzelnen  Inhaltes  in  jener  von  mir  unterzeichne- 
ten anzeige,  ichfügtenur  die  s.  223 — 225  gegebene  genauere 
vergleichung  der  Heidelberger  u.  s.  w.  hdschr.  der  kaiser- 
chronik  ein.  übrigens  war  nicht  dieses  der  grund  warum  ich 
meinen  namen  darunter  setzte,  sondern  ein  mit  der  ort  wie 
mir  die  ganze  Schilderung  des  fundes  zu  handen  kam  eng  zu- 
sammenhängender, was  aber  beides  hier  nicht  räum  rauben 


AUS  STRASSBÜRG.  571 

soll,  den  ich,  außer  der  bemerkung  dafs  die  ganze  erste  no~ 
tiz  über  den  erfreulichen  find  ursprünglich  vom  verfq/ser 
gar  nicht  für  diese  toifsenschaftliche  zeitschrift9  sondern  für 
die  Augsburger  allgemeine  zeitung  bestimmt  war,  lieber  noch 
dazu  benutze  herrn  scriptor  Diemer  schon  jetzt  für  die  edle 
bereitwilligkeit  zu  danken  mit  welcher  er  mir  zur  endlich 
bevorstehenden  herausgäbe  der  kaiserchronik  den  Vorauer 
höchst  wichtigen  text  bereits  weiter  hinein  so  sauber  als  sach- 
kundig abgeschrieben  hat*  seiner  zeit  darüber  das  nähere. 

H.  F.  MASSMANN. 


•• 


NACHTRAGE   UND  BERICHTIGUNGEN. 

zum  ersten  bände. 

s.  373  in  einer  niederdeutschen  Übersetzung  des  buches  Über  AUxandri 
M.  regit  Macedoniae  (s.  Droysen  gesch.  des  hellen  ismus  1,  715) 
heifst  es  zu  den  Worten  in  throno  erant  imagines  in  quibus  erant 
scripti  versus  graecis  iiteris  et  latinis  nomina  omnium  provin- 
darum  quae  serviebant  Alexandro  —  myt  G rekscher,  Jodischer  vnde 
Latinseher  bokstauen.  das  gemahnt  an  Tacitus  Germania  3  mo- 
numentaque  et  tumulos  quosdam  graecis  Iiteris  inscripios,  wo  der 
codex  Neap.  (Farnesianus)  am  rande  monumta  in  cqfinio  germa- 
nie  getis  iscripta  litteris  liest.  H.  F.  MASSMANN. 

411  z.  13  v.  u.  —  416  z.  17  ist  später  aus  derselben  Münchener  hs. 
gedruckt  erschienen  in  Kellers  ausgäbe  der  deutschen  gesta  Romanorum 
s.  155  ff.  eine  ältere  abfafeung  derselben  erzählung  steht  im  an- 
hange  der  fabeln  aus  den  zeiten  der  minnesinger  (Zürich  1757) 
s.  255  ff. 

503  v.  2328.  eiden  ist  nicht  anzutasten,     ahd.  egida  die  egge« 

zum  zweiten  bände. 

s.  216  z.  4  v«  u.  ein  reagens  wurde  von  mir  nicht  angewendet]  zu  die- 
ser bemerkung  des  hn  professor  Marsmann  fügt  herr  von  Karajan 
die  erklärung  dafs  noch  ehe  diese  blätter  der  k.  k.  hofbibliothelc. 
übergeben  worden,  aber  nach  ihrem  abdrucke  in  der  frühlingsgabe, 
von  einem  anderen  gallapfeltinctur  angewandt  worden  sei  und  dafs 
diese  bekanntlich  erst  nach  jähr  und  tag  ihre  rechte  würkung  zeige. 

232  z.  20  l.  fyiyotiai. 

269  ff.  die  starke  flexion  des  nomens  zeigt  in  erster  declination  kein 
i  auTser  dem  goth.  gen.  -is,  der  ahd.  schon  zu  -es,  alts.  sogar 
mitunter  zu  -as  geworden  ist;  man  wird  also  von  wec  nur  weges, 
kein  wiges  (golh.  vigis)  erwarten  dürfen,  aber  in  schwacher  form 
war  dem  gen.  und  dat.  ahd.  -in  geblieben,  wie  goth.  -ins  und  -in 
gelten ;  hier  könnte  von  pero  kepo  komo  volo  ein  gen.  und  dat. 
pirin  kipin  kumin  vulin  eintreten,  wofür  ich  keinen  beleg  kenne; 
bald  verdünnt  sich  auch  -inzu-en.  unorganisch  wird  das  i  der  flexion 
nicht  sein,  obgleich  ags.  -an  und  selbst  altn.  -a  stattfinden,  da,  frei- 


572  NACHTRÄGE  UND  BERICHTIGUNGEN. 

lieh  nur  ausnahmsweise,  umlaut  des  a  durch  ahd.  -in  bewürkt  ist, 
wie  der  dat.  henin  gallo  lehrt,  für  den  jedoch  meistentheils  hanin 
vorkommt,  das  i  war  also  frühe  hier  seiner  kraft  beraubt,  ganz  un- 
wirksam erscheint  das  schwache  weibliche  ü  in  bezug  auf  i  und  u 
der  wurzel ;  man  findet  immer  cheld  chelun,  sce'ltd  sceltun,  hosd  ho- 
sten, während  dasselbe  ü  (oder  mag  es  schon  verkürzt  u  sein)  altn. 
allgemein  a  in  ö  wandelt,  amma  Ömmü,  aska  öskü.  umgekehrt  ha- 
ben die  ahd.  Wörter  £i7<?mamma,  pipa  tremor  überall  i  bewahrt,  d.h. 
auch  im  nom.  sg.  kein  e  angenommen,  noch  besondere  aufmerksam- 
keit  verdient  das  -u  oder  -iu  der  ahd.  nom.  sg.  fem.  und  nom.  acc. 
pl.  neutr.;  denn  zwar  neben  kerdr  holer  wird  nicht  kiriu  huliu  gebil- 
gebildet,  doch  neben  deser  allerdings  disiu  disu,  was  sich  wiederum 
der  ausnähme  ellu  elliu  von  aller  an  die  seite  setzen  läfst,  da  die  re- 
gel  smalär  smaiu,  klattfr  klatu  weist,  nämlich  ellu  wäre  spur  eines 
alten  umlauts  des  a  durch  u  und  gliche  dem  altn.  oll,  das  sich  zu  al- 
Ur  allaz  verhielte  wie  disu  zu  deser  desaz.  JAG.  GRIMM. 

s.  300  z.  20  ff.  ungeachtet  die  malbergische  glosse  im  Verhältnis  zu  den 
keltischen  noch  lebendigen  dialecten  die  lautstufe  des  gäUschen  hält, 
dient  doch  in  vielen  fällen  das  wälsche  zu  ihrer  erklärung,  wie  ich, 
seit  ich  diese  mundart  in  den  bereich  meiner  Studien  gezogen,  deut- 
lich erkannt  habe,  die  erscheinung  erläutert  sich  einfach  dadurch 
dafs  von  dem  allen  wortvorrathe  der  keltischen  sprachen  manche 
Wörter  im  gälischen  nicht,  aber  im  wälschen  gehaftet  haben,  dahin 
gehört  das  wälsche  maen  der  stein,  zwar  scheint  das  gälische  mein 
und  men  und  mian  (metall,  bergwerk,  mine)  damit  verwandt,  aber 
unmittelbar  hat  sich  das  wort  gäliscb  nicht  gehalten,  dem  wälschen 
toi  decken,  überdecken,  überdachen,  wovon  toad  das  dach",  und 
toatvl  (adj.)  dachartig,  abgeleitet  sind,  entspricht  nach  regelrechter 
lautverschiebung  gälisches  tugh  (spr.  thuj),  wofür  aber  tubh  (spr. 
thuw)  gewöhnlicher  gebraucht  wird,  decken,  bedachen,  nun  finden 
sich  aus  diesen  Wörtern,  mit  der  no Inwendig  eintretenden  Schwä- 
chung des  anlautenden  consonanten  des  zweiten  Wortes  zusammen- 
gesetzt, im  wälschen  noch  die  Wörter  maendoad  steindecke,  stein- 
dach, und  maendoawl  steindachartig ;  da  haben  wir  fast  buchstäblich 
das  malbergische  wort  mandoado  und  das  latinisierte  mandualis,  die 
ich  früher  falsch  aus  mam  der  hügel,  undrdual  der  rand,  die  einfa- 
feung  (hügeleinfafaung)  zu  erklären  suchte,  weil  ich  glaubte  nur  gäli- 
sche Wörter  zur  erklärung  herbeiziehen  zu  dürfen,  in  ähnlicher  weise 
greift  noch  vielfach  bei  erläuterung  der  malbergischen  glosse  der 
wälsche  dialect  unterstützend  ein.  so  brauchte  ich  weiter  oben  bei 
der  erklärung  der  glosse  traslö  (s.  160)  das  der  form  nach  schon  fer- 
ner liegende  gälische  laogh  (spr.  loh)  das  kalb,  während  das  wälsche 
geradezu  dasselbe  wort  lo,  das  kalb,  hat.  H.  LEO. 

373  s.  3  1.  der  geschäft  ze  lotte. 

382  z.  4  und  18.  herr  professor  Lacbmann  macht  mich  darauf  aufmerk- 
sam dafs  er  gedähte  wie  er  Waten  und  wis  willekömen  Wate  mit 
einsilbigem  Wate  in  der  cäsur  sehr  anstöfsig  sei  (zu  den  Nib.  118,2), 
dagegen  untadelhaft  er  ddhte  wie  er  Waten  und  willekömen,  Wate. 
also  wird  451,  3  (1805)  das  rechte  sein  sich  hete  her  Wate  gesürnet 
ndch  ze  lange  und  574,  2  (2296)  ist  den  enphalch  er  Waten,  er  zoch 
daz  kindelin  nicht  zu  verändern. 


573 


INHALT. 

Allerhand  zu  Gudrun,  von  Jacob  Grimm s.  1 

Sioza,   von  demselben -  5 

Buch  der  rügen,  herausgegeben  von  Th.  von  Karajan -  6 

Sanct  Oswalds  leben,   herausgegeben  von  Franz  Pfeiffer -  92 

Biblische  geschiente,  von  Marsmann -  130 

Einiges  zur  lex  salica,    von  H.  Leo -  158 

Ghrenechruda,  von  demselben -  163 

Aurea  fabrica,    herausgegeben  von  H.  Leyser -  168 

Zu  Bertolts  Crane,   von  Wh.  Müller -  176 

Zum  Twein -  187 

Zu  den  Merseburger  gedienten,    von  Jacob  Grimm -  188 

Grede  mihi,  von  demselben -  191 

Das  -er  örtlicher  appellative  unadjeetivisch,   von  demselben....  -  191 

Frau  kein  wildes  thier,  von   demselben -  192 

Marienlied,  herausgegeben  von  Benecke -  193 

Gotthica  mioora,   von  Mafsmann -  199 

Erfurter  glossen,  herausgegeben  von  Waitz -  204 

Bonus,  herausgegeben  von  Haupt -  208 

Walther  und  Hildegunde,   herausgegeben  von  Mafsmann -  216 

Gedichte  des  12n  jh.  zu  Vorau  in  d.  Steiermark,  von  demselben  -  223 

Predigtbruchstück,  herausgegeben  von  Dietrich -  227 

Über  die  bedeutung  des  namens  Ziu,  von  A.  Kuhn -  231 

Über  die  geschichtl.  grundlage  des  gr.  Rudolf,  von  H.  v.  Sybel  -  235 

Witege  mit  dem  slangen,  von  Wilhelm  Grimm -  248 

Schon  mehr  über  Phol,  von  Jacob  Grimm -  252 

Die  ungleichen  kinder  Evas,    von  demselben -  257 

Über  umlaut  und  brechung,    von  demselben -  268 

Vorausgestellte  genitive,  von  demselben -  275 

Beschreibung  einer  Zerbster  procession  vom  j.  1507,  herausge- 
geben von  Fr.  Sintenis -  276- 

Zur  lex  Salica,  von  H.  Leo -  297 

Mittelniederländisches  osterspiel,    herausgeg.  v.  Julius  Zacher.  -  302 

Mittelniederländische  predigten,  herausgeg.  von  demselben -  350 

Ein  märeben  aus  der  Oberlausitz,   von  Haupt -  358 

Laubächer  Barlaam -  361 

Buridan  und  die  kb'nigin  von  Frankreich,    von  H.  Leyser -  362 

Zu~  Silvester,   von  Wilhelm  Grimm -  371 

Wate,   von  Haupt -  380 


*»v  *  ■-.  -^ 


574  INHALT. 

Die  gute  frau,  herausgegeben  von  B.  Sommer Jt  *.  SS5 

Bin  märchen  ans  der  Oberlausitx,  von  Haupt .  431 

Gregoriua,   herausgegeben  von  Sehmeiler -  486 

Zar  lex  Saliea,   von  H.  Leo...... -  500 

Die  altdeutsche  stammsage  bei  den  Schotten,  von  demselben...  533 

Der  ssslden  tor,  von  Wilh.  Wackernagel .  535 

In  den  wald  wünschen,   von  demselben .  537 

Zwölf  Schwerter  und  neun  herzen,  von  demselben -  540 

Theilen,  theilen  und  wählen,  theilen  und  kiesen,  von  demselben  -  542 

Verlöbnis  und  tranung,   von  demselben -  543 

F.  H.  TH,  von  demselben -  555 

Drei  lägenmarchen,    herausgegeben  von  demselben -  560 

War  diecide?  von  Jacob  Grimm -  569 

Ans  Strafsburg,  von  Marsmann . -  570 

Nachträge  und  berichtignngen -  571 


DRÜCK  VON  BREITKOPF  UND  HÄRTEL  IN  LEIPZIG. 


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